Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Aus den Deutschen Volksräten Zur Vorbereitung einer erleichterten Umstellung des deutschen Schulwesens Die örtlichen Schulausschüsse erhalten zu diesem Zweck von dem vorläufigen [Beginn Spaltensatz] Einen Mahnruf an Pflicht und Gewissen "Es ist an der Zeit, laut und vernehmlich Kirche und Schule! Wer vermöchte die Auf dein Gebiet der höheren Schule Niemand wird behaupten können, daß Nun leben wir in einer Übergangszeit, Aus den Deutschen Volksräten Zur Vorbereitung einer erleichterten Umstellung des deutschen Schulwesens Die örtlichen Schulausschüsse erhalten zu diesem Zweck von dem vorläufigen [Beginn Spaltensatz] Einen Mahnruf an Pflicht und Gewissen „Es ist an der Zeit, laut und vernehmlich Kirche und Schule! Wer vermöchte die Auf dein Gebiet der höheren Schule Niemand wird behaupten können, daß Nun leben wir in einer Übergangszeit, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336790"/> <fw type="header" place="top"> Aus den Deutschen Volksräten</fw><lb/> <p xml:id="ID_2477"> Zur Vorbereitung einer erleichterten Umstellung des deutschen Schulwesens<lb/> in den dem staatlichen Gesamtschulwesen eingeordneten deutschen Schulselbstver-<lb/> waltungskörper werden in allen Gemeinden und Städten deutsche Ortsschulaus¬<lb/> schüsse gebildet, die den Aufbau des Schulselbstverwaltungskörpers von unten<lb/> betreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2478" next="#ID_2479"> Die örtlichen Schulausschüsse erhalten zu diesem Zweck von dem vorläufigen<lb/> Landesschulausschuß in Bromberg Richtlinien und Weisungen.</p><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2479" prev="#ID_2478"> Einen Mahnruf an Pflicht und Gewissen<lb/> veröffentlicht der Deutsche Volksrat Posen.<lb/> Er weist auf die außerordentliche Gefahr der<lb/> Abwanderung hin und sagt:</p> <p xml:id="ID_2480"> „Es ist an der Zeit, laut und vernehmlich<lb/> die Stimme zu erheben, um die Gefahr auf¬<lb/> zuzeigen, die durch ein blindes Hinausdrängen<lb/> für das deutsche Geistes- und Kulturgut über¬<lb/> haupt erwächst. Man sage nicht, die Gefahr<lb/> sei noch weit im Felde und könnte eventuell<lb/> später ausgeglichen werden: sie ist schon da,<lb/> steht bereits mitten unter uns und ist ver¬<lb/> hängnisvoller, als wir es ahnen. Durch<lb/> zwei Tore konnte dieses Gespenst der geistigen<lb/> und kulturellen Not, die immer schwerer zu<lb/> ertragen ist, wie die der leiblichen und wirt¬<lb/> schaftlichen, Eintritt finden und Boden'W-<lb/> winnen: das eine führt durch das verwaiste<lb/> Pfarrhaus, das andere durch die verlassene<lb/> Schulstelle.</p> <p xml:id="ID_2481"> Kirche und Schule! Wer vermöchte die<lb/> völkischen, ethischen und kulturellen Momente<lb/> zu übersehen, die in diesen beiden staatlichen<lb/> Institutionen eingeschlossen liegen. Immer,<lb/> Wo es- sich darum handelt, eine Sammlung<lb/> geistiger Interessen anzustreben, bilden sie die<lb/> Kristallisationskerne. Und was für ein Bild<lb/> bietet sich uns heute hier dar? Zahlen sollen<lb/> reden. Von etwa 920 deutschen Schulstellen,<lb/> die heute noch, im Zeichen der Umwandlung<lb/> aller Schulen in solche mit nationalem<lb/> Charakter, innerhalb der Demarkationslinie<lb/> vorhanden sind, sind zurzeit schon 100 in¬<lb/> folge Wegzugs der Lehrkräfte verwaist. Etwa<lb/> SO sind unbesetzt, da den auswärtsweilenden<lb/> Lehrern die Einreisegenehmigung versagt<lb/> wird. So konnte es geschehen, daß annähernd<lb/> an 160 Stellen deutsche Kinder unterrichtlich<lb/> nicht mehr versorgt werden können. Auf der<lb/> andern Seite haben wir die Tatsache, daß<lb/> gegen 8S0 Lehrpersonen das Gehalt ans der<lb/> staatlichen Fürsorgekasse gezahlt bekommen,<lb/> es aber ablehnen, eine Landstelle von neuem<lb/> anzutreten.