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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

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merkte, daß die Mitglieder der Demokratischen
Partei die Unterzeichnung des, Friedens¬
vertrages abgelehnt hätten wegen der Un-
durchführbarkeit der Bedingungen. Trotzdem
sei er überzeugt, das; den Mitgliedern der
jetzigen Regierung, die die Verantwortung
der Unterzeichnung auf sich genommen haben,
in dieser Stunde das Herz schwerer gewesen
sei als denen, die Nein gesagt hätten. Er
sei der Meinung, daß es jetzt, nachdem wir
vollendeten Tatsachen gegenüberstehen, keinen
Zweck mehr habe, im Osten auf eigene Faust
Sonderaktionen zu unternehmen. Wir würden
mit der zertrümmerten Heeresmacht im Osten
allein auf uns angewiesen sein. Wenn die
Entente Danzig besetze, würden unsere
Truppen vor sich die Polen und hinter sich die
Entente haben. Der dann kommende
Zusammenbruch sei mit der kühnsten Phantasie
nicht auszumalen. Dann wäre das Deutsch¬
tum im Osten ganz und gar niedergeworfen.
Statt unsere Kraft mit nutzlosen Pulsader
zu vergeuden, müssen wir in Zukunft darauf
bedacht sein, das Deutschtum in den ab¬
getretenen Gebieten zu erhalten und zu stärken.
(Lebhafter Beifall.)

Sodann sprach als letzter Referent Herr
Wittmeyer als Mitglied des Ausschusses der
Vereinigten Deutschen Volksräts Ostpreußens,
Westpreußens und des Netzedistrikts. Er gab
zunächst eine ausführliche Schilderung der
Aufgaben, Zwecke und Ziele der Deutschen
Volksratspolitik und erklärte, daß an ver¬
schiedenen Stellen Mißgriffe der Volksräte
gemacht worden seien. Der Fehler sei be¬
gangen, daß man die Volksräte nicht auf
demokratischer Grundlage, sondern auf aristo¬
kratischer Basis organisiert habe. Das
habe sich bitter gerächt. Man habe den
Volksräten deshalb vorgeworfen, Förderer
der Reaktion zu sein, und sie monarchistischer
Putschversuche bezichtigt. Nur so hätte das
Gerücht entstehen können, daß die Bolksräte
im Osten eine Monarchie mit dem Herzog
von Mecklenburg an der Spitze errichten
wollten. Die Volksräte wollten allerdings,
so führte Redner weiter aus, die Errichtung
einer Ostrepublik, die nach einer Unterschrift
des Friedensvertrages selbständig bewaffneten
Widerstand leisten sollte. Heute stände man
aber vor dem Zusammenbruche der Volks¬

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räte-Politik, denn alles sei wie ein Karten¬
haus zusammengefallen. Da nach diesem
Zusammenbruche keine Veranlassung mehr
vorliege, die Pläne, die man ausführen
wollte, zu verschweigen, könne er (Redner)
hierüber folgendes mitteilen:

