Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches unUnmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Das Kaisertum und die Politische Bisher hatte die Deutsche Volkspartei es Handen waren, die notwendigen Folgerungen, Wer eine mehr oder weniger gewaltsame Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches unUnmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Das Kaisertum und die Politische Bisher hatte die Deutsche Volkspartei es Handen waren, die notwendigen Folgerungen, Wer eine mehr oder weniger gewaltsame <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336368"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches unUnmaßgebliches</head><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_254"> Das Kaisertum und die Politische<lb/> Agitation. Der Abgeordnete Dr. Heinze<lb/> hielt es für richtig, in der Nationalversamm¬<lb/> lung am 1V, Oktober zu äußern, dasz die<lb/> Deutsche Volkspartei „mit vollen! Bewußtsein<lb/> die Monarchie anstrebe". Einem Manne,<lb/> der besonders unter den geistig Regsamen<lb/> der Deutschen Volkspartei über etliche Fühlung<lb/> verfügt, mag vielleicht die Beobachtung ge¬<lb/> stattet sein, daß diese Äußerung des Ab¬<lb/> geordneten Dr. Heinze einigermaßen Über¬<lb/> raschung und Befremden hervorrief. Zwar<lb/> verhält es sich keineswegs so, als ob nun<lb/> Wir, die wir Überraschung und Befreniden<lb/> empfinden, waschechte Republikaner wären<lb/> und den monarchischen Gedanken verleugnen.<lb/> Aber wir bemerken in einem solchen Trom¬<lb/> petenstoß für die „Monarchie" einen Mangel<lb/> an Polnischer Umsicht, der uns erstaunt.</p> <p xml:id="ID_255" next="#ID_256"> Bisher hatte die Deutsche Volkspartei es<lb/> vermieden, sich auf das monarchische Prinzip<lb/> bestimmt festzulegen, und ihren Mitgliedern<lb/> die Bereitschaft zur tätigen Mitarbeit in der<lb/> Republik freigestellt und überlassen. Daß<lb/> indessen die Grundstimmung der Deutschen<lb/> Volkspartei von Anbeginn stark kaiserlich war,<lb/> das weiß ich und billige es. Ich habe aber auch<lb/> immer einen wesentlichen Unterschied zwischen<lb/> der monarchischen Gesinnung der Deutschen<lb/> Volkspartei und der monarchischen Gesinnung<lb/> der Deutschnationnlen gefühlt. Vermutlich<lb/> dürfte man mit einiger Nichtigkeit diese Frage<lb/> in der Art auffassen, daß die monarchische<lb/> Gesinnung derDeutschnationalenrecht lebendig<lb/> von einem preußisch orientierten Legitimismus<lb/> durchsetzt sei, während die monarchische Ge¬<lb/> sinnung der Deutschen Volkspartei vor allem<lb/> den Glauben an den Kaisergedanken bedeute.<lb/> Es liegt auf der Hand, daß nur durch die<lb/> jüngste Vergangenheit der deutschen Geschichte<lb/> beide Richtungen miteinander verknüpft er¬<lb/> scheinen, obwohl sie in Wahrheit zwei durch¬<lb/> aus verschiedene Geschichtskräfte sind. Das all¬<lb/> gemeine Bekenntnis zur „Monarchie" des Abge¬<lb/> ordneten Dr. Heinze ist darum nicht frei von<lb/> Zweifelhaftem und führt leicht in die Irre.