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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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trennenden, die Nordostmark umfassenden
Staatsgebildes zu stellen, um so die Mög¬
lichkeit bewaffneter Abwehr der Polen, un¬
abhängig von der durch den Friedensvertrag
gebundenen Reichsregierung zu schaffen. In
voller Würdigung der vaterländischen Ab¬
sichten der Urheber dieses Planes habe ich
meine Beteiligung daran abgelehnt und vor
seiner weiteren Verfolgung gewarnt.

Mit wenigen anderen habe ich voraus¬
gesehen, daß die Feinde die Polonisierung
der Ostmark fordern, und daß das Reich und
Preußen unter dem Drucke der Feinde zur
Preisgabe der Ostmark sich gezwungen sehen
würden. Als einziger Rettungsweg erschien
mir damals die Schaffung größerer Selb¬
ständigkeit für die Ostmark, zunächst durch
die Auflösung Preußens, Dieser Gedanke
ist damals im Keime erstickt worden durch
die Regierung, die fälschlich vermeinte, die
Ostmark, wenn sie sich selbständiger Ent¬
schlüsse enthielt, ihrerseits vor der Poloni¬
sierung schützen zu können durch die Parteien
der Linken, die in solchem Plane fälschlich
kapitalistische und imperialistische Absichten
witterten und jetzt sehen müssen, daß weite
Teile der Ostmark der Herrschaft polnischer
Kapitalisten und Imperialisten anheimfallen,
durch die Parteien der Rechten, die in der
Erhaltung des fest geschlossenen Preußischen
Staates auch unter den neuen Verhältnissen
das Heil erblickten und die so sehen müssen,
wie diesem Staat durch die Polonisierung
der Ostmark das Rückgrat gebrochen wird.
Ein rechtzeitig vorbereiteter, auf eine ge¬
schlossene deutsche Bevölkerung sich stützender,
nach dem Scheitern von Verhandlungen ein¬
setzender Freiheitskampf des ostmärkischen
Deutschtums hätte, selbst wenn ihm der
Erfolg schließlich versagt blieb, unter Um¬
ständen die Rettung der Ehre und damit die
innere Wiederaufrichtung des deutschen Volkes
herbeiführen können. Auch unsere polnischen
Nachbarn hätten bei dem ritterlichen Charakter
ihrer Nation vielleicht Verständnis für ein
solches Vorgehen gehabt, und dieses hätte
als reinigendes Gewitter die für die Zukunft
erwünschten gutnachbarlichen Beziehungen
Zwischen den ostmärkischen Deutschen und den
Polen herbeiführen können. Lagen die Dinge
d°um zum gegebenen Zeitpunkt günstig, so

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tMee ein Handeln mit Aussicht auf Erfolg
möglich gewesen.

Heute ist es zu einem solchen Vorgehen
zu spät. Von der zum Kampf nötigen Ge¬
schlossenheit der ostmärkischen Bevölkerung ist
angesichts der entschiedenen ablehnenden Hal¬
tung beider sozialdemokratischer Parteien und
beträchtlicher anderer Kreise, namentlich auch
in den am unmittelbarsten betroffenen Pro¬
vinzen Westpreußen und Posen keine Rede,
und das Reich kann, ohne die Folgen eines
Bruches des eben schweren Herzens ge¬
schlossenen Friedensvertrages auf sich zu
nehmen, ein selbständiges Vorgehen der Ost¬
mark nicht mehr dulden. Ein heute vor¬
genommener Versuch, unter staatlicher Selb¬
ständigkeitserklärung der Ostmark den Kampf
zu beginnen, müßte, wie die Dinge liegen,
schnell und ruhmlos zusammenbrechen und
könnte nur eine neue Schmach und neues
Unglück über unser engeres und weiteres
Vaterland bringen."

"Lot.-Anz." Ur. 292 vom 29. Juni.

Minoritiitenschuiz im Polenstaat.

Aus dem Vertrag der Entente mit Polen
über den Schutz der Minoritäten, der in
Artikel 93 derFriedensbedingungen vorgesehen
ist, sind bisher die nachfolgenden Artikel be¬
kannt geworden:

Artikel sieben: Alle Polnischen Staats¬
angehörigen sind vor dem Gesetz gleich und
genießen gleiche bürgerliche politische Rechte
ohne Unterscheidung von Rasse, Sprache und
Religion. Der Unterschied der Religion,
des Glaubens oder der Konfesston darf
keinem Polnischen Staatsangehörigen, in
bezug auf Genuß bürgerlicher politischer Rechte
insbesondere für Zulassung zu öffentlichen
Ämtern, Dienst und Ehrenstellungen oder bei
Ausübung verschiedener Berufe und GeWerbe¬
arbeiten hinderlich sein. Es darf keinerlei
Beschränkungen des freien Gebrauches irgend
einer Sprache seitens aller Polnischen Staats¬
angehörigen geben, sowohl im Privatverkehr
wie Handelsbeziehungen, sei es in Angelegen¬
heit der Religion, der Presse oder Publi¬
kationen jeglicher Art, sei es in öffentlichen
Versammlungen. Ungeachtet der Festsetzung
einer offiziellen Sprache durch die polnische
Negierung sollen den polnischen Staats-

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trennenden, die Nordostmark umfassenden
Staatsgebildes zu stellen, um so die Mög¬
lichkeit bewaffneter Abwehr der Polen, un¬
abhängig von der durch den Friedensvertrag
gebundenen Reichsregierung zu schaffen. In
voller Würdigung der vaterländischen Ab¬
sichten der Urheber dieses Planes habe ich
meine Beteiligung daran abgelehnt und vor
seiner weiteren Verfolgung gewarnt.

Mit wenigen anderen habe ich voraus¬
gesehen, daß die Feinde die Polonisierung
der Ostmark fordern, und daß das Reich und
Preußen unter dem Drucke der Feinde zur
Preisgabe der Ostmark sich gezwungen sehen
würden. Als einziger Rettungsweg erschien
mir damals die Schaffung größerer Selb¬
ständigkeit für die Ostmark, zunächst durch
die Auflösung Preußens, Dieser Gedanke
ist damals im Keime erstickt worden durch
die Regierung, die fälschlich vermeinte, die
Ostmark, wenn sie sich selbständiger Ent¬
schlüsse enthielt, ihrerseits vor der Poloni¬
sierung schützen zu können durch die Parteien
der Linken, die in solchem Plane fälschlich
kapitalistische und imperialistische Absichten
witterten und jetzt sehen müssen, daß weite
Teile der Ostmark der Herrschaft polnischer
Kapitalisten und Imperialisten anheimfallen,
durch die Parteien der Rechten, die in der
Erhaltung des fest geschlossenen Preußischen
Staates auch unter den neuen Verhältnissen
das Heil erblickten und die so sehen müssen,
wie diesem Staat durch die Polonisierung
der Ostmark das Rückgrat gebrochen wird.
Ein rechtzeitig vorbereiteter, auf eine ge¬
schlossene deutsche Bevölkerung sich stützender,
nach dem Scheitern von Verhandlungen ein¬
setzender Freiheitskampf des ostmärkischen
Deutschtums hätte, selbst wenn ihm der
Erfolg schließlich versagt blieb, unter Um¬
ständen die Rettung der Ehre und damit die
innere Wiederaufrichtung des deutschen Volkes
herbeiführen können. Auch unsere polnischen
Nachbarn hätten bei dem ritterlichen Charakter
ihrer Nation vielleicht Verständnis für ein
solches Vorgehen gehabt, und dieses hätte
als reinigendes Gewitter die für die Zukunft
erwünschten gutnachbarlichen Beziehungen
Zwischen den ostmärkischen Deutschen und den
Polen herbeiführen können. Lagen die Dinge
d°um zum gegebenen Zeitpunkt günstig, so

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tMee ein Handeln mit Aussicht auf Erfolg
möglich gewesen.

Heute ist es zu einem solchen Vorgehen
zu spät. Von der zum Kampf nötigen Ge¬
schlossenheit der ostmärkischen Bevölkerung ist
angesichts der entschiedenen ablehnenden Hal¬
tung beider sozialdemokratischer Parteien und
beträchtlicher anderer Kreise, namentlich auch
in den am unmittelbarsten betroffenen Pro¬
vinzen Westpreußen und Posen keine Rede,
und das Reich kann, ohne die Folgen eines
Bruches des eben schweren Herzens ge¬
schlossenen Friedensvertrages auf sich zu
nehmen, ein selbständiges Vorgehen der Ost¬
mark nicht mehr dulden. Ein heute vor¬
genommener Versuch, unter staatlicher Selb¬
ständigkeitserklärung der Ostmark den Kampf
zu beginnen, müßte, wie die Dinge liegen,
schnell und ruhmlos zusammenbrechen und
könnte nur eine neue Schmach und neues
Unglück über unser engeres und weiteres
Vaterland bringen."

„Lot.-Anz." Ur. 292 vom 29. Juni.

Minoritiitenschuiz im Polenstaat.

Aus dem Vertrag der Entente mit Polen
über den Schutz der Minoritäten, der in
Artikel 93 derFriedensbedingungen vorgesehen
ist, sind bisher die nachfolgenden Artikel be¬
kannt geworden:

Artikel sieben: Alle Polnischen Staats¬
angehörigen sind vor dem Gesetz gleich und
genießen gleiche bürgerliche politische Rechte
ohne Unterscheidung von Rasse, Sprache und
Religion. Der Unterschied der Religion,
des Glaubens oder der Konfesston darf
keinem Polnischen Staatsangehörigen, in
bezug auf Genuß bürgerlicher politischer Rechte
insbesondere für Zulassung zu öffentlichen
Ämtern, Dienst und Ehrenstellungen oder bei
Ausübung verschiedener Berufe und GeWerbe¬
arbeiten hinderlich sein. Es darf keinerlei
Beschränkungen des freien Gebrauches irgend
einer Sprache seitens aller Polnischen Staats¬
angehörigen geben, sowohl im Privatverkehr
wie Handelsbeziehungen, sei es in Angelegen¬
heit der Religion, der Presse oder Publi¬
kationen jeglicher Art, sei es in öffentlichen
Versammlungen. Ungeachtet der Festsetzung
einer offiziellen Sprache durch die polnische
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[0403] Kleine Mitteilungen trennenden, die Nordostmark umfassenden Staatsgebildes zu stellen, um so die Mög¬ lichkeit bewaffneter Abwehr der Polen, un¬ abhängig von der durch den Friedensvertrag gebundenen Reichsregierung zu schaffen. In voller Würdigung der vaterländischen Ab¬ sichten der Urheber dieses Planes habe ich meine Beteiligung daran abgelehnt und vor seiner weiteren Verfolgung gewarnt. Mit wenigen anderen habe ich voraus¬ gesehen, daß die Feinde die Polonisierung der Ostmark fordern, und daß das Reich und Preußen unter dem Drucke der Feinde zur Preisgabe der Ostmark sich gezwungen sehen würden. Als einziger Rettungsweg erschien mir damals die Schaffung größerer Selb¬ ständigkeit für die Ostmark, zunächst durch die Auflösung Preußens, Dieser Gedanke ist damals im Keime erstickt worden durch die Regierung, die fälschlich vermeinte, die Ostmark, wenn sie sich selbständiger Ent¬ schlüsse enthielt, ihrerseits vor der Poloni¬ sierung schützen zu können durch die Parteien der Linken, die in solchem Plane fälschlich kapitalistische und imperialistische Absichten witterten und jetzt sehen müssen, daß weite Teile der Ostmark der Herrschaft polnischer Kapitalisten und Imperialisten anheimfallen, durch die Parteien der Rechten, die in der Erhaltung des fest geschlossenen Preußischen Staates auch unter den neuen Verhältnissen das Heil erblickten und die so sehen müssen, wie diesem Staat durch die Polonisierung der Ostmark das Rückgrat gebrochen wird. Ein rechtzeitig vorbereiteter, auf eine ge¬ schlossene deutsche Bevölkerung sich stützender, nach dem Scheitern von Verhandlungen ein¬ setzender Freiheitskampf des ostmärkischen Deutschtums hätte, selbst wenn ihm der Erfolg schließlich versagt blieb, unter Um¬ ständen die Rettung der Ehre und damit die innere Wiederaufrichtung des deutschen Volkes herbeiführen können. Auch unsere polnischen Nachbarn hätten bei dem ritterlichen Charakter ihrer Nation vielleicht Verständnis für ein solches Vorgehen gehabt, und dieses hätte als reinigendes Gewitter die für die Zukunft erwünschten gutnachbarlichen Beziehungen Zwischen den ostmärkischen Deutschen und den Polen herbeiführen können. Lagen die Dinge d°um zum gegebenen Zeitpunkt günstig, so tMee ein Handeln mit Aussicht auf Erfolg möglich gewesen. Heute ist es zu einem solchen Vorgehen zu spät. Von der zum Kampf nötigen Ge¬ schlossenheit der ostmärkischen Bevölkerung ist angesichts der entschiedenen ablehnenden Hal¬ tung beider sozialdemokratischer Parteien und beträchtlicher anderer Kreise, namentlich auch in den am unmittelbarsten betroffenen Pro¬ vinzen Westpreußen und Posen keine Rede, und das Reich kann, ohne die Folgen eines Bruches des eben schweren Herzens ge¬ schlossenen Friedensvertrages auf sich zu nehmen, ein selbständiges Vorgehen der Ost¬ mark nicht mehr dulden. Ein heute vor¬ genommener Versuch, unter staatlicher Selb¬ ständigkeitserklärung der Ostmark den Kampf zu beginnen, müßte, wie die Dinge liegen, schnell und ruhmlos zusammenbrechen und könnte nur eine neue Schmach und neues Unglück über unser engeres und weiteres Vaterland bringen." „Lot.-Anz." Ur. 292 vom 29. Juni. Minoritiitenschuiz im Polenstaat. Aus dem Vertrag der Entente mit Polen über den Schutz der Minoritäten, der in Artikel 93 derFriedensbedingungen vorgesehen ist, sind bisher die nachfolgenden Artikel be¬ kannt geworden: Artikel sieben: Alle Polnischen Staats¬ angehörigen sind vor dem Gesetz gleich und genießen gleiche bürgerliche politische Rechte ohne Unterscheidung von Rasse, Sprache und Religion. Der Unterschied der Religion, des Glaubens oder der Konfesston darf keinem Polnischen Staatsangehörigen, in bezug auf Genuß bürgerlicher politischer Rechte insbesondere für Zulassung zu öffentlichen Ämtern, Dienst und Ehrenstellungen oder bei Ausübung verschiedener Berufe und GeWerbe¬ arbeiten hinderlich sein. Es darf keinerlei Beschränkungen des freien Gebrauches irgend einer Sprache seitens aller Polnischen Staats¬ angehörigen geben, sowohl im Privatverkehr wie Handelsbeziehungen, sei es in Angelegen¬ heit der Religion, der Presse oder Publi¬ kationen jeglicher Art, sei es in öffentlichen Versammlungen. Ungeachtet der Festsetzung einer offiziellen Sprache durch die polnische Negierung sollen den polnischen Staats-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/403>, abgerufen am 15.01.2025.