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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Aus den Deutschen volksräten

Aus den Deutschen UsIKsräten



[Beginn Spaltensatz]

Die Rechte der Ansiedler.

Der Deutsche Volksrat Posen wendet sich
mit folgender Veröffentlichung an die
Ansiedler:

In Ansiedlerkreisen herrscht eine gewisse
Beunruhigung darüber, daß die örtlichen
Verwaltungsbehörden Feststellungen über
den Wert des auf den Ansiedlerstellen be¬
findlichen Inventars vornehmen. Die Be¬
unruhigung ist dadurch vergrößert worden,
daß von dem oder jenem das Gerücht aus¬
gesprengt wurde, die Ansiedler würden
zwangsweise von ihren Stellen verwiesen.
Wer sich durch solche Alarmnachrichtcn ins
Bockshorn jagen läßt, dem ist natürlich nicht
zu helfen. Nur wer freudig und entschlossen
für seine Rechte eintritt, kann erwarten, daß
sie geachtet werden.

Das Schreckgespenst, das anscheinend so
vielen unruhige Nächte bereitet, ist die Mög¬
lichkeit einer Vermögonsliquidation. Was
hat es mit dieser Liquidation sür eine Be¬
wandtnis und wer kann von ihr betroffen
werden?

Keinesfalls unterliegen der Liquidation
die Vermögenswerte aller der Ansiedler,
die schon vor dem 1. Januar 1908 in den
von Deutschland an Polen fallenden Gebieten
ihren Wohnsitz hatten. Denn sie werden
Mit dem Inkrafttreten des Friedensvertrages
ohne weiteren Rechtsakt polnische Staats¬
angehörige unter Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit. Die Liquidation aber
richtet sich nur gegen feindliches, fremdes
Eigentum, nicht gegen das Eigentum der
eigenen Staatsangehörigen, die vor dem
Gesetz alle gleich sind, und die die gleichen
bürgerlichen und politischen Rechte genießen
ohne Unterschied von Rasse, Sprache und
Religion.

Ebensowenig aber dürsten von der Liqui¬
dation alle die Ansiedler betroffen werden,
die zwar erst nach dem 1. Januar 1903
ihren Wohnsitz im abgetretenen Gebiet be¬
gründet haben, die aber im Abtretungsgebiet
geboren sind und deren Eltern damals hier
"dren Wohnsitz hatten. Denn nach Artikel 4
des zwischen den Verbandsmächten und

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Polen geschlossenen Vertrages, der sich inhalt¬
lich als eine Ergänzung desFriedensvertrages
darstellt, werden auch sie von Rechts wegen
und ohne weitere Förmlichkeit polnische
Staatsangehörige, gegen die sich nach dem
oben Gesagten eine Liquidation überhaupt
nicht richten kann.

Aber auch über all den Ansiedlern, die
weder hier von eingesessener Eltern geboren,
noch vor dem 1. Januar 1908 zugezogen
sind, schwebt unserer Auffassung nach nicht
das Damoklesschwert derLiquidaiionsmöglich-
keit. Wir kommen zu dieser notwendigen
Schlußfolgerung durch die vernunftgemäße
Auslegung des Absatzes 2 im Artikel 91 des
Versailler Friedensveriiages. Dieser Absatz
besagt in enger Anlehnung an den Absatz 1,
daß auch die nach dem 1. Januar 1908 hier
zugewanderten Deutschen die Polnische Staats¬
angehörigkeit erwerben können. Was folgt
daraus? Zweifellos das. daß diesen Deutschen,
ehe man sie hinnusweist, die Gelegenheit
gegeben wird, sich darüber zu erklären, ob
sie von dem Recht, die Polnische Staats¬
angehörigkeit zu erwerben, Gebrauch machen
wollen. Denn es würde allen internationalen
Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben
Widersprechen, wenn jenen später zugezogenen
Deutschen zugestanden wird: "Ihr könnt
polnische Staatsangehörige werden", wenn
aber gleichzeitig dieses feierlich verbriefte
Recht dadurch zur Farce gemacht würde, daß
die mit der Rechtsanwartschaft Bekehrten
vorher als feindliche Ausländer um Haus
und Hof gebracht werdenI Eine solche Ent¬
rechtung wäre ein so unerhörtes Beginnen,
daß sich weitere Erörterungen darüber er¬
übrigen. Wir hören dennoch ein "ja, aber".
GeWitz, es ist ein "aber" dabei.

Der Polnische Staat nämlich hat die Be¬
dingungen festzusetzen, unter denen er die
mehr erwähnte Gruppe zugewanderter
Deutscher einbürgern will. Das geht aber
nicht etwa durch einen bloßen Verwaltungsakt,
sondern dazu gehört ein Gesetz. Da nun
müssen wir einsetzen und durch unsere Vor¬
stellungen bei den Negierungsgcwalten und
durch unsere Abgeordneten, die wir nach

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Aus den Deutschen volksräten

Aus den Deutschen UsIKsräten



[Beginn Spaltensatz]

Die Rechte der Ansiedler.

