Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage werden, d. h. nicht nur der einzelne Deutsche und der einzelne Pole haben die Die Pflege der deutschen Zusammengehörigkeit als kulturmäßige Einheit ist Und Weiler, Pflege des Volkstums bedeutet nicht nur Erziehung des einzelnen 21"
Materialien zur ostdeutschen Frage werden, d. h. nicht nur der einzelne Deutsche und der einzelne Pole haben die Die Pflege der deutschen Zusammengehörigkeit als kulturmäßige Einheit ist Und Weiler, Pflege des Volkstums bedeutet nicht nur Erziehung des einzelnen 21»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336705"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1763" prev="#ID_1762"> werden, d. h. nicht nur der einzelne Deutsche und der einzelne Pole haben die<lb/> gleichen Rechte, sondern Deutschtum und Polentum werden als besonders in sich<lb/> geschlossene Volksteile anerkannt, die in gleicher Weise ihr Volkstum nach seinem<lb/> inneren Wesen pflegen dürfen. Nur dann werden wir in der Lage sein, loyale<lb/> polnische Staatsbürger zu sein, wenn Polen uns eine deutsche Gemeinschaftsarbeit<lb/> vorbehaltlos ermöglicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1764"> Die Pflege der deutschen Zusammengehörigkeit als kulturmäßige Einheit ist<lb/> somit die vornehmste Aufgabe des Deutschtums. Diese Aufgabe kann gelöst werden<lb/> nur von einem einheitlich zusanunengeschlossenen Deutschtum. Der polnische<lb/> Staat kann nicht die Aufgabe einer positiven Förderung deutschen Wesens haben.<lb/> Seine Aufgabe ist es nur, dafür zu sorFen, daß die Deutschen sich ungehindert<lb/> der Pflege ihres Wesens widmen können. In erster Linie werden wir Deutschen<lb/> uns ein eigenes Bildungswesen zu schaffen und zu erhalten haben. Hier genügt<lb/> es nicht, daß der polnische Staat dem einzelnen Deutschen ein Recht auf Berück¬<lb/> sichtigung seiner Sprache zuerkennt, sondern Maß und Art dieser Pflege müssen<lb/> bestimmt werden von den Deutschen selbst. Dazu ist erforderlich nicht allein eine<lb/> formelle Anerkennung eines solchen Rechts, sondern es ist nötig, daß die polnische<lb/> Gesetzgebung auf kulturellen Gebiet sich die Schranken auferlegt, innerhalb derer<lb/> Konflikte zwischen den deutschen kulturellen Ansprüchen und den Ansprüchen der<lb/> Polnischen Gesetzgebung von vornherein ausgeschlossen sind. Für die deutschen<lb/> Volksräte, deren Aufgabe es bisher lediglich war. eine einheitliche Vertretung des<lb/> Deutschtums neben dem Polentum zu schaffen, handelt es sich nunmehr darum,<lb/> das ganze weite Gebiet deutscher Bildung mit reichem Leben zu erfüllen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1765"> Und Weiler, Pflege des Volkstums bedeutet nicht nur Erziehung des einzelnen<lb/> in Sprache. Sitte und Art seines Volkes, sondern das Volkstum muß eine lebendige,<lb/> höhere gesellschaftliche Einheit darstellen. So muß der Zusammenhang der<lb/> Deutschen untereinander auf jedem Gebiete gepflegt werden. Unser Ziel muß sein,<lb/> eine einzige große Familie zu bilden, in der jeder den andern fördert und stützt.<lb/> Die Aufgaben, die daraus erwachsen, lassen sich im einzelnen nicht aufführen.<lb/> Leitsatz muß sein, daß es nichts geben darf, was der polnische Staatsbürger<lb/> deutscher Stammesangehörigkeit nicht als Deutscher tun darf. Erreichen wir das,<lb/> wird man uns die Möglichkeit geben, in jeder Hinsicht als Deutsche zu leben,<lb/> dann werden auch die Polen einsehen, daß sie sich damit in ihrem Staatswesen<lb/> eine starke Kraftquelle schaffen. Der deutsch-polnische Ausgleich wird dann nicht<lb/> nur eine gesetzmäßige Form sein, sondern er wird das Wort werden, das den<lb/> tatsächlichen Zustand friedlichen Zusammenlebens der beiden Nationalitäten am<lb/> besten kennzeichnet. Wir verkennen die Schwierigkeiten, die sich einem solchen<lb/> Ziel in den Weg stellen, nicht. Auf beiden Seiten gibt es zu viel Erinnerungen,<lb/> und auf beiden Seiten sind zu viel tatsächliche Verschiedenheiten der Charakter-<lb/> anläge vorhanden, als daß nicht immer wieder ein Gegensatz zwischen Deutschen<lb/> und Polen in die Erscheinung treten könnte. Aber wir müssen uns doch alle<lb/> darüber klar sein, daß die Loge in den Ostmarken den deutsch-polnischen Aus¬<lb/> gleich zu einer einfachen Notwendigkeit macht. Ausgleich oder Kampf mit dem<lb/> Ziel der Vernichtung des anderen Teiles, das ist die Alternative, vor der wir<lb/> stehen. Wir glauben den Polen, daß sie die zweite Alternative nicht wählen<lb/> wollen. Dann müssen wir aber auch verlangen, daß sie die erste Alternative mit<lb/> voller Konsequenz ergreifen. Darüber jedenfalls darf von Anfang an ein<lb/> Zweifel nicht bestehen. Versagt man uns das Recht, als Deutsche in deutscher<lb/> Gemeinschaft zu leben, dann hat es mit der Loyalität ein Ende. Schwierigkeiten<lb/> Werden sich ergeben auch beim besten Willen beider Teile. Getöse werden können<lb/> sie im deutschen Interesse nur, wenn die Deutschen einheitlich zusammenstehen und<lb/> bereit sind, gemeinsam für die Rechte jedes einzelnen und ihrer Gemeinschaft ein-<lb/> Sutreten. Ziele und Aufgaben der VolkSratsbewegung sind damit eindeutig um¬<lb/> rissen: Pflege deutschen Wesens in deutscher Gemeinschaft. Festigung der Stellung,<lb/> des Deutschtums im polnischen Staat, die dem Deutschtum seiner inneren Be¬<lb/> deutung nach zukommt und damit auch Mitarbeit am polnischen Staat.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 21»</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415]
Materialien zur ostdeutschen Frage
werden, d. h. nicht nur der einzelne Deutsche und der einzelne Pole haben die
gleichen Rechte, sondern Deutschtum und Polentum werden als besonders in sich
geschlossene Volksteile anerkannt, die in gleicher Weise ihr Volkstum nach seinem
inneren Wesen pflegen dürfen. Nur dann werden wir in der Lage sein, loyale
polnische Staatsbürger zu sein, wenn Polen uns eine deutsche Gemeinschaftsarbeit
vorbehaltlos ermöglicht.
Die Pflege der deutschen Zusammengehörigkeit als kulturmäßige Einheit ist
somit die vornehmste Aufgabe des Deutschtums. Diese Aufgabe kann gelöst werden
nur von einem einheitlich zusanunengeschlossenen Deutschtum. Der polnische
Staat kann nicht die Aufgabe einer positiven Förderung deutschen Wesens haben.
