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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Fiume

Meinung, jäh an die Seite des vorläufigen greifbaren Erfolges umschwenken.
Unter diesen Umständen kamen die ruhigen und sachlichen Erklärungen Tittonis
natürlich zu spät, es blieb, wollte mau vermeiden, daß Nationalisten und Sozia¬
listen die Regierung wetteifernd stürzten, um sich dann selbst untereinander zu
zerfleischen, nichts anderes übrig -- der alte Giolitti hat das klar erkannt
und die geringe Mehrheit des Vertrauensvotums für Riedl beweist es -- als
die ganze Fiumefrage durch Neuwahlen zum Gegenstand einer neuen Volks¬
abstimmung zu machen. Da diese Wahlen sehr rasch, schon am 10. Oktober
erfolgen sollen, ist, soweit man "nach der Stimmung, die sich in den Zeitungen
ausspricht, urteilen darf, und sofern es d'Annunzio gelingt, offene Zusammenstöße
mit den Südslawen zu vermeiden, wahrscheinlich, daß eine übergroße Mehrheit,
^- auch die Reformsozialisten haben sich für d'Annunzio erklärt, -- sich für ein
ualieniscb.es Fiume aussprechen wird. Man rechnet in Italien eben darauf, das;
man infolge der Ernte vorläufig mit Lebensmitteln versorgt ist, daß Frankreich
und England sich für Italien erklärt und daneben auch ein Interesse haben,
möglichst rasch den Frieden hergestellt zu sehen, und treibt im übrigen nach wie
vor eine Politik des Gefühls. Was dann geschieht muß abgewartet werdeu,
weil man noch nicht klar übersieht, welche Folgen der anscheinend schwere
Zusammenbruch Wilsons zeitigen wird. Möglich, daß ein Stellvertreter ernannt
werden muß. auf dem dann Frankreich, das zur Zeit der Wahlen ein Übergreifen
sozialistischer Unruhen in Italien fürchten muß, dahin einen Druck ausübt, der
Mehrheit des italienischen Volkes nachzugeben, damit die Sozialisten keinen Grund
zu Gegenaktionen bekommen, möglich auch, daß Wilson die Zügel in der Hand
behält und um ähnliche Vorfälle, namentlich im Hinblick aus das Baltikum zu
hindern, zu sofortigen Repressalien greift, um den Ausfall der Wahlen zu
beeinflussen, möglich, daß dann die Wahlen für die Nationalisten weniger günstig
ausfallen, in welchem Falle sie l wahrscheinlich der neuen Regierung durch Vor-
schiebung der Bolschewisten Schwierigkeiten bereiten werden, jedenfalls sieht man, mit
einer halben Entscheidung ist Italien nicht gedient, bekommt nicht eine Partei die
erdrückende Mehrheit, so geht der unglückliche Sieger den schwersten Zeiten entgegen.

Ein Wort noch über die Stellung der deutschen Tagespreise zum Fiume-
fall. Es soll natürlich jedem unbenommen bleiben, ob er d'Annunzio für einen
großen oder kleinen Dichter, für einen Charlatan oder einen ehrlichen Idealisten
halten will, (es gibt übrigens auch Mittelstufen), obwohl jemand deshalb noch
kein kleiner Dichter, weil er deutschfeindlich ist, und kein Charlatan sein muß,
weil er sich vom hedonistischen Dekadent im Frieden, zum geistigen Führer der
Nation im Kriege entwickelt hat (wohl uns, wenn wir ein paar solche Führer
gehabt hätten, ihre Friedcnssünden sollten thuen vergessen sein!), daß seinem
Unternehmen jedoch die größte politische Tragweite und Bedeutsamkeit zukam,
war für den, der, was man von den Politikern der Tageszeitungen annehmen
stillte, die Lage in Italien aufmerksam verfolgt hatte, vom ersten Tage ab
deutlich zu erkennen. Italiens Herz hing an dieser Tat, und ängstlich schaute
aus nicht ganz reinem Gewissen danach aus, wie sich die übrige Welt dazu
stellte. Mit Dankbarkeit wurde verzeichnet, daß französische Pressestimmen
ins. wenn vielleicht auch skeptisch über den Erfolg, doch sympathisch äußerten.
Aus Deutschland aber kam, mit ganz geringen und daher sehr rühmlichen
Ausnahmen, nur Hohn über den "Operettenhelden". Sogar in Wien hat man
Wu Desinteressement erklärt, was Hütte es uns, denen Erfolg oder Mißerfolg
o Annunzios sachlich ganz gleichgültig sein kann, gekostet, dem neuen Volkshelden
em paar, wenn auch uur in der Form freundliche Worte zu widmen oder wenigstens
Zurückhaltung zu bewahren? Setzen wir nicht mit derartigem Hohn über eme
^ache. die für Italien, ob eingebildeterweise oder nicht, eine Lebensfrage bedeutet,
den Völkerhaß fort? Hier war Gelegenheit, Imponderabilien, deren Verkennung
W oft der Regierung zum Vorwurf gemacht worden ist, richtig zu werten Im
.
Menemus allgemeinen hat die deutsche Presse diese Probe nicht bestände".




