Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Zum Betriebsrätegesetz hatte, völlig erschüttert, trotzdem er sich wieder emporarbeiten könnte. Er ist also Die Bestimmung beschwört aber auch die Folgen der Gefahren herauf: Nun zum Mitbcstimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen. Die Zum Betriebsrätegesetz hatte, völlig erschüttert, trotzdem er sich wieder emporarbeiten könnte. Er ist also Die Bestimmung beschwört aber auch die Folgen der Gefahren herauf: Nun zum Mitbcstimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen. Die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336357"/> <fw type="header" place="top"> Zum Betriebsrätegesetz</fw><lb/> <p xml:id="ID_213" prev="#ID_212"> hatte, völlig erschüttert, trotzdem er sich wieder emporarbeiten könnte. Er ist also<lb/> ruiniert. Diesem großen volkswirtschaftlichen Verlust steht geradezu eine lächerlich<lb/> wirkende Sühne auf der anderen Seite gegenüber. Hier muß die National¬<lb/> versammlung fest einhaken und darf nicht locker lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_214"> Die Bestimmung beschwört aber auch die Folgen der Gefahren herauf:<lb/> Von den Arbeitnehmern der Betriebe wird der Anspruch erhoben werden, daß<lb/> die etwa erzielten Gewinne eines Jahres in Lohn- und Gehaltsausbcsserungen<lb/> umgewandelt werden; mit anderen Worten, die Arbeitnehmer werden auf den<lb/> vollen Arbeitsertrag Anspruch erheben. Nach den ökonomischen Grundgesetzen<lb/> muß jedoch ein möglichst hoher Unternehmergewinn im Interesse einer gesunden<lb/> Volkswirtschaft erzielt werden. Um dies zu erreichen, hat der Unternehmergewinn<lb/> den Unternehmern zur Verfügung zu bleiben, um sie instant zu setzen, dafür zu<lb/> sorgen, daß genügende Betrüge für die Deckung späterer Verluste zurückgestellt<lb/> und die Produktionsmittel vervessert und vermehrt werden. Nur so kann die<lb/> Kapital- und Steuerkraft unserer Volkswirtschaft erhalten bleiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_215"> Nun zum Mitbcstimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen. Die<lb/> Ausübung des Mitbestimmungslechts ist in der Weise gedacht, daß der Arbeit¬<lb/> geber von jeder Einstellung und Kündigung dem Betriebsrat Kenntnis zu geben<lb/> und dieser, wenn er wichtige berechtigte Interessen des Betriebes oder der Arbeit¬<lb/> nehmerschaft des Betriebes verletzt glaubt, ein Einspruchsrecht hat. Das Recht<lb/> des Einspruchs besteht nicht bei Einstellungen und Entlassungen, die auf einer<lb/> gesetzlichen oder tarifvertraglichen oder durch Schiedsspruch auferlegten Ver¬<lb/> pflichtung beruhen, bei Entlassungen, die durch Stillegung des Betriebes er¬<lb/> forderlich werden und bei fristlosen Entlassungen aus einem wichtigen Gründe.<lb/> Kommt es nicht zur Einigung mit dem Arbeitgeber, so kann er den Schlichtungs¬<lb/> ausschuß anrufen, der dann endgültig und bindend entscheidet. Die Eingriffe in<lb/> die Verfügungsfreiyeit des Unternehmers in den Personalverhältnissen des Be¬<lb/> triebes seien, so sagt die Negierungsbegründung, bei den Kündigungen gerecht¬<lb/> fertigt durch die ungünstige Loge des Arbeitsmarktes; sie seien bei den Einstellungen<lb/> gerechtfertigt, weil auf diese Weise das Interesse an der Jnnehaltung der Tarif¬<lb/> vertrüge und des Verantwortlichkeitsgefühls