Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage der Geschichte zur Genüge, daß dies nicht möglich ist, wenn innerhalb eines Wenn wir somit gewillt sind, uns loyal den durch den Friedensvertrag ge¬ Diese Gesamtheit ist etwas anderes und ist mehr als die Summe der Wenn der Deutsche Volksrat bestrebt sein wird, diese Gemeinschaft lebendig Soll der Volksrat die hier in großen Umrissen angedeuteten Aufgaben er¬ Sodann muß die finanzielle Grundlage weit gesicherter werden, als sie es Und dann noch eins, was am meisten nottut: die Zurückstellung aller Mögen sich alle Deutschen in diesem Sinne zu gemeinsamer Arbeit zu" Materialien zur ostdeutschen Frage der Geschichte zur Genüge, daß dies nicht möglich ist, wenn innerhalb eines Wenn wir somit gewillt sind, uns loyal den durch den Friedensvertrag ge¬ Diese Gesamtheit ist etwas anderes und ist mehr als die Summe der Wenn der Deutsche Volksrat bestrebt sein wird, diese Gemeinschaft lebendig Soll der Volksrat die hier in großen Umrissen angedeuteten Aufgaben er¬ Sodann muß die finanzielle Grundlage weit gesicherter werden, als sie es Und dann noch eins, was am meisten nottut: die Zurückstellung aller Mögen sich alle Deutschen in diesem Sinne zu gemeinsamer Arbeit zu» <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336712"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1817" prev="#ID_1816"> der Geschichte zur Genüge, daß dies nicht möglich ist, wenn innerhalb eines<lb/> Staates ein Teil des Volkes nach Loslösung strebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1818"> Wenn wir somit gewillt sind, uns loyal den durch den Friedensvertrag ge¬<lb/> schaffenen Verhältnissen zu fügen, müssen wir auf der anderen Seite verlangen,<lb/> daß uns alle die Rechte gewährt werden, auf welche wir als Staatsbürger An¬<lb/> spruch haben; wir wollen nicht als geduldete Periöken, sondern als gleichberechtigte<lb/> Vollbürger in dem Lande leben, das unsere Heimat ist. Die Rechte, die wir<lb/> unbedingt fordern müssen, können nicht treffender ausgedrückt werden, als es in<lb/> der Kundgebung des Obersten polnischen Volksrates vom 30. Juni geschehen ist.<lb/> Die vornehmste Aufgabe des Deutschen Volksrates ist es, Vertreter und Anwalt<lb/> in allen diesen Rechten für jeden einzelnen Deutschen und die Gesamtheit der<lb/> Volksgenossen zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1819"> Diese Gesamtheit ist etwas anderes und ist mehr als die Summe der<lb/> einzelnen Individuen. Eine Volksgemeinschaft ist ein Organismus für sich<lb/> mit eigenen Lebensbedingungen. Daß diese Lebensbedingungen des deutschen<lb/> Volkstums innerhalb des polnischen Staates nicht verkümmern — auch dafür zu<lb/> sorgen, muß Sache des Volksrates sein. Hierfür ist es notwendig, aufrecht zu<lb/> erhalten die innige Fühlung mit den Deutschen im Reich, die Kultur- und Bildungs¬<lb/> gemeinschaft aller Deutschen, gleichviel ob sie innerhalb oder außerhalb der schwarz¬<lb/> weiß-roten Grenzpfähle wohnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1820"> Wenn der Deutsche Volksrat bestrebt sein wird, diese Gemeinschaft lebendig<lb/> zu erhalten, so wird er nicht nur zum Nutzen seiner Volksgenossen, sondern des<lb/> ganzen Staates wirken. Es wird sich immer mehr zeigen, daß Deutschland und die<lb/> Republik Polen aufeinander angewiesen sind. Ist Deutschland auch niedergerungen<lb/> und politisch vielleicht auf lange Zeit zur Ohnmacht verdammt, so kann