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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Werden -- als endlich die Koalition diese
Gefahr bemerkte und das Herausziehen des
deutschen Militärs aus Litauen verlangte,
liefen die deutsche" Formationen zu den
Russen über. Zur Täuschung brachten die
Deutschen einige Kompagnien zurück, aber
zum Ausgleich wurden um so mehr Leute und
Kriegsmaterial nach Ostpreußen geschoben,
so daß die Deutschen heute in Litauen mehr
Militär als vor einigen Monaten haben.
Die Komödie des von der Goltz ist allgemein
bekannt. Anstatt zu demobilisieren und die
Truppen zurückzuziehen, wurde die dortige
Armee sowohl mit Leute", wie auch mit
Kriegsmaterial dauernd verstärkt. Die
deutsche'Regierung flankiert, daß die dor¬
tigen Formationen formell aufgelöst seien
und daß man niemanden mehr herauslassen
dürfe -- weil sie schon genug haben.

Gleichzeitig aber sagt Roste ein neues
Werbeprogramm an. Sie geben zu, daß sie
400 000 haben, dabei stehen schon allein in
Schlesien 200 000, in West- und Ostpreußen
und im Posensenschen stehen gleichfalls
mindestens 2S0 000, und Pommern und
Brandenburg sind mit verschiedenen For¬
mationen geradezu überflutet. Somit über¬
treiben wir nicht im geringsten, wenn wir
behaupten, daß die Deutschen im Osten an
allen Punkten eine Millionenarmee haben.

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einen. Anderen wiederum, z. B. den Lehrern
raten sie von einer Auswanderung ab, weil
sie ihnen in Deutschland weder Schutz uoch
Hilfe geben können, versuchen aber für sie
von der Polnischen Regierung möglichst viel
Vergünstigungen zu erzielen.

Die Peinliche Situation, durch das
Koalitions-ultimatum hervorgerufen, erklären
die Deutschen mit dem Ungehorsam der
Truppen in Estland und Litauen. Sie
erklären die Formationen hätten sich frei¬
willig'aufgelöst und sind zu den russischen
chemischen und litauischen Truppen über¬
gegangen.

Infolgedessen hat Roste über sie keine
Macht mehr. Sie drohen ihnen mit der
Soldent^iehung, wissen aber, daß die
Bolschewisten Denikin und andere ihnen
18 Mark täglich zahlen. Es ist auch kein
Geheimnis, daß die Deutschen bedeutende
Unterstützungen diesen ihren Freunden zu¬
kommen lassen und selbst dabei dicht vor
dem Abgrund stehen. Ebert, Roste und
ihre Freunde schwärmen vielleicht von einer
großen deutschen Republik, vou gemeinsamen
Grenzen mit Rußland. Ich zweifle aber,
daß sie wirtlich so naiv sind, um die Ge¬
sinnung dieser Truppen und ihrer Führer
nicht zu kennen. Ich zweifle, ob ihnen
Reinhard wirklich so unschuldig aussieht?
Ich habe den Eindruck, daß bloß die unab¬
hängigen Sozialisten und Spartakisten sich
Rechenschaft davon ablegen, wohin diese
ganze Komödie führt. Es handelt sich doch
um nichts anderes, als um die Wieder¬
einführung eines russischen Zarismus und
eines deutschen Kaisertums.

Fortsetzung in Ur. 64 vom 16. Oktober.

Die revolutionäre Negierung zentralisiert
die Regierungen der Verbündeten Staaten,
ihnen alle Prärogative der verbündeten Re¬
publiken abnehmend und somit großartig das
Terrain für den preußischen Absolutismus
und auch für das Kaisertum vorzubereiten.
Es scheint, daß alle bedeutenderen Deutschen
unseres Distrikts -- sowie aus der Ver¬
waltung als auch Private, die deutschen
Geistlichen und Lehrer nicht ausgenommen
-- bestimmte Informationen haben. Seit
einiger Zeit bemerkt man bei ihnen ein

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Die Bemühungen zwecks Voreinigung
mit den Bolschewisten und Denikin sind be¬
kannt. Das einzige Ziel ist, eine starke
deutsche Armee zu organisieren, die auf das
gegebene Zeichen sich mit Denikin und
Kvlczak vereinigt, den Bolschewismus ver¬
nichtet und ein großes Rußland mit einem
Zaren, vielleicht auch einem Hohenzollern,
an der Spitze wieder herstellt. Die
zarischen und deutschen Armeen würden dann
Polen, Litauen und die Ukraine angreifen,
sie zerschlagen, um ein neues großes Deutsch¬
land zu schaffen. Davon sprechen die
hiesigen Zivil- sowie auch Wilitärpersonen
ganz offen/ sie sprechen von deutschen "Ost¬
marken", "Volksrüten", die sich so schimpflich
benehmen, "Vereine" und anderen deutschen
Organisationen. Sie arbeiten angestrengt
daran, die Deutschen in unseren Gegenden
festzuhalten als einen äußersten Posten
und versprechen Schutz und Unterstützung den


