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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Ein einig Volk von Brüdern. Polnische
Bekenntnisse -- Aus den Deutschen Volksrüten -- Pressestimmen: Polnische Presse
-- Kleine Mitteilungen.


Materialien zur ostdeutschen Frage



Gin einig Volk von Brüdern!
Der lveg zur Einigung der Deutschen

Wie oft haben wir uns diese Worte aus Schillers "Wilhelm Tell" zuge¬
rufen! Wie oft uns gemahnt mit den Worten des sterbenden Freiherrn von
Attinghausen:

Seid einig -- einig -- einig I

Die Einigung aller Deutschen im Abtretungsgebiet ist so nötig wie das
liebe Vrot.

Aber die schönen Reden, begeisterten Versammlungen und todesmutigen
Schwüre bringen diese Einigung nicht. Dazu haben die Deutschen zu viele Köpfe.
Und es ist eine Selbsttäuschung, wenn man meint, nur durch Versammlungen
und packende Reden diese Einigung herbeizuführen. Solche deutschen Volksver-
sammlungen, das betone ich ausdrücklich, sind nötig, und man muß sie immer
wieder von Zeit zu Zeit halten. Aber man lasse sich durch ihren gelungenen
Verlauf und den Beifall der Teilnehmer nicht täuschen. Sie sind schließlich nur
eine Stärkung und Festigung derer, die dein Gedanken der Einigung schon nahe
stehen. Die andern lassen sich durch Worte nicht so leicht umstimmen. Und wenn
sie auch wirklich in einer solchen Versammlung warm geworden sind, dann kommt
am andern Tage eine merkliche Abkühlung durch einen Parteibonzcn oder irgend¬
einen "Bedenklichen".

Ebensowenig führt das politische Mittel der Euugung zum Z,el. Das
Nächstliegende und Gegebene wäre ein Aufhören aller bisherigen Parteien und
das Zusammenkommen zu einer einzigen deutscheu Partei. Aber da kennst du
die Deutschen schlecht. Jeder muß sein besonderes Parteisüppchen kochen und
essen. Darum "vollen Zentrum, Demokratie und Sozialdemokratie von der
"Deutschen Partei" nichts wissen. Sie kommen mit dem Schlagwort "Arbeits-
gemeinschaft". Aber wir kennen solche Arbeitsgemeinschaft. Da werden große
Reden geschwungen, und vor lauter Reden kommt man zu keiner Arbeit. Abge-
sehen davon, daß in dieser Arbeitsgemeinschaft die schwarz-rot-goldene Reichs-


Mitteilungen . 29
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Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Ein einig Volk von Brüdern. Polnische
Bekenntnisse — Aus den Deutschen Volksrüten — Pressestimmen: Polnische Presse
— Kleine Mitteilungen.


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Gin einig Volk von Brüdern!
Der lveg zur Einigung der Deutschen

Wie oft haben wir uns diese Worte aus Schillers „Wilhelm Tell" zuge¬
rufen! Wie oft uns gemahnt mit den Worten des sterbenden Freiherrn von
Attinghausen:

Seid einig — einig — einig I

Die Einigung aller Deutschen im Abtretungsgebiet ist so nötig wie das
liebe Vrot.

Aber die schönen Reden, begeisterten Versammlungen und todesmutigen
Schwüre bringen diese Einigung nicht. Dazu haben die Deutschen zu viele Köpfe.
Und es ist eine Selbsttäuschung, wenn man meint, nur durch Versammlungen
und packende Reden diese Einigung herbeizuführen. Solche deutschen Volksver-
sammlungen, das betone ich ausdrücklich, sind nötig, und man muß sie immer
wieder von Zeit zu Zeit halten. Aber man lasse sich durch ihren gelungenen
Verlauf und den Beifall der Teilnehmer nicht täuschen. Sie sind schließlich nur
eine Stärkung und Festigung derer, die dein Gedanken der Einigung schon nahe
stehen. Die andern lassen sich durch Worte nicht so leicht umstimmen. Und wenn
sie auch wirklich in einer solchen Versammlung warm geworden sind, dann kommt
am andern Tage eine merkliche Abkühlung durch einen Parteibonzcn oder irgend¬
einen „Bedenklichen".