ein<lb/> Sechzigmillionenvolk von der Tüchtigkeit des deutschen Volkes inmitten Europas<lb/> nicht geistig und wirtschaftlich ausgeschaltet werden. Es wird immer ein wichtiger<lb/> Faktor in der europäischen Völkerfamilie sein. Und den Deutschen in Polen kann,<lb/> wenn sie ihre Stellung richtig auffassen, und wenn von der andern Seite das<lb/> notwendige Verständnis hierfür aufgebracht wird, die Aufgabe zufallen, eine Brücke<lb/> zu bilden, auf der beide Völker zu gemeinsamer Arbeit einander die Hände reichen<lb/> können. Auch in diesem Sinne kann der Volksrat segensreiche Arbeit leisten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1821"> Soll der Volksrat die hier in großen Umrissen angedeuteten Aufgaben er¬<lb/> füllen, so sind die Vorbedingungen hierfür zum großen Teil erst noch zu schaffen.<lb/> Zunächst ist die Organisation vollkommener auszubauen, als es unter den bis¬<lb/> herigen Beschränkungen des Verkehrs, der Vereins- und der Versammlungsfreiheit<lb/> möglich war. Es ist zu hoffen, daß, nachdem der Frieden geschlossen ist, recht<lb/> bald wieder auch bezüglich der bürgerlichen Freiheiten die normalen Verhältnisse<lb/> eintreten, unter denen allein eine volle Betätigung für die Interessen der All¬<lb/> gemeinheit möglich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1822"> Sodann muß die finanzielle Grundlage weit gesicherter werden, als sie es<lb/> bisher ist. Sind auch die meisten Deutschen dem Volksrat als Mitglieder bei¬<lb/> getreten, und hat sich auch in vielen Kreisen eine anerkennungswerte Opferwilligkeit<lb/> gezeigt, so stehen doch bei weitem noch nicht die Mittel zur Verfügung, deren der<lb/> Volksrat für seine großen Aufgaben bedarf. Notwendig ist es, daß jeder Deutsche<lb/> nach Maßgabe seiner materiellen Leistungsfähigkeit regelmäßige Beiträge leistet.<lb/> Keiner glaube, daß es auf die geringe Gabe des einzelnen nicht ankomme.</p><lb/> <p xml:id="ID_1823"> Und dann noch eins, was am meisten nottut: die Zurückstellung aller<lb/> Sonderinteressen von Stand und Beruf hinter denen der gesamten deutschen Be¬<lb/> völkerung. Das schwere Leid, das alle Deutschen gemeinsam getragen haben, muß<lb/> auch dazu führen, daß wir uns alle in erster Linie als Volksgenossen fühlen, daß<lb/> alles das, was uns als Gewerbetreibende, Landwirte, Arbeiter und Beamte angeht,<lb/> erst in zweiter Reihe kommt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1824"> Mögen sich alle Deutschen in diesem Sinne zu gemeinsamer Arbeit zu»<lb/> sammenfinden.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
Materialien zur ostdeutschen Frage
der Geschichte zur Genüge, daß dies nicht möglich ist, wenn innerhalb eines
Staates ein Teil des Volkes nach Loslösung strebt.
Wenn wir somit gewillt sind, uns loyal den durch den Friedensvertrag ge¬
schaffenen Verhältnissen zu fügen, müssen wir auf der anderen Seite verlangen,
daß uns alle die Rechte gewährt werden, auf welche wir als Staatsbürger An¬
spruch haben; wir wollen nicht als geduldete Periöken, sondern als gleichberechtigte
Vollbürger in dem Lande leben, das unsere Heimat ist. Die Rechte, die wir
unbedingt fordern müssen, können nicht treffender ausgedrückt werden, als es in
der Kundgebung des Obersten polnischen Volksrates vom 30. Juni geschehen ist.
Die vornehmste Aufgabe des Deutschen Volksrates ist es, Vertreter und Anwalt
in allen diesen Rechten für jeden einzelnen Deutschen und die Gesamtheit der
Volksgenossen zu sein.
