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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Zur Ansiedlerfrage. Die Siellung der
evangelischen Kirche in Polen -- Aus den Deutschen Volksräten -- Presseslimmen:
Polnische Presse.
Materialien zur ostdeutschen Frage



Zur Ansiedlerfrage

In Heft 3 der in Posen erscheinenden Zeitschrift "Der Landwirt" wird das
bereits in Ur. 23 der "Mitteilungen" veröffentlichte, aber allgemein viel zu wenig
beachtete Rundschreiben des Prändenten des polnischen Ansiedelungsamtes Dr.
Karasiewicz besprochen und dazu bemerkt, daß diese Erklärung sicherlich zur allge¬
meinen Beruhigung der deutschen Ansiedler beitragen werde. Diese Auffassung
erscheint beinahe unerklärlich, wenn man bedenkt, daß das Rundschreiben zur Be¬
ruhigung der polnischen landhungrigen Bevölkerung diesen soll und in seinem
einen Absatz folgendermaßen lautet: "Schließlich bemerken wir zur Beruhigung,
daß der Boden auf lange Jahre für die Parzellierung reicht. Das Ansiedelungs-
"mit hat nicht nur genug Vorrat an Boden für lange Jahre, fondern es wird
auch noch aus Privathandel? im Wege der Parzellierung der einzelnen Güter,
auch der früheren königlichen Domänen, Boden zur Parzellierung bekommen.
Außerdem haben die Mitielstcuidskasse und die Bauernbank, welche auf den giößeren
Gütern und Bauernlandwittschaflen die Hypotheken regulierten, auf einem jeden
solchen Besitztum hypothekarische Vorbehalte gemacht und das in der Weise, daß
ohne Erlaubnis des Einsiedelungsamtes es nicht gestaltet sein werde, diese Besitz¬
tümer zu verkaufen. Diese Güter und Landwirtschaften müssen aber später oder
früher in polnische Hände kommen."

Inwiefern diese Erklärung für die in schwerer Lage befindlichen deutschen
Ansiedler eine Beruhigung bringen soll, ist unerfindlich, zumal Dr. Karasiewicz sich
weiterhin ausdrücklich gegen die von deutscher "Seite bei den Thorner Verhandlungen
erhobene Forderung wendet, die dahin ging, auch denjenigen deutschen Ansiedlern
die polnische Staatsangehörigkeit zu gewähren, die nach dem 1. Januar 1908
ansässig geworden sind. Vom polnischen Ansiedelungsamt ist ferner darauf hin¬
gewiesen worden, daß seit dem 1. Januar 1908 auf 400000 Morgen 7650 Familien
angesiedelt wären, von denen auf Grund des Liquidationsparagraphen des Friedens¬
vertrages 5700 Familien mit 340 000 Morgen Land enteignet werden könnten,
und daß diese 5700 gut bebauten Grundstücke für die Ansiedelung polnischer Rück¬
wanderer aus dein rheinischen und westfälischen Industriegebiet unbedingt gebraucht
würden.

Der Präsident des polnischen Ansiedelungsamtes spricht hier also ganz un-
verblümt die Absicht aus, 5700 deutsche Ansiedlei familier von ihrem Besitz zu
vertreiben. Er stellt sich vollkommen auf den Boden des Friedensvertrag.es in
seiner ganzen furchtbaren Härte.


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Zur Ansiedlerfrage

In Heft 3 der in Posen erscheinenden Zeitschrift „Der Landwirt" wird das
bereits in Ur. 23 der „Mitteilungen" veröffentlichte, aber allgemein viel zu wenig
beachtete Rundschreiben des Prändenten des polnischen Ansiedelungsamtes Dr.
Karasiewicz besprochen und dazu bemerkt, daß diese Erklärung sicherlich zur allge¬
meinen Beruhigung der deutschen Ansiedler beitragen werde. Diese Auffassung
erscheint beinahe unerklärlich, wenn man bedenkt, daß das Rundschreiben zur Be¬
ruhigung der polnischen landhungrigen Bevölkerung diesen soll und in seinem
einen Absatz folgendermaßen lautet: „Schließlich bemerken wir zur Beruhigung,
daß der Boden auf lange Jahre für die Parzellierung reicht. Das Ansiedelungs-
«mit hat nicht nur genug Vorrat an Boden für lange Jahre, fondern es wird
auch noch aus Privathandel? im Wege der Parzellierung der einzelnen Güter,
auch der früheren königlichen Domänen, Boden zur Parzellierung bekommen.
Außerdem haben die Mitielstcuidskasse und die Bauernbank, welche auf den giößeren
Gütern und Bauernlandwittschaflen die Hypotheken regulierten, auf einem jeden
solchen Besitztum hypothekarische Vorbehalte gemacht und das in der Weise, daß
ohne Erlaubnis des Einsiedelungsamtes es nicht gestaltet sein werde, diese Besitz¬
tümer zu verkaufen. Diese Güter und Landwirtschaften müssen aber später oder
früher in polnische Hände kommen."