<lb/> Denn zieht man aus dem Begriff der Monarchie<lb/> nach Maßgabe der letzten Zustände in Deutsch¬<lb/> land, so wie sie bis zur Revolution vor-</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> Handen waren, die notwendigen Folgerungen,<lb/> so müßte die Grenze nach der deutschnatio¬<lb/> nalen Seite hin völlig verwischt werden und<lb/> sich die Absicht zu einer Wiederherstellung der<lb/> nahezu zwei Dutzend Bundesfürsten mitsamt<lb/> ihren Territorialstaaten ergeben. Eine solche<lb/> Absicht entspräche jedoch ganz und gar nicht<lb/> den Vorstellungen namhafter Kreise in der<lb/> Partei. Daher hätte es wünschenswert sein<lb/> müssen, zwischen dem Kaisergedanken und<lb/> dem dynastischen Legitimismus einen scharfen<lb/> Unterschied zu machen, sofern man eS über¬<lb/> haupt für richtig hielt, den Kaisergedanken<lb/> mitten in den Lärm der bevorstehenden<lb/> Wahlkämpfe zu werfen. Das Bedauerlichste<lb/> ist aber, daß man dieses eben für richtig<lb/> hielt. Denn es widerspricht der Ehrfurcht,<lb/> die wir vor dem Geschichtswerk des deutscheu<lb/> Kaisertumes empfinden.</p> <p xml:id="ID_257" next="#ID_258"> Wer eine mehr oder weniger gewaltsame<lb/> Wiederaufrichtung des kaiserlichen Th vues<lb/> wünschen sollte, handelt unrecht an der<lb/> deutschen Nation. Wer indessen sür die<lb/> nächste übersehbare Zukunft diese Wiederauf-"<lb/> richtung „auf verfassungsmäßigen Wege" sür<lb/> möglich hält, muß sich den Vorwurf unzu¬<lb/> reichender Kenntnis der tatsächlichen inneren<lb/> und äußeren Kräfteverhältnisse gefallen lassen.<lb/> Jedoch das, worauf es im tiefsten ankommt,<lb/> ist leider, daß eine Wiederaufrichtung des<lb/> Kaisertumes in den nächsten Jahren gerade um<lb/> der Ehrwürdigkeit des Kaisergednnkens willen,<lb/> gerade um der Echtheit der kaiserlichen Mo¬<lb/> narchie willen nicht ersehnt werden darf.<lb/> Denn könnte das Kaisertum in der<lb/> Tat in absehbarer Zeit auf verfassungs¬<lb/> mäßigen Wege wiederhergestellt werden,<lb/> so hätten wir trotzdem mit einer so<lb/> starken und widerwilligen, republikanisch<lb/> bewußten Minderheit zu rechnen, daß wir<lb/> zu innerlich ganz ungesunden Verhältnissen<lb/> gelangen, etwa zu Zuständen nach Art des<lb/> spanischen Parteilebens. Wer das Kaisertum<lb/> wirklich lieb hat, darf so etwas nicht<lb/> Wünschen. Man könnte freilich einwenden,<lb/> daß die Republik mit einer sehr starken<lb/> monarchischen Minderheit dieselben Gebrechen<lb/> aufweise. Dieser Vergleich trifft jedoch nicht<lb/> Vollkommen zu. In einer republikanische»</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Maßgebliches unUnmaßgebliches
Das Kaisertum und die Politische
Agitation. Der Abgeordnete Dr. Heinze
hielt es für richtig, in der Nationalversamm¬
lung am 1V, Oktober zu äußern, dasz die
Deutsche Volkspartei „mit vollen! Bewußtsein
die Monarchie anstrebe". Einem Manne,
der besonders unter den geistig Regsamen
der Deutschen Volkspartei über etliche Fühlung
verfügt, mag vielleicht die Beobachtung ge¬
stattet sein, daß diese Äußerung des Ab¬
geordneten Dr. Heinze einigermaßen Über¬
raschung und Befremden hervorrief. Zwar
verhält es sich keineswegs so, als ob nun
Wir, die wir Überraschung und Befreniden
empfinden, waschechte Republikaner wären
und den monarchischen Gedanken verleugnen.
Aber wir bemerken in einem solchen Trom¬
petenstoß für die „Monarchie" einen Mangel
an Polnischer Umsicht, der uns erstaunt.