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Werden — als endlich die Koalition diese
Gefahr bemerkte und das Herausziehen des
deutschen Militärs aus Litauen verlangte,
liefen die deutsche» Formationen zu den
Russen über. Zur Täuschung brachten die
Deutschen einige Kompagnien zurück, aber
zum Ausgleich wurden um so mehr Leute und
Kriegsmaterial nach Ostpreußen geschoben,
so daß die Deutschen heute in Litauen mehr
Militär als vor einigen Monaten haben.
Die Komödie des von der Goltz ist allgemein
bekannt. Anstatt zu demobilisieren und die
Truppen zurückzuziehen, wurde die dortige
Armee sowohl mit Leute», wie auch mit
Kriegsmaterial dauernd verstärkt. Die
deutsche'Regierung flankiert, daß die dor¬
tigen Formationen formell aufgelöst seien
und daß man niemanden mehr herauslassen
dürfe — weil sie schon genug haben.

Gleichzeitig aber sagt Roste ein neues
Werbeprogramm an. Sie geben zu, daß sie
400 000 haben, dabei stehen schon allein in
Schlesien 200 000, in West- und Ostpreußen
und im Posensenschen stehen gleichfalls
mindestens 2S0 000, und Pommern und
Brandenburg sind mit verschiedenen For¬
mationen geradezu überflutet. Somit über¬
treiben wir nicht im geringsten, wenn wir
behaupten, daß die Deutschen im Osten an
allen Punkten eine Millionenarmee haben.

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einen. Anderen wiederum, z. B. den Lehrern
raten sie von einer Auswanderung ab, weil
sie ihnen in Deutschland weder Schutz uoch
Hilfe geben können, versuchen aber für sie
von der Polnischen Regierung möglichst viel
Vergünstigungen zu erzielen.

Die Peinliche Situation, durch das
Koalitions-ultimatum hervorgerufen, erklären
die Deutschen mit dem Ungehorsam der
Truppen in Estland und Litauen. Sie
erklären die Formationen hätten sich frei¬
willig'aufgelöst und sind zu den russischen
chemischen und litauischen Truppen über¬
gegangen.

Infolgedessen hat Roste über sie keine
Macht mehr. Sie drohen ihnen mit der
Soldent^iehung, wissen aber, daß die
Bolschewisten Denikin und andere ihnen
18 Mark täglich zahlen. Es ist auch kein
Geheimnis, daß die Deutschen bedeutende
Unterstützungen diesen ihren Freunden zu¬
kommen lassen und selbst dabei dicht vor
dem Abgrund stehen. Ebert, Roste und
ihre Freunde schwärmen vielleicht von einer
großen deutschen Republik, vou gemeinsamen
Grenzen mit Rußland. Ich zweifle aber,
daß sie wirtlich so naiv sind, um die Ge¬
sinnung dieser Truppen und ihrer Führer
nicht zu kennen. Ich zweifle, ob ihnen
Reinhard wirklich so unschuldig aussieht?
Ich habe den Eindruck, daß bloß die unab¬
hängigen Sozialisten und Spartakisten sich
Rechenschaft davon ablegen, wohin diese
ganze Komödie führt. Es handelt sich doch
um nichts anderes, als um die Wieder¬
einführung eines russischen Zarismus und
eines deutschen Kaisertums.

Fortsetzung in Ur. 64 vom 16. Oktober.

Die revolutionäre Negierung zentralisiert
die Regierungen der Verbündeten Staaten,
ihnen alle Prärogative der verbündeten Re¬
publiken abnehmend und somit großartig das
Terrain für den preußischen Absolutismus
und auch für das Kaisertum vorzubereiten.
Es scheint, daß alle bedeutenderen Deutschen
unseres Distrikts — sowie aus der Ver¬
waltung als auch Private, die deutschen
Geistlichen und Lehrer nicht ausgenommen
— bestimmte Informationen haben. Seit
einiger Zeit bemerkt man bei ihnen ein

