Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Die künftigen Grenzen Deutsch-Desterreichs Abstimmung zu erwarten wäre, nun aber immer zweifelhafter wird -- so kommt Wie ist nun dies Gebiet begrenzt? Für Tirol sind^le Bestimmungen Wurde die Naturgrenze der Karawanken nicht beachtet, so noch weniger Die künftigen Grenzen Deutsch-Desterreichs Abstimmung zu erwarten wäre, nun aber immer zweifelhafter wird — so kommt Wie ist nun dies Gebiet begrenzt? Für Tirol sind^le Bestimmungen Wurde die Naturgrenze der Karawanken nicht beachtet, so noch weniger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336377"/> <fw type="header" place="top"> Die künftigen Grenzen Deutsch-Desterreichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_281" prev="#ID_280"> Abstimmung zu erwarten wäre, nun aber immer zweifelhafter wird — so kommt<lb/> das engere Klagenfurter Gebiet ohne weiteres zu unserem Staat; andernfalls<lb/> wird auch hier abgestimmt. Es handelt sich um 329 Quadratkilometer mit<lb/> 68 600, Einwohnern, davon find gegen SO 600 Deutsche. Günstigenfalls kann<lb/> also der deutsche Südoststaat auf rund 84 000 Quadratkilometer mit 6,7<lb/> Millionen Einwohnern kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_282"> Wie ist nun dies Gebiet begrenzt? Für Tirol sind^le Bestimmungen<lb/> vom 2. Juni unverändert geblieben. Grenze ist die adriatische Wasser¬<lb/> scheide im ganzen, aber an dem Neschenpaß wird ein kleiner Teil des<lb/> Jnnaebiets, beim Toblacher Feld das nicht unerhebliche oberste Draugebiet<lb/> zu Italien geschlagen, das dadurch das Sextental und einen leichteren<lb/> Zugang nach Kürnten von Westen her bekommt. Nordtirol und Südosttirol<lb/> werden dadurch völlig voneinander gerissen; letzteres, das Gebiet von Lienz,<lb/> wird sich wohl an Kärnten anschließen müssen. Das geographisch so einheitliche<lb/> Kürnten wird zwischen drei Staaten geteilt, die Karawankenmauer in seinem<lb/> Süden soll ihren jahrhundertalten Charakter als Grenzmauer verlieren. Italien<lb/> greift im Kanaltal längs der Pontebbebahn ins Draugebiet bis an den Eingang<lb/> des Klagenfurter Beckens bei Thörl ein, beherrscht also den bei Osterreich<lb/> bleibenden westlichen Teil des Beckens mit Vliland durch seine Geschütze. Das<lb/> teilweise slowenische Galiläi bleibt bei Osterreich. Die Ansprüche des Süd¬<lb/> slawenstaats auf kärtnerisches Gebiet waren Gegenstand vieler Erörterungen.<lb/> Der Vertrag vom 2. Juni sprach ihm den ganzen Südosten des Landes mit<lb/> Klagenfurt und Völkermarkt zu bis zu einer an einzelne Berge und meist an<lb/> Bezirksgrenzen gelehnten, im besonderen noch zu bestimmenden Linie, welche<lb/> die äußersten slowenischen Vorposten verband, und damit etwas mehr Deutsche<lb/> als Slowenen. Dazu kam ein auf Volksabstimmung bezüglicher Vorbehalt,<lb/> über den man sich aber nicht einigen konnte, der daher noch nicht mitgeteilt<lb/> .wurde. Die Kärntner verlangten Volksabstimmung nach vier Gebieten unter<lb/> neutraler Aufsicht und nach vollzogener Räumung durch die jugoslawischen<lb/> „Eroberer". Der endgültige Vertrag brachte aber eine Dreiteilung. Der fast<lb/> rein slowenische südöstlichste Teil, also das Mießgebiet mit den Bleibergwerken<lb/> und das Drautal unterhalb der Lavantmündung fällt ohne weiteres an den<lb/> Südslawenstaat. Im Größten des in Frage stehenden Gebiets mit Völkermarkt<lb/> soll eine Volksabstimmung innerhalb dreier Monate, aber unter südslawischer<lb/> Besetzung und Verwaltung stattfinden. Je nach ihrem Ausgang findet eine<lb/> solche höchstens drei Wochen später im Klagenfurter Gebiet im engeren Sinne<lb/> statt oder fällt dieses ohne weiteres an Osterreich, wie wir schon darlegten.<lb/> Dieses Gebiet ist so umschrieben, daß die Grenze vor den Toren der Stadt liegt<lb/> und diese von ihrer Wasserleitung abschneidet. Sie ist wesentlich durch Gewässer,<lb/> nämlich Wörthe^rsee. Glanfurt, Glan und Gurk bestimmt. Wie immer das<lb/> Ergebnis ausfällt, ist das Becken von Osten her den Südslawen ebenso schutzlos<lb/> Preisgegeben, wie von Westen den Italienern. Eine wirtschaftliche Einheit<lb/> wird zerrissen, der Ausgang des Lavanttals von einer Grenze abgeschnitten, die<lb/> Südbahnlinie im südalpinen Längstalzug in ein italienisches, deutsch-österreichisches<lb/> und südslawisches - Stück zerrissen. Die von Norden kommenden Bahnen enden<lb/> blind, in Kärnten, wie in Steiermark und am Brenner, ohne eine inländische<lb/> Verbindung. Der gegenseitige Verkehr der südlichen Länder Deutsch-Österreichs<lb/> liegt in der Hand der Nachbarstaaten.</p><lb/> <p xml:id="ID_283" next="#ID_284"> Wurde die Naturgrenze der Karawanken nicht beachtet, so noch weniger<lb/> ihre Fortsetzung, der Weitensteiner Zug, der Steiermark eine gute Südgrenze<lb/> gäbe. Man hatte keine Aussicht, ihn zu behaupten, hoffte aber die Verkehrs-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Die künftigen Grenzen Deutsch-Desterreichs
Abstimmung zu erwarten wäre, nun aber immer zweifelhafter wird — so kommt
das engere Klagenfurter Gebiet ohne weiteres zu unserem Staat; andernfalls
wird auch hier abgestimmt. Es handelt sich um 329 Quadratkilometer mit
68 600, Einwohnern, davon find gegen SO 600 Deutsche. Günstigenfalls kann
also der deutsche Südoststaat auf rund 84 000 Quadratkilometer mit 6,7
Millionen Einwohnern kommen.
