Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage Die deutsche Partei in Polen Der größte Teil Westpreußens und Posens wird in Kürze nach den Be¬ Von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses sind alle deutschen Kreise Am eingehendsten und erfolgreichsten in ihrem Bezirke hatte die "Deutsche Zu einem weiteren Zusammenschluß kamen die Arbeitsgemeinschaften unter Materialien zur ostdeutschen Frage Die deutsche Partei in Polen Der größte Teil Westpreußens und Posens wird in Kürze nach den Be¬ Von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses sind alle deutschen Kreise Am eingehendsten und erfolgreichsten in ihrem Bezirke hatte die „Deutsche Zu einem weiteren Zusammenschluß kamen die Arbeitsgemeinschaften unter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336713"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die deutsche Partei in Polen</head><lb/> <p xml:id="ID_1825"> Der größte Teil Westpreußens und Posens wird in Kürze nach den Be¬<lb/> stimmungen des Friedensvertrages ein Teil des polnischen Staates sein. Dem<lb/> Deutschen erschien dies noch vor wenig Monaten so unmöglich, daß es ihm noch<lb/> heute schwer wird, diese Friedensbedingung als Wirklichkeit zu empfinden. Und<lb/> doch ist es so. Millionen Deutsche werden nach Ratifizierung des Friedensver¬<lb/> trages durch drei feindliche Staaten eine kleine Minderheit im neuen großpolnischen<lb/> Staate bilden, ein scharfer Trennungsschnitt wird sie von tausendfältigen Ver¬<lb/> bindungen in politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Beziehung vom Deutschen<lb/> Reiche scheiden. Wie werden diese Deutschen sich im neuen Staate in ihrem<lb/> Deutschtum zusammenfinden?</p><lb/> <p xml:id="ID_1826"> Von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses sind alle deutschen Kreise<lb/> überzeugt; schon seit Monaten verlangt das deutsche Volk diesen Zusammenschluß.<lb/> Infolge der Heftigkeit des Parteikampfes bei den Wahlen zu den Nationalver¬<lb/> sammlungen war für den einfachen Gedanken, daß das Deutschtum sich in den<lb/> mit Abtretung bedrohten Gebieten nur durch Einigkeit durchsetzen könne, kein Raum.<lb/> In der Hitze der Wahlkämpfe, die den inneren Ausbau des Deutschen Reiches ent-<lb/> scheiden sollten, wurde immer wieder vergessen, daß der Krieg noch nicht beendet<lb/> war, daß der Bestand des Deutschen Reiches auf das schwerste gefährdet war.<lb/> So war es nicht möglich, durch die Führer der Parteien, die Deutschen in den<lb/> Abtretungsgebieten zusammenzuschließen. Die Einignngsbestrebungen entwickelten<lb/> sich örtlich in der verschiedensten Weise; in einzelnen Orten traten die Deutschen<lb/> zu Volksräten zusammen, im Netzedistrikt und in Bromberg bildete sich die Deutsche<lb/> Vereinigung, in anderen Orten schlossen sich die deutschen Parteien zu Arbeits¬<lb/> gemeinschaften zusammen. In all diesen Vereinigungen wurde gute Arbeit im<lb/> Interesse des Deutschtums von allen Deutschen, ohne Unterschied der Partei,<lb/> geleistet. Die einzelnen örtlichen Organisationen blieben aber ohne Fühlung zum<lb/> gesamten Deutschtum, ein Zusammenschluß aller dieser Vereinigungen zu einer<lb/> Einheit im ganzen Abtretungsgebiet entwickelte sich nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1827"> Am eingehendsten und erfolgreichsten in ihrem Bezirke hatte die „Deutsche<lb/> Vereinigung" gearbeitet unter der Führung des Geheimrath Cleinow; ein Versuch<lb/> dieser Vereinigung, die Deutschen auf berufsständiger Grundlage zu sammeln und<lb/> für das ganze Abtretungsgebiet zusammenzuschließen, wurde aber als nicht gangbar<lb/> aufgegeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1828" next="#ID_1829"> Zu einem weiteren Zusammenschluß kamen die Arbeitsgemeinschaften unter<lb/> der Führung des parlamentarischen Ausschusses Nord. In den örtlichen Arbeits¬<lb/> gemeinschaften waren aber alle Parteien stets darüber einig, daß dieser Zusammen¬<lb/> schluß mit der Vollziehung der Abtretung aus staatsrechtlichen Gründen aufhören<lb/> wuß. Der Gedanke, überall Arbeitsgemeinschaften zu gründen und diese für die<lb/> Abtretungsgebiete zu einer einheitlichen Organisation zusammenzuschließen, ist in<lb/> letzter Zeit wohl ausgesprochen worden, von erfolgversprechenden Schritten auf<lb/> diesem Wege ist aber nichts zu bemerken. Ein Erfolg erscheint auch ausgeschlossen,<lb/> nachdem die unabhängigen Sozialdemokraten sich überall aus den Arbeitsgemein¬<lb/> schaften zurückgezogen haben und die Mehrheitssozialisten für Posen durch Wende<lb/> und für Westpreußen durch den Reichskommissar Geht erklärt haben, daß sie im<lb/> polnischen Staate mit der polnischen Sozialdemokratie Verbindung suchen werden.<lb/> So blieb nun noch ein Weg gangbar, es mußte der Zusammenschluß der nicht-<lb/> wzialistischen Deutschen durch Aufgabe der alten Parteien und Zusammenschluß<lb/> SU einer neuen deutschen Partei versucht werden. Nachdem die Deutschnationale<lb/> ^olkspartei für die Abtretungsgebiete eine besondere Organisation geschaffen hatte<lb/> und diese Organisation sich grundsätzlich für einen Zusammenschluß aller Deutschen<lb/> erklärt hatte, übernahm es die Deutsche Volkspartei für Posen von Bromberg aus<lb/> und die Deutsche Volkspartei für Westpreußen von Dirschau aus, für den Zu¬<lb/> sammenschluß aller deutschen Parteien in den Abtretungsgebieten zu wirken. In<lb/> ^romberg stimmten die Führer der Deutsch-demokratischen Partei und der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
Materialien zur ostdeutschen Frage
Die deutsche Partei in Polen
Der größte Teil Westpreußens und Posens wird in Kürze nach den Be¬
stimmungen des Friedensvertrages ein Teil des polnischen Staates sein. Dem
Deutschen erschien dies noch vor wenig Monaten so unmöglich, daß es ihm noch
heute schwer wird, diese Friedensbedingung als Wirklichkeit zu empfinden. Und
doch ist es so. Millionen Deutsche werden nach Ratifizierung des Friedensver¬
trages durch drei feindliche Staaten eine kleine Minderheit im neuen großpolnischen
Staate bilden, ein scharfer Trennungsschnitt wird sie von tausendfältigen Ver¬
bindungen in politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Beziehung vom Deutschen
Reiche scheiden. Wie werden diese Deutschen sich im neuen Staate in ihrem
Deutschtum zusammenfinden?