der Arbeitnehmer für den Betrieb<lb/> geweckt und gestärkt werden wende. Wie gestaltet sich nun das Mitbestimmungs¬<lb/> recht in der Praxis? Es wird so kommen, daß der Unternehmer die Schädlinge<lb/> des Betriebes, seien es minderwertige Arbeitskräfte oder Hetzer und Aufwiegler,<lb/> weiterbeschäftigen und bezahlen muß. Alle diejenigen Arbeiter und Angestellte,<lb/> die dem Betriebsrat nicht genehm sind, werden aus den Betrieben hinausgeekelt<lb/> und der Arbeitgeber wird durch das Einspruchsrecht gezwungen, nur Anhänger<lb/> des jeweiligen Betriebsrats einzustellen. Die betreffende Gesetzesbestimmung gibt<lb/> also dein Betriebsrat das Mittel in die Hand, die politische Gesinnung der Ar¬<lb/> beiter und Angestellten zu vergewaltigen. Diese Befürchtung steht nicht auf dem<lb/> Papier, sondern sie hat sich in der Praxis bestätigt. Bei der Berliner Metall¬<lb/> warenfabrik Da: neberg u. Quandt sollte am Morgen des 1. Oktober von der<lb/> Betriebsleitung ein Schlosser eingestellt werden. Als er dem Arbeiterausschuß<lb/> vorgestellt wurde, stellte dieser fest, daß der Mann Mehrheitssazialist sei; trotzdem<lb/> er gewerkschaftlich organisiert war, wurde er daraufhin von dein Aibeiterausschuß<lb/> abgelehnt, da er Mehrheitssozialist sei und die Unabhängigen und Kommunisten<lb/> nicht mit ihm zusammen arbeiten wollten. Dieses Verhalten wurde damit erklärt,<lb/> daß ein „Mehrheitssozialist" nicht mehr angenommen werden könne, weil dieser<lb/> Mann sonst Unruhe in den Betrieb bringen würde. Vertreter der Geschäftsleitung<lb/> widersprachen diesem politischen Boykott entschieden; ihnen wurde jedoch erklärt,<lb/> daß der Ausschuß auf dem Standpunkt stehe, daß die Betriebsleitung die Tüchtigkeit<lb/> des Arbeiters, der Arbeiterausschuß dagegen die politische Richtung desselben zu<lb/> Prüfen habe. Was ist die Folge? Manche Arbeitnehmer werden, um der Gesahr<lb/> der Nichteinstellung oder der Entlassung zu entgehen, eine ihnen widerwärtige<lb/> Gesinnung erheucheln. Eine Korruption der ganzen Wirtschaftsverhaltnisse wird<lb/> -eintreten. Ich führe noch ein weiteres Beispiel an:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
Zum Betriebsrätegesetz
hatte, völlig erschüttert, trotzdem er sich wieder emporarbeiten könnte. Er ist also
ruiniert. Diesem großen volkswirtschaftlichen Verlust steht geradezu eine lächerlich
wirkende Sühne auf der anderen Seite gegenüber. Hier muß die National¬
versammlung fest einhaken und darf nicht locker lassen.
Die Bestimmung beschwört aber auch die Folgen der Gefahren herauf:
Von den Arbeitnehmern der Betriebe wird der Anspruch erhoben werden, daß
die etwa erzielten Gewinne eines Jahres in Lohn- und Gehaltsausbcsserungen
umgewandelt werden; mit anderen Worten, die Arbeitnehmer werden auf den
vollen Arbeitsertrag Anspruch erheben. Nach den ökonomischen Grundgesetzen
muß jedoch ein möglichst hoher Unternehmergewinn im Interesse einer gesunden
Volkswirtschaft erzielt werden. Um dies zu erreichen, hat der Unternehmergewinn
den Unternehmern zur Verfügung zu bleiben, um sie instant zu setzen, dafür zu
sorgen, daß genügende Betrüge für die Deckung späterer Verluste zurückgestellt
und die Produktionsmittel vervessert und vermehrt werden. Nur so kann die
Kapital- und Steuerkraft unserer Volkswirtschaft erhalten bleiben.