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Die Bemühungen zwecks Voreinigung
mit den Bolschewisten und Denikin sind be¬
kannt. Das einzige Ziel ist, eine starke
deutsche Armee zu organisieren, die auf das
gegebene Zeichen sich mit Denikin und
Kvlczak vereinigt, den Bolschewismus ver¬
nichtet und ein großes Rußland mit einem
Zaren, vielleicht auch einem Hohenzollern,
an der Spitze wieder herstellt. Die
zarischen und deutschen Armeen würden dann
Polen, Litauen und die Ukraine angreifen,
sie zerschlagen, um ein neues großes Deutsch¬
land zu schaffen. Davon sprechen die
hiesigen Zivil- sowie auch Wilitärpersonen
ganz offen/ sie sprechen von deutschen „Ost¬
marken", „Volksrüten", die sich so schimpflich
benehmen, „Vereine" und anderen deutschen
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[0535] Prsssostimmen Werden — als endlich die Koalition diese Gefahr bemerkte und das Herausziehen des deutschen Militärs aus Litauen verlangte, liefen die deutsche» Formationen zu den Russen über. Zur Täuschung brachten die Deutschen einige Kompagnien zurück, aber zum Ausgleich wurden um so mehr Leute und Kriegsmaterial nach Ostpreußen geschoben, so daß die Deutschen heute in Litauen mehr Militär als vor einigen Monaten haben. Die Komödie des von der Goltz ist allgemein bekannt. Anstatt zu demobilisieren und die Truppen zurückzuziehen, wurde die dortige Armee sowohl mit Leute», wie auch mit Kriegsmaterial dauernd verstärkt. Die deutsche'Regierung flankiert, daß die dor¬ tigen Formationen formell aufgelöst seien und daß man niemanden mehr herauslassen dürfe — weil sie schon genug haben. Gleichzeitig aber sagt Roste ein neues Werbeprogramm an. Sie geben zu, daß sie 400 000 haben, dabei stehen schon allein in Schlesien 200 000, in West- und Ostpreußen und im Posensenschen stehen gleichfalls mindestens 2S0 000, und Pommern und Brandenburg sind mit verschiedenen For¬ mationen geradezu überflutet. Somit über¬ treiben wir nicht im geringsten, wenn wir behaupten, daß die Deutschen im Osten an allen Punkten eine Millionenarmee haben. einen. Anderen wiederum, z. B. den Lehrern raten sie von einer Auswanderung ab, weil sie ihnen in Deutschland weder Schutz uoch Hilfe geben können, versuchen aber für sie von der Polnischen Regierung möglichst viel Vergünstigungen zu erzielen. Die Peinliche Situation, durch das Koalitions-ultimatum hervorgerufen, erklären die Deutschen mit dem Ungehorsam der Truppen in Estland und Litauen. Sie erklären die Formationen hätten sich frei¬ willig'aufgelöst und sind zu den russischen chemischen und litauischen Truppen über¬ gegangen. Infolgedessen hat Roste über sie keine Macht mehr. Sie drohen ihnen mit der Soldent^iehung, wissen aber, daß die Bolschewisten Denikin und andere ihnen 18 Mark täglich zahlen. Es ist auch kein Geheimnis, daß die Deutschen bedeutende Unterstützungen diesen ihren Freunden zu¬ kommen lassen und selbst dabei dicht vor dem Abgrund stehen. Ebert, Roste und ihre Freunde schwärmen vielleicht von einer großen deutschen Republik, vou gemeinsamen Grenzen mit Rußland. Ich zweifle aber, daß sie wirtlich so naiv sind, um die Ge¬ sinnung dieser Truppen und ihrer Führer nicht zu kennen. Ich zweifle, ob ihnen Reinhard wirklich so unschuldig aussieht? Ich habe den Eindruck, daß bloß die unab¬ hängigen Sozialisten und Spartakisten sich Rechenschaft davon ablegen, wohin diese ganze Komödie führt. Es handelt sich doch um nichts anderes, als um die Wieder¬ einführung eines russischen Zarismus und eines deutschen Kaisertums. Fortsetzung in Ur. 64 vom 16. Oktober. Die revolutionäre Negierung zentralisiert die Regierungen der Verbündeten Staaten, ihnen alle Prärogative der verbündeten Re¬ publiken abnehmend und somit großartig das Terrain für den preußischen Absolutismus und auch für das Kaisertum vorzubereiten. Es scheint, daß alle bedeutenderen Deutschen unseres Distrikts — sowie aus der Ver¬ waltung als auch Private, die deutschen Geistlichen und Lehrer nicht ausgenommen — bestimmte Informationen haben. Seit einiger Zeit bemerkt man bei ihnen ein Die Bemühungen zwecks Voreinigung mit den Bolschewisten und Denikin sind be¬ kannt. Das einzige Ziel ist, eine starke deutsche Armee zu organisieren, die auf das gegebene Zeichen sich mit Denikin und Kvlczak vereinigt, den Bolschewismus ver¬ nichtet und ein großes Rußland mit einem Zaren, vielleicht auch einem Hohenzollern, an der Spitze wieder herstellt. Die zarischen und deutschen Armeen würden dann Polen, Litauen und die Ukraine angreifen, sie zerschlagen, um ein neues großes Deutsch¬ land zu schaffen. Davon sprechen die hiesigen Zivil- sowie auch Wilitärpersonen ganz offen/ sie sprechen von deutschen „Ost¬ marken", „Volksrüten", die sich so schimpflich benehmen, „Vereine" und anderen deutschen Organisationen. Sie arbeiten angestrengt daran, die Deutschen in unseren Gegenden festzuhalten als einen äußersten Posten und versprechen Schutz und Unterstützung den 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/535>, abgerufen am 15.01.2025.