Inwiefern diese Erklärung für die in schwerer Lage befindlichen deutschen
Ansiedler eine Beruhigung bringen soll, ist unerfindlich, zumal Dr. Karasiewicz sich
weiterhin ausdrücklich gegen die von deutscher «Seite bei den Thorner Verhandlungen
erhobene Forderung wendet, die dahin ging, auch denjenigen deutschen Ansiedlern
die polnische Staatsangehörigkeit zu gewähren, die nach dem 1. Januar 1908
ansässig geworden sind. Vom polnischen Ansiedelungsamt ist ferner darauf hin¬
gewiesen worden, daß seit dem 1. Januar 1908 auf 400000 Morgen 7650 Familien
angesiedelt wären, von denen auf Grund des Liquidationsparagraphen des Friedens¬
vertrages 5700 Familien mit 340 000 Morgen Land enteignet werden könnten,
und daß diese 5700 gut bebauten Grundstücke für die Ansiedelung polnischer Rück¬
wanderer aus dein rheinischen und westfälischen Industriegebiet unbedingt gebraucht
würden.

Der Präsident des polnischen Ansiedelungsamtes spricht hier also ganz un-
verblümt die Absicht aus, 5700 deutsche Ansiedlei familier von ihrem Besitz zu
vertreiben. Er stellt sich vollkommen auf den Boden des Friedensvertrag.es in
seiner ganzen furchtbaren Härte.


Mitteilungen ' 27
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[0477] Mitteilungen er IMMn LolKriite Pons WestpreuKenz Verantwortlich: Carl Georg Bruns Ur. 27Schriftleitung: Bromberg, Weltzienplatz 1i" Fernruf ??r. 32124. Sept. 191S Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Zur Ansiedlerfrage. Die Siellung der evangelischen Kirche in Polen — Aus den Deutschen Volksräten — Presseslimmen: Polnische Presse. Materialien zur ostdeutschen Frage Zur Ansiedlerfrage In Heft 3 der in Posen erscheinenden Zeitschrift „Der Landwirt" wird das bereits in Ur. 23 der „Mitteilungen" veröffentlichte, aber allgemein viel zu wenig beachtete Rundschreiben des Prändenten des polnischen Ansiedelungsamtes Dr. Karasiewicz besprochen und dazu bemerkt, daß diese Erklärung sicherlich zur allge¬ meinen Beruhigung der deutschen Ansiedler beitragen werde. Diese Auffassung erscheint beinahe unerklärlich, wenn man bedenkt, daß das Rundschreiben zur Be¬ ruhigung der polnischen landhungrigen Bevölkerung diesen soll und in seinem einen Absatz folgendermaßen lautet: „Schließlich bemerken wir zur Beruhigung, daß der Boden auf lange Jahre für die Parzellierung reicht. Das Ansiedelungs- «mit hat nicht nur genug Vorrat an Boden für lange Jahre, fondern es wird auch noch aus Privathandel? im Wege der Parzellierung der einzelnen Güter, auch der früheren königlichen Domänen, Boden zur Parzellierung bekommen. Außerdem haben die Mitielstcuidskasse und die Bauernbank, welche auf den giößeren Gütern und Bauernlandwittschaflen die Hypotheken regulierten, auf einem jeden solchen Besitztum hypothekarische Vorbehalte gemacht und das in der Weise, daß ohne Erlaubnis des Einsiedelungsamtes es nicht gestaltet sein werde, diese Besitz¬ tümer zu verkaufen. Diese Güter und Landwirtschaften müssen aber später oder früher in polnische Hände kommen." Inwiefern diese Erklärung für die in schwerer Lage befindlichen deutschen Ansiedler eine Beruhigung bringen soll, ist unerfindlich, zumal Dr. Karasiewicz sich weiterhin ausdrücklich gegen die von deutscher «Seite bei den Thorner Verhandlungen erhobene Forderung wendet, die dahin ging, auch denjenigen deutschen Ansiedlern die polnische Staatsangehörigkeit zu gewähren, die nach dem 1. Januar 1908 ansässig geworden sind. Vom polnischen Ansiedelungsamt ist ferner darauf hin¬ gewiesen worden, daß seit dem 1. Januar 1908 auf 400000 Morgen 7650 Familien angesiedelt wären, von denen auf Grund des Liquidationsparagraphen des Friedens¬ vertrages 5700 Familien mit 340 000 Morgen Land enteignet werden könnten, und daß diese 5700 gut bebauten Grundstücke für die Ansiedelung polnischer Rück¬ wanderer aus dein rheinischen und westfälischen Industriegebiet unbedingt gebraucht würden. Der Präsident des polnischen Ansiedelungsamtes spricht hier also ganz un- verblümt die Absicht aus, 5700 deutsche Ansiedlei familier von ihrem Besitz zu vertreiben. Er stellt sich vollkommen auf den Boden des Friedensvertrag.es in seiner ganzen furchtbaren Härte. Mitteilungen ' 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/477>, abgerufen am 15.01.2025.