Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Pressestimmen [Beginn Spaltensatz] Figuren, deren einzige Qualifikation höchstens Deutsche Justizveamte in Polen. Von einem deutschen Richter wird Die Posener Besprechungen der Kommissare Schlaglicht geworfen werden, das bei den Wir Justizbeamten spüren täglich bei Pressestimmen [Beginn Spaltensatz] Figuren, deren einzige Qualifikation höchstens Deutsche Justizveamte in Polen. Von einem deutschen Richter wird Die Posener Besprechungen der Kommissare Schlaglicht geworfen werden, das bei den Wir Justizbeamten spüren täglich bei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336800"/> <fw type="header" place="top"> Pressestimmen</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2573" prev="#ID_2572"> Figuren, deren einzige Qualifikation höchstens<lb/> eine politische Livree, eine geschickte Ver¬<lb/> beugung oder eine einflußreiche Tante ist.<lb/> In manchen Bureaus herrschen solche Zu¬<lb/> stünde, daß man direkt Angst vor dem „Be¬<lb/> gabten" hat. Dumme Kollegen hassen ihn,<lb/> die dummen Vorgesetzten fürchten ihn. Und<lb/> eine Schikane folgt der anderen. Es wurde<lb/> mir der Rapport eines der besten Beamten<lb/> gezeigt, der sehr logisch, kulturell und euro¬<lb/> päisch gehalten war, und darunter die Be¬<lb/> merkung des sehr beschränkten „Chefs":<lb/> Umarbeiten ! Das ist kein Kanzleistil I Mit<lb/> seinen Kenntnissen nicht prahlen I Und dieser<lb/> Chef spricht schlecht und schreibt noch<lb/> schlechter Polnisch. Es könnte jemand sagen,<lb/> daß das in jeder Bureaukratie vorkommt.<lb/> Ich leugne es nicht. Aber nirgends hat es<lb/> so schlimme Folgen wie bei uns, wo es an<lb/> Leuten fehlt, wo jede vergeudete Kraft für<lb/> drei zählt".</p> <p xml:id="ID_2574"> Deutsche Justizveamte in Polen.</p> <p xml:id="ID_2575"> Von einem deutschen Richter wird<lb/> im „Posener Tageblatt" '(Ur. 424 vom<lb/> 1. Oktober) die Frage zu beantworten<lb/> versucht, ob und unter welchen Be¬<lb/> dingungen die deutschen Justizbeamten<lb/> auf Zeit oder auf die Dauer in den<lb/> polnischen Staatsdienst übertreten können.<lb/> Angesichts der Bedeutung, die diese<lb/> Ausführungen für das ganze Abtretungs¬<lb/> gebiet haben, bringen wir sie hier im<lb/> Wortlaut:</p> <p xml:id="ID_2576" next="#ID_2577"> Die Posener Besprechungen der Kommissare<lb/> des Preußischen Justizministeriums mit den<lb/> Vertretern des Polnischen Justizamtes sind<lb/> vorläufig zu Ende geführt, und zwar, wie<lb/> wir zu wissen glauben, mit außerordentlichen,<lb/> beiderseits Wohl nicht erwarteten Zugeständ¬<lb/> nissen an die Polen. Die endgültige und<lb/> weitere Regelung, insbesondere für die Zeit<lb/> nach der Übernahme der Justiz durch die<lb/> Polen — in Posen war nur die Zeit vor<lb/> dieser Übernahme der Gegenstand der Be¬<lb/> sprechungen — wird in den Berliner Ver¬<lb/> handlungen, anscheinend im Rahmen der<lb/> allgemeinen deutsch-polnischen Verhandlungen,<lb/> herbeigeführt werden. Hier soll zu dieser<lb/> Frage, die also die Zeit nach Übernahme<lb/> der Justiz durch die Polen betrifft, ein</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2577" prev="#ID_2576"> Schlaglicht geworfen werden, das bei den<lb/> offiziellen Verhandlungen offenbar von beiden<lb/> Seiten