In der nördlichen Ostrepublik sollte Reichs¬
kommissar Wirrig die Führung übernehmen,
die Oberpräsidenten von Batocki und
Schnacksnburg, sowie der stellvertretende
Oberpräsident v. Bülow sollten eine Regierung
auf demokratischer Grundlage bilden, die
übrigen Behörden sollten weiterarbeiten, Ge¬
neral v. Below sollte die militärische Leitung
des Abschnittes übernehmen. Die Heerführer
seien zugesichert, alles sei bereit gewesen, noch
vor drei Tagen habe Below gesagt: "Ja,
ich mache mitt" Verpflegung und Löhnung
für die Mannschaften war für drei Monate
gesichert. In Weimar, bei der Besprechung
der Generale, sei jedoch nun alles zusammen¬
gebrochen. Gröner habe sich zuerst frei¬
gemacht. Roste habe fünf Stunden lang ge-
kämpft, bis er von zwei anderen so weit
gebracht wurde, umzufallen. Diese beiden
waren Erzberger und Hörsing. Letzterer
habe im Geiste schon die Reaktion marschieren
sehen, er habe Furcht gehabt, daß man den
Spieß umdrehen und statt gegen Polen nach
Berlin marschieren und den Kaiser auf den
Thron setzen werde. Die vorige Regierung
Scheidemann habe den Plan gehabt, den
Friedensvertrag nicht zu unterzeichnen und
die Entente bis zur Elbe vormarschieren zu
lassen. An der Elbe wollte man dann ent¬
schiedenen Widerstand leisten. Auch dieser
Plan sei zerbrochen, alles infolge Eifer¬
süchteleien zwischen hohen Regierungsstellen
und Generalen. Wenn Danzig denke, mit
d"r Entente und Polen ein Bombengeschäft
zu machen, so werde es sich irren, denn
Königsberg werde einen Freihafen errichten
und Danzig Konkurrenz machen. Die Ver¬
handlungen seien bereits angeknüpft.

Nachdem man in Berlin umgefallen sei,
wären auch die Regierungspräsidenten und
Landräte umgekippt; überall werde abgeblasen.
Batocki habe gesagt, das Militär müsse die
Sache machen, das Militär habe aber gesagt,
man müsse eine Regierung haben. Dies sei
verhindert worden. Wirrig sei nicht durch-

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merkte, daß die Mitglieder der Demokratischen
Partei die Unterzeichnung des, Friedens¬
vertrages abgelehnt hätten wegen der Un-
durchführbarkeit der Bedingungen. Trotzdem
sei er überzeugt, das; den Mitgliedern der
jetzigen Regierung, die die Verantwortung
der Unterzeichnung auf sich genommen haben,
in dieser Stunde das Herz schwerer gewesen
sei als denen, die Nein gesagt hätten. Er
sei der Meinung, daß es jetzt, nachdem wir
vollendeten Tatsachen gegenüberstehen, keinen
Zweck mehr habe, im Osten auf eigene Faust
Sonderaktionen zu unternehmen. Wir würden
mit der zertrümmerten Heeresmacht im Osten
allein auf uns angewiesen sein. Wenn die
Entente Danzig besetze, würden unsere
Truppen vor sich die Polen und hinter sich die
Entente haben. Der dann kommende
Zusammenbruch sei mit der kühnsten Phantasie
nicht auszumalen. Dann wäre das Deutsch¬
tum im Osten ganz und gar niedergeworfen.
Statt unsere Kraft mit nutzlosen Pulsader
zu vergeuden, müssen wir in Zukunft darauf
bedacht sein, das Deutschtum in den ab¬
getretenen Gebieten zu erhalten und zu stärken.
(Lebhafter Beifall.)

Sodann sprach als letzter Referent Herr
Wittmeyer als Mitglied des Ausschusses der
Vereinigten Deutschen Volksräts Ostpreußens,
Westpreußens und des Netzedistrikts. Er gab
zunächst eine ausführliche Schilderung der
Aufgaben, Zwecke und Ziele der Deutschen
Volksratspolitik und erklärte, daß an ver¬
schiedenen Stellen Mißgriffe der Volksräte
gemacht worden seien. Der Fehler sei be¬
gangen, daß man die Volksräte nicht auf
demokratischer Grundlage, sondern auf aristo¬
kratischer Basis organisiert habe. Das
habe sich bitter gerächt. Man habe den
Volksräten deshalb vorgeworfen, Förderer
der Reaktion zu sein, und sie monarchistischer
Putschversuche bezichtigt. Nur so hätte das
Gerücht entstehen können, daß die Bolksräte
im Osten eine Monarchie mit dem Herzog
von Mecklenburg an der Spitze errichten
wollten. Die Volksräte wollten allerdings,
so führte Redner weiter aus, die Errichtung
einer Ostrepublik, die nach einer Unterschrift
des Friedensvertrages selbständig bewaffneten
Widerstand leisten sollte. Heute stände man
aber vor dem Zusammenbruche der Volks¬

