Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Materialien zur ostdeutschen Frage

Die Annahme des Friedensvertrages schlug den größten Teil der Ostmark
zu Polen, und damit mutzte das Schwergewicht einer Organisation, deren
Einheits- und Lebensprinzip lediglich Schutz und Förderung des Deutschtums ist,
von selbst gewinnen. Die wirtschaftlichen und beruflichen Differenzierungen der
Bevölkerung sind hiervon gewiß nicht berührt worden, auch bleiben gewisse
Gegensätze der politischen Weltanschauung unter den neuen Verhältnissen noch
bestehen. Die Frage nutz aber doch ernsthaft geprüft werden, ob nicht verglichen
mit dem großen gemeinsamen Deutschtuminteresse diese Gegensätze so stark
zurücktreten, daß sie zu einer besonderen Gliederung des Deutschtums in ver¬
schiedene politische Parteien nicht mehr den Grund bilden. Matzgebend für die
Bildung der politischen Parteien ist in erster Linie die Stellung zum Wesen des
Staats. Genau wie im deutschen Reichstag die Polen als geschlossene Fraktion aus¬
getreten sind, wird sich auch für die Deutschen, wenn sie auf der Basis der
politischen Gleichberechtigung in das parlamentarische Leben Polens eintreten, der
Zwang herausstellen, geschlossen vorzugehen, da ja die grundsätzliche Stellung
zum polnischen Staate nur die gleiche sein kann. Die Lage hat sich eben dadurch,
daß die Ostmarkdeutschen im parlamentarischen Leben in der Minorität stehen
werden, grundlegend verschoben. Der einheitliche Zusammenschluß zum Schutze
des Deutschtums im Zusammenleben mit den Polen könnte im Rahmen des
deutschen Reichs nur eine von vielen Aufgaben sein, vor die die Deutschen der
Ostmark sich gestellt sehen. Nunmehr tritt diese Aufgabe aber so in den Vorder¬
grund, daß es rein sachlicher Überlegung selbstverständlich erscheint, von diesem
Zusammenschluß aus auch die Vertretung des Deutschtums im parteipolitischer
Kampfe des polnischen Staates zu finden. Mußten die Volksräte innerhalb des
deutschen Reiches es auf das peinlichste vermeiden, Aufgaben an sich zu reißen, die
zur Domäne der Parteipolitik gehörten, so liegt ein Zwang zu gleicher
Vorsicht innerhalb des polnischen Staates nicht vor, da der Gesichtspunkt für
den parteipolitischer Zusammenschluß für den Deutschen auch hier nur das
Deutschtum sein kann.

Solche Erwägungen ließen die Volksräte aus ihrer bisherigen Zurück¬
haltung heraustreten und den Versuch unternehmen, durch die Mitbeteiligung
an der Gründung der Vereinigung des Deutschtums in Polen, der "Deutschen
Partei", das Deutschtum von vornherein in den polnischen Staat als geschlossene
Partei hineinzuführen. Dieser Versuch, unternommen im Rahmen des deutschen
Reichs hätte notwendig zu einer Verfälschung des Volksratsgedankens geführt.
Denn da hier eine Stellungnahme zu den einzelnen politischen Parteien des
Reichs erforderlich geworden wäre, hätte eine Zuordnung zu bestimmten Partei¬
richtungen nicht ausbleiben können. In der neuen Lage besteht diese Gefahr nicht.
Da alle Fragen künftig unter dem Gesichtspunkt, ob sie dem Deutschtum schaden
oder nützen, behandelt werden müssen, fällt die Möglichkeit einer parteipolitischer
Festlegung fort, und sie tut es besonders unter dem Gliederungsgesichtspunkt der
Parteien des deutschen Reichs. Da die tätige politische Mitarbeit jedes einzelnen, die
Schaffung einer lebendigen deutschen Gemeinschaft, Voraussetzung für die Erhaltung des
Deutschtums in Polen ist, fallen die Gegensätze konservativer, demokratischer und
sozialistischer Weltanschauung für das Deutschtum im polnischen Staat nicht mehr
ins Gewicht.