Ebensowenig führt das politische Mittel der Euugung zum Z,el. Das
Nächstliegende und Gegebene wäre ein Aufhören aller bisherigen Parteien und
das Zusammenkommen zu einer einzigen deutscheu Partei. Aber da kennst du
die Deutschen schlecht. Jeder muß sein besonderes Parteisüppchen kochen und
essen. Darum »vollen Zentrum, Demokratie und Sozialdemokratie von der
„Deutschen Partei" nichts wissen. Sie kommen mit dem Schlagwort „Arbeits-
gemeinschaft". Aber wir kennen solche Arbeitsgemeinschaft. Da werden große
Reden geschwungen, und vor lauter Reden kommt man zu keiner Arbeit. Abge-
sehen davon, daß in dieser Arbeitsgemeinschaft die schwarz-rot-goldene Reichs-


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[0493] Mitteilungen w IMW »MM M»5 und WeltpMm Ur. 29Verantwortlich: Carl Georg Bruns Schriftleitung: Vromberg, WeltzienplaH 1>u8. Okt. I9is Fernruf Ur. 321 Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Ein einig Volk von Brüdern. Polnische Bekenntnisse — Aus den Deutschen Volksrüten — Pressestimmen: Polnische Presse — Kleine Mitteilungen. Materialien zur ostdeutschen Frage Gin einig Volk von Brüdern! Der lveg zur Einigung der Deutschen Wie oft haben wir uns diese Worte aus Schillers „Wilhelm Tell" zuge¬ rufen! Wie oft uns gemahnt mit den Worten des sterbenden Freiherrn von Attinghausen: Seid einig — einig — einig I Die Einigung aller Deutschen im Abtretungsgebiet ist so nötig wie das liebe Vrot. Aber die schönen Reden, begeisterten Versammlungen und todesmutigen Schwüre bringen diese Einigung nicht. Dazu haben die Deutschen zu viele Köpfe. Und es ist eine Selbsttäuschung, wenn man meint, nur durch Versammlungen und packende Reden diese Einigung herbeizuführen. Solche deutschen Volksver- sammlungen, das betone ich ausdrücklich, sind nötig, und man muß sie immer wieder von Zeit zu Zeit halten. Aber man lasse sich durch ihren gelungenen Verlauf und den Beifall der Teilnehmer nicht täuschen. Sie sind schließlich nur eine Stärkung und Festigung derer, die dein Gedanken der Einigung schon nahe stehen. Die andern lassen sich durch Worte nicht so leicht umstimmen. Und wenn sie auch wirklich in einer solchen Versammlung warm geworden sind, dann kommt am andern Tage eine merkliche Abkühlung durch einen Parteibonzcn oder irgend¬ einen „Bedenklichen". Ebensowenig führt das politische Mittel der Euugung zum Z,el. Das Nächstliegende und Gegebene wäre ein Aufhören aller bisherigen Parteien und das Zusammenkommen zu einer einzigen deutscheu Partei. Aber da kennst du die Deutschen schlecht. Jeder muß sein besonderes Parteisüppchen kochen und essen. Darum »vollen Zentrum, Demokratie und Sozialdemokratie von der „Deutschen Partei" nichts wissen. Sie kommen mit dem Schlagwort „Arbeits- gemeinschaft". Aber wir kennen solche Arbeitsgemeinschaft. Da werden große Reden geschwungen, und vor lauter Reden kommt man zu keiner Arbeit. Abge- sehen davon, daß in dieser Arbeitsgemeinschaft die schwarz-rot-goldene Reichs- Mitteilungen . 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/493>, abgerufen am 15.01.2025.