Diese Gesamtheit ist etwas anderes und ist mehr als die Summe der
einzelnen Individuen. Eine Volksgemeinschaft ist ein Organismus für sich
mit eigenen Lebensbedingungen. Daß diese Lebensbedingungen des deutschen
Volkstums innerhalb des polnischen Staates nicht verkümmern — auch dafür zu
sorgen, muß Sache des Volksrates sein. Hierfür ist es notwendig, aufrecht zu
erhalten die innige Fühlung mit den Deutschen im Reich, die Kultur- und Bildungs¬
gemeinschaft aller Deutschen, gleichviel ob sie innerhalb oder außerhalb der schwarz¬
weiß-roten Grenzpfähle wohnen.
Wenn der Deutsche Volksrat bestrebt sein wird, diese Gemeinschaft lebendig
zu erhalten, so wird er nicht nur zum Nutzen seiner Volksgenossen, sondern des
ganzen Staates wirken. Es wird sich immer mehr zeigen, daß Deutschland und die
Republik Polen aufeinander angewiesen sind. Ist Deutschland auch niedergerungen
und politisch vielleicht auf lange Zeit zur Ohnmacht verdammt, so kann ein
Sechzigmillionenvolk von der Tüchtigkeit des deutschen Volkes inmitten Europas
nicht geistig und wirtschaftlich ausgeschaltet werden. Es wird immer ein wichtiger
Faktor in der europäischen Völkerfamilie sein. Und den Deutschen in Polen kann,
wenn sie ihre Stellung richtig auffassen, und wenn von der andern Seite das
notwendige Verständnis hierfür aufgebracht wird, die Aufgabe zufallen, eine Brücke
zu bilden, auf der beide Völker zu gemeinsamer Arbeit einander die Hände reichen
können. Auch in diesem Sinne kann der Volksrat segensreiche Arbeit leisten.
Soll der Volksrat die hier in großen Umrissen angedeuteten Aufgaben er¬
füllen, so sind die Vorbedingungen hierfür zum großen Teil erst noch zu schaffen.
Zunächst ist die Organisation vollkommener auszubauen, als es unter den bis¬
herigen Beschränkungen des Verkehrs, der Vereins- und der Versammlungsfreiheit
möglich war. Es ist zu hoffen, daß, nachdem der Frieden geschlossen ist, recht
bald wieder auch bezüglich der bürgerlichen Freiheiten die normalen Verhältnisse
eintreten, unter denen allein eine volle Betätigung für die Interessen der All¬
gemeinheit möglich ist.
Sodann muß die finanzielle Grundlage weit gesicherter werden, als sie es
bisher ist. Sind auch die meisten Deutschen dem Volksrat als Mitglieder bei¬
getreten, und hat sich auch in vielen Kreisen eine anerkennungswerte Opferwilligkeit
gezeigt, so stehen doch bei weitem noch nicht die Mittel zur Verfügung, deren der
Volksrat für seine großen Aufgaben bedarf. Notwendig ist es, daß jeder Deutsche
nach Maßgabe seiner materiellen Leistungsfähigkeit regelmäßige Beiträge leistet.
Keiner glaube, daß es auf die geringe Gabe des einzelnen nicht ankomme.
Und dann noch eins, was am meisten nottut: die Zurückstellung aller
Sonderinteressen von Stand und Beruf hinter denen der gesamten deutschen Be¬
völkerung. Das schwere Leid, das alle Deutschen gemeinsam getragen haben, muß
auch dazu führen, daß wir uns alle in erster Linie als Volksgenossen fühlen, daß
alles das, was uns als Gewerbetreibende, Landwirte, Arbeiter und Beamte angeht,
erst in zweiter Reihe kommt.
Mögen sich alle Deutschen in diesem Sinne zu gemeinsamer Arbeit zu»
sammenfinden.
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