Der Deutsche Volksrat Posen wendet sich
mit folgender Veröffentlichung an die
Ansiedler:

In Ansiedlerkreisen herrscht eine gewisse
Beunruhigung darüber, daß die örtlichen
Verwaltungsbehörden Feststellungen über
den Wert des auf den Ansiedlerstellen be¬
findlichen Inventars vornehmen. Die Be¬
unruhigung ist dadurch vergrößert worden,
daß von dem oder jenem das Gerücht aus¬
gesprengt wurde, die Ansiedler würden
zwangsweise von ihren Stellen verwiesen.
Wer sich durch solche Alarmnachrichtcn ins
Bockshorn jagen läßt, dem ist natürlich nicht
zu helfen. Nur wer freudig und entschlossen
für seine Rechte eintritt, kann erwarten, daß
sie geachtet werden.

Das Schreckgespenst, das anscheinend so
vielen unruhige Nächte bereitet, ist die Mög¬
lichkeit einer Vermögonsliquidation. Was
hat es mit dieser Liquidation sür eine Be¬
wandtnis und wer kann von ihr betroffen
werden?

Keinesfalls unterliegen der Liquidation
die Vermögenswerte aller der Ansiedler,
die schon vor dem 1. Januar 1908 in den
von Deutschland an Polen fallenden Gebieten
ihren Wohnsitz hatten. Denn sie werden
Mit dem Inkrafttreten des Friedensvertrages
ohne weiteren Rechtsakt polnische Staats¬
angehörige unter Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit. Die Liquidation aber
richtet sich nur gegen feindliches, fremdes
Eigentum, nicht gegen das Eigentum der
eigenen Staatsangehörigen, die vor dem
Gesetz alle gleich sind, und die die gleichen
bürgerlichen und politischen Rechte genießen
ohne Unterschied von Rasse, Sprache und
Religion.

Ebensowenig aber dürsten von der Liqui¬
dation alle die Ansiedler betroffen werden,
die zwar erst nach dem 1. Januar 1903
ihren Wohnsitz im abgetretenen Gebiet be¬
gründet haben, die aber im Abtretungsgebiet
geboren sind und deren Eltern damals hier
»dren Wohnsitz hatten. Denn nach Artikel 4
des zwischen den Verbandsmächten und

[Spaltenumbruch]

Polen geschlossenen Vertrages, der sich inhalt¬
lich als eine Ergänzung desFriedensvertrages
darstellt, werden auch sie von Rechts wegen
und ohne weitere Förmlichkeit polnische
Staatsangehörige, gegen die sich nach dem
oben Gesagten eine Liquidation überhaupt
nicht richten kann.

Aber auch über all den Ansiedlern, die
weder hier von eingesessener Eltern geboren,
noch vor dem 1. Januar 1908 zugezogen
sind, schwebt unserer Auffassung nach nicht
das Damoklesschwert derLiquidaiionsmöglich-
keit. Wir kommen zu dieser notwendigen
Schlußfolgerung durch die vernunftgemäße
Auslegung des Absatzes 2 im Artikel 91 des
Versailler Friedensveriiages. Dieser Absatz
besagt in enger Anlehnung an den Absatz 1,
daß auch die nach dem 1. Januar 1908 hier
zugewanderten Deutschen die Polnische Staats¬
angehörigkeit erwerben können. Was folgt
daraus? Zweifellos das. daß diesen Deutschen,
ehe man sie hinnusweist, die Gelegenheit
gegeben wird, sich darüber zu erklären, ob
sie von dem Recht, die Polnische Staats¬
angehörigkeit zu erwerben, Gebrauch machen
wollen. Denn es würde allen internationalen
Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben
Widersprechen, wenn jenen später zugezogenen
Deutschen zugestanden wird: „Ihr könnt
polnische Staatsangehörige werden", wenn
aber gleichzeitig dieses feierlich verbriefte
Recht dadurch zur Farce gemacht würde, daß
die mit der Rechtsanwartschaft Bekehrten
vorher als feindliche Ausländer um Haus
und Hof gebracht werdenI Eine solche Ent¬
rechtung wäre ein so unerhörtes Beginnen,
daß sich weitere Erörterungen darüber er¬
übrigen. Wir hören dennoch ein „ja, aber".
GeWitz, es ist ein „aber" dabei.

