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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Ministerium des Aeußeren Dr. Wrob-
lewski Qlis Warschau. Er leitet als Ober¬
haupt der ganzen Delegation den Lauf
der Verhandlungen und der nötigen Ar¬
beiten. Er wohnt im Hotel "Adlon" in
Berlin. Die Delegation hat 40 polnische
Beamte der Zentralämter und Kenner
der örtlichen Verhältnisse der Gebiete des
preußischen Landesteils mitgebracht, und
im Falle des Bedarfs wird sie die Zahl
ihrer Beiräte und Mithelfer vergrößern,
indem sie noch andere Persönlichkeiten
nach Berlin beruft. Auf solche telegra¬
phische Berufung mußte sich der Bor¬
fitzende des Thorner Volksrates, Herr
Wodylaw Szuman, in Berlin stellen,
ferner der jetzige Vorsitzende der Koloni¬
sationskommission in Posen, Dr. Kara-
siewiecz aus Duchel, und andere, so daß
die Zahl dieser polnischen Rätekommission
bei der Delegation in Berlin bis 50 Per¬
sonen umfaßt, und beinahe jeden Tag
größer wird. Außerdem haben die ein¬
zelnen Kreisvolksräte iber Polen der noch
nicht abgetretenen Gebiete ihre Abgeord¬
neten zur polnischen Delegation in Berlin
abgesandt, die den Auftrag haben,
unsere Delegierten auf die verschiedenen
neuesten Vorgänge im Lande aufmerksam
zu machen, von diesen Abgeordneten habe
ich den Rechtsanwalt Dr. Ossowski aus
Culm, den Redakteur Kulerski aus Grau-
denz angetroffen, die nach Erfüllung ihres
Auftrages wieder zurückkehren. Unsere
Delegation hat sich von Anfang an auf
den Standpunkt gestellt, daß erstens die
Fragen Westpreußens und des Netze-
djstrikts nicht einzeln erledigt werden,
sondern daß die Übernahme der Ämter
in diesen Gebieten ein Ganzes mit der
Übernahme der Ämter der Provinz
Posen bildet, daß man zweitens mit den
Deutschen nicht über die Art der Verwal¬
tung der Gebiete des preußischen Landes¬
teils nach ihrer Übernahme verhandeln
wird -- denn dieses ist eine ausschließlich
innere Angelegenheit des neuen polnischen
Staates --, sondern daß man über die
Vorbereitung der Uebernahme der Macht

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für die Uebergangszeit bis zu der endgül¬
tigen Auslieferung dieser Gebiete an Polen
nach der Ratifikation desFriedensvertrages
beraten wird. Deshalb sind die Befürch¬
tungen fruchtlos, die unsere Bevölkerung
hegt, daß nämlich die polnische Regierung
bereit ist, in Berlin Zugeständnisse zu
machen, die den Deutschen irgendwelche
Ausnahmerechte für die weitere Zukunft
-- wenn diese Gebiete schon ein Teil des
polnischen Staates sein werden -- garan¬
tieren würden, Die Deutschen werden als
Staatsangehörige des polnischen Staates
Gleichberechtigung haben, wie es ihnen
der Friedens vertrag gesichert hat, und
ihre Bestrebungen, für sich irgendwelche
besondere Vorzüge ,zu gewinnen, werden-
nicht nur auf einen entschlossenen Wider¬
stand unserer Regierung stoßen, fondern
auch schon an der Wachsamkeit der Entente¬
delegation scheitern, die gerade deshalb
an den Berliner Verhandlungen teil¬
nimmt, um den Standpunkt ihres Ver¬
bündeten -- Polens >zu unterstützen.