[Spaltenumbruch]

räte-Politik, denn alles sei wie ein Karten¬
haus zusammengefallen. Da nach diesem
Zusammenbruche keine Veranlassung mehr
vorliege, die Pläne, die man ausführen
wollte, zu verschweigen, könne er (Redner)
hierüber folgendes mitteilen:

In der nördlichen Ostrepublik sollte Reichs¬
kommissar Wirrig die Führung übernehmen,
die Oberpräsidenten von Batocki und
Schnacksnburg, sowie der stellvertretende
Oberpräsident v. Bülow sollten eine Regierung
auf demokratischer Grundlage bilden, die
übrigen Behörden sollten weiterarbeiten, Ge¬
neral v. Below sollte die militärische Leitung
des Abschnittes übernehmen. Die Heerführer
seien zugesichert, alles sei bereit gewesen, noch
vor drei Tagen habe Below gesagt: „Ja,
ich mache mitt" Verpflegung und Löhnung
für die Mannschaften war für drei Monate
gesichert. In Weimar, bei der Besprechung
der Generale, sei jedoch nun alles zusammen¬
gebrochen. Gröner habe sich zuerst frei¬
gemacht. Roste habe fünf Stunden lang ge-
kämpft, bis er von zwei anderen so weit
gebracht wurde, umzufallen. Diese beiden
waren Erzberger und Hörsing. Letzterer
habe im Geiste schon die Reaktion marschieren
sehen, er habe Furcht gehabt, daß man den
Spieß umdrehen und statt gegen Polen nach
Berlin marschieren und den Kaiser auf den
Thron setzen werde. Die vorige Regierung
Scheidemann habe den Plan gehabt, den
Friedensvertrag nicht zu unterzeichnen und
die Entente bis zur Elbe vormarschieren zu
lassen. An der Elbe wollte man dann ent¬
schiedenen Widerstand leisten. Auch dieser
Plan sei zerbrochen, alles infolge Eifer¬
süchteleien zwischen hohen Regierungsstellen
und Generalen. Wenn Danzig denke, mit
d»r Entente und Polen ein Bombengeschäft
zu machen, so werde es sich irren, denn
Königsberg werde einen Freihafen errichten
und Danzig Konkurrenz machen. Die Ver¬
handlungen seien bereits angeknüpft.

Nachdem man in Berlin umgefallen sei,
wären auch die Regierungspräsidenten und
Landräte umgekippt; überall werde abgeblasen.
Batocki habe gesagt, das Militär müsse die
Sache machen, das Militär habe aber gesagt,
man müsse eine Regierung haben. Dies sei
verhindert worden. Wirrig sei nicht durch-

