Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Hamburgs Werben um Altona gewachsen hat. Hamburg als Stadt ist so in preußisches Gebiet eingekeilt, Um sie in der näheren preußischen Umgebung einigermaßen beliebt zu Hamburgs Werben um Altona gewachsen hat. Hamburg als Stadt ist so in preußisches Gebiet eingekeilt, Um sie in der näheren preußischen Umgebung einigermaßen beliebt zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336336"/> <fw type="header" place="top"> Hamburgs Werben um Altona</fw><lb/> <p xml:id="ID_144" prev="#ID_143"> gewachsen hat. Hamburg als Stadt ist so in preußisches Gebiet eingekeilt,<lb/> daß eine Flächenausdehnung, soweit hamburgisches Staatsgebiet in Frage<lb/> kommt, schlechterdings nicht mehr möglich ist. Eine Vergrößerung Hamburgs,<lb/> wenn es nicht gezwungen werden will, dieselbe in die Luft hinein vorzunehmen,<lb/> um seineu Stadtanwohncrn genügend Wohngelegenheit zu bieten, ist nur auf<lb/> dem Wege der Eingemeindung möglich, denn unbebautes preußisches Gebiet in<lb/> unmittelbarer Nähe Hamburgs gibt es überhaupt nicht mehr. Im hamburgischen<lb/> Stadtgebiet selbst ist der Bauraum so beschränkt, daß eine Ausnutzung desselben<lb/> kaum noch möglich ist, ohne die Stadt jener Vorzüge zu berauben, die sie in<lb/> Anlagen und Plätzen für ihren Umfang nicht einmal genugsam besitzt, so daß<lb/> selbst der so notwendige Opernhausbau zum Teil aus Mangel an dem<lb/> erforderlichen Platz bisher immer noch unterblieben ist. Die Lage ist insofern<lb/> dieselbe wie für Berlin-Stadt, wenn nicht die Fülle und Breite des Raumes<lb/> im Zentrum Berlins jene der hamburgischen Enge gegenüber doch noch günstiger<lb/> erscheinen ließe. Wäre also für Hamburg die Frage der Vergrößerung nicht<lb/> durch Gebietserweiterung lösbar, so würde Hamburg vermutlich als erste<lb/> deutsche Stadt gezwungen sein, zu dem amerikanischen Wolkenkratzersystem<lb/> überzugehen. — vorausgesetzt, daß die Einwohnerzahl durch die ungünstige<lb/> wirtschaftliche Lage mit der Zeit nicht eher einen Rückgang denn einen Zuwachs<lb/> erfahren wird. Ob aber das nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sein wird,<lb/> um so mehr, als die Arbeiterschaft sich durch maßlose Forderungen ihrer Existenz¬<lb/> möglichkeit immer mehr beraubt, scheint man in Hamburg noch gar nicht bedacht<lb/> zu haben. Denn wir haben die alten Verhältnisse nicht mehr, am wenigsten<lb/> in Hamburg. Schon der Umstand, daß man in ganz West-, Mittel- und<lb/> Süddeutschland in der Versorgung mit Anslandswaren heute viel besser dasteht,<lb/> wie in dem vermeintlich an der Quelle befindlichen Hamburg, erscheint hier<lb/> bedeutsam. Wozu alio die übereilten hamburgischen Annexionspläne, die<lb/> überdies heute den fatalen Beigeschmack besitzen, ein Kind des A.- und S.°Rats<lb/> geworden zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_145" next="#ID_146"> Um sie in der näheren preußischen Umgebung einigermaßen beliebt zu<lb/> machen, da diese Pläne, die anfangs bis über Lüneburg hinausgingen, von<lb/> Hannover frühzeitig eine ziemlich energische Abweisung erfuhren, führt man<lb/> von Hamburg aus mit Borliebe an, daß die Wiederanschneidung der an sich<lb/> schon ziemlich bejahrten Frag«, in der Preußen sich bisher als so hartnäckig<lb/> erwies, namentlich von Altona ausging, als wenn man direkt gebeten worden<lb/> sei. der preußischen Nachbarstadt den Gefallen zu tun, sie in den Schoß des<lb/> hamburgischen Staates aufzunehmen. Gewiß ist, daß führende Altonaer Kreise<lb/> diesem Gedanken gleich nach Allsbruch der Revolution wieder besonders nahe¬<lb/> getreten sind; namentlich der frühere Oberbürgermeister Schnackenburg, dessen<lb/> segensreichen? Wirken die Stadt viel gutes verdankt, war ein Liebhaber dieser<lb/> Idee. Wenn man jedoch glaubte, in dieser Frage die Altonaer Bevölkerung<lb/> hinter sich zu haben, so handelte es sich doch hauptsächlich nur um den nicht¬<lb/> preußischen, hamburgisch denkenden und von Hamburg abhängenden Teil<lb/> derselb-n, welcher allerdings nicht unbedeutend ist. Der Nicht-Altonaer betrachtet<lb/> die Stadt nur zu gern als einen Vorort oder Teil Hamburgs, ohne Rücksicht<lb/> auf den durchaus preußischen Charakter der Stadt und die Vorteile, die Preußen<lb/> bietet, ja, obgleich er diese Vorteile in Anspruch nimmt, glaubt er sich sogar<lb/> etwas zu vergeben, daß er in Preußen wohnt, und dient um so lieber dem<lb/> annexionistischen Gedanken, der nun mal in jedem Menschen mehr oder weniger<lb/> stark entwickelt ist. Nun ist es dem genauen Kenner der Verhältnisse wohl¬<lb/> bekannt, daß die angezogenen Vorteile, was das Wohnungs-, das Schulwesen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
