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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Die wirtschaftlichen Wettbewerber in Südrußland

Die Tschecho-Slowakei, die für ihre hochentwickelte Industrie ebenfalls
Absatzgebiete und Bezugsquellen für Rohstoffe sucht, hat in Erkenntnis ihrer
wirtschaftlichen Struktur sich nicht umsonst für unmittelbare Grenzen mit Nuszlcmd
ausgesprochen. Die Markiverhültnisse in Südrußland bieten für die tschechische
Industrie größtes Interesse. Im tschechischen Staate herrscht allgemein die
Überzeugung, daß seine Industrie die starke wirtschaftliche Konkurrenz der
Engländer in Südrußland ferner die der Amerikaner, Franzosen und in letzter
Zeit auch der Japaner, die alle den Eutenteländern und Amerika entgangenen
Märkte für sich zu gewinnen suchen, nicht zu fürchten habe, denn die Nachfrage
sei in Südrußland sehr groß und die anderen Länder lieferten vorzugsweise
Qualitätswaren und zu höheren Preisen. In tschechischen Textilinduslriekreisen
hofft man sehr stark, aus Südrußland auf dem Wege der Kompensation Wolle
erhalten zu tonnen. Schon im Oktober dieses Jahres hat das südrussische
Handelsministerium den Vorsitzenden des Zentralverbandes der Kreditgenossenschaften
Südrußlands Marakujeff nach Prag entsandt, um mit tschechischen Firmen Ver¬
trüge abzuschließen.

Stellt man diese um zahlreiche Beispiele erweiterungsfähigen Tatsachen zu
einem Gesamtbild zusammen, so zeigt sich denk Betrachter der deutschen Außen¬
wirtschaft, daß die Frage der Handelsbeziehungen zu Südrußland aus dem Nahmen
der theoretischen Erwägungen heraus zwingend ins Gebiet der praktischen Ve-
tätigung verweist. Welche Folgerungen für die deutsche Handels-, Jndusine- und
Finanzwelt zu ziehen sind, liegt klar auf der Hand. Im Westen durch den Friedens¬
vertrag gebunden und gedrückt, hat Deutschland vor allein an die Wiederanknüpfung
der Beziehungen zu den Ländern zu denken, in denen die Unterhaltung des Verkehrs
mit Deutschland zu den Überlieferungen gehört. Dazu zählen zuvörderst die Ge¬
biete des Ostens, voran die Ukraine, die der Weltwirtschaft wieder erschlossen wird.
Dort liegt eine der Hauptaufgaben des deutschen Handels und der deutschen
Wirtschaft.

Und hier sollte unsere im Entstehen begriffene Wirtschaftsdiplomalie für
zukünftige Handelsbeziehungen mit Südrußland vorwiegend der Deutschen sich
bedienen, die dort in zahlreichen Ansiedlungen in Podolien, Wolhynien, an der
Küste des Schwarzen Meeres, besonders um Odessa, in Taurien und an der
Wolga wohnen. Sie sind die besten Kenner russischer Verhältnisse und die ge¬
eignetesten Vermittler im Handel mit Nußland. Vertreter der Deutschen in Süd-
rußland befinden sich seit geraumer Zeit in Berlin, um mit deutschen nach Ru߬
land interessierten Handels-, Industrie- und Finanzkrciscn Fühlung zu nehmen.

Will der deutsche Ausfuhrhandel die südrussischen Märkte gewinnen, so ist
bei dem ansteigenden wirtschaftlichen Wettbewerb im Südosten Europas schnelles
und zielklares Handeln geboten, wozu wir -- fast in erster Linie -- konsortiale
Beschaffung russischer Valuta unter Ausnutzung des heutigen disagios rechnen
müssen.




Die wirtschaftlichen Wettbewerber in Südrußland

Die Tschecho-Slowakei, die für ihre hochentwickelte Industrie ebenfalls
Absatzgebiete und Bezugsquellen für Rohstoffe sucht, hat in Erkenntnis ihrer
wirtschaftlichen Struktur sich nicht umsonst für unmittelbare Grenzen mit Nuszlcmd
ausgesprochen. Die Markiverhültnisse in Südrußland bieten für die tschechische
Industrie größtes Interesse. Im tschechischen Staate herrscht allgemein die
Überzeugung, daß seine Industrie die starke wirtschaftliche Konkurrenz der
Engländer in Südrußland ferner die der Amerikaner, Franzosen und in letzter
Zeit auch der Japaner, die alle den Eutenteländern und Amerika entgangenen
Märkte für sich zu gewinnen suchen, nicht zu fürchten habe, denn die Nachfrage
sei in Südrußland sehr groß und die anderen Länder lieferten vorzugsweise
Qualitätswaren und zu höheren Preisen. In tschechischen Textilinduslriekreisen
hofft man sehr stark, aus Südrußland auf dem Wege der Kompensation Wolle
erhalten zu tonnen. Schon im Oktober dieses Jahres hat das südrussische
Handelsministerium den Vorsitzenden des Zentralverbandes der Kreditgenossenschaften
Südrußlands Marakujeff nach Prag entsandt, um mit tschechischen Firmen Ver¬
trüge abzuschließen.

