Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Hamburgs tverben um Altona Tore verschlossen hielt, die dann in der neuen Stadt Altona um so ungehinderte Nun kann sich niemand davor verschließen, daß Hamburgs Lage, was Hamburgs tverben um Altona Tore verschlossen hielt, die dann in der neuen Stadt Altona um so ungehinderte Nun kann sich niemand davor verschließen, daß Hamburgs Lage, was <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336335"/> <fw type="header" place="top"> Hamburgs tverben um Altona</fw><lb/> <p xml:id="ID_142" prev="#ID_141"> Tore verschlossen hielt, die dann in der neuen Stadt Altona um so ungehinderte<lb/> Aufnahme fanden. Daher wohl noch heute in den Wappen der beiden Städten<lb/> das geschlossene bzw. offene Tor unter den drei Türmen. Schon die Sage,<lb/> die die Entstehung Monas auf die Selbstherrlichreit der Hamburger Patrizier<lb/> zurückführt, kennzeichnet frühzeitig den Zug der Rivalität. Die Hamburger<lb/> Herren fühlten sich in ihrem Besitz so start!, daß sie mit Leichtigkeit eine neue<lb/> Stadt erbauen könnten. Ein Knabe würd? mit verbundenen Augen zum Tor<lb/> hinausgeschickt, und wo er hinfü'Je, solle die neue Stadt stehen. Als das nun<lb/> schon wenige Schritte unweit des Tores geschah, riefen die Herren aus: „Dat<lb/> is ja all to nah (all zu nahe)I" Daher angeblich der Name, den die Stadt<lb/> führt. Altona zählt übrigens zu den jüngsten deutschen Großstädten; es stand<lb/> erst einige Jahre, als es bereits von der dänischen Regierung Stadirechte erhielt.<lb/> Was das stetige rasche Wachstum der Stadt veranlaßte, lag zunächst haupt¬<lb/> sächlich darin, daß der Ort stets eine offene Stadt gewesen ist, und, wie gesagt,<lb/> alles ohne Unterschied in sich aufnahm, was nur irgend eine Heimat suchte.<lb/> Holländische, französische Emigranten, Schweizer, die bei andern deutschen Städten<lb/> vielfach vergebens an die Tore pochten, fanden hier eins Wohnstätte und Ver¬<lb/> dienstmöglichkeit. Noch vor hundert Jahren fiel in den Adreßbüchern die<lb/> außerordentliche Fülle englischer, französischer und anderer fremdländischer<lb/> Familiennamen auf. Dieser Wahllostgkeit in der Aufnahme neuer Einwohner,<lb/> die zumeist nur über wenig materiellen Besitz verfügten, verdankt die Stadt es<lb/> auch offenbar, daß sie es zu Reichtümern nie gebracht hat. Geschichtliche Be¬<lb/> deutung erlangte Altona kaum; infolge seiner dänischen Zugehörigkeit blieb es<lb/> von den verhängnisvollen napoleonischen .Kriegen, unter denen Hamburg außer-<lb/> ordentlich zu leiden hatte, verschont; dagegen hatte es unter dem Russengeneral<lb/> Steenbock einmal eine fast vollständige Einäscherung erdulden müssen. Diesem<lb/> Brande und überhaupt der späten Entstehung zufolge ist im heutigen alten<lb/> Altona der Altrenaissaueestil vorherrschend; ältere Baustile weist die Stadt nicht<lb/> auf. Daß Altona den späteren wirklich bemerkenswerten Aufschwung zu Ende<lb/> des vergangenen Jahrhunderts neben der Vereinigung der Schleswig-holsteinischen<lb/> Herzogtümer mit Preußen und der deutschen Entwicklung überhaupt, der Be¬<lb/> deutung Hamburgs verdankt, ist unverkennbar; richt eine Erdrückung der kleinen<lb/> preußischen Schwester war die Folge, sondern diese hat in hundertfacher Be¬<lb/> siehung von der unmittelbaren Nachbarschaft der Welt- und Hansestadt profitiert.<lb/> Dennoch hat die Stadt stets ihren selbständigen, preußischen Charakter bewahrt<lb/> und ist nie zu einem hamburgischen Vorort im eigentlichen Sinne herabgesunken,<lb/> als der sie in der deutschen öffentlichen Meinung vielfach gilt; und es wird<lb/> den aufmerksamen Beobachter, der einmal von drüben herüberschlendert, nicht<lb/> entgehen, daß ihn jener sogenannte preußische Zug umweht, der in preußischen<lb/> Städten nur zu wohlbekannt ist. Bis , vor wenigen Jahren besaß Altona mit<lb/> seinen heute mehr als 180000 zählenden Einwohnern den Rang der größten<lb/> und wichtigsten Stadt Schleswig-Holsteins, bis es von Kiel überflügelt wurde;<lb/> doch ist bei der heutigen wirtschaftlichen, ganz durch den Verlust der Kriegs¬<lb/> flotte bedingten Lage Kiels anzunehmen, daß Altona jenen Vorrang in abseh-<lb/> barer Zeit wieder erreichen wird. Daß die Stadt in vielfacher Beziehung eine<lb/> ganz andere Anziehungskraft besitzt gegenüber dem einseitigen, heute fast toten<lb/> Kiel, ist unverkennbar. Hier spielt allerdings einstweilen noch die Frage<lb/> der Wohnungsnot eine entscheidende Rolle, an deren Lösung mau hingegen in<lb/> Altona bereits lange mit praktischem Geschick und Glück arbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_143" next="#ID_144"> Nun kann sich niemand davor verschließen, daß Hamburgs Lage, was<lb/> die Ausdehnung anbetrifft, sich längst zu einer empfindlichen Notlage ans-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
