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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Der Untergang des Abendlandes

gäbe gewidmet, nachzuweisen, daß nicht willkürlich abgegrenzte Zeitepochen noch
vereinzelte Regenten oder Völker die großen Einheiten der Geschichte bilden,
sondern Kulturkreise, Organismen, die ihre Jugend, ihre Reise, ihr Alter haben
und dann vergehen oder durch neue verdrängt werden, daß aber innerhalb dieser
Kulturkreise in allen Äußerungen der Kultur (und Zivilisation) eine innere Formen-
Verwandtschaft zu gewahren ist, während der dieser Verwandtschaft zugrunde
liegende Schlüssel sich eben von denen anderer Kulturkreise völlig unterscheidet.

Nun muß ich persönlich gestehen, daß mir der Grundgedanke dieser These
keineswegs überraschend gekommen ist. Daß uus mit Indien oder Ägypten nichts
wahrhaft Lebendiges mehr verbindet, daß die Antike etwas vom Abendländischen
dem Wesen nach Grundverschiedenes ist, hat mir von jeher als selbstverständlich
gegolten. Für antike und abendländische Kunst ist es übrigens von Ludwig
Curtius (im "Handbuch der Kunstwissenschaft") nachgewiesen worden, der aller¬
dings die Grenze anders ansetzt. Das neue bei Spengler ist, daß er diese Ver¬
schiedenheit der durchgehenden Form uicht auf die schönen Künste beschränkt,
sondern ans alle Gebiete menschlicher Betätigung ausdehnt. "Wer weiß es, daß
zwiichen der Differentialrechnung und dem dynastischen Slaatsprinzip der Zeit
Ludwigs des Vierzehnten, zwischen der antiken Staatsform der Polis"und der
euklidischen Geometrie, zwischen der Raumperspettive der abendläiidischcn Ölmalerei
und der Überwindung des NaumeL durch Bahnen, Fernsprecher und Fernwossen,
Mischen der kontrapunklischen Instrumentalmusik und dem wirtschaftlichen Kredit'
system ein tiefer Zusammenhang der Form besteht? Selbst die realsten Faktoren
der Politik nehmen, aus dieser Perspektive betrachtet, einen höchst transzendenten
Charakter an und es geschieht vielleicht zum ersten Male, daß Dinge, wie das
ägyptische Verwaltungssystem, das antike Münzwesen, die analytische Geometrie,
der Scheck, der Suezkanal, der chinesische Buchdruck, das preußische Heer und die
römische Siraßenbautechnik gleichmäßig als Symbol aufgefaßt und als solche ge¬
deutet werden." Spengler tut dies mit anerkennenswerter Weite des Blickes und
einer Geschicklichkeit, deren Virtuosität einen allerdings nicht ohne Besorgnis vor
Überrumpelung läßt. In vielem hat er unstreitig recht und entschleiert verborgene
Zusammenhänge, lehrt Phänomene richtiger und lebendiger sehen als es bisher
geschehen ist, in manchem scheint er diuch die Trunkenheit glücklich gefundener
Analogien ins spielerische oder Willkürliche mitgerissen. Auch hat es den Anschein,
als ob seine Kenntnisse bei weitem uicht immer aus erster Hand kämen, was bei
einem derartigen Buch freilich schwer möglich ist, aber doch dem Eindruck des
Ganzen Abbruch tut, besonders da das Buch auch in der Form keineswegs ge¬
bändigt erscheint, Wiederholungen bringt, abschweift, weitschweifig wird, an
anderen Stellen sich wieder mit jounialistischen Formeln zufrieden gibt.

