Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Die künftigen Grenzen Deutsch-Oesterreichs 23. September veröffentlichten Vortrage darüber folgendermaßen ausgesprochen: Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht den von mir ausgesprochenen Die künftigen Grenzen Deutsch-Oesterreichs 23. September veröffentlichten Vortrage darüber folgendermaßen ausgesprochen: Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht den von mir ausgesprochenen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336374"/> <fw type="header" place="top"> Die künftigen Grenzen Deutsch-Oesterreichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_274" prev="#ID_273"> 23. September veröffentlichten Vortrage darüber folgendermaßen ausgesprochen:<lb/> „Da ist es am Platze, eines Mannes zu gedenken, der uns unschätzbare Dienste<lb/> leistete, des Generals stallr.....stallr war es, der den Pestkordon<lb/> durchbrochen hat. der uns umgeben hatte. Er hat dafür gesorgt, daß Mit¬<lb/> teilungen, die wir sonst unmöglich an die leitenden Ententemänner gelangen<lb/> lassen konnten, an die richtige Adresse gebracht wurden. Und wenn einmal<lb/> ein Bann gebrochen ist, dann geht es schon leichter. Die Offiziere der Militär¬<lb/> mission, die uns umgaben, traten in ein immer freundschaftlicheres Verhältnis<lb/> zu uns, und sie nahmen auch Mitteilungen von uns entgegen. Wir erfuhren<lb/> dann auch das eine und das andere über die Vorgänge in, der hohen Friedens¬<lb/> konferenz. Da waren auch wieder Schwierigkeiten, denn was wir erfuhren,<lb/> deckte sich nicht immer mit dem, was tatsächlich vorging, und wir mußten nun<lb/> erraten, was das richtige sein wird." Der Beginn dieser „inoffiziellen Ver¬<lb/> handlungen", wie es Gürtler nennt, scheint in die Zeit vom 4. August an zu<lb/> fallen, soweit sich für einen solchen allmählichen Vorgang ein Datum nennen<lb/> läßt; nach dem Besuche des Kanzlers in Wien bis zur Überreichung des end¬<lb/> gültigen Vertrags wurde wieder „hin und her verhandelt". Daß man auf<lb/> diese Überreichung so lange warten mußte, war ein gutes Zeichen. „Wir<lb/> dachten, je länger es dauerte, desto besser wird der Vertrag." Der großdeutsche<lb/> Kollege Gürtlers, Abgeordneter Dr. Schönbauer, hat sogar die Überzeugung<lb/> ausgesprochen, daß man die Verhandlungen nicht lange genug hinausgezogen<lb/> habe. Es ist sicher, daß man um so mehr für uns erreicht hätte, je ipäter<lb/> der Friede geschlossen worden wäre, da die Einsicht in die Unnatur der<lb/> gestellten Bedingungen auch auf der Gegenseite sich immer mehr Bahn brach.<lb/> Das geben auch diejenigen zu, welche Schönbauer wegen dieser Äußerung<lb/> angreifen. Aber sie erklären, daß eine weitere Verzögerung unmöglich gewesen<lb/> sei, da die Termine nicht in Se. Germain, sondern in Paris bestimmt wurden.<lb/> Ein Fehler wurde jedenfalls begangen. Man entließ die Vertreter der<lb/> Länder zu bald nach Hause, da man die Grenzfragen für endgültig geregelt<lb/> hielt. Und dann erfolgten plötzlich Abänderungen jener Vereinbarungen, welche<lb/> der Kanzler schon daheim hatte mitteilen lassen. Ob die Ländervertreter in<lb/> diesem Stadium noch hätten wirksam aufklären können, ob die General¬<lb/> kommissäre denselben Standpunkt vertraten und vertreten konnten, den jene<lb/> eingenommen hätten, ob sie überhaupt noch zu Worte kamen, dies und anderes<lb/> läßt sich nicht beurteilen, solange jene Vorgänge nicht amtlich dargestellt sind.<lb/> Aber es muß angenommen werden, daß die Heimsendung dieser Sach-<lb/> verstädnigen den südslawischen Vertretern zeigte, unsere Delegation halte die<lb/> Gebietsfragen für erledigt und sei keines weiteren Angriffs mehr gewärtig.<lb/> Die Südslawen unternahmen aber einen solchen in letzter Stunde und mit<lb/> Erfolg. Ich komme darauf noch zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_275" next="#ID_276"> Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht den von mir ausgesprochenen<lb/> Erwartungen. Die Milderungen beziehen sich wesentlich auf wirtschaftliche<lb/> Fragen und die Wiedergutmachungskommission mit einer von ihr einzusetzenden<lb/> Spezialkommission erhält weitgehende Befugnisse, den „Lebensinteressen Öster¬<lb/> reichs" Rechnung zu tragen. Auch die Verträge, welche die Hauptmächte mit<lb/> den österreichischen „Sukzessionsstaaten" über den Minderheitenschutz abschließen,<lb/> scheinen nicht ganz so nichtssagend auszufallen, wie wir gefürchtet hatten, wenn<lb/> auch keineswegs befriedigend. Die gewährten Zugeständnisse mußten aber<lb/> durch eine ausgesprochen „westliche Orientierung" erkauft werden, der nun<lb/> Renner bei wiederholten Gelegenheiten bestimmten Ausdruck gegeben hat. Und<lb/> die gehässige Annahme, daß unser Alpenstaat der alleinige Rechtsnachfolger</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