Eine Existenzberechtigung der alten deutschen Parteien für die Ostmark
läßt sich nicht mehr verfechten. Aber es kann allerdings nicht übersehen werden,
daß auch jetzt noch innerhalb des Deutschtums verschiedene Interessen und Ver¬
schiebungen nach Betätigung streben werden. Aber die Verschiedenheit ist doch
nicht groß genug, um eine parteipolitische Sonderung zu rechtfertigen. Die
deutsche Einheitspartei ist unter den neuen Verhältnissen keine Utopie, sondern
eine Notwendigkeit, die sich über kurz oder lang durchsetzen muß. Solange aber
diese Notwendigkeit noch nicht als Gemeingut eingesehen ist, wird das Deutschtum
wohl oder übel zusehen müssen, wie es parteipolitische'Sonderungen unter den
Deutschen ertragen kann. Um so mehr ist eS dann aber nötig, an dem Volksrats-


Materialien zur ostdeutschen Frage

Die Annahme des Friedensvertrages schlug den größten Teil der Ostmark
zu Polen, und damit mutzte das Schwergewicht einer Organisation, deren
Einheits- und Lebensprinzip lediglich Schutz und Förderung des Deutschtums ist,
von selbst gewinnen. Die wirtschaftlichen und beruflichen Differenzierungen der
Bevölkerung sind hiervon gewiß nicht berührt worden, auch bleiben gewisse
Gegensätze der politischen Weltanschauung unter den neuen Verhältnissen noch
bestehen. Die Frage nutz aber doch ernsthaft geprüft werden, ob nicht verglichen
mit dem großen gemeinsamen Deutschtuminteresse diese Gegensätze so stark
zurücktreten, daß sie zu einer besonderen Gliederung des Deutschtums in ver¬
schiedene politische Parteien nicht mehr den Grund bilden. Matzgebend für die
Bildung der politischen Parteien ist in erster Linie die Stellung zum Wesen des
Staats. Genau wie im deutschen Reichstag die Polen als geschlossene Fraktion aus¬
getreten sind, wird sich auch für die Deutschen, wenn sie auf der Basis der
politischen Gleichberechtigung in das parlamentarische Leben Polens eintreten, der
Zwang herausstellen, geschlossen vorzugehen, da ja die grundsätzliche Stellung
zum polnischen Staate nur die gleiche sein kann. Die Lage hat sich eben dadurch,
daß die Ostmarkdeutschen im parlamentarischen Leben in der Minorität stehen
werden, grundlegend verschoben. Der einheitliche Zusammenschluß zum Schutze
des Deutschtums im Zusammenleben mit den Polen könnte im Rahmen des
deutschen Reichs nur eine von vielen Aufgaben sein, vor die die Deutschen der
Ostmark sich gestellt sehen. Nunmehr tritt diese Aufgabe aber so in den Vorder¬
grund, daß es rein sachlicher Überlegung selbstverständlich erscheint, von diesem
Zusammenschluß aus auch die Vertretung des Deutschtums im parteipolitischer
Kampfe des polnischen Staates zu finden. Mußten die Volksräte innerhalb des
deutschen Reiches es auf das peinlichste vermeiden, Aufgaben an sich zu reißen, die
zur Domäne der Parteipolitik gehörten, so liegt ein Zwang zu gleicher
Vorsicht innerhalb des polnischen Staates nicht vor, da der Gesichtspunkt für
den parteipolitischer Zusammenschluß für den Deutschen auch hier nur das
Deutschtum sein kann.

Solche Erwägungen ließen die Volksräte aus ihrer bisherigen Zurück¬
haltung heraustreten und den Versuch unternehmen, durch die Mitbeteiligung
an der Gründung der Vereinigung des Deutschtums in Polen, der „Deutschen
Partei", das Deutschtum von vornherein in den polnischen Staat als geschlossene
Partei hineinzuführen. Dieser Versuch, unternommen im Rahmen des deutschen
Reichs hätte notwendig zu einer Verfälschung des Volksratsgedankens geführt.
Denn da hier eine Stellungnahme zu den einzelnen politischen Parteien des
Reichs erforderlich geworden wäre, hätte eine Zuordnung zu bestimmten Partei¬
richtungen nicht ausbleiben können. In der neuen Lage besteht diese Gefahr nicht.