Bisher hatte die Deutsche Volkspartei es
vermieden, sich auf das monarchische Prinzip
bestimmt festzulegen, und ihren Mitgliedern
die Bereitschaft zur tätigen Mitarbeit in der
Republik freigestellt und überlassen. Daß
indessen die Grundstimmung der Deutschen
Volkspartei von Anbeginn stark kaiserlich war,
das weiß ich und billige es. Ich habe aber auch
immer einen wesentlichen Unterschied zwischen
der monarchischen Gesinnung der Deutschen
Volkspartei und der monarchischen Gesinnung
der Deutschnationnlen gefühlt. Vermutlich
dürfte man mit einiger Nichtigkeit diese Frage
in der Art auffassen, daß die monarchische
Gesinnung derDeutschnationalenrecht lebendig
von einem preußisch orientierten Legitimismus
durchsetzt sei, während die monarchische Ge¬
sinnung der Deutschen Volkspartei vor allem
den Glauben an den Kaisergedanken bedeute.
Es liegt auf der Hand, daß nur durch die
jüngste Vergangenheit der deutschen Geschichte
beide Richtungen miteinander verknüpft er¬
scheinen, obwohl sie in Wahrheit zwei durch¬
aus verschiedene Geschichtskräfte sind. Das all¬
gemeine Bekenntnis zur „Monarchie" des Abge¬
ordneten Dr. Heinze ist darum nicht frei von
Zweifelhaftem und führt leicht in die Irre.
Denn zieht man aus dem Begriff der Monarchie
nach Maßgabe der letzten Zustände in Deutsch¬
land, so wie sie bis zur Revolution vor-
Handen waren, die notwendigen Folgerungen,
so müßte die Grenze nach der deutschnatio¬
nalen Seite hin völlig verwischt werden und
sich die Absicht zu einer Wiederherstellung der
nahezu zwei Dutzend Bundesfürsten mitsamt
ihren Territorialstaaten ergeben. Eine solche
Absicht entspräche jedoch ganz und gar nicht
den Vorstellungen namhafter Kreise in der
Partei. Daher hätte es wünschenswert sein
müssen, zwischen dem Kaisergedanken und
dem dynastischen Legitimismus einen scharfen
Unterschied zu machen, sofern man eS über¬
haupt für richtig hielt, den Kaisergedanken
mitten in den Lärm der bevorstehenden
Wahlkämpfe zu werfen. Das Bedauerlichste
ist aber, daß man dieses eben für richtig
hielt. Denn es widerspricht der Ehrfurcht,
die wir vor dem Geschichtswerk des deutscheu
Kaisertumes empfinden.
Wer eine mehr oder weniger gewaltsame
Wiederaufrichtung des kaiserlichen Th vues
wünschen sollte, handelt unrecht an der
deutschen Nation. Wer indessen sür die
nächste übersehbare Zukunft diese Wiederauf-"
richtung „auf verfassungsmäßigen Wege" sür
möglich hält, muß sich den Vorwurf unzu¬
reichender Kenntnis der tatsächlichen inneren
und äußeren Kräfteverhältnisse gefallen lassen.
Jedoch das, worauf es im tiefsten ankommt,
ist leider, daß eine Wiederaufrichtung des
Kaisertumes in den nächsten Jahren gerade um
der Ehrwürdigkeit des Kaisergednnkens willen,
gerade um der Echtheit der kaiserlichen Mo¬
narchie willen nicht ersehnt werden darf.
Denn könnte das Kaisertum in der
Tat in absehbarer Zeit auf verfassungs¬
mäßigen Wege wiederhergestellt werden,
so hätten wir trotzdem mit einer so
starken und widerwilligen, republikanisch
bewußten Minderheit zu rechnen, daß wir
zu innerlich ganz ungesunden Verhältnissen
gelangen, etwa zu Zuständen nach Art des
spanischen Parteilebens. Wer das Kaisertum
wirklich lieb hat, darf so etwas nicht
Wünschen. Man könnte freilich einwenden,
daß die Republik mit einer sehr starken
monarchischen Minderheit dieselben Gebrechen
aufweise. Dieser Vergleich trifft jedoch nicht
Vollkommen zu. In einer republikanische»
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