Fiume

Meinung, jäh an die Seite des vorläufigen greifbaren Erfolges umschwenken.
Unter diesen Umständen kamen die ruhigen und sachlichen Erklärungen Tittonis
natürlich zu spät, es blieb, wollte mau vermeiden, daß Nationalisten und Sozia¬
listen die Regierung wetteifernd stürzten, um sich dann selbst untereinander zu
zerfleischen, nichts anderes übrig — der alte Giolitti hat das klar erkannt
und die geringe Mehrheit des Vertrauensvotums für Riedl beweist es — als
die ganze Fiumefrage durch Neuwahlen zum Gegenstand einer neuen Volks¬
abstimmung zu machen. Da diese Wahlen sehr rasch, schon am 10. Oktober
erfolgen sollen, ist, soweit man "nach der Stimmung, die sich in den Zeitungen
ausspricht, urteilen darf, und sofern es d'Annunzio gelingt, offene Zusammenstöße
mit den Südslawen zu vermeiden, wahrscheinlich, daß eine übergroße Mehrheit,
^- auch die Reformsozialisten haben sich für d'Annunzio erklärt, — sich für ein
ualieniscb.es Fiume aussprechen wird. Man rechnet in Italien eben darauf, das;
man infolge der Ernte vorläufig mit Lebensmitteln versorgt ist, daß Frankreich
und England sich für Italien erklärt und daneben auch ein Interesse haben,
möglichst rasch den Frieden hergestellt zu sehen, und treibt im übrigen nach wie
vor eine Politik des Gefühls. Was dann geschieht muß abgewartet werdeu,
weil man noch nicht klar übersieht, welche Folgen der anscheinend schwere
Zusammenbruch Wilsons zeitigen wird. Möglich, daß ein Stellvertreter ernannt
werden muß. auf dem dann Frankreich, das zur Zeit der Wahlen ein Übergreifen
sozialistischer Unruhen in Italien fürchten muß, dahin einen Druck ausübt, der
Mehrheit des italienischen Volkes nachzugeben, damit die Sozialisten keinen Grund
zu Gegenaktionen bekommen, möglich auch, daß Wilson die Zügel in der Hand
behält und um ähnliche Vorfälle, namentlich im Hinblick aus das Baltikum zu
hindern, zu sofortigen Repressalien greift, um den Ausfall der Wahlen zu
beeinflussen, möglich, daß dann die Wahlen für die Nationalisten weniger günstig
ausfallen, in welchem Falle sie l wahrscheinlich der neuen Regierung durch Vor-
schiebung der Bolschewisten Schwierigkeiten bereiten werden, jedenfalls sieht man, mit
einer halben Entscheidung ist Italien nicht gedient, bekommt nicht eine Partei die
erdrückende Mehrheit, so geht der unglückliche Sieger den schwersten Zeiten entgegen.

Ein Wort noch über die Stellung der deutschen Tagespreise zum Fiume-
fall. Es soll natürlich jedem unbenommen bleiben, ob er d'Annunzio für einen
großen oder kleinen Dichter, für einen Charlatan oder einen ehrlichen Idealisten
halten will, (es gibt übrigens auch Mittelstufen), obwohl jemand deshalb noch
kein kleiner Dichter, weil er deutschfeindlich ist, und kein Charlatan sein muß,
weil er sich vom hedonistischen Dekadent im Frieden, zum geistigen Führer der
Nation im Kriege entwickelt hat (wohl uns, wenn wir ein paar solche Führer
gehabt hätten, ihre Friedcnssünden sollten thuen vergessen sein!), daß seinem
Unternehmen jedoch die größte politische Tragweite und Bedeutsamkeit zukam,
war für den, der, was man von den Politikern der Tageszeitungen annehmen
stillte, die Lage in Italien aufmerksam verfolgt hatte, vom ersten Tage ab
deutlich zu erkennen. Italiens Herz hing an dieser Tat, und ängstlich schaute
aus nicht ganz reinem Gewissen danach aus, wie sich die übrige Welt dazu
stellte. Mit Dankbarkeit wurde verzeichnet, daß französische Pressestimmen
ins. wenn vielleicht auch skeptisch über den Erfolg, doch sympathisch äußerten.
Aus Deutschland aber kam, mit ganz geringen und daher sehr rühmlichen
Ausnahmen, nur Hohn über den „Operettenhelden". Sogar in Wien hat man
Wu Desinteressement erklärt, was Hütte es uns, denen Erfolg oder Mißerfolg
o Annunzios sachlich ganz gleichgültig sein kann, gekostet, dem neuen Volkshelden
em paar, wenn auch uur in der Form freundliche Worte zu widmen oder wenigstens
Zurückhaltung zu bewahren? Setzen wir nicht mit derartigem Hohn über eme
^ache. die für Italien, ob eingebildeterweise oder nicht, eine Lebensfrage bedeutet,
den Völkerhaß fort? Hier war Gelegenheit, Imponderabilien, deren Verkennung
W oft der Regierung zum Vorwurf gemacht worden ist, richtig zu werten Im
.
Menemus allgemeinen hat die deutsche Presse diese Probe nicht bestände».