Der Haupteinwand aber, den man bei aller Anerkennung vieler glänzender
und geistreicher Seiten gegen das Buch erheben kann, allerdings mit dein Vorbehalt,
ihn nach dem Erscheinen des zweiten Bandes, der Grundformen der Geschichte, der
Probleme der Zivilisation, Probleme der arabischen Kultur, Staat, Geld, Symbolik,
der Maschine und das Nussentum behandeln soll und daher in wichtigen Punkten
Ergänzungen bringen wird, revidieren - zu dürfen, ist der, daß es nur einen
einzigen Kulturkreis, nur eine einzige historische die ägyptische nämlich, als solche
?>u zeichnen versucht, aber auch hier in der Skizze stecken blieb (vielleicht weil unser
Wissen mehr zu geben nicht gestattet, sonst aber beständig cun Trapez der Analogien
schaukelt, wodurch die einzelnen Bilder, im wesentlichen Antike und Abendland,
"war wechselseitig erhellt, ober einzeln nicht recht plastisch werden. Insbesondere
die arabische oder wie er sie nennt, magische Geistesepoche, die er zwischen die
antike und abendländische einschiebt und mit dein Jahre etwa vor Christi Geburt
anheben läßt, hätte Wohl schon im ersten Bande greifbarer herausgearbeitet
werden müssen. Auch scheint es mir fraglich, ob der biologische Ablauf der ein-
Seinen Lebensformen so unbedingt gleichmäßig gewesen sein muß, wie Spengler
durch seine sehr anfechtbaren Tabellen andeutet. Schon unter den einzelnen
Menschen scheint er verschieden. Es hätte zum mindesten die Frage aufgeworfen


Der Untergang des Abendlandes

gäbe gewidmet, nachzuweisen, daß nicht willkürlich abgegrenzte Zeitepochen noch
vereinzelte Regenten oder Völker die großen Einheiten der Geschichte bilden,
sondern Kulturkreise, Organismen, die ihre Jugend, ihre Reise, ihr Alter haben
und dann vergehen oder durch neue verdrängt werden, daß aber innerhalb dieser
Kulturkreise in allen Äußerungen der Kultur (und Zivilisation) eine innere Formen-
Verwandtschaft zu gewahren ist, während der dieser Verwandtschaft zugrunde
liegende Schlüssel sich eben von denen anderer Kulturkreise völlig unterscheidet.

Nun muß ich persönlich gestehen, daß mir der Grundgedanke dieser These
keineswegs überraschend gekommen ist. Daß uus mit Indien oder Ägypten nichts
wahrhaft Lebendiges mehr verbindet, daß die Antike etwas vom Abendländischen
dem Wesen nach Grundverschiedenes ist, hat mir von jeher als selbstverständlich
gegolten. Für antike und abendländische Kunst ist es übrigens von Ludwig
Curtius (im „Handbuch der Kunstwissenschaft") nachgewiesen worden, der aller¬
dings die Grenze anders ansetzt. Das neue bei Spengler ist, daß er diese Ver¬
schiedenheit der durchgehenden Form uicht auf die schönen Künste beschränkt,
sondern ans alle Gebiete menschlicher Betätigung ausdehnt. „Wer weiß es, daß
zwiichen der Differentialrechnung und dem dynastischen Slaatsprinzip der Zeit
Ludwigs des Vierzehnten, zwischen der antiken Staatsform der Polis„und der
euklidischen Geometrie, zwischen der Raumperspettive der abendläiidischcn Ölmalerei
und der Überwindung des NaumeL durch Bahnen, Fernsprecher und Fernwossen,
Mischen der kontrapunklischen Instrumentalmusik und dem wirtschaftlichen Kredit'
system ein tiefer Zusammenhang der Form besteht? Selbst die realsten Faktoren
der Politik nehmen, aus dieser Perspektive betrachtet, einen höchst transzendenten
Charakter an und es geschieht vielleicht zum ersten Male, daß Dinge, wie das
ägyptische Verwaltungssystem, das antike Münzwesen, die analytische Geometrie,
der Scheck, der Suezkanal, der chinesische Buchdruck, das preußische Heer und die
römische Siraßenbautechnik gleichmäßig als Symbol aufgefaßt und als solche ge¬
deutet werden." Spengler tut dies mit anerkennenswerter Weite des Blickes und
einer Geschicklichkeit, deren Virtuosität einen allerdings nicht ohne Besorgnis vor
Überrumpelung läßt. In vielem hat er unstreitig recht und entschleiert verborgene
Zusammenhänge, lehrt Phänomene richtiger und lebendiger sehen als es bisher
geschehen ist, in manchem scheint er diuch die Trunkenheit glücklich gefundener
Analogien ins spielerische oder Willkürliche mitgerissen. Auch hat es den Anschein,
als ob seine Kenntnisse bei weitem uicht immer aus erster Hand kämen, was bei
einem derartigen Buch freilich schwer möglich ist, aber doch dem Eindruck des
Ganzen Abbruch tut, besonders da das Buch auch in der Form keineswegs ge¬
bändigt erscheint, Wiederholungen bringt, abschweift, weitschweifig wird, an
anderen Stellen sich wieder mit jounialistischen Formeln zufrieden gibt.