Hamburgs tverben um Altona
Tore verschlossen hielt, die dann in der neuen Stadt Altona um so ungehinderte
Aufnahme fanden. Daher wohl noch heute in den Wappen der beiden Städten
das geschlossene bzw. offene Tor unter den drei Türmen. Schon die Sage,
die die Entstehung Monas auf die Selbstherrlichreit der Hamburger Patrizier
zurückführt, kennzeichnet frühzeitig den Zug der Rivalität. Die Hamburger
Herren fühlten sich in ihrem Besitz so start!, daß sie mit Leichtigkeit eine neue
Stadt erbauen könnten. Ein Knabe würd? mit verbundenen Augen zum Tor
hinausgeschickt, und wo er hinfü'Je, solle die neue Stadt stehen. Als das nun
schon wenige Schritte unweit des Tores geschah, riefen die Herren aus: „Dat
is ja all to nah (all zu nahe)I" Daher angeblich der Name, den die Stadt
führt. Altona zählt übrigens zu den jüngsten deutschen Großstädten; es stand
erst einige Jahre, als es bereits von der dänischen Regierung Stadirechte erhielt.
Was das stetige rasche Wachstum der Stadt veranlaßte, lag zunächst haupt¬
sächlich darin, daß der Ort stets eine offene Stadt gewesen ist, und, wie gesagt,
alles ohne Unterschied in sich aufnahm, was nur irgend eine Heimat suchte.
Holländische, französische Emigranten, Schweizer, die bei andern deutschen Städten
vielfach vergebens an die Tore pochten, fanden hier eins Wohnstätte und Ver¬
dienstmöglichkeit. Noch vor hundert Jahren fiel in den Adreßbüchern die
außerordentliche Fülle englischer, französischer und anderer fremdländischer
Familiennamen auf. Dieser Wahllostgkeit in der Aufnahme neuer Einwohner,
die zumeist nur über wenig materiellen Besitz verfügten, verdankt die Stadt es
auch offenbar, daß sie es zu Reichtümern nie gebracht hat. Geschichtliche Be¬
deutung erlangte Altona kaum; infolge seiner dänischen Zugehörigkeit blieb es
von den verhängnisvollen napoleonischen .Kriegen, unter denen Hamburg außer-
ordentlich zu leiden hatte, verschont; dagegen hatte es unter dem Russengeneral
Steenbock einmal eine fast vollständige Einäscherung erdulden müssen. Diesem
Brande und überhaupt der späten Entstehung zufolge ist im heutigen alten
Altona der Altrenaissaueestil vorherrschend; ältere Baustile weist die Stadt nicht
auf. Daß Altona den späteren wirklich bemerkenswerten Aufschwung zu Ende
des vergangenen Jahrhunderts neben der Vereinigung der Schleswig-holsteinischen
Herzogtümer mit Preußen und der deutschen Entwicklung überhaupt, der Be¬
deutung Hamburgs verdankt, ist unverkennbar; richt eine Erdrückung der kleinen
preußischen Schwester war die Folge, sondern diese hat in hundertfacher Be¬
siehung von der unmittelbaren Nachbarschaft der Welt- und Hansestadt profitiert.
Dennoch hat die Stadt stets ihren selbständigen, preußischen Charakter bewahrt
und ist nie zu einem hamburgischen Vorort im eigentlichen Sinne herabgesunken,
als der sie in der deutschen öffentlichen Meinung vielfach gilt; und es wird
den aufmerksamen Beobachter, der einmal von drüben herüberschlendert, nicht
entgehen, daß ihn jener sogenannte preußische Zug umweht, der in preußischen
Städten nur zu wohlbekannt ist. Bis , vor wenigen Jahren besaß Altona mit
seinen heute mehr als 180000 zählenden Einwohnern den Rang der größten
und wichtigsten Stadt Schleswig-Holsteins, bis es von Kiel überflügelt wurde;
doch ist bei der heutigen wirtschaftlichen, ganz durch den Verlust der Kriegs¬
flotte bedingten Lage Kiels anzunehmen, daß Altona jenen Vorrang in abseh-
barer Zeit wieder erreichen wird. Daß die Stadt in vielfacher Beziehung eine
ganz andere Anziehungskraft besitzt gegenüber dem einseitigen, heute fast toten
Kiel, ist unverkennbar. Hier spielt allerdings einstweilen noch die Frage
der Wohnungsnot eine entscheidende Rolle, an deren Lösung mau hingegen in
Altona bereits lange mit praktischem Geschick und Glück arbeitet.
Nun kann sich niemand davor verschließen, daß Hamburgs Lage, was
die Ausdehnung anbetrifft, sich längst zu einer empfindlichen Notlage ans-
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