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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

Bereitwilligkeit, die Unversehrtheit des deutschen Reiches mit Gut und Blut zu
verteidigen, größer gewesen als in der Ostmark-

Es ist anders gekommen. Das deutsche Reich gab uns preis. Die Art
und Weise, wie die deutsche Reichsregierung uns aus dem Reiche entließ, ist wohl
geeignet gewesen, manche Bande, die uns an unser Mutterland knüpften, zu
zerreißen. Aber es ist jetzt nicht an der Zeit, dieses traurigste Kapitel der deutschen
Geschichte wieder aufzuschlagen. Daß wir auf uns selbst gestellt waren, diese
Erkenntnis begann schon vorher immer stärker bei uns zu werden. Jetzt wissen
wir es alle, daß wir ohne fremde Hilfe selbst in die Hand nehmen müssen, was
not tut.

Wir gehören nicht mehr zum deutschen Reich. Diese Tatsache ist wohl
erheblich genug, eine völlige Revision der Politik der Volksräte herbeizuführen.
Und es ist kein Zeichen großer politischer Einsicht, wenn den Volksräten daraus
ein Vorwurf zu machen versucht wird, daß sie doch noch vor kurzem so ganz
andere Ziele verfolgt hätten als jetzt. Wenn Politik die Kunst des Möglichen
ist. dann müssen zunächst einmal alle Tatsachen so genommen werden, wie sie
sind, und es darf sich der klare Blick durch irgendwelche Gefühle, mögen sie auch
noch so schön und menschlich berechtigt sein, nicht trüben lassen. Wir haben gegen
^unsere Ausstoßung aus dem deutschen Reich bis zum letzten Augenblick uns ge¬
wehrt und sind bereit gewesen, mit den Waffen in der Hand das drohende Gesckick
abzuwenden. Die Ereignisse sind nicht durch unsere Schuld darüber hinweg¬
gegangen. Es heißt jetzt, auf den neuen Tatsachen neu aufbauen. Die Volks¬
ratspolitik begann mit dem Ziel des deutsch-polnischen Ausgleichs. Dieses Ziel
aufzugeben, sind wir auch letzt nicht gezwungen. Wir sind dadurch in der Lage,
gradliniger als mancher andere auf den einmal beschrittenen Wegen fortzuschreiten.
Wir wollten den Ausgleich im Rahmen des deutschen Reichs, wir können ihn
jetzt nur erreichen im Rahmen des neuen Polenstaates.

Nun ist es gewiß begreiflich, wenn es manchem Deutschen schwer fällt, sich
ohne weiteres auf diesen Standpunkt zu stellen. Es ist deshalb gut, wenn wir
einmal mit aller Offenheit erwägen, ob es nicht auch andere Möglichkeiten für
uns gibt. Ist es nicht richtiger, die neuen Tatsachen von vornherein nicht
anzuerkennen, den Polen den Kampf anzusagen und das gesamte Verhalten des
Deutschtums auf ein möglichst baldiges Zurückfallen der Ostmarken an das deutsche
/Reich einzustellen? Das Mittel zu diesem Zwecke wäre dann, mit allen Kräften
die Festigung des polnischen Staates zu verhindern, die destruktiven Elemente,
die in ihm reichlich enthalten sind, zu fördern und durch die Herbeiführung des
Auseinanderfallens des polnischen Staates der Möglichkeit einer Wiedervereinigung
mit dem Mutterland die Wege zu ebnen. Die Volksräte haben diesen Weg mit
voller Klarheit abgelehnt und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ihnen die
Erhaltung des Volkstums an erster Stelle steht. Es ist durchaus möglich, daß
eine entschlossene deutsche Politik eine innere Erstarkung des Polenstaates ver¬
hindern könnte. Aber das könnte nur erreicht werden auf Kosten des Deutschtums.
Das wollen wir nicht mitmachen und müssen nun auch ohne Halbheiten bereit
sein, uns auf den Boden der Legalität zu stellen und damit ein dem Aufbau
Polens mitzuarbeiten. Aber da uns unser Volkstum an erster Stelle steht, so tun
wir dies nur, soweit wir die Möglichkeit haben werden, in Polen unser Deutschtum
zu erhalten und zu entwickeln. Wir wollen Deutsche in Polen sein. Die
Folgerungen sind damit klar gegeben.