Der Haupteinwand aber, den man bei aller Anerkennung vieler glänzender
und geistreicher Seiten gegen das Buch erheben kann, allerdings mit dein Vorbehalt,
ihn nach dem Erscheinen des zweiten Bandes, der Grundformen der Geschichte, der
Probleme der Zivilisation, Probleme der arabischen Kultur, Staat, Geld, Symbolik,
der Maschine und das Nussentum behandeln soll und daher in wichtigen Punkten
Ergänzungen bringen wird, revidieren - zu dürfen, ist der, daß es nur einen
einzigen Kulturkreis, nur eine einzige historische die ägyptische nämlich, als solche
?>u zeichnen versucht, aber auch hier in der Skizze stecken blieb (vielleicht weil unser
Wissen mehr zu geben nicht gestattet, sonst aber beständig cun Trapez der Analogien
schaukelt, wodurch die einzelnen Bilder, im wesentlichen Antike und Abendland,
«war wechselseitig erhellt, ober einzeln nicht recht plastisch werden. Insbesondere
die arabische oder wie er sie nennt, magische Geistesepoche, die er zwischen die
antike und abendländische einschiebt und mit dein Jahre etwa vor Christi Geburt
anheben läßt, hätte Wohl schon im ersten Bande greifbarer herausgearbeitet
werden müssen. Auch scheint es mir fraglich, ob der biologische Ablauf der ein-
Seinen Lebensformen so unbedingt gleichmäßig gewesen sein muß, wie Spengler
durch seine sehr anfechtbaren Tabellen andeutet. Schon unter den einzelnen
Menschen scheint er verschieden. Es hätte zum mindesten die Frage aufgeworfen