Charakteristisch war die erste gemeinschaft¬
liche Sitzung der ganzen polnischen Kom¬
mission, der deutschen Kommission und
der Delegation der Entente. Die Ver¬
sammelten wurden vom Vorsitzenden der
deutschen Kommission, S. Exz. v. Herrick,
in deutscher Sprache begrüßt. Der Vor¬
sitzende unserer Delegation, Dr. Wrob--
lewski, antwortete ihm darauf höflich,
aber natürlich in polnischer Sprache, und"
erst an die Delegation "der Entente wandte
er sich mit einer französischen Anrede. Von
den Vertretern der Entente hielt der Ver¬
treter Italiens eine Rede, und zwar
in italienischer Sprache, so daß alle Reden
den Versammelten sofort in ihren Mutler¬
sprachen übersetzt werden mußten. Diese
Verhandlungen, an denen mehr als hun¬
dert teilnahmen, würden ,zu keinen prak¬
tischen Ergebnissen führen. Deshalb
wurden die Arbeiten sofort in Kategorien
eingeteilt, die der Einteilung der Verwal¬
tung im Ministerium entsprechen. Zu
jeder Kategorie hat unsere Delegation
eine-besondere Kommission abgesandt, die
meistens aus einem der Delegierten als

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Ministerium des Aeußeren Dr. Wrob-
lewski Qlis Warschau. Er leitet als Ober¬
haupt der ganzen Delegation den Lauf
der Verhandlungen und der nötigen Ar¬
beiten. Er wohnt im Hotel „Adlon" in
Berlin. Die Delegation hat 40 polnische
Beamte der Zentralämter und Kenner
der örtlichen Verhältnisse der Gebiete des
preußischen Landesteils mitgebracht, und
im Falle des Bedarfs wird sie die Zahl
ihrer Beiräte und Mithelfer vergrößern,
indem sie noch andere Persönlichkeiten
nach Berlin beruft. Auf solche telegra¬
phische Berufung mußte sich der Bor¬
fitzende des Thorner Volksrates, Herr
Wodylaw Szuman, in Berlin stellen,
ferner der jetzige Vorsitzende der Koloni¬
sationskommission in Posen, Dr. Kara-
siewiecz aus Duchel, und andere, so daß
die Zahl dieser polnischen Rätekommission
bei der Delegation in Berlin bis 50 Per¬
sonen umfaßt, und beinahe jeden Tag
größer wird. Außerdem haben die ein¬
zelnen Kreisvolksräte iber Polen der noch
nicht abgetretenen Gebiete ihre Abgeord¬
neten zur polnischen Delegation in Berlin
abgesandt, die den Auftrag haben,
unsere Delegierten auf die verschiedenen
neuesten Vorgänge im Lande aufmerksam
zu machen, von diesen Abgeordneten habe
ich den Rechtsanwalt Dr. Ossowski aus
Culm, den Redakteur Kulerski aus Grau-
denz angetroffen, die nach Erfüllung ihres
Auftrages wieder zurückkehren. Unsere
Delegation hat sich von Anfang an auf
den Standpunkt gestellt, daß erstens die
Fragen Westpreußens und des Netze-
djstrikts nicht einzeln erledigt werden,
sondern daß die Übernahme der Ämter
in diesen Gebieten ein Ganzes mit der
Übernahme der Ämter der Provinz
Posen bildet, daß man zweitens mit den
Deutschen nicht über die Art der Verwal¬
tung der Gebiete des preußischen Landes¬
teils nach ihrer Übernahme verhandeln
wird — denn dieses ist eine ausschließlich
innere Angelegenheit des neuen polnischen
Staates —, sondern daß man über die
Vorbereitung der Uebernahme der Macht

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für die Uebergangszeit bis zu der endgül¬
tigen Auslieferung dieser Gebiete an Polen
nach der Ratifikation desFriedensvertrages
beraten wird. Deshalb sind die Befürch¬
tungen fruchtlos, die unsere Bevölkerung
hegt, daß nämlich die polnische Regierung
bereit ist, in Berlin Zugeständnisse zu
machen, die den Deutschen irgendwelche
Ausnahmerechte für die weitere Zukunft
— wenn diese Gebiete schon ein Teil des
polnischen Staates sein werden — garan¬
tieren würden, Die Deutschen werden als
Staatsangehörige des polnischen Staates
Gleichberechtigung haben, wie es ihnen
der Friedens vertrag gesichert hat, und
ihre Bestrebungen, für sich irgendwelche
besondere Vorzüge ,zu gewinnen, werden-
nicht nur auf einen entschlossenen Wider¬
stand unserer Regierung stoßen, fondern
auch schon an der Wachsamkeit der Entente¬
delegation scheitern, die gerade deshalb
an den Berliner Verhandlungen teil¬
nimmt, um den Standpunkt ihres Ver¬
bündeten — Polens >zu unterstützen.