Was bedeutet deutsch-polnischer Ausgleich unter diesen Verhältnissen? Genau
so wie wir eine Germanisierungspvlitik abwiesen, so lange unser Ziel die Er¬
haltung der Ostmarken beim deutschen Reich war, genau so müssen wir jetzt ver¬
langen, daß die Polen von jedem Versuch einer Polonisierung abstehen. Das
bedeutet zunächst, daß kein Deutscher wegen der Tatsache seiner Stammes¬
zugehörigkeit in Polen anders behandelt werden darf als der Pole. Es bedeutet
aber ein weiteres. Der deutsch-polnische Ausgleich hat zur Voraussetzung, daß
Deutschtum und Polentum als gleichberechtigte Faktoren nebeneinander anerkannt


Materialien zur ostdeutschen Frage

Bereitwilligkeit, die Unversehrtheit des deutschen Reiches mit Gut und Blut zu
verteidigen, größer gewesen als in der Ostmark-

Es ist anders gekommen. Das deutsche Reich gab uns preis. Die Art
und Weise, wie die deutsche Reichsregierung uns aus dem Reiche entließ, ist wohl
geeignet gewesen, manche Bande, die uns an unser Mutterland knüpften, zu
zerreißen. Aber es ist jetzt nicht an der Zeit, dieses traurigste Kapitel der deutschen
Geschichte wieder aufzuschlagen. Daß wir auf uns selbst gestellt waren, diese
Erkenntnis begann schon vorher immer stärker bei uns zu werden. Jetzt wissen
wir es alle, daß wir ohne fremde Hilfe selbst in die Hand nehmen müssen, was
not tut.

Wir gehören nicht mehr zum deutschen Reich. Diese Tatsache ist wohl
erheblich genug, eine völlige Revision der Politik der Volksräte herbeizuführen.
Und es ist kein Zeichen großer politischer Einsicht, wenn den Volksräten daraus
ein Vorwurf zu machen versucht wird, daß sie doch noch vor kurzem so ganz
andere Ziele verfolgt hätten als jetzt. Wenn Politik die Kunst des Möglichen
ist. dann müssen zunächst einmal alle Tatsachen so genommen werden, wie sie
sind, und es darf sich der klare Blick durch irgendwelche Gefühle, mögen sie auch
noch so schön und menschlich berechtigt sein, nicht trüben lassen. Wir haben gegen
^unsere Ausstoßung aus dem deutschen Reich bis zum letzten Augenblick uns ge¬
wehrt und sind bereit gewesen, mit den Waffen in der Hand das drohende Gesckick
abzuwenden. Die Ereignisse sind nicht durch unsere Schuld darüber hinweg¬
gegangen. Es heißt jetzt, auf den neuen Tatsachen neu aufbauen. Die Volks¬
ratspolitik begann mit dem Ziel des deutsch-polnischen Ausgleichs. Dieses Ziel
aufzugeben, sind wir auch letzt nicht gezwungen. Wir sind dadurch in der Lage,
gradliniger als mancher andere auf den einmal beschrittenen Wegen fortzuschreiten.
Wir wollten den Ausgleich im Rahmen des deutschen Reichs, wir können ihn
jetzt nur erreichen im Rahmen des neuen Polenstaates.

Nun ist es gewiß begreiflich, wenn es manchem Deutschen schwer fällt, sich
ohne weiteres auf diesen Standpunkt zu stellen. Es ist deshalb gut, wenn wir
einmal mit aller Offenheit erwägen, ob es nicht auch andere Möglichkeiten für
uns gibt. Ist es nicht richtiger, die neuen Tatsachen von vornherein nicht
anzuerkennen, den Polen den Kampf anzusagen und das gesamte Verhalten des
Deutschtums auf ein möglichst baldiges Zurückfallen der Ostmarken an das deutsche
/Reich einzustellen? Das Mittel zu diesem Zwecke wäre dann, mit allen Kräften
die Festigung des polnischen Staates zu verhindern, die destruktiven Elemente,
die in ihm reichlich enthalten sind, zu fördern und durch die Herbeiführung des
Auseinanderfallens des polnischen Staates der Möglichkeit einer Wiedervereinigung
mit dem Mutterland die Wege zu ebnen. Die Volksräte haben diesen Weg mit
voller Klarheit abgelehnt und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ihnen die
Erhaltung des Volkstums an erster Stelle steht. Es ist durchaus möglich, daß
eine entschlossene deutsche Politik eine innere Erstarkung des Polenstaates ver¬
hindern könnte. Aber das könnte nur erreicht werden auf Kosten des Deutschtums.
Das wollen wir nicht mitmachen und müssen nun auch ohne Halbheiten bereit
sein, uns auf den Boden der Legalität zu stellen und damit ein dem Aufbau
Polens mitzuarbeiten. Aber da uns unser Volkstum an erster Stelle steht, so tun
wir dies nur, soweit wir die Möglichkeit haben werden, in Polen unser Deutschtum
zu erhalten und zu entwickeln. Wir wollen Deutsche in Polen sein. Die
Folgerungen sind damit klar gegeben.

Was bedeutet deutsch-polnischer Ausgleich unter diesen Verhältnissen? Genau
so wie wir eine Germanisierungspvlitik abwiesen, so lange unser Ziel die Er¬
haltung der Ostmarken beim deutschen Reich war, genau so müssen wir jetzt ver¬
langen, daß die Polen von jedem Versuch einer Polonisierung abstehen. Das
bedeutet zunächst, daß kein Deutscher wegen der Tatsache seiner Stammes¬
zugehörigkeit in Polen anders behandelt werden darf als der Pole. Es bedeutet
aber ein weiteres. Der deutsch-polnische Ausgleich hat zur Voraussetzung, daß
Deutschtum und Polentum als gleichberechtigte Faktoren nebeneinander anerkannt


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[0414] Materialien zur ostdeutschen Frage Bereitwilligkeit, die Unversehrtheit des deutschen Reiches mit Gut und Blut zu verteidigen, größer gewesen als in der Ostmark- Es ist anders gekommen. Das deutsche Reich gab uns preis. Die Art und Weise, wie die deutsche Reichsregierung uns aus dem Reiche entließ, ist wohl geeignet gewesen, manche Bande, die uns an unser Mutterland knüpften, zu zerreißen. Aber es ist jetzt nicht an der Zeit, dieses traurigste Kapitel der deutschen Geschichte wieder aufzuschlagen. Daß wir auf uns selbst gestellt waren, diese Erkenntnis begann schon vorher immer stärker bei uns zu werden. Jetzt wissen wir es alle, daß wir ohne fremde Hilfe selbst in die Hand nehmen müssen, was not tut. Wir gehören nicht mehr zum deutschen Reich. Diese Tatsache ist wohl erheblich genug, eine völlige Revision der Politik der Volksräte herbeizuführen. Und es ist kein Zeichen großer politischer Einsicht, wenn den Volksräten daraus ein Vorwurf zu machen versucht wird, daß sie doch noch vor kurzem so ganz andere Ziele verfolgt hätten als jetzt. Wenn Politik die Kunst des Möglichen ist. dann müssen zunächst einmal alle Tatsachen so genommen werden, wie sie sind, und es darf sich der klare Blick durch irgendwelche Gefühle, mögen sie auch noch so schön und menschlich berechtigt sein, nicht trüben lassen. Wir haben gegen ^unsere Ausstoßung aus dem deutschen Reich bis zum letzten Augenblick uns ge¬ wehrt und sind bereit gewesen, mit den Waffen in der Hand das drohende Gesckick abzuwenden. Die Ereignisse sind nicht durch unsere Schuld darüber hinweg¬ gegangen. Es heißt jetzt, auf den neuen Tatsachen neu aufbauen. Die Volks¬ ratspolitik begann mit dem Ziel des deutsch-polnischen Ausgleichs. Dieses Ziel aufzugeben, sind wir auch letzt nicht gezwungen. Wir sind dadurch in der Lage, gradliniger als mancher andere auf den einmal beschrittenen Wegen fortzuschreiten. Wir wollten den Ausgleich im Rahmen des deutschen Reichs, wir können ihn jetzt nur erreichen im Rahmen des neuen Polenstaates. Nun ist es gewiß begreiflich, wenn es manchem Deutschen schwer fällt, sich ohne weiteres auf diesen Standpunkt zu stellen. Es ist deshalb gut, wenn wir einmal mit aller Offenheit erwägen, ob es nicht auch andere Möglichkeiten für uns gibt. Ist es nicht richtiger, die neuen Tatsachen von vornherein nicht anzuerkennen, den Polen den Kampf anzusagen und das gesamte Verhalten des Deutschtums auf ein möglichst baldiges Zurückfallen der Ostmarken an das deutsche /Reich einzustellen? Das Mittel zu diesem Zwecke wäre dann, mit allen Kräften die Festigung des polnischen Staates zu verhindern, die destruktiven Elemente, die in ihm reichlich enthalten sind, zu fördern und durch die Herbeiführung des Auseinanderfallens des polnischen Staates der Möglichkeit einer Wiedervereinigung mit dem Mutterland die Wege zu ebnen. Die Volksräte haben diesen Weg mit voller Klarheit abgelehnt und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ihnen die Erhaltung des Volkstums an erster Stelle steht. Es ist durchaus möglich, daß eine entschlossene deutsche Politik eine innere Erstarkung des Polenstaates ver¬ hindern könnte. Aber das könnte nur erreicht werden auf Kosten des Deutschtums. Das wollen wir nicht mitmachen und müssen nun auch ohne Halbheiten bereit sein, uns auf den Boden der Legalität zu stellen und damit ein dem Aufbau Polens mitzuarbeiten. Aber da uns unser Volkstum an erster Stelle steht, so tun wir dies nur, soweit wir die Möglichkeit haben werden, in Polen unser Deutschtum zu erhalten und zu entwickeln. Wir wollen Deutsche in Polen sein. Die Folgerungen sind damit klar gegeben. Was bedeutet deutsch-polnischer Ausgleich unter diesen Verhältnissen? Genau so wie wir eine Germanisierungspvlitik abwiesen, so lange unser Ziel die Er¬ haltung der Ostmarken beim deutschen Reich war, genau so müssen wir jetzt ver¬ langen, daß die Polen von jedem Versuch einer Polonisierung abstehen. Das bedeutet zunächst, daß kein Deutscher wegen der Tatsache seiner Stammes¬ zugehörigkeit in Polen anders behandelt werden darf als der Pole. Es bedeutet aber ein weiteres. Der deutsch-polnische Ausgleich hat zur Voraussetzung, daß Deutschtum und Polentum als gleichberechtigte Faktoren nebeneinander anerkannt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/414>, abgerufen am 15.01.2025.