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[0347] Der Untergang des Abendlandes gäbe gewidmet, nachzuweisen, daß nicht willkürlich abgegrenzte Zeitepochen noch vereinzelte Regenten oder Völker die großen Einheiten der Geschichte bilden, sondern Kulturkreise, Organismen, die ihre Jugend, ihre Reise, ihr Alter haben und dann vergehen oder durch neue verdrängt werden, daß aber innerhalb dieser Kulturkreise in allen Äußerungen der Kultur (und Zivilisation) eine innere Formen- Verwandtschaft zu gewahren ist, während der dieser Verwandtschaft zugrunde liegende Schlüssel sich eben von denen anderer Kulturkreise völlig unterscheidet. Nun muß ich persönlich gestehen, daß mir der Grundgedanke dieser These keineswegs überraschend gekommen ist. Daß uus mit Indien oder Ägypten nichts wahrhaft Lebendiges mehr verbindet, daß die Antike etwas vom Abendländischen dem Wesen nach Grundverschiedenes ist, hat mir von jeher als selbstverständlich gegolten. Für antike und abendländische Kunst ist es übrigens von Ludwig Curtius (im „Handbuch der Kunstwissenschaft") nachgewiesen worden, der aller¬ dings die Grenze anders ansetzt. Das neue bei Spengler ist, daß er diese Ver¬ schiedenheit der durchgehenden Form uicht auf die schönen Künste beschränkt, sondern ans alle Gebiete menschlicher Betätigung ausdehnt. „Wer weiß es, daß zwiichen der Differentialrechnung und dem dynastischen Slaatsprinzip der Zeit Ludwigs des Vierzehnten, zwischen der antiken Staatsform der Polis„und der euklidischen Geometrie, zwischen der Raumperspettive der abendläiidischcn Ölmalerei und der Überwindung des NaumeL durch Bahnen, Fernsprecher und Fernwossen, Mischen der kontrapunklischen Instrumentalmusik und dem wirtschaftlichen Kredit' system ein tiefer Zusammenhang der Form besteht? Selbst die realsten Faktoren der Politik nehmen, aus dieser Perspektive betrachtet, einen höchst transzendenten Charakter an und es geschieht vielleicht zum ersten Male, daß Dinge, wie das ägyptische Verwaltungssystem, das antike Münzwesen, die analytische Geometrie, der Scheck, der Suezkanal, der chinesische Buchdruck, das preußische Heer und die römische Siraßenbautechnik gleichmäßig als Symbol aufgefaßt und als solche ge¬ deutet werden." Spengler tut dies mit anerkennenswerter Weite des Blickes und einer Geschicklichkeit, deren Virtuosität einen allerdings nicht ohne Besorgnis vor Überrumpelung läßt. In vielem hat er unstreitig recht und entschleiert verborgene Zusammenhänge, lehrt Phänomene richtiger und lebendiger sehen als es bisher geschehen ist, in manchem scheint er diuch die Trunkenheit glücklich gefundener Analogien ins spielerische oder Willkürliche mitgerissen. Auch hat es den Anschein, als ob seine Kenntnisse bei weitem uicht immer aus erster Hand kämen, was bei einem derartigen Buch freilich schwer möglich ist, aber doch dem Eindruck des Ganzen Abbruch tut, besonders da das Buch auch in der Form keineswegs ge¬ bändigt erscheint, Wiederholungen bringt, abschweift, weitschweifig wird, an anderen Stellen sich wieder mit jounialistischen Formeln zufrieden gibt. Der Haupteinwand aber, den man bei aller Anerkennung vieler glänzender und geistreicher Seiten gegen das Buch erheben kann, allerdings mit dein Vorbehalt, ihn nach dem Erscheinen des zweiten Bandes, der Grundformen der Geschichte, der Probleme der Zivilisation, Probleme der arabischen Kultur, Staat, Geld, Symbolik, der Maschine und das Nussentum behandeln soll und daher in wichtigen Punkten Ergänzungen bringen wird, revidieren - zu dürfen, ist der, daß es nur einen einzigen Kulturkreis, nur eine einzige historische die ägyptische nämlich, als solche ?>u zeichnen versucht, aber auch hier in der Skizze stecken blieb (vielleicht weil unser Wissen mehr zu geben nicht gestattet, sonst aber beständig cun Trapez der Analogien schaukelt, wodurch die einzelnen Bilder, im wesentlichen Antike und Abendland, «war wechselseitig erhellt, ober einzeln nicht recht plastisch werden. Insbesondere die arabische oder wie er sie nennt, magische Geistesepoche, die er zwischen die antike und abendländische einschiebt und mit dein Jahre etwa vor Christi Geburt anheben läßt, hätte Wohl schon im ersten Bande greifbarer herausgearbeitet werden müssen. Auch scheint es mir fraglich, ob der biologische Ablauf der ein- Seinen Lebensformen so unbedingt gleichmäßig gewesen sein muß, wie Spengler durch seine sehr anfechtbaren Tabellen andeutet. Schon unter den einzelnen Menschen scheint er verschieden. Es hätte zum mindesten die Frage aufgeworfen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/347>, abgerufen am 15.01.2025.