bisher nicht genügend beachtet, jeden¬<lb/> falls nicht genügend bewertet worden ist:<lb/> die Freiwilligkeit des Übertritts in den<lb/> polnischen Staatsdienst. Mit großer Diplo¬<lb/> matie, Überzeugungstreue und Hartnäckigkeit<lb/> wird jede Seite der anderen darlegen, daß<lb/> diese den größeren Vorteil vom Ver¬<lb/> bleiben der Beamten an Ort und Stelle<lb/> habe. Und doch hängt letzten Endes alles<lb/> von der Entscheidung des einzelnen Beamten<lb/> selbst oder besser der gesamten, in dem Pro-<lb/> vinzinlarbeitsausschuß fest organisierten<lb/> Justizbeamten ab, nachdem dem einzelnen<lb/> Beamten jener Grundsatz der Freiwilligkeit<lb/> unbedingt und unwiderruflich verbürgt worden<lb/> ist. Macht man sich das völlig klar, so ergibt<lb/> sich die weitere logische Folgerung, daß die<lb/> polnische Negierung den berechtigten Forde¬<lb/> rungen der deutschen Beamien Rechnung<lb/> tragen oder vielmehr, daß sie ihnen die un¬<lb/> parteiische, gewissenhafte Führung ihres<lb/> schweren Amtes ermöglichen, sie gegen Ein¬<lb/> griffe nicht nur wirtschaftlicher, sondern vor<lb/> allem ideeller, insbesondere nationaler Art<lb/> mit dem starken Arm des Staates schützen,<lb/> ihnen, mit einem Wort gesagt, die Möglich¬<lb/> keit zu leben und zu atmen geben muß.<lb/> Mit erschütternder Deutlichkeit und Wahrheit<lb/> ist von der Beamtenschaft den Berliner<lb/> Kommissären ein Abriß alles dessen gegeben<lb/> worden, worunter die deutsche Bevölkerung,<lb/> vor allem die deutsche Beamtenschaft, die<lb/> unter den denkbar schwersten Verhältnissen<lb/> zum Vorteil des Polnischen Staates ihren<lb/> Dienst versieht, seit Januar 1919 zu leiden<lb/> hat. Es wurde auch aufs bitterste darüber<lb/> Klage geführt, daß die maßgebenden Pol¬<lb/> nischen Faktoren, die amtlichen Stellen und<lb/> die Geistlichkeit es unterlassen, auf die<lb/> Presse, Versammlungen und Bevölkerung in<lb/> beruhigenden Sinne einzuwirken, obwohl<lb/> diese Beruhigung durch jene Faktoren mit<lb/> Leichtigkeit zu erreichen wäre.</p> <p xml:id="ID_2578" next="#ID_2579"> Wir Justizbeamten spüren täglich bei<lb/> unparteiischer, gewissenhafter Ausübung<lb/> unseres Amtes den unheilvollen Einfluß<lb/> nationaler Verhetzung. Möchte doch endlich<lb/> hier in letzter Stunde zum Besten beider<lb/> Bevölkerungsteile, zum Besten vor allem</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
Pressestimmen
Figuren, deren einzige Qualifikation höchstens
eine politische Livree, eine geschickte Ver¬
beugung oder eine einflußreiche Tante ist.
In manchen Bureaus herrschen solche Zu¬
stünde, daß man direkt Angst vor dem „Be¬
gabten" hat. Dumme Kollegen hassen ihn,
die dummen Vorgesetzten fürchten ihn. Und
eine Schikane folgt der anderen. Es wurde
mir der Rapport eines der besten Beamten
gezeigt, der sehr logisch, kulturell und euro¬
päisch gehalten war, und darunter die Be¬
merkung des sehr beschränkten „Chefs":
Umarbeiten ! Das ist kein Kanzleistil I Mit
seinen Kenntnissen nicht prahlen I Und dieser
Chef spricht schlecht und schreibt noch
schlechter Polnisch. Es könnte jemand sagen,
daß das in jeder Bureaukratie vorkommt.
Ich leugne es nicht. Aber nirgends hat es
so schlimme Folgen wie bei uns, wo es an
Leuten fehlt, wo jede vergeudete Kraft für
drei zählt".