Die künftigen Grenzen Deutsch-Oesterreichs
23. September veröffentlichten Vortrage darüber folgendermaßen ausgesprochen:
„Da ist es am Platze, eines Mannes zu gedenken, der uns unschätzbare Dienste
leistete, des Generals stallr.....stallr war es, der den Pestkordon
durchbrochen hat. der uns umgeben hatte. Er hat dafür gesorgt, daß Mit¬
teilungen, die wir sonst unmöglich an die leitenden Ententemänner gelangen
lassen konnten, an die richtige Adresse gebracht wurden. Und wenn einmal
ein Bann gebrochen ist, dann geht es schon leichter. Die Offiziere der Militär¬
mission, die uns umgaben, traten in ein immer freundschaftlicheres Verhältnis
zu uns, und sie nahmen auch Mitteilungen von uns entgegen. Wir erfuhren
dann auch das eine und das andere über die Vorgänge in, der hohen Friedens¬
konferenz. Da waren auch wieder Schwierigkeiten, denn was wir erfuhren,
deckte sich nicht immer mit dem, was tatsächlich vorging, und wir mußten nun
erraten, was das richtige sein wird." Der Beginn dieser „inoffiziellen Ver¬
handlungen", wie es Gürtler nennt, scheint in die Zeit vom 4. August an zu
fallen, soweit sich für einen solchen allmählichen Vorgang ein Datum nennen
läßt; nach dem Besuche des Kanzlers in Wien bis zur Überreichung des end¬
gültigen Vertrags wurde wieder „hin und her verhandelt". Daß man auf
diese Überreichung so lange warten mußte, war ein gutes Zeichen. „Wir
dachten, je länger es dauerte, desto besser wird der Vertrag." Der großdeutsche
Kollege Gürtlers, Abgeordneter Dr. Schönbauer, hat sogar die Überzeugung
ausgesprochen, daß man die Verhandlungen nicht lange genug hinausgezogen
habe. Es ist sicher, daß man um so mehr für uns erreicht hätte, je ipäter
der Friede geschlossen worden wäre, da die Einsicht in die Unnatur der
gestellten Bedingungen auch auf der Gegenseite sich immer mehr Bahn brach.
Das geben auch diejenigen zu, welche Schönbauer wegen dieser Äußerung
angreifen. Aber sie erklären, daß eine weitere Verzögerung unmöglich gewesen
sei, da die Termine nicht in Se. Germain, sondern in Paris bestimmt wurden.
Ein Fehler wurde jedenfalls begangen. Man entließ die Vertreter der
Länder zu bald nach Hause, da man die Grenzfragen für endgültig geregelt
hielt. Und dann erfolgten plötzlich Abänderungen jener Vereinbarungen, welche
der Kanzler schon daheim hatte mitteilen lassen. Ob die Ländervertreter in
diesem Stadium noch hätten wirksam aufklären können, ob die General¬
kommissäre denselben Standpunkt vertraten und vertreten konnten, den jene
eingenommen hätten, ob sie überhaupt noch zu Worte kamen, dies und anderes
läßt sich nicht beurteilen, solange jene Vorgänge nicht amtlich dargestellt sind.
Aber es muß angenommen werden, daß die Heimsendung dieser Sach-
verstädnigen den südslawischen Vertretern zeigte, unsere Delegation halte die
Gebietsfragen für erledigt und sei keines weiteren Angriffs mehr gewärtig.
Die Südslawen unternahmen aber einen solchen in letzter Stunde und mit
Erfolg. Ich komme darauf noch zurück.
Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht den von mir ausgesprochenen
Erwartungen. Die Milderungen beziehen sich wesentlich auf wirtschaftliche
Fragen und die Wiedergutmachungskommission mit einer von ihr einzusetzenden
Spezialkommission erhält weitgehende Befugnisse, den „Lebensinteressen Öster¬
reichs" Rechnung zu tragen. Auch die Verträge, welche die Hauptmächte mit
den österreichischen „Sukzessionsstaaten" über den Minderheitenschutz abschließen,
scheinen nicht ganz so nichtssagend auszufallen, wie wir gefürchtet hatten, wenn
auch keineswegs befriedigend. Die gewährten Zugeständnisse mußten aber
durch eine ausgesprochen „westliche Orientierung" erkauft werden, der nun
Renner bei wiederholten Gelegenheiten bestimmten Ausdruck gegeben hat. Und
die gehässige Annahme, daß unser Alpenstaat der alleinige Rechtsnachfolger
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |