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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Pressestimmen

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besitzen keine Macht. Deshalb beschlösse
beide Parteien eine Abordnung nach Posen
zu schicken, damit diese den zuständigen Be¬
hörden die ganze Situation vorlege und er¬
fahre, wie die polnische Regierung den
Deutschen gegenüber aufzutreten gedenke.
Eine solche Delegation reiste am Sonnabend,
wie dies bereits in der Sonntagnummer mit¬
geteilt wurde, mit Genehmigung der deutschen
Militärbehörden in Autos nach Groß-Neudorf,
wo sie ein Offizier nach den vorgeschobenen
deutschen Posten brachte. Von hier aus fuhr
die Abordnung unter dem Schutz der Weißen
Fahne die Chaussee entlang bis zur polnischen
Linie, wo sie von Polnischen Soldaten in
Empfang genommen und zum Stube des
Abschnitts gebracht wurde. Von dort sandte
man die Abordnung, welche im Stube einen
äußerst höflichen Empfang erlebte, in Wagen
nach Hohensalza. Da es infolge verschiedener
Formalitäten bereits ziemlich spät geworden
war, trat die Abfahrt erst am Sonntag ein.
Überall wurde die Abordnung natürlich von
Polnischen Soldaten, die ihr speziell beigefügt
wurden, begleitet. In Posen wurden die
Bromberger Abgeordneten von einem Ver¬
treter des Kommissariats empfangen, der sich
auch weiterhin um jegliche Erleichterungen
bemühte. Gleich nachmittags fanden Konfe¬
renzen, zuerst mit den Vertretern aus Thorn
(zwei Deutsche und drei Polen) statt, sodann
informierten die Polnischen Vertreter auf
einer besonderen Sitzung die Posener Behörden
über unsere Verhältnisse, über die Stimmung
der polnischen wie auch der deutschen Be¬
völkerung. Nachher fand eine Konferenz im
größeren Kreise statt, während welcher die
Polnischen Abgeordneten die umfangreichen
Wünsche der Deutschen darlegten. An
der Konferenz nahmen, auch Vertreter der
Entente teil -- nämlich Vertreter Frankreichs,
Italiens, Englands und Amerikas. -- Den
Vorsitz führte der französische Oberst Marquet,
welcher die ganze Sache so auffaßte, daß die
deutsche Bevölkerung Forderungen stelle, von
deren Erfüllung sie ihr Benehmen gegenüber
Polen abhängig macht. Er erklärte, daß die
Entente Polen nicht dazu die Souveränität
erteilt habe (staatliche Unabhängigkeit), damit
irgend jemand von den zukünftigen Unter¬
tanen dieselbe durch Stellung von Be¬

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dingungen ins Wanken bringen könne. Als
man ihm erklärte, daß es sich nicht um
Bedingungen, sondern um Wünsche handelt,
gab er zu, daß die Sache in Ordnung ist.
Dasselbe sagte er den Deutschen, welche an
der nachfolgenden Konferenz teilnahmen, wo¬
bei man eine ganze Reihe Einzelheiten be¬
sprach. Der Oberst Marauet versicherte den
Deutschen, daß Polen ihnen kein Unrecht
zufügen werde, weil es auf gerechte und
freiheitliche Grundlagen erbaut werde.

Da die Mitglieder des Kommissariats
infolge sehr wichtiger Beratungen in Warschau
weilten, so reisten die Herren Rechtsanwalt
Szuman, Leewe und Haßbach aus Thorn
bereits am Sonntag nach Warschau, um von
den höchsten Instanzen eine Bestätigung der¬
jenigen Versicherungen zu erhalten, welche
die Posener Behörden geben. Inzwischen
baten die übrigen Abgeordneten am Sonntag
um eine Audienz bei dem General Dowbor-
Musnicki, in dessen Hand zurzeit -- an¬
gesichts des Ausnahmeznstandes -- die ganze
Ausführungsmacht ruht. Die Audienz dauerte
über zwei Stunden und machte auf die Ab¬
geordneten den besten Eindruck. Der Herr
General versteht die Schwierigkeit der Lage
vollständig und ist bereit den Deutschen, so¬
fern sie weiter mit der Waffe in der Hand
nicht mehr kämpfen werden, jegliche Rücksicht
zuteil werden zu lassen. Es geht nämlich
um diejenigen Deutschen, welche aus Posen
stammen und in den Grenzschutz eingetreten
sind. Es soll ihnen eine Amnestie (Begnadi¬
gung) erteilt werden, wenn sie die Waffen
sofort niederlegen. Weiter besprach man die
Herausgabe der Gefangenen und Internierten.
Herr General Dowbor-Musnicki ist zu diesem
Austausch bereit.

Da als Vergeltungsmaßnahme für die
Jnternierungen in Lissa und in Oberschlesie"
aber auch in Posen und auch auf den von
polnischen Truppen besetzten Gebieten zahl¬
reiche Jnternierungen stattfanden, fo wurden
Bemühungen gemacht zwecks Vermeidung
einer neuen beiderseitigen Vergeltungsma߬
nahme, damit die Internierung aufhöre.