Nun zum Mitbcstimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen. Die
Ausübung des Mitbestimmungslechts ist in der Weise gedacht, daß der Arbeit¬
geber von jeder Einstellung und Kündigung dem Betriebsrat Kenntnis zu geben
und dieser, wenn er wichtige berechtigte Interessen des Betriebes oder der Arbeit¬
nehmerschaft des Betriebes verletzt glaubt, ein Einspruchsrecht hat. Das Recht
des Einspruchs besteht nicht bei Einstellungen und Entlassungen, die auf einer
gesetzlichen oder tarifvertraglichen oder durch Schiedsspruch auferlegten Ver¬
pflichtung beruhen, bei Entlassungen, die durch Stillegung des Betriebes er¬
forderlich werden und bei fristlosen Entlassungen aus einem wichtigen Gründe.
Kommt es nicht zur Einigung mit dem Arbeitgeber, so kann er den Schlichtungs¬
ausschuß anrufen, der dann endgültig und bindend entscheidet. Die Eingriffe in
die Verfügungsfreiyeit des Unternehmers in den Personalverhältnissen des Be¬
triebes seien, so sagt die Negierungsbegründung, bei den Kündigungen gerecht¬
fertigt durch die ungünstige Loge des Arbeitsmarktes; sie seien bei den Einstellungen
gerechtfertigt, weil auf diese Weise das Interesse an der Jnnehaltung der Tarif¬
vertrüge und des Verantwortlichkeitsgefühls der Arbeitnehmer für den Betrieb
geweckt und gestärkt werden wende. Wie gestaltet sich nun das Mitbestimmungs¬
recht in der Praxis? Es wird so kommen, daß der Unternehmer die Schädlinge
des Betriebes, seien es minderwertige Arbeitskräfte oder Hetzer und Aufwiegler,
weiterbeschäftigen und bezahlen muß. Alle diejenigen Arbeiter und Angestellte,
die dem Betriebsrat nicht genehm sind, werden aus den Betrieben hinausgeekelt
und der Arbeitgeber wird durch das Einspruchsrecht gezwungen, nur Anhänger
des jeweiligen Betriebsrats einzustellen. Die betreffende Gesetzesbestimmung gibt
also dein Betriebsrat das Mittel in die Hand, die politische Gesinnung der Ar¬
beiter und Angestellten zu vergewaltigen. Diese Befürchtung steht nicht auf dem
Papier, sondern sie hat sich in der Praxis bestätigt. Bei der Berliner Metall¬
warenfabrik Da: neberg u. Quandt sollte am Morgen des 1. Oktober von der
Betriebsleitung ein Schlosser eingestellt werden. Als er dem Arbeiterausschuß
vorgestellt wurde, stellte dieser fest, daß der Mann Mehrheitssazialist sei; trotzdem
er gewerkschaftlich organisiert war, wurde er daraufhin von dein Aibeiterausschuß
abgelehnt, da er Mehrheitssozialist sei und die Unabhängigen und Kommunisten
nicht mit ihm zusammen arbeiten wollten. Dieses Verhalten wurde damit erklärt,
daß ein „Mehrheitssozialist" nicht mehr angenommen werden könne, weil dieser
Mann sonst Unruhe in den Betrieb bringen würde. Vertreter der Geschäftsleitung
widersprachen diesem politischen Boykott entschieden; ihnen wurde jedoch erklärt,
daß der Ausschuß auf dem Standpunkt stehe, daß die Betriebsleitung die Tüchtigkeit
des Arbeiters, der Arbeiterausschuß dagegen die politische Richtung desselben zu
Prüfen habe. Was ist die Folge? Manche Arbeitnehmer werden, um der Gesahr
der Nichteinstellung oder der Entlassung zu entgehen, eine ihnen widerwärtige
Gesinnung erheucheln. Eine Korruption der ganzen Wirtschaftsverhaltnisse wird
-eintreten. Ich führe noch ein weiteres Beispiel an:
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