Da alle Fragen künftig unter dem Gesichtspunkt, ob sie dem Deutschtum schaden
oder nützen, behandelt werden müssen, fällt die Möglichkeit einer parteipolitischer
Festlegung fort, und sie tut es besonders unter dem Gliederungsgesichtspunkt der
Parteien des deutschen Reichs. Da die tätige politische Mitarbeit jedes einzelnen, die
Schaffung einer lebendigen deutschen Gemeinschaft, Voraussetzung für die Erhaltung des
Deutschtums in Polen ist, fallen die Gegensätze konservativer, demokratischer und
sozialistischer Weltanschauung für das Deutschtum im polnischen Staat nicht mehr
ins Gewicht.

Eine Existenzberechtigung der alten deutschen Parteien für die Ostmark
läßt sich nicht mehr verfechten. Aber es kann allerdings nicht übersehen werden,
daß auch jetzt noch innerhalb des Deutschtums verschiedene Interessen und Ver¬
schiebungen nach Betätigung streben werden. Aber die Verschiedenheit ist doch
nicht groß genug, um eine parteipolitische Sonderung zu rechtfertigen. Die
deutsche Einheitspartei ist unter den neuen Verhältnissen keine Utopie, sondern
eine Notwendigkeit, die sich über kurz oder lang durchsetzen muß. Solange aber
diese Notwendigkeit noch nicht als Gemeingut eingesehen ist, wird das Deutschtum
wohl oder übel zusehen müssen, wie es parteipolitische'Sonderungen unter den
Deutschen ertragen kann. Um so mehr ist eS dann aber nötig, an dem Volksrats-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336744"/>
            <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2129"> Die Annahme des Friedensvertrages schlug den größten Teil der Ostmark<lb/>
zu Polen, und damit mutzte das Schwergewicht einer Organisation, deren<lb/>
Einheits- und Lebensprinzip lediglich Schutz und Förderung des Deutschtums ist,<lb/>
von selbst gewinnen. Die wirtschaftlichen und beruflichen Differenzierungen der<lb/>
Bevölkerung sind hiervon gewiß nicht berührt worden, auch bleiben gewisse<lb/>
Gegensätze der politischen Weltanschauung unter den neuen Verhältnissen noch<lb/>
bestehen. Die Frage nutz aber doch ernsthaft geprüft werden, ob nicht verglichen<lb/>
mit dem großen gemeinsamen Deutschtuminteresse diese Gegensätze so stark<lb/>
zurücktreten, daß sie zu einer besonderen Gliederung des Deutschtums in ver¬<lb/>
schiedene politische Parteien nicht mehr den Grund bilden. Matzgebend für die<lb/>
Bildung der politischen Parteien ist in erster Linie die Stellung zum Wesen des<lb/>
Staats. Genau wie im deutschen Reichstag die Polen als geschlossene Fraktion aus¬<lb/>
getreten sind, wird sich auch für die Deutschen, wenn sie auf der Basis der<lb/>
politischen Gleichberechtigung in das parlamentarische Leben Polens eintreten, der<lb/>
Zwang herausstellen, geschlossen vorzugehen, da ja die grundsätzliche Stellung<lb/>
zum polnischen Staate nur die gleiche sein kann. Die Lage hat sich eben dadurch,<lb/>
daß die Ostmarkdeutschen im parlamentarischen Leben in der Minorität stehen<lb/>
werden, grundlegend verschoben. Der einheitliche Zusammenschluß zum Schutze<lb/>
des Deutschtums im Zusammenleben mit den Polen könnte im Rahmen des<lb/>
deutschen Reichs nur eine von vielen Aufgaben sein, vor die die Deutschen der<lb/>
Ostmark sich gestellt sehen. Nunmehr tritt diese Aufgabe aber so in den Vorder¬<lb/>
grund, daß es rein sachlicher Überlegung selbstverständlich erscheint, von diesem<lb/>
Zusammenschluß aus auch die Vertretung des Deutschtums im parteipolitischer<lb/>
Kampfe des polnischen Staates zu finden. Mußten die Volksräte innerhalb des<lb/>
deutschen Reiches es auf das peinlichste vermeiden, Aufgaben an sich zu reißen, die<lb/>