</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2482"> Auf dein Gebiet der höheren Schule<lb/> liegen die Verhältnisse ebenso trostlos. Auch<lb/> hier dasselbe Bild: Die deutschen Oberlehrer<lb/> werden zur Disposition der Preußischen Ne¬<lb/> gierung gestellt und teilweise bereits durch<lb/> Berufsgenossen polnischer Zunge ersetzt. In<lb/> einer Anzahl von Provinzstädten mit höheren<lb/> Lehranstalten ist die Beschulung deutscher<lb/> Kinder überhaupt nicht mehr möglich, da<lb/> Sonderklassen mit deutschen Schülern infolge<lb/> geringer Unterrichtsbeteiligung nicht einge¬<lb/> richtet werden. Auch eine Aufnahme in<lb/> solchen Orten, die eine deutsche Anstalt be¬<lb/> sitzen, ist häufig wegen Überfüllung nicht an¬<lb/> gängig.</p> <p xml:id="ID_2483"> Niemand wird behaupten können, daß<lb/> dies erfreuliche Zustände sind. In, sie bilden<lb/> in der Mehrzahl aller Fälle den einzigen<lb/> Grund einer übereilten Abkehr. Gibt es<lb/> deshalb im völkischen Sinne überhaupt eine<lb/> Pflicht für das hiesige Deutschtum, dann muß<lb/> sie zum größten Teile auf diesen: Gebiet<lb/> liegen. Eine Änderung und Besserung wird<lb/> hier einsetzen, weil sie einfach Gebot der Not¬<lb/> wendigkeit ist. Gelingt es uns nicht, diese<lb/> Quelle aller Mißverhältnisse zu beseitigen,<lb/> dann können wirauchnicht denAbwnnderungs-<lb/> strom abflauen, der heute zum Schaden der<lb/> deutschen Sache mit jeder Welle zerstört, was<lb/> einstens arbeitsreicheVergangenheitgebaut hat.</p> <p xml:id="ID_2484" next="#ID_2485"> Nun leben wir in einer Übergangszeit,<lb/> und zwar erst in den Ansängen. Vieles<lb/> wird sich späterhin wieder festigen, was heute<lb/> kopflos und sinnlos durcheinanderwirbelt.<lb/> Haben wir nur den Mut, festen Fußes das<lb/> Wellental einer trüben Gegenwart zu durch¬<lb/> schreiten, dann können wir aus eigener Kraft<lb/> uns h>er die Zukunft erträglich gestalten.<lb/> Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Erste Pflicht<lb/> ist heute handeln und Positive Arbeit leisten.<lb/> Beides hat der Deutsche Volksrat in sein<lb/> Programm aufgenommen. Auf dem Schul¬<lb/> gebiet sind bereits in dieser Richtung die ersten<lb/> Schritte getan. Wir dürfen das Vertrauen</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
Aus den Deutschen Volksräten
Zur Vorbereitung einer erleichterten Umstellung des deutschen Schulwesens
in den dem staatlichen Gesamtschulwesen eingeordneten deutschen Schulselbstver-
waltungskörper werden in allen Gemeinden und Städten deutsche Ortsschulaus¬
schüsse gebildet, die den Aufbau des Schulselbstverwaltungskörpers von unten
betreiben.
Die örtlichen Schulausschüsse erhalten zu diesem Zweck von dem vorläufigen
Landesschulausschuß in Bromberg Richtlinien und Weisungen.
Einen Mahnruf an Pflicht und Gewissen
veröffentlicht der Deutsche Volksrat Posen.