Deutsche Justizveamte in Polen.
Von einem deutschen Richter wird
im „Posener Tageblatt" '(Ur. 424 vom
1. Oktober) die Frage zu beantworten
versucht, ob und unter welchen Be¬
dingungen die deutschen Justizbeamten
auf Zeit oder auf die Dauer in den
polnischen Staatsdienst übertreten können.
Angesichts der Bedeutung, die diese
Ausführungen für das ganze Abtretungs¬
gebiet haben, bringen wir sie hier im
Wortlaut:
Die Posener Besprechungen der Kommissare
des Preußischen Justizministeriums mit den
Vertretern des Polnischen Justizamtes sind
vorläufig zu Ende geführt, und zwar, wie
wir zu wissen glauben, mit außerordentlichen,
beiderseits Wohl nicht erwarteten Zugeständ¬
nissen an die Polen. Die endgültige und
weitere Regelung, insbesondere für die Zeit
nach der Übernahme der Justiz durch die
Polen — in Posen war nur die Zeit vor
dieser Übernahme der Gegenstand der Be¬
sprechungen — wird in den Berliner Ver¬
handlungen, anscheinend im Rahmen der
allgemeinen deutsch-polnischen Verhandlungen,
herbeigeführt werden. Hier soll zu dieser
Frage, die also die Zeit nach Übernahme
der Justiz durch die Polen betrifft, ein
Schlaglicht geworfen werden, das bei den
offiziellen Verhandlungen offenbar von beiden
Seiten bisher nicht genügend beachtet, jeden¬
falls nicht genügend bewertet worden ist:
die Freiwilligkeit des Übertritts in den
polnischen Staatsdienst. Mit großer Diplo¬
matie, Überzeugungstreue und Hartnäckigkeit
wird jede Seite der anderen darlegen, daß
diese den größeren Vorteil vom Ver¬
bleiben der Beamten an Ort und Stelle
habe. Und doch hängt letzten Endes alles
von der Entscheidung des einzelnen Beamten
selbst oder besser der gesamten, in dem Pro-
vinzinlarbeitsausschuß fest organisierten
Justizbeamten ab, nachdem dem einzelnen
Beamten jener Grundsatz der Freiwilligkeit
unbedingt und unwiderruflich verbürgt worden
ist. Macht man sich das völlig klar, so ergibt
sich die weitere logische Folgerung, daß die
polnische Negierung den berechtigten Forde¬
rungen der deutschen Beamien Rechnung
tragen oder vielmehr, daß sie ihnen die un¬
parteiische, gewissenhafte Führung ihres
schweren Amtes ermöglichen, sie gegen Ein¬
griffe nicht nur wirtschaftlicher, sondern vor
allem ideeller, insbesondere nationaler Art
mit dem starken Arm des Staates schützen,
ihnen, mit einem Wort gesagt, die Möglich¬
keit zu leben und zu atmen geben muß.
Mit erschütternder Deutlichkeit und Wahrheit
ist von der Beamtenschaft den Berliner
Kommissären ein Abriß alles dessen gegeben
worden, worunter die deutsche Bevölkerung,
vor allem die deutsche Beamtenschaft, die
unter den denkbar schwersten Verhältnissen
zum Vorteil des Polnischen Staates ihren
Dienst versieht, seit Januar 1919 zu leiden
hat. Es wurde auch aufs bitterste darüber
Klage geführt, daß die maßgebenden Pol¬
nischen Faktoren, die amtlichen Stellen und
die Geistlichkeit es unterlassen, auf die
Presse, Versammlungen und Bevölkerung in
beruhigenden Sinne einzuwirken, obwohl
diese Beruhigung durch jene Faktoren mit
Leichtigkeit zu erreichen wäre.
Wir Justizbeamten spüren täglich bei
unparteiischer, gewissenhafter Ausübung
unseres Amtes den unheilvollen Einfluß
nationaler Verhetzung. Möchte doch endlich
hier in letzter Stunde zum Besten beider
Bevölkerungsteile, zum Besten vor allem
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