Seine Aufgabe ist es nur, dafür zu sorFen, daß die Deutschen sich ungehindert
der Pflege ihres Wesens widmen können. In erster Linie werden wir Deutschen
uns ein eigenes Bildungswesen zu schaffen und zu erhalten haben. Hier genügt
es nicht, daß der polnische Staat dem einzelnen Deutschen ein Recht auf Berück¬
sichtigung seiner Sprache zuerkennt, sondern Maß und Art dieser Pflege müssen
bestimmt werden von den Deutschen selbst. Dazu ist erforderlich nicht allein eine
formelle Anerkennung eines solchen Rechts, sondern es ist nötig, daß die polnische
Gesetzgebung auf kulturellen Gebiet sich die Schranken auferlegt, innerhalb derer
Konflikte zwischen den deutschen kulturellen Ansprüchen und den Ansprüchen der
Polnischen Gesetzgebung von vornherein ausgeschlossen sind. Für die deutschen
Volksräte, deren Aufgabe es bisher lediglich war. eine einheitliche Vertretung des
Deutschtums neben dem Polentum zu schaffen, handelt es sich nunmehr darum,
das ganze weite Gebiet deutscher Bildung mit reichem Leben zu erfüllen.
Und Weiler, Pflege des Volkstums bedeutet nicht nur Erziehung des einzelnen
in Sprache. Sitte und Art seines Volkes, sondern das Volkstum muß eine lebendige,
höhere gesellschaftliche Einheit darstellen. So muß der Zusammenhang der
Deutschen untereinander auf jedem Gebiete gepflegt werden. Unser Ziel muß sein,
eine einzige große Familie zu bilden, in der jeder den andern fördert und stützt.
Die Aufgaben, die daraus erwachsen, lassen sich im einzelnen nicht aufführen.
Leitsatz muß sein, daß es nichts geben darf, was der polnische Staatsbürger
deutscher Stammesangehörigkeit nicht als Deutscher tun darf. Erreichen wir das,
wird man uns die Möglichkeit geben, in jeder Hinsicht als Deutsche zu leben,
dann werden auch die Polen einsehen, daß sie sich damit in ihrem Staatswesen
eine starke Kraftquelle schaffen. Der deutsch-polnische Ausgleich wird dann nicht
nur eine gesetzmäßige Form sein, sondern er wird das Wort werden, das den
tatsächlichen Zustand friedlichen Zusammenlebens der beiden Nationalitäten am
besten kennzeichnet. Wir verkennen die Schwierigkeiten, die sich einem solchen
Ziel in den Weg stellen, nicht. Auf beiden Seiten gibt es zu viel Erinnerungen,
und auf beiden Seiten sind zu viel tatsächliche Verschiedenheiten der Charakter-
anläge vorhanden, als daß nicht immer wieder ein Gegensatz zwischen Deutschen
und Polen in die Erscheinung treten könnte. Aber wir müssen uns doch alle
darüber klar sein, daß die Loge in den Ostmarken den deutsch-polnischen Aus¬
gleich zu einer einfachen Notwendigkeit macht. Ausgleich oder Kampf mit dem
Ziel der Vernichtung des anderen Teiles, das ist die Alternative, vor der wir
stehen. Wir glauben den Polen, daß sie die zweite Alternative nicht wählen
wollen. Dann müssen wir aber auch verlangen, daß sie die erste Alternative mit
voller Konsequenz ergreifen. Darüber jedenfalls darf von Anfang an ein
Zweifel nicht bestehen. Versagt man uns das Recht, als Deutsche in deutscher
Gemeinschaft zu leben, dann hat es mit der Loyalität ein Ende. Schwierigkeiten
Werden sich ergeben auch beim besten Willen beider Teile. Getöse werden können
sie im deutschen Interesse nur, wenn die Deutschen einheitlich zusammenstehen und
bereit sind, gemeinsam für die Rechte jedes einzelnen und ihrer Gemeinschaft ein-
Sutreten. Ziele und Aufgaben der VolkSratsbewegung sind damit eindeutig um¬
rissen: Pflege deutschen Wesens in deutscher Gemeinschaft. Festigung der Stellung,
des Deutschtums im polnischen Staat, die dem Deutschtum seiner inneren Be¬
deutung nach zukommt und damit auch Mitarbeit am polnischen Staat.
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