Er weist auf die außerordentliche Gefahr der
Abwanderung hin und sagt:
„Es ist an der Zeit, laut und vernehmlich
die Stimme zu erheben, um die Gefahr auf¬
zuzeigen, die durch ein blindes Hinausdrängen
für das deutsche Geistes- und Kulturgut über¬
haupt erwächst. Man sage nicht, die Gefahr
sei noch weit im Felde und könnte eventuell
später ausgeglichen werden: sie ist schon da,
steht bereits mitten unter uns und ist ver¬
hängnisvoller, als wir es ahnen. Durch
zwei Tore konnte dieses Gespenst der geistigen
und kulturellen Not, die immer schwerer zu
ertragen ist, wie die der leiblichen und wirt¬
schaftlichen, Eintritt finden und Boden'W-
winnen: das eine führt durch das verwaiste
Pfarrhaus, das andere durch die verlassene
Schulstelle.
Kirche und Schule! Wer vermöchte die
völkischen, ethischen und kulturellen Momente
zu übersehen, die in diesen beiden staatlichen
Institutionen eingeschlossen liegen. Immer,
Wo es- sich darum handelt, eine Sammlung
geistiger Interessen anzustreben, bilden sie die
Kristallisationskerne. Und was für ein Bild
bietet sich uns heute hier dar? Zahlen sollen
reden. Von etwa 920 deutschen Schulstellen,
die heute noch, im Zeichen der Umwandlung
aller Schulen in solche mit nationalem
Charakter, innerhalb der Demarkationslinie
vorhanden sind, sind zurzeit schon 100 in¬
folge Wegzugs der Lehrkräfte verwaist. Etwa
SO sind unbesetzt, da den auswärtsweilenden
Lehrern die Einreisegenehmigung versagt
wird. So konnte es geschehen, daß annähernd
an 160 Stellen deutsche Kinder unterrichtlich
nicht mehr versorgt werden können. Auf der
andern Seite haben wir die Tatsache, daß
gegen 8S0 Lehrpersonen das Gehalt ans der
staatlichen Fürsorgekasse gezahlt bekommen,
es aber ablehnen, eine Landstelle von neuem
anzutreten.
Auf dein Gebiet der höheren Schule
liegen die Verhältnisse ebenso trostlos. Auch
hier dasselbe Bild: Die deutschen Oberlehrer
werden zur Disposition der Preußischen Ne¬
gierung gestellt und teilweise bereits durch
Berufsgenossen polnischer Zunge ersetzt. In
einer Anzahl von Provinzstädten mit höheren
Lehranstalten ist die Beschulung deutscher
Kinder überhaupt nicht mehr möglich, da
Sonderklassen mit deutschen Schülern infolge
geringer Unterrichtsbeteiligung nicht einge¬
richtet werden. Auch eine Aufnahme in
solchen Orten, die eine deutsche Anstalt be¬
sitzen, ist häufig wegen Überfüllung nicht an¬
gängig.
Niemand wird behaupten können, daß
dies erfreuliche Zustände sind. In, sie bilden
in der Mehrzahl aller Fälle den einzigen
Grund einer übereilten Abkehr. Gibt es
deshalb im völkischen Sinne überhaupt eine
Pflicht für das hiesige Deutschtum, dann muß
sie zum größten Teile auf diesen: Gebiet
liegen. Eine Änderung und Besserung wird
hier einsetzen, weil sie einfach Gebot der Not¬
wendigkeit ist. Gelingt es uns nicht, diese
Quelle aller Mißverhältnisse zu beseitigen,
dann können wirauchnicht denAbwnnderungs-
strom abflauen, der heute zum Schaden der
deutschen Sache mit jeder Welle zerstört, was
einstens arbeitsreicheVergangenheitgebaut hat.
Nun leben wir in einer Übergangszeit,
und zwar erst in den Ansängen. Vieles
wird sich späterhin wieder festigen, was heute
kopflos und sinnlos durcheinanderwirbelt.
Haben wir nur den Mut, festen Fußes das
Wellental einer trüben Gegenwart zu durch¬
schreiten, dann können wir aus eigener Kraft
uns h>er die Zukunft erträglich gestalten.
Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Erste Pflicht
ist heute handeln und Positive Arbeit leisten.
Beides hat der Deutsche Volksrat in sein
Programm aufgenommen. Auf dem Schul¬
gebiet sind bereits in dieser Richtung die ersten
Schritte getan. Wir dürfen das Vertrauen
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