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[0077] Fiume Meinung, jäh an die Seite des vorläufigen greifbaren Erfolges umschwenken. Unter diesen Umständen kamen die ruhigen und sachlichen Erklärungen Tittonis natürlich zu spät, es blieb, wollte mau vermeiden, daß Nationalisten und Sozia¬ listen die Regierung wetteifernd stürzten, um sich dann selbst untereinander zu zerfleischen, nichts anderes übrig — der alte Giolitti hat das klar erkannt und die geringe Mehrheit des Vertrauensvotums für Riedl beweist es — als die ganze Fiumefrage durch Neuwahlen zum Gegenstand einer neuen Volks¬ abstimmung zu machen. Da diese Wahlen sehr rasch, schon am 10. Oktober erfolgen sollen, ist, soweit man "nach der Stimmung, die sich in den Zeitungen ausspricht, urteilen darf, und sofern es d'Annunzio gelingt, offene Zusammenstöße mit den Südslawen zu vermeiden, wahrscheinlich, daß eine übergroße Mehrheit, ^- auch die Reformsozialisten haben sich für d'Annunzio erklärt, — sich für ein ualieniscb.es Fiume aussprechen wird. Man rechnet in Italien eben darauf, das; man infolge der Ernte vorläufig mit Lebensmitteln versorgt ist, daß Frankreich und England sich für Italien erklärt und daneben auch ein Interesse haben, möglichst rasch den Frieden hergestellt zu sehen, und treibt im übrigen nach wie vor eine Politik des Gefühls. Was dann geschieht muß abgewartet werdeu, weil man noch nicht klar übersieht, welche Folgen der anscheinend schwere Zusammenbruch Wilsons zeitigen wird. Möglich, daß ein Stellvertreter ernannt werden muß. auf dem dann Frankreich, das zur Zeit der Wahlen ein Übergreifen sozialistischer Unruhen in Italien fürchten muß, dahin einen Druck ausübt, der Mehrheit des italienischen Volkes nachzugeben, damit die Sozialisten keinen Grund zu Gegenaktionen bekommen, möglich auch, daß Wilson die Zügel in der Hand behält und um ähnliche Vorfälle, namentlich im Hinblick aus das Baltikum zu hindern, zu sofortigen Repressalien greift, um den Ausfall der Wahlen zu beeinflussen, möglich, daß dann die Wahlen für die Nationalisten weniger günstig ausfallen, in welchem Falle sie l wahrscheinlich der neuen Regierung durch Vor- schiebung der Bolschewisten Schwierigkeiten bereiten werden, jedenfalls sieht man, mit einer halben Entscheidung ist Italien nicht gedient, bekommt nicht eine Partei die erdrückende Mehrheit, so geht der unglückliche Sieger den schwersten Zeiten entgegen. Ein Wort noch über die Stellung der deutschen Tagespreise zum Fiume- fall. Es soll natürlich jedem unbenommen bleiben, ob er d'Annunzio für einen großen oder kleinen Dichter, für einen Charlatan oder einen ehrlichen Idealisten halten will, (es gibt übrigens auch Mittelstufen), obwohl jemand deshalb noch kein kleiner Dichter, weil er deutschfeindlich ist, und kein Charlatan sein muß, weil er sich vom hedonistischen Dekadent im Frieden, zum geistigen Führer der Nation im Kriege entwickelt hat (wohl uns, wenn wir ein paar solche Führer gehabt hätten, ihre Friedcnssünden sollten thuen vergessen sein!), daß seinem Unternehmen jedoch die größte politische Tragweite und Bedeutsamkeit zukam, war für den, der, was man von den Politikern der Tageszeitungen annehmen stillte, die Lage in Italien aufmerksam verfolgt hatte, vom ersten Tage ab deutlich zu erkennen. Italiens Herz hing an dieser Tat, und ängstlich schaute aus nicht ganz reinem Gewissen danach aus, wie sich die übrige Welt dazu stellte. Mit Dankbarkeit wurde verzeichnet, daß französische Pressestimmen ins. wenn vielleicht auch skeptisch über den Erfolg, doch sympathisch äußerten. Aus Deutschland aber kam, mit ganz geringen und daher sehr rühmlichen Ausnahmen, nur Hohn über den „Operettenhelden". Sogar in Wien hat man Wu Desinteressement erklärt, was Hütte es uns, denen Erfolg oder Mißerfolg o Annunzios sachlich ganz gleichgültig sein kann, gekostet, dem neuen Volkshelden em paar, wenn auch uur in der Form freundliche Worte zu widmen oder wenigstens Zurückhaltung zu bewahren? Setzen wir nicht mit derartigem Hohn über eme ^ache. die für Italien, ob eingebildeterweise oder nicht, eine Lebensfrage bedeutet, den Völkerhaß fort? Hier war Gelegenheit, Imponderabilien, deren Verkennung W oft der Regierung zum Vorwurf gemacht worden ist, richtig zu werten Im . Menemus allgemeinen hat die deutsche Presse diese Probe nicht bestände».

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/77>, abgerufen am 15.01.2025.