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[0379] Materialien zur ostdeutschen Frage merkte, daß die Mitglieder der Demokratischen Partei die Unterzeichnung des, Friedens¬ vertrages abgelehnt hätten wegen der Un- durchführbarkeit der Bedingungen. Trotzdem sei er überzeugt, das; den Mitgliedern der jetzigen Regierung, die die Verantwortung der Unterzeichnung auf sich genommen haben, in dieser Stunde das Herz schwerer gewesen sei als denen, die Nein gesagt hätten. Er sei der Meinung, daß es jetzt, nachdem wir vollendeten Tatsachen gegenüberstehen, keinen Zweck mehr habe, im Osten auf eigene Faust Sonderaktionen zu unternehmen. Wir würden mit der zertrümmerten Heeresmacht im Osten allein auf uns angewiesen sein. Wenn die Entente Danzig besetze, würden unsere Truppen vor sich die Polen und hinter sich die Entente haben. Der dann kommende Zusammenbruch sei mit der kühnsten Phantasie nicht auszumalen. Dann wäre das Deutsch¬ tum im Osten ganz und gar niedergeworfen. Statt unsere Kraft mit nutzlosen Pulsader zu vergeuden, müssen wir in Zukunft darauf bedacht sein, das Deutschtum in den ab¬ getretenen Gebieten zu erhalten und zu stärken. (Lebhafter Beifall.) Sodann sprach als letzter Referent Herr Wittmeyer als Mitglied des Ausschusses der Vereinigten Deutschen Volksräts Ostpreußens, Westpreußens und des Netzedistrikts. Er gab zunächst eine ausführliche Schilderung der Aufgaben, Zwecke und Ziele der Deutschen Volksratspolitik und erklärte, daß an ver¬ schiedenen Stellen Mißgriffe der Volksräte gemacht worden seien. Der Fehler sei be¬ gangen, daß man die Volksräte nicht auf demokratischer Grundlage, sondern auf aristo¬ kratischer Basis organisiert habe. Das habe sich bitter gerächt. Man habe den Volksräten deshalb vorgeworfen, Förderer der Reaktion zu sein, und sie monarchistischer Putschversuche bezichtigt. Nur so hätte das Gerücht entstehen können, daß die Bolksräte im Osten eine Monarchie mit dem Herzog von Mecklenburg an der Spitze errichten wollten. Die Volksräte wollten allerdings, so führte Redner weiter aus, die Errichtung einer Ostrepublik, die nach einer Unterschrift des Friedensvertrages selbständig bewaffneten Widerstand leisten sollte. Heute stände man aber vor dem Zusammenbruche der Volks¬ räte-Politik, denn alles sei wie ein Karten¬ haus zusammengefallen. Da nach diesem Zusammenbruche keine Veranlassung mehr vorliege, die Pläne, die man ausführen wollte, zu verschweigen, könne er (Redner) hierüber folgendes mitteilen: In der nördlichen Ostrepublik sollte Reichs¬ kommissar Wirrig die Führung übernehmen, die Oberpräsidenten von Batocki und Schnacksnburg, sowie der stellvertretende Oberpräsident v. Bülow sollten eine Regierung auf demokratischer Grundlage bilden, die übrigen Behörden sollten weiterarbeiten, Ge¬ neral v. Below sollte die militärische Leitung des Abschnittes übernehmen. Die Heerführer seien zugesichert, alles sei bereit gewesen, noch vor drei Tagen habe Below gesagt: „Ja, ich mache mitt" Verpflegung und Löhnung für die Mannschaften war für drei Monate gesichert. In Weimar, bei der Besprechung der Generale, sei jedoch nun alles zusammen¬ gebrochen. Gröner habe sich zuerst frei¬ gemacht. Roste habe fünf Stunden lang ge- kämpft, bis er von zwei anderen so weit gebracht wurde, umzufallen. Diese beiden waren Erzberger und Hörsing. Letzterer habe im Geiste schon die Reaktion marschieren sehen, er habe Furcht gehabt, daß man den Spieß umdrehen und statt gegen Polen nach Berlin marschieren und den Kaiser auf den Thron setzen werde. Die vorige Regierung Scheidemann habe den Plan gehabt, den Friedensvertrag nicht zu unterzeichnen und die Entente bis zur Elbe vormarschieren zu lassen. An der Elbe wollte man dann ent¬ schiedenen Widerstand leisten. Auch dieser Plan sei zerbrochen, alles infolge Eifer¬ süchteleien zwischen hohen Regierungsstellen und Generalen. Wenn Danzig denke, mit d»r Entente und Polen ein Bombengeschäft zu machen, so werde es sich irren, denn Königsberg werde einen Freihafen errichten und Danzig Konkurrenz machen. Die Ver¬ handlungen seien bereits angeknüpft. Nachdem man in Berlin umgefallen sei, wären auch die Regierungspräsidenten und Landräte umgekippt; überall werde abgeblasen. Batocki habe gesagt, das Militär müsse die Sache machen, das Militär habe aber gesagt, man müsse eine Regierung haben. Dies sei verhindert worden. Wirrig sei nicht durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/379>, abgerufen am 15.01.2025.