Von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses sind alle deutschen Kreise
überzeugt; schon seit Monaten verlangt das deutsche Volk diesen Zusammenschluß.
Infolge der Heftigkeit des Parteikampfes bei den Wahlen zu den Nationalver¬
sammlungen war für den einfachen Gedanken, daß das Deutschtum sich in den
mit Abtretung bedrohten Gebieten nur durch Einigkeit durchsetzen könne, kein Raum.
In der Hitze der Wahlkämpfe, die den inneren Ausbau des Deutschen Reiches ent-
scheiden sollten, wurde immer wieder vergessen, daß der Krieg noch nicht beendet
war, daß der Bestand des Deutschen Reiches auf das schwerste gefährdet war.
So war es nicht möglich, durch die Führer der Parteien, die Deutschen in den
Abtretungsgebieten zusammenzuschließen. Die Einignngsbestrebungen entwickelten
sich örtlich in der verschiedensten Weise; in einzelnen Orten traten die Deutschen
zu Volksräten zusammen, im Netzedistrikt und in Bromberg bildete sich die Deutsche
Vereinigung, in anderen Orten schlossen sich die deutschen Parteien zu Arbeits¬
gemeinschaften zusammen. In all diesen Vereinigungen wurde gute Arbeit im
Interesse des Deutschtums von allen Deutschen, ohne Unterschied der Partei,
geleistet. Die einzelnen örtlichen Organisationen blieben aber ohne Fühlung zum
gesamten Deutschtum, ein Zusammenschluß aller dieser Vereinigungen zu einer
Einheit im ganzen Abtretungsgebiet entwickelte sich nicht.
Am eingehendsten und erfolgreichsten in ihrem Bezirke hatte die „Deutsche
Vereinigung" gearbeitet unter der Führung des Geheimrath Cleinow; ein Versuch
dieser Vereinigung, die Deutschen auf berufsständiger Grundlage zu sammeln und
für das ganze Abtretungsgebiet zusammenzuschließen, wurde aber als nicht gangbar
aufgegeben.
Zu einem weiteren Zusammenschluß kamen die Arbeitsgemeinschaften unter
der Führung des parlamentarischen Ausschusses Nord. In den örtlichen Arbeits¬
gemeinschaften waren aber alle Parteien stets darüber einig, daß dieser Zusammen¬
schluß mit der Vollziehung der Abtretung aus staatsrechtlichen Gründen aufhören
wuß. Der Gedanke, überall Arbeitsgemeinschaften zu gründen und diese für die
Abtretungsgebiete zu einer einheitlichen Organisation zusammenzuschließen, ist in
letzter Zeit wohl ausgesprochen worden, von erfolgversprechenden Schritten auf
diesem Wege ist aber nichts zu bemerken. Ein Erfolg erscheint auch ausgeschlossen,
nachdem die unabhängigen Sozialdemokraten sich überall aus den Arbeitsgemein¬
schaften zurückgezogen haben und die Mehrheitssozialisten für Posen durch Wende
und für Westpreußen durch den Reichskommissar Geht erklärt haben, daß sie im
polnischen Staate mit der polnischen Sozialdemokratie Verbindung suchen werden.
So blieb nun noch ein Weg gangbar, es mußte der Zusammenschluß der nicht-
wzialistischen Deutschen durch Aufgabe der alten Parteien und Zusammenschluß
SU einer neuen deutschen Partei versucht werden. Nachdem die Deutschnationale
^olkspartei für die Abtretungsgebiete eine besondere Organisation geschaffen hatte
und diese Organisation sich grundsätzlich für einen Zusammenschluß aller Deutschen
erklärt hatte, übernahm es die Deutsche Volkspartei für Posen von Bromberg aus
und die Deutsche Volkspartei für Westpreußen von Dirschau aus, für den Zu¬
sammenschluß aller deutschen Parteien in den Abtretungsgebieten zu wirken. In
^romberg stimmten die Führer der Deutsch-demokratischen Partei und der
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