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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Mexiko, Japan und die vereinigten Staaten

Viel natürliche Gegnerschaft erweckt. Schon beginnt England Japan gegenüber
merklich kühler zu werden, der australische Premier Hughes ist nicht umsonst so
lange auf der Friedenskonferenz gewesen, schon haben sich Großbritannien, Australien
und Neuseeland über einen gemeinsamen Plan zur Verteidign,!g des Stillen
Ozeans geeinigt. Schon haben die Vereinigten Staaten, nervös geworden durch
häufige japanische Floitenbesuche in Nieder-Kalifornien, Sau Aranzisko zum
Standquartier einer bedeutenden (6 Dreadnoughts samt Zubehör, im ganzen
WO Schiffe) Pazific-Kriegsflotte gemacht, schon sieht das japanische Floitenbau-
Programm nach "Tokyo Äsahi" vom 28. Juni für 1923 die Vollendung von
3 Schlachtschiffen, 4 Panzerkreuzern, 12 Kreuzern, 84 Torpedobootszerstörern vor,
schon schaffen die Pläne zur Finanzierung Chinas Grund zu erufchaften Zerwürf¬
nisse" und die rechtlich unklar gebliebene Regelung der Rnunnmg Schantungs
kann jeden Augenblick Anlaß zum Ausbruch eines Konflikts geben. In diesem
Falle würde Japan gegen die Angelsachsen allein stehen, denn Rußland kommt
als Bundesgenosse vorläufig nicht in Betracht und auf China kann sich Japan
noch lange nicht stützen. Es ist denkbar, daß Englands Kühle gegen Japan nur
vorgetäuscht wird, um Amerika Mut zu machen und es durch Verwicklung in
einen schweren Kampf mit Japan zu schwächen, sich selbst dadurch vor der
drohenden Qbcrflügelung durch den einstigen Bundesgenossen zu retten und so
die wahrend des Weltkrieges erlittenes schweren Verluste auszugleichen. In
diesem Falle würde England nach bewährter Methode erst die beiden Gegner
sich möglichst schwächen laßen, im Falle eines amerikanischen Übergewichts 'den
Gelben unter der Hand Vorschub leisten, um ihre Interessen uach Norden und
Osten abzulenken, um vor allem in China die verloren gegangenen oder ins
Wanken geratenen Positionen zurückzugewinnen oder zu festigen, einen vollen Sieg
der Japaner jedoch, mit Rücksicht auf das Drängen Australiens unter keinem
Umständen zulassen. Ein Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und England
ist dagegen unwahrscheinlich, die angeblich angestrebte "Welthegemonie der Angel¬
sachsen" ist eine Phantasie, die mit den wirtschaftlichen Interessengegensätzen und
SU dem ausgeprägten Staatsgefühl des Briten im Widerspruch steht/ Daß Amerika,
falls kein Krieg die Entwicklung hemmt, Großbritannien in wenigen Jahren die
Führung im Welthandel, zum mindesten zahlenmäßig, wahrscheinlich auch finanziell,
entrissen haben wird, kann ohne weiteres aus jeder Statistik berechnet, daß diese
Tatsache über kurz oder lang den Zerfall des britischen Weltreiches bedeutet,
braucht nicht des längeren auseinandergesetzt zu werden. Die Frage der Welt¬
herrschaft kann für England nicht lauten England mit Amerika, sondern nur
England oder Amerika. Ob nicht schließlich daS Schwergewicht endgültig doch
nach Amerika fallen wird, werden vielleicht schon die nächsten zehn Jahre
"rt Menemus ennen lassen.