zur Domäne der Parteipolitik gehörten, so liegt ein Zwang zu gleicher<lb/>
Vorsicht innerhalb des polnischen Staates nicht vor, da der Gesichtspunkt für<lb/>
den parteipolitischer Zusammenschluß für den Deutschen auch hier nur das<lb/>
Deutschtum sein kann.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2130"> Solche Erwägungen ließen die Volksräte aus ihrer bisherigen Zurück¬<lb/>
haltung heraustreten und den Versuch unternehmen, durch die Mitbeteiligung<lb/>
an der Gründung der Vereinigung des Deutschtums in Polen, der &#x201E;Deutschen<lb/>
Partei", das Deutschtum von vornherein in den polnischen Staat als geschlossene<lb/>
Partei hineinzuführen. Dieser Versuch, unternommen im Rahmen des deutschen<lb/>
Reichs hätte notwendig zu einer Verfälschung des Volksratsgedankens geführt.<lb/>
Denn da hier eine Stellungnahme zu den einzelnen politischen Parteien des<lb/>
Reichs erforderlich geworden wäre, hätte eine Zuordnung zu bestimmten Partei¬<lb/>
richtungen nicht ausbleiben können. In der neuen Lage besteht diese Gefahr nicht.<lb/>
Da alle Fragen künftig unter dem Gesichtspunkt, ob sie dem Deutschtum schaden<lb/>
oder nützen, behandelt werden müssen, fällt die Möglichkeit einer parteipolitischer<lb/>
Festlegung fort, und sie tut es besonders unter dem Gliederungsgesichtspunkt der<lb/>
Parteien des deutschen Reichs. Da die tätige politische Mitarbeit jedes einzelnen, die<lb/>
Schaffung einer lebendigen deutschen Gemeinschaft, Voraussetzung für die Erhaltung des<lb/>
Deutschtums in Polen ist, fallen die Gegensätze konservativer, demokratischer und<lb/>
sozialistischer Weltanschauung für das Deutschtum im polnischen Staat nicht mehr<lb/>
ins Gewicht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2131" next="#ID_2132"> Eine Existenzberechtigung der alten deutschen Parteien für die Ostmark<lb/>
läßt sich nicht mehr verfechten. Aber es kann allerdings nicht übersehen werden,<lb/>
daß auch jetzt noch innerhalb des Deutschtums verschiedene Interessen und Ver¬<lb/>
schiebungen nach Betätigung streben werden. Aber die Verschiedenheit ist doch<lb/>
nicht groß genug, um eine parteipolitische Sonderung zu rechtfertigen. Die<lb/>
deutsche Einheitspartei ist unter den neuen Verhältnissen keine Utopie, sondern<lb/>
eine Notwendigkeit, die sich über kurz oder lang durchsetzen muß. Solange aber<lb/>
diese Notwendigkeit noch nicht als Gemeingut eingesehen ist, wird das Deutschtum<lb/>
wohl oder übel zusehen müssen, wie es parteipolitische'Sonderungen unter den<lb/>
Deutschen ertragen kann. Um so mehr ist eS dann aber nötig, an dem Volksrats-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0454] Materialien zur ostdeutschen Frage Die Annahme des Friedensvertrages schlug den größten Teil der Ostmark zu Polen, und damit mutzte das Schwergewicht einer Organisation, deren Einheits- und Lebensprinzip lediglich Schutz und Förderung des Deutschtums ist, von selbst gewinnen. Die wirtschaftlichen und beruflichen Differenzierungen der Bevölkerung sind hiervon gewiß nicht berührt worden, auch bleiben gewisse Gegensätze der politischen Weltanschauung unter den neuen Verhältnissen noch bestehen. Die Frage nutz aber doch ernsthaft geprüft werden, ob nicht verglichen mit dem großen gemeinsamen Deutschtuminteresse diese Gegensätze so stark zurücktreten, daß sie zu einer besonderen Gliederung des Deutschtums in ver¬ schiedene politische Parteien nicht mehr den Grund bilden. Matzgebend für die Bildung der politischen Parteien ist in erster Linie die Stellung zum Wesen