Hamburgs Werben um Altona
gewachsen hat. Hamburg als Stadt ist so in preußisches Gebiet eingekeilt,
daß eine Flächenausdehnung, soweit hamburgisches Staatsgebiet in Frage
kommt, schlechterdings nicht mehr möglich ist. Eine Vergrößerung Hamburgs,
wenn es nicht gezwungen werden will, dieselbe in die Luft hinein vorzunehmen,
um seineu Stadtanwohncrn genügend Wohngelegenheit zu bieten, ist nur auf
dem Wege der Eingemeindung möglich, denn unbebautes preußisches Gebiet in
unmittelbarer Nähe Hamburgs gibt es überhaupt nicht mehr. Im hamburgischen
Stadtgebiet selbst ist der Bauraum so beschränkt, daß eine Ausnutzung desselben
kaum noch möglich ist, ohne die Stadt jener Vorzüge zu berauben, die sie in
Anlagen und Plätzen für ihren Umfang nicht einmal genugsam besitzt, so daß
selbst der so notwendige Opernhausbau zum Teil aus Mangel an dem
erforderlichen Platz bisher immer noch unterblieben ist. Die Lage ist insofern
dieselbe wie für Berlin-Stadt, wenn nicht die Fülle und Breite des Raumes
im Zentrum Berlins jene der hamburgischen Enge gegenüber doch noch günstiger
erscheinen ließe. Wäre also für Hamburg die Frage der Vergrößerung nicht
durch Gebietserweiterung lösbar, so würde Hamburg vermutlich als erste
deutsche Stadt gezwungen sein, zu dem amerikanischen Wolkenkratzersystem
überzugehen. — vorausgesetzt, daß die Einwohnerzahl durch die ungünstige
wirtschaftliche Lage mit der Zeit nicht eher einen Rückgang denn einen Zuwachs
erfahren wird. Ob aber das nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sein wird,
um so mehr, als die Arbeiterschaft sich durch maßlose Forderungen ihrer Existenz¬
möglichkeit immer mehr beraubt, scheint man in Hamburg noch gar nicht bedacht
zu haben. Denn wir haben die alten Verhältnisse nicht mehr, am wenigsten
in Hamburg. Schon der Umstand, daß man in ganz West-, Mittel- und
Süddeutschland in der Versorgung mit Anslandswaren heute viel besser dasteht,
wie in dem vermeintlich an der Quelle befindlichen Hamburg, erscheint hier
bedeutsam. Wozu alio die übereilten hamburgischen Annexionspläne, die
überdies heute den fatalen Beigeschmack besitzen, ein Kind des A.- und S.°Rats
geworden zu sein.
Um sie in der näheren preußischen Umgebung einigermaßen beliebt zu
machen, da diese Pläne, die anfangs bis über Lüneburg hinausgingen, von
Hannover frühzeitig eine ziemlich energische Abweisung erfuhren, führt man
von Hamburg aus mit Borliebe an, daß die Wiederanschneidung der an sich
schon ziemlich bejahrten Frag«, in der Preußen sich bisher als so hartnäckig
erwies, namentlich von Altona ausging, als wenn man direkt gebeten worden
sei. der preußischen Nachbarstadt den Gefallen zu tun, sie in den Schoß des
hamburgischen Staates aufzunehmen. Gewiß ist, daß führende Altonaer Kreise
diesem Gedanken gleich nach Allsbruch der Revolution wieder besonders nahe¬
getreten sind; namentlich der frühere Oberbürgermeister Schnackenburg, dessen
segensreichen? Wirken die Stadt viel gutes verdankt, war ein Liebhaber dieser
Idee. Wenn man jedoch glaubte, in dieser Frage die Altonaer Bevölkerung
hinter sich zu haben, so handelte es sich doch hauptsächlich nur um den nicht¬
preußischen, hamburgisch denkenden und von Hamburg abhängenden Teil
derselb-n, welcher allerdings nicht unbedeutend ist. Der Nicht-Altonaer betrachtet
die Stadt nur zu gern als einen Vorort oder Teil Hamburgs, ohne Rücksicht
auf den durchaus preußischen Charakter der Stadt und die Vorteile, die Preußen
bietet, ja, obgleich er diese Vorteile in Anspruch nimmt, glaubt er sich sogar
etwas zu vergeben, daß er in Preußen wohnt, und dient um so lieber dem
annexionistischen Gedanken, der nun mal in jedem Menschen mehr oder weniger
stark entwickelt ist. Nun ist es dem genauen Kenner der Verhältnisse wohl¬
bekannt, daß die angezogenen Vorteile, was das Wohnungs-, das Schulwesen,
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