Das geschah am Montag zur großen
Freude aller mit dieser Maßnahme Bedrohten.
Eine besondere polnisch-deutsche Kommission
soll sich aus Posen in dieser Sache sofort

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besitzen keine Macht. Deshalb beschlösse
beide Parteien eine Abordnung nach Posen
zu schicken, damit diese den zuständigen Be¬
hörden die ganze Situation vorlege und er¬
fahre, wie die polnische Regierung den
Deutschen gegenüber aufzutreten gedenke.
Eine solche Delegation reiste am Sonnabend,
wie dies bereits in der Sonntagnummer mit¬
geteilt wurde, mit Genehmigung der deutschen
Militärbehörden in Autos nach Groß-Neudorf,
wo sie ein Offizier nach den vorgeschobenen
deutschen Posten brachte. Von hier aus fuhr
die Abordnung unter dem Schutz der Weißen
Fahne die Chaussee entlang bis zur polnischen
Linie, wo sie von Polnischen Soldaten in
Empfang genommen und zum Stube des
Abschnitts gebracht wurde. Von dort sandte
man die Abordnung, welche im Stube einen
äußerst höflichen Empfang erlebte, in Wagen
nach Hohensalza. Da es infolge verschiedener
Formalitäten bereits ziemlich spät geworden
war, trat die Abfahrt erst am Sonntag ein.
Überall wurde die Abordnung natürlich von
Polnischen Soldaten, die ihr speziell beigefügt
wurden, begleitet. In Posen wurden die
Bromberger Abgeordneten von einem Ver¬
treter des Kommissariats empfangen, der sich
auch weiterhin um jegliche Erleichterungen
bemühte. Gleich nachmittags fanden Konfe¬
renzen, zuerst mit den Vertretern aus Thorn
(zwei Deutsche und drei Polen) statt, sodann
informierten die Polnischen Vertreter auf
einer besonderen Sitzung die Posener Behörden
über unsere Verhältnisse, über die Stimmung
der polnischen wie auch der deutschen Be¬
völkerung. Nachher fand eine Konferenz im
größeren Kreise statt, während welcher die
Polnischen Abgeordneten die umfangreichen
Wünsche der Deutschen darlegten. An
der Konferenz nahmen, auch Vertreter der
Entente teil — nämlich Vertreter Frankreichs,
Italiens, Englands und Amerikas. — Den
Vorsitz führte der französische Oberst Marquet,
welcher die ganze Sache so auffaßte, daß die
deutsche Bevölkerung Forderungen stelle, von
deren Erfüllung sie ihr Benehmen gegenüber
Polen abhängig macht. Er erklärte, daß die
Entente Polen nicht dazu die Souveränität
erteilt habe (staatliche Unabhängigkeit), damit
irgend jemand von den zukünftigen Unter¬
tanen dieselbe durch Stellung von Be¬

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dingungen ins Wanken bringen könne. Als
man ihm erklärte, daß es sich nicht um
Bedingungen, sondern um Wünsche handelt,
gab er zu, daß die Sache in Ordnung ist.
Dasselbe sagte er den Deutschen, welche an
der nachfolgenden Konferenz teilnahmen, wo¬
bei man eine ganze Reihe Einzelheiten be¬
sprach. Der Oberst Marauet versicherte den
Deutschen, daß Polen ihnen kein Unrecht
zufügen werde, weil es auf gerechte und
freiheitliche Grundlagen erbaut werde.

Da die Mitglieder des Kommissariats
infolge sehr wichtiger Beratungen in Warschau
weilten, so reisten die Herren Rechtsanwalt
Szuman, Leewe und Haßbach aus Thorn
bereits am Sonntag nach Warschau, um von
den höchsten Instanzen eine Bestätigung der¬
jenigen Versicherungen zu erhalten, welche
die Posener Behörden geben. Inzwischen
baten die übrigen Abgeordneten am Sonntag
um eine Audienz bei dem General Dowbor-
Musnicki, in dessen Hand zurzeit — an¬
gesichts des Ausnahmeznstandes — die ganze
Ausführungsmacht ruht. Die Audienz dauerte
über zwei Stunden und machte auf die Ab¬
geordneten den besten Eindruck. Der Herr
General versteht die Schwierigkeit der Lage
vollständig und ist bereit den Deutschen, so¬
fern sie weiter mit der Waffe in der Hand
nicht mehr kämpfen werden, jegliche Rücksicht
zuteil werden zu lassen. Es geht nämlich
um diejenigen Deutschen, welche aus Posen
stammen und in den Grenzschutz eingetreten
sind. Es soll ihnen eine Amnestie (Begnadi¬
gung) erteilt werden, wenn sie die Waffen
sofort niederlegen. Weiter besprach man die
Herausgabe der Gefangenen und Internierten.
Herr General Dowbor-Musnicki ist zu diesem
Austausch bereit.

Da als Vergeltungsmaßnahme für die
Jnternierungen in Lissa und in Oberschlesie«
aber auch in Posen und auch auf den von
polnischen Truppen besetzten Gebieten zahl¬
reiche Jnternierungen stattfanden, fo wurden
Bemühungen gemacht zwecks Vermeidung
einer neuen beiderseitigen Vergeltungsma߬
nahme, damit die Internierung aufhöre.

Das geschah am Montag zur großen
Freude aller mit dieser Maßnahme Bedrohten.
Eine besondere polnisch-deutsche Kommission
soll sich aus Posen in dieser Sache sofort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/400>, abgerufen am 15.01.2025.