des Staats. Genau wie im deutschen Reichstag die Polen als geschlossene Fraktion aus¬ getreten sind, wird sich auch für die Deutschen, wenn sie auf der Basis der politischen Gleichberechtigung in das parlamentarische Leben Polens eintreten, der Zwang herausstellen, geschlossen vorzugehen, da ja die grundsätzliche Stellung zum polnischen Staate nur die gleiche sein kann. Die Lage hat sich eben dadurch, daß die Ostmarkdeutschen im parlamentarischen Leben in der Minorität stehen werden, grundlegend verschoben. Der einheitliche Zusammenschluß zum Schutze des Deutschtums im Zusammenleben mit den Polen könnte im Rahmen des deutschen Reichs nur eine von vielen Aufgaben sein, vor die die Deutschen der Ostmark sich gestellt sehen. Nunmehr tritt diese Aufgabe aber so in den Vorder¬ grund, daß es rein sachlicher Überlegung selbstverständlich erscheint, von diesem Zusammenschluß aus auch die Vertretung des Deutschtums im parteipolitischer Kampfe des polnischen Staates zu finden. Mußten die Volksräte innerhalb des deutschen Reiches es auf das peinlichste vermeiden, Aufgaben an sich zu reißen, die zur Domäne der Parteipolitik gehörten, so liegt ein Zwang zu gleicher Vorsicht innerhalb des polnischen Staates nicht vor, da der Gesichtspunkt für den parteipolitischer Zusammenschluß für den Deutschen auch hier nur das Deutschtum sein kann. Solche Erwägungen ließen die Volksräte aus ihrer bisherigen Zurück¬ haltung heraustreten und den Versuch unternehmen, durch die Mitbeteiligung an der Gründung der Vereinigung des Deutschtums in Polen, der „Deutschen Partei", das Deutschtum von vornherein in den polnischen Staat als geschlossene Partei hineinzuführen. Dieser Versuch, unternommen im Rahmen des deutschen Reichs hätte notwendig zu einer Verfälschung des Volksratsgedankens geführt. Denn da hier eine Stellungnahme zu den einzelnen politischen Parteien des Reichs erforderlich geworden wäre, hätte eine Zuordnung zu bestimmten Partei¬ richtungen nicht ausbleiben können. In der neuen Lage besteht diese Gefahr nicht. Da alle Fragen künftig unter dem Gesichtspunkt, ob sie dem Deutschtum schaden oder nützen, behandelt werden müssen, fällt die Möglichkeit einer parteipolitischer Festlegung fort, und sie tut es besonders unter dem Gliederungsgesichtspunkt der Parteien des deutschen Reichs. Da die tätige politische Mitarbeit jedes einzelnen, die Schaffung einer lebendigen deutschen Gemeinschaft, Voraussetzung für die Erhaltung des Deutschtums in Polen ist, fallen die Gegensätze konservativer, demokratischer und sozialistischer Weltanschauung für das Deutschtum im polnischen Staat nicht mehr ins Gewicht. Eine Existenzberechtigung der alten deutschen Parteien für die Ostmark läßt sich nicht mehr verfechten. Aber es kann allerdings nicht übersehen werden, daß auch jetzt noch innerhalb des Deutschtums verschiedene Interessen und Ver¬ schiebungen nach Betätigung streben werden. Aber die Verschiedenheit ist doch nicht groß genug, um eine parteipolitische Sonderung zu rechtfertigen. Die deutsche Einheitspartei ist unter den neuen Verhältnissen keine Utopie, sondern eine Notwendigkeit, die sich über kurz oder lang durchsetzen muß. Solange aber diese Notwendigkeit noch nicht als Gemeingut eingesehen ist, wird das Deutschtum wohl oder übel zusehen müssen, wie es parteipolitische'Sonderungen unter den Deutschen ertragen kann. Um so mehr ist eS dann aber nötig, an dem Volksrats-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/454
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/454>, abgerufen am 15.01.2025.