Charakteristisch war die erste gemeinschaft¬
liche Sitzung der ganzen polnischen Kom¬
mission, der deutschen Kommission und
der Delegation der Entente. Die Ver¬
sammelten wurden vom Vorsitzenden der
deutschen Kommission, S. Exz. v. Herrick,
in deutscher Sprache begrüßt. Der Vor¬
sitzende unserer Delegation, Dr. Wrob--
lewski, antwortete ihm darauf höflich,
aber natürlich in polnischer Sprache, und"
erst an die Delegation "der Entente wandte
er sich mit einer französischen Anrede. Von
den Vertretern der Entente hielt der Ver¬
treter Italiens eine Rede, und zwar
in italienischer Sprache, so daß alle Reden
den Versammelten sofort in ihren Mutler¬
sprachen übersetzt werden mußten. Diese
Verhandlungen, an denen mehr als hun¬
dert teilnahmen, würden ,zu keinen prak¬
tischen Ergebnissen führen. Deshalb
wurden die Arbeiten sofort in Kategorien
eingeteilt, die der Einteilung der Verwal¬
tung im Ministerium entsprechen. Zu
jeder Kategorie hat unsere Delegation
eine-besondere Kommission abgesandt, die
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[0458] Prcssestimmen Ministerium des Aeußeren Dr. Wrob- lewski Qlis Warschau. Er leitet als Ober¬ haupt der ganzen Delegation den Lauf der Verhandlungen und der nötigen Ar¬ beiten. Er wohnt im Hotel „Adlon" in Berlin. Die Delegation hat 40 polnische Beamte der Zentralämter und Kenner der örtlichen Verhältnisse der Gebiete des preußischen Landesteils mitgebracht, und im Falle des Bedarfs wird sie die Zahl ihrer Beiräte und Mithelfer vergrößern, indem sie noch andere Persönlichkeiten nach Berlin beruft. Auf solche telegra¬ phische Berufung mußte sich der Bor¬ fitzende des Thorner Volksrates, Herr Wodylaw Szuman, in Berlin stellen, ferner der jetzige Vorsitzende der Koloni¬ sationskommission in Posen, Dr. Kara- siewiecz aus Duchel, und andere, so daß die Zahl dieser polnischen Rätekommission bei der Delegation in Berlin bis 50 Per¬ sonen umfaßt, und beinahe jeden Tag größer wird. Außerdem haben die ein¬ zelnen Kreisvolksräte iber Polen der noch nicht abgetretenen Gebiete ihre Abgeord¬ neten zur polnischen Delegation in Berlin abgesandt, die den Auftrag haben, unsere Delegierten auf die verschiedenen neuesten Vorgänge im Lande aufmerksam zu machen, von diesen Abgeordneten habe ich den Rechtsanwalt Dr. Ossowski aus Culm, den Redakteur Kulerski aus Grau- denz angetroffen, die nach Erfüllung ihres Auftrages wieder zurückkehren. Unsere Delegation hat sich von Anfang an auf den Standpunkt gestellt, daß erstens die Fragen Westpreußens und des Netze- djstrikts nicht einzeln erledigt werden, sondern daß die Übernahme der Ämter in diesen Gebieten ein Ganzes mit der Übernahme der Ämter der Provinz Posen bildet, daß man zweitens mit den Deutschen nicht über die Art der Verwal¬ tung der Gebiete des preußischen Landes¬ teils nach ihrer Übernahme verhandeln wird — denn dieses ist eine ausschließlich innere Angelegenheit des neuen polnischen Staates —, sondern daß man über die Vorbereitung der Uebernahme der Macht für die Uebergangszeit bis zu der endgül¬ tigen Auslieferung dieser Gebiete an Polen nach der Ratifikation desFriedensvertrages beraten wird. Deshalb sind die Befürch¬ tungen fruchtlos, die unsere Bevölkerung hegt, daß nämlich die polnische Regierung bereit ist, in Berlin Zugeständnisse zu machen, die den Deutschen irgendwelche Ausnahmerechte für die weitere Zukunft — wenn diese Gebiete schon ein Teil des polnischen Staates sein werden — garan¬ tieren würden, Die Deutschen werden als Staatsangehörige des polnischen Staates Gleichberechtigung haben, wie es ihnen der Friedens vertrag gesichert hat, und ihre Bestrebungen, für sich irgendwelche besondere Vorzüge ,zu gewinnen, werden- nicht nur auf einen entschlossenen Wider¬ stand unserer Regierung stoßen, fondern auch schon an der Wachsamkeit der Entente¬ delegation scheitern, die gerade deshalb an den Berliner Verhandlungen teil¬ nimmt, um den Standpunkt ihres Ver¬ bündeten — Polens >zu unterstützen. Charakteristisch war die erste gemeinschaft¬ liche Sitzung der ganzen polnischen Kom¬ mission, der deutschen Kommission und der Delegation der Entente. Die Ver¬ sammelten wurden vom Vorsitzenden der deutschen Kommission, S. Exz. v. Herrick, in deutscher Sprache begrüßt. Der Vor¬ sitzende unserer Delegation, Dr. Wrob-- lewski, antwortete ihm darauf höflich, aber natürlich in polnischer Sprache, und" erst an die Delegation "der Entente wandte er sich mit einer französischen Anrede. Von den Vertretern der Entente hielt der Ver¬ treter Italiens eine Rede, und zwar in italienischer Sprache, so daß alle Reden den Versammelten sofort in ihren Mutler¬ sprachen übersetzt werden mußten. Diese Verhandlungen, an denen mehr als hun¬ dert teilnahmen, würden ,zu keinen prak¬ tischen Ergebnissen führen. Deshalb wurden die Arbeiten sofort in Kategorien eingeteilt, die der Einteilung der Verwal¬ tung im Ministerium entsprechen. Zu jeder Kategorie hat unsere Delegation eine-besondere Kommission abgesandt, die meistens aus einem der Delegierten als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/458>, abgerufen am 15.01.2025.