Der Polnische Staat nämlich hat die Be¬
dingungen festzusetzen, unter denen er die
mehr erwähnte Gruppe zugewanderter
Deutscher einbürgern will. Das geht aber
nicht etwa durch einen bloßen Verwaltungsakt,
sondern dazu gehört ein Gesetz. Da nun
müssen wir einsetzen und durch unsere Vor¬
stellungen bei den Negierungsgcwalten und
durch unsere Abgeordneten, die wir nach

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[0521] Aus den Deutschen volksräten Aus den Deutschen UsIKsräten Die Rechte der Ansiedler. Der Deutsche Volksrat Posen wendet sich mit folgender Veröffentlichung an die Ansiedler: In Ansiedlerkreisen herrscht eine gewisse Beunruhigung darüber, daß die örtlichen Verwaltungsbehörden Feststellungen über den Wert des auf den Ansiedlerstellen be¬ findlichen Inventars vornehmen. Die Be¬ unruhigung ist dadurch vergrößert worden, daß von dem oder jenem das Gerücht aus¬ gesprengt wurde, die Ansiedler würden zwangsweise von ihren Stellen verwiesen. Wer sich durch solche Alarmnachrichtcn ins Bockshorn jagen läßt, dem ist natürlich nicht zu helfen. Nur wer freudig und entschlossen für seine Rechte eintritt, kann erwarten, daß sie geachtet werden. Das Schreckgespenst, das anscheinend so vielen unruhige Nächte bereitet, ist die Mög¬ lichkeit einer Vermögonsliquidation. Was hat es mit dieser Liquidation sür eine Be¬ wandtnis und wer kann von ihr betroffen werden? Keinesfalls unterliegen der Liquidation die Vermögenswerte aller der Ansiedler, die schon vor dem 1. Januar 1908 in den von Deutschland an Polen fallenden Gebieten ihren Wohnsitz hatten. Denn sie werden Mit dem Inkrafttreten des Friedensvertrages ohne weiteren Rechtsakt polnische Staats¬ angehörige unter Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Die Liquidation aber richtet sich nur gegen feindliches, fremdes Eigentum, nicht gegen das Eigentum der eigenen Staatsangehörigen, die vor dem Gesetz alle gleich sind, und die die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte genießen ohne Unterschied von Rasse, Sprache und Religion. Ebensowenig aber dürsten von der Liqui¬ dation alle die Ansiedler betroffen werden, die zwar erst nach dem 1. Januar 1903 ihren Wohnsitz im abgetretenen Gebiet be¬ gründet haben, die aber im Abtretungsgebiet geboren sind und deren Eltern damals hier »dren Wohnsitz hatten. Denn nach Artikel 4 des zwischen den Verbandsmächten und Polen geschlossenen Vertrages, der sich inhalt¬ lich als eine Ergänzung desFriedensvertrages darstellt, werden auch sie von Rechts wegen und ohne weitere Förmlichkeit polnische Staatsangehörige, gegen die sich nach dem oben Gesagten eine Liquidation überhaupt nicht richten kann. Aber auch über all den Ansiedlern, die weder hier von eingesessener Eltern geboren, noch vor dem 1. Januar 1908 zugezogen sind, schwebt unserer Auffassung nach nicht das Damoklesschwert derLiquidaiionsmöglich- keit. Wir kommen zu dieser notwendigen Schlußfolgerung durch die vernunftgemäße Auslegung des Absatzes 2 im Artikel 91 des Versailler Friedensveriiages. Dieser Absatz besagt in enger Anlehnung an den Absatz 1, daß auch die nach dem 1. Januar 1908 hier zugewanderten Deutschen die Polnische Staats¬ angehörigkeit erwerben können. Was folgt daraus? Zweifellos das. daß diesen Deutschen, ehe man sie hinnusweist, die Gelegenheit gegeben wird, sich darüber zu erklären, ob sie von dem Recht, die Polnische Staats¬ angehörigkeit zu erwerben, Gebrauch machen wollen. Denn es würde allen internationalen Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben Widersprechen, wenn jenen später zugezogenen Deutschen zugestanden wird: „Ihr könnt polnische Staatsangehörige werden", wenn aber gleichzeitig dieses feierlich verbriefte Recht dadurch zur Farce gemacht würde, daß die mit der Rechtsanwartschaft Bekehrten vorher als feindliche Ausländer um Haus und Hof gebracht werdenI Eine solche Ent¬ rechtung wäre ein so unerhörtes Beginnen, daß sich weitere Erörterungen darüber er¬ übrigen. Wir hören dennoch ein „ja, aber". GeWitz, es ist ein „aber" dabei. Der Polnische Staat nämlich hat die Be¬ dingungen festzusetzen, unter denen er die mehr erwähnte Gruppe zugewanderter Deutscher einbürgern will. Das geht aber nicht etwa durch einen bloßen Verwaltungsakt, sondern dazu gehört ein Gesetz. Da nun müssen wir einsetzen und durch unsere Vor¬ stellungen bei den Negierungsgcwalten und durch unsere Abgeordneten, die wir nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/521>, abgerufen am 15.01.2025.