Mexiko, Japan und die vereinigten Staaten

Viel natürliche Gegnerschaft erweckt. Schon beginnt England Japan gegenüber
merklich kühler zu werden, der australische Premier Hughes ist nicht umsonst so
lange auf der Friedenskonferenz gewesen, schon haben sich Großbritannien, Australien
und Neuseeland über einen gemeinsamen Plan zur Verteidign,!g des Stillen
Ozeans geeinigt. Schon haben die Vereinigten Staaten, nervös geworden durch
häufige japanische Floitenbesuche in Nieder-Kalifornien, Sau Aranzisko zum
Standquartier einer bedeutenden (6 Dreadnoughts samt Zubehör, im ganzen
WO Schiffe) Pazific-Kriegsflotte gemacht, schon sieht das japanische Floitenbau-
Programm nach „Tokyo Äsahi" vom 28. Juni für 1923 die Vollendung von
3 Schlachtschiffen, 4 Panzerkreuzern, 12 Kreuzern, 84 Torpedobootszerstörern vor,
schon schaffen die Pläne zur Finanzierung Chinas Grund zu erufchaften Zerwürf¬
nisse« und die rechtlich unklar gebliebene Regelung der Rnunnmg Schantungs
kann jeden Augenblick Anlaß zum Ausbruch eines Konflikts geben. In diesem
Falle würde Japan gegen die Angelsachsen allein stehen, denn Rußland kommt
als Bundesgenosse vorläufig nicht in Betracht und auf China kann sich Japan
noch lange nicht stützen. Es ist denkbar, daß Englands Kühle gegen Japan nur
vorgetäuscht wird, um Amerika Mut zu machen und es durch Verwicklung in
einen schweren Kampf mit Japan zu schwächen, sich selbst dadurch vor der
drohenden Qbcrflügelung durch den einstigen Bundesgenossen zu retten und so
die wahrend des Weltkrieges erlittenes schweren Verluste auszugleichen. In
diesem Falle würde England nach bewährter Methode erst die beiden Gegner
sich möglichst schwächen laßen, im Falle eines amerikanischen Übergewichts 'den
Gelben unter der Hand Vorschub leisten, um ihre Interessen uach Norden und
Osten abzulenken, um vor allem in China die verloren gegangenen oder ins
Wanken geratenen Positionen zurückzugewinnen oder zu festigen, einen vollen Sieg
der Japaner jedoch, mit Rücksicht auf das Drängen Australiens unter keinem
Umständen zulassen. Ein Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und England
ist dagegen unwahrscheinlich, die angeblich angestrebte „Welthegemonie der Angel¬
sachsen" ist eine Phantasie, die mit den wirtschaftlichen Interessengegensätzen und
SU dem ausgeprägten Staatsgefühl des Briten im Widerspruch steht/ Daß Amerika,
falls kein Krieg die Entwicklung hemmt, Großbritannien in wenigen Jahren die
Führung im Welthandel, zum mindesten zahlenmäßig, wahrscheinlich auch finanziell,
entrissen haben wird, kann ohne weiteres aus jeder Statistik berechnet, daß diese
Tatsache über kurz oder lang den Zerfall des britischen Weltreiches bedeutet,
braucht nicht des längeren auseinandergesetzt zu werden. Die Frage der Welt¬
herrschaft kann für England nicht lauten England mit Amerika, sondern nur
England oder Amerika. Ob nicht schließlich daS Schwergewicht endgültig doch
nach Amerika fallen wird, werden vielleicht schon die nächsten zehn Jahre
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[0351] Mexiko, Japan und die vereinigten Staaten Viel natürliche Gegnerschaft erweckt. Schon beginnt England Japan gegenüber merklich kühler zu werden, der australische Premier Hughes ist nicht umsonst so lange auf der Friedenskonferenz gewesen, schon haben sich Großbritannien, Australien und Neuseeland über einen gemeinsamen Plan zur Verteidign,!g des Stillen Ozeans geeinigt. Schon haben die Vereinigten Staaten, nervös geworden durch häufige japanische Floitenbesuche in Nieder-Kalifornien, Sau Aranzisko zum Standquartier einer bedeutenden (6 Dreadnoughts samt Zubehör, im ganzen WO Schiffe) Pazific-Kriegsflotte gemacht, schon sieht das japanische Floitenbau- Programm nach „Tokyo Äsahi" vom 28. Juni für 1923 die Vollendung von 3 Schlachtschiffen, 4 Panzerkreuzern, 12 Kreuzern, 84 Torpedobootszerstörern vor, schon schaffen die Pläne zur Finanzierung Chinas Grund zu erufchaften Zerwürf¬ nisse« und die rechtlich unklar gebliebene Regelung der Rnunnmg Schantungs kann jeden Augenblick Anlaß zum Ausbruch eines Konflikts geben. In diesem Falle würde Japan gegen die Angelsachsen allein stehen, denn Rußland kommt als Bundesgenosse vorläufig nicht in Betracht und auf China kann sich Japan noch lange nicht stützen. Es ist denkbar, daß Englands Kühle gegen Japan nur vorgetäuscht wird, um Amerika Mut zu machen und es durch Verwicklung in einen schweren Kampf mit Japan zu schwächen, sich selbst dadurch vor der drohenden Qbcrflügelung durch den einstigen Bundesgenossen zu retten und so die wahrend des Weltkrieges erlittenes schweren Verluste auszugleichen. In diesem Falle würde England nach bewährter Methode erst die beiden Gegner sich möglichst schwächen laßen, im Falle eines amerikanischen Übergewichts 'den Gelben unter der Hand Vorschub leisten, um ihre Interessen uach Norden und Osten abzulenken, um vor allem in China die verloren gegangenen oder ins Wanken geratenen Positionen zurückzugewinnen oder zu festigen, einen vollen Sieg der Japaner jedoch, mit Rücksicht auf das Drängen Australiens unter keinem Umständen zulassen. Ein Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und England ist dagegen unwahrscheinlich, die angeblich angestrebte „Welthegemonie der Angel¬ sachsen" ist eine Phantasie, die mit den wirtschaftlichen Interessengegensätzen und SU dem ausgeprägten Staatsgefühl des Briten im Widerspruch steht/ Daß Amerika, falls kein Krieg die Entwicklung hemmt, Großbritannien in wenigen Jahren die Führung im Welthandel, zum mindesten zahlenmäßig, wahrscheinlich auch finanziell, entrissen haben wird, kann ohne weiteres aus jeder Statistik berechnet, daß diese Tatsache über kurz oder lang den Zerfall des britischen Weltreiches bedeutet, braucht nicht des längeren auseinandergesetzt zu werden. Die Frage der Welt¬ herrschaft kann für England nicht lauten England mit Amerika, sondern nur England oder Amerika. Ob nicht schließlich daS Schwergewicht endgültig doch nach Amerika fallen wird, werden vielleicht schon die nächsten zehn Jahre «rt Menemus ennen lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/351>, abgerufen am 15.01.2025.