Wie ist nun dies Gebiet begrenzt? Für Tirol sind^le Bestimmungen
vom 2. Juni unverändert geblieben. Grenze ist die adriatische Wasser¬
scheide im ganzen, aber an dem Neschenpaß wird ein kleiner Teil des
Jnnaebiets, beim Toblacher Feld das nicht unerhebliche oberste Draugebiet
zu Italien geschlagen, das dadurch das Sextental und einen leichteren
Zugang nach Kürnten von Westen her bekommt. Nordtirol und Südosttirol
werden dadurch völlig voneinander gerissen; letzteres, das Gebiet von Lienz,
wird sich wohl an Kärnten anschließen müssen. Das geographisch so einheitliche
Kürnten wird zwischen drei Staaten geteilt, die Karawankenmauer in seinem
Süden soll ihren jahrhundertalten Charakter als Grenzmauer verlieren. Italien
greift im Kanaltal längs der Pontebbebahn ins Draugebiet bis an den Eingang
des Klagenfurter Beckens bei Thörl ein, beherrscht also den bei Osterreich
bleibenden westlichen Teil des Beckens mit Vliland durch seine Geschütze. Das
teilweise slowenische Galiläi bleibt bei Osterreich. Die Ansprüche des Süd¬
slawenstaats auf kärtnerisches Gebiet waren Gegenstand vieler Erörterungen.
Der Vertrag vom 2. Juni sprach ihm den ganzen Südosten des Landes mit
Klagenfurt und Völkermarkt zu bis zu einer an einzelne Berge und meist an
Bezirksgrenzen gelehnten, im besonderen noch zu bestimmenden Linie, welche
die äußersten slowenischen Vorposten verband, und damit etwas mehr Deutsche
als Slowenen. Dazu kam ein auf Volksabstimmung bezüglicher Vorbehalt,
über den man sich aber nicht einigen konnte, der daher noch nicht mitgeteilt
.wurde. Die Kärntner verlangten Volksabstimmung nach vier Gebieten unter
neutraler Aufsicht und nach vollzogener Räumung durch die jugoslawischen
„Eroberer". Der endgültige Vertrag brachte aber eine Dreiteilung. Der fast
rein slowenische südöstlichste Teil, also das Mießgebiet mit den Bleibergwerken
und das Drautal unterhalb der Lavantmündung fällt ohne weiteres an den
Südslawenstaat. Im Größten des in Frage stehenden Gebiets mit Völkermarkt
soll eine Volksabstimmung innerhalb dreier Monate, aber unter südslawischer
Besetzung und Verwaltung stattfinden. Je nach ihrem Ausgang findet eine
solche höchstens drei Wochen später im Klagenfurter Gebiet im engeren Sinne
statt oder fällt dieses ohne weiteres an Osterreich, wie wir schon darlegten.
Dieses Gebiet ist so umschrieben, daß die Grenze vor den Toren der Stadt liegt
und diese von ihrer Wasserleitung abschneidet. Sie ist wesentlich durch Gewässer,
nämlich Wörthe^rsee. Glanfurt, Glan und Gurk bestimmt. Wie immer das
Ergebnis ausfällt, ist das Becken von Osten her den Südslawen ebenso schutzlos
Preisgegeben, wie von Westen den Italienern. Eine wirtschaftliche Einheit
wird zerrissen, der Ausgang des Lavanttals von einer Grenze abgeschnitten, die
Südbahnlinie im südalpinen Längstalzug in ein italienisches, deutsch-österreichisches
und südslawisches - Stück zerrissen. Die von Norden kommenden Bahnen enden
blind, in Kärnten, wie in Steiermark und am Brenner, ohne eine inländische
Verbindung. Der gegenseitige Verkehr der südlichen Länder Deutsch-Österreichs
liegt in der Hand der Nachbarstaaten.
Wurde die Naturgrenze der Karawanken nicht beachtet, so noch weniger
ihre Fortsetzung, der Weitensteiner Zug, der Steiermark eine gute Südgrenze
gäbe. Man hatte keine Aussicht, ihn zu behaupten, hoffte aber die Verkehrs-
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