Stellt man diese um zahlreiche Beispiele erweiterungsfähigen Tatsachen zu
einem Gesamtbild zusammen, so zeigt sich denk Betrachter der deutschen Außen¬
wirtschaft, daß die Frage der Handelsbeziehungen zu Südrußland aus dem Nahmen
der theoretischen Erwägungen heraus zwingend ins Gebiet der praktischen Ve-
tätigung verweist. Welche Folgerungen für die deutsche Handels-, Jndusine- und
Finanzwelt zu ziehen sind, liegt klar auf der Hand. Im Westen durch den Friedens¬
vertrag gebunden und gedrückt, hat Deutschland vor allein an die Wiederanknüpfung
der Beziehungen zu den Ländern zu denken, in denen die Unterhaltung des Verkehrs
mit Deutschland zu den Überlieferungen gehört. Dazu zählen zuvörderst die Ge¬
biete des Ostens, voran die Ukraine, die der Weltwirtschaft wieder erschlossen wird.
Dort liegt eine der Hauptaufgaben des deutschen Handels und der deutschen
Wirtschaft.

Und hier sollte unsere im Entstehen begriffene Wirtschaftsdiplomalie für
zukünftige Handelsbeziehungen mit Südrußland vorwiegend der Deutschen sich
bedienen, die dort in zahlreichen Ansiedlungen in Podolien, Wolhynien, an der
Küste des Schwarzen Meeres, besonders um Odessa, in Taurien und an der
Wolga wohnen. Sie sind die besten Kenner russischer Verhältnisse und die ge¬
eignetesten Vermittler im Handel mit Nußland. Vertreter der Deutschen in Süd-
rußland befinden sich seit geraumer Zeit in Berlin, um mit deutschen nach Ru߬
land interessierten Handels-, Industrie- und Finanzkrciscn Fühlung zu nehmen.

Will der deutsche Ausfuhrhandel die südrussischen Märkte gewinnen, so ist
bei dem ansteigenden wirtschaftlichen Wettbewerb im Südosten Europas schnelles
und zielklares Handeln geboten, wozu wir — fast in erster Linie — konsortiale
Beschaffung russischer Valuta unter Ausnutzung des heutigen disagios rechnen
müssen.




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[0344] Die wirtschaftlichen Wettbewerber in Südrußland Die Tschecho-Slowakei, die für ihre hochentwickelte Industrie ebenfalls Absatzgebiete und Bezugsquellen für Rohstoffe sucht, hat in Erkenntnis ihrer wirtschaftlichen Struktur sich nicht umsonst für unmittelbare Grenzen mit Nuszlcmd ausgesprochen. Die Markiverhültnisse in Südrußland bieten für die tschechische Industrie größtes Interesse. Im tschechischen Staate herrscht allgemein die Überzeugung, daß seine Industrie die starke wirtschaftliche Konkurrenz der Engländer in Südrußland ferner die der Amerikaner, Franzosen und in letzter Zeit auch der Japaner, die alle den Eutenteländern und Amerika entgangenen Märkte für sich zu gewinnen suchen, nicht zu fürchten habe, denn die Nachfrage sei in Südrußland sehr groß und die anderen Länder lieferten vorzugsweise Qualitätswaren und zu höheren Preisen. In tschechischen Textilinduslriekreisen hofft man sehr stark, aus Südrußland auf dem Wege der Kompensation Wolle erhalten zu tonnen. Schon im Oktober dieses Jahres hat das südrussische Handelsministerium den Vorsitzenden des Zentralverbandes der Kreditgenossenschaften Südrußlands Marakujeff nach Prag entsandt, um mit tschechischen Firmen Ver¬ trüge abzuschließen. Stellt man diese um zahlreiche Beispiele erweiterungsfähigen Tatsachen zu einem Gesamtbild zusammen, so zeigt sich denk Betrachter der deutschen Außen¬ wirtschaft, daß die Frage der Handelsbeziehungen zu Südrußland aus dem Nahmen der theoretischen Erwägungen heraus zwingend ins Gebiet der praktischen Ve- tätigung verweist. Welche Folgerungen für die deutsche Handels-, Jndusine- und Finanzwelt zu ziehen sind, liegt klar auf der Hand. Im Westen durch den Friedens¬ vertrag gebunden und gedrückt, hat Deutschland vor allein an die Wiederanknüpfung der Beziehungen zu den Ländern zu denken, in denen die Unterhaltung des Verkehrs mit Deutschland zu den Überlieferungen gehört. Dazu zählen zuvörderst die Ge¬ biete des Ostens, voran die Ukraine, die der Weltwirtschaft wieder erschlossen wird. Dort liegt eine der Hauptaufgaben des deutschen Handels und der deutschen Wirtschaft. Und hier sollte unsere im Entstehen begriffene Wirtschaftsdiplomalie für zukünftige Handelsbeziehungen mit Südrußland vorwiegend der Deutschen sich bedienen, die dort in zahlreichen Ansiedlungen in Podolien, Wolhynien, an der Küste des Schwarzen Meeres, besonders um Odessa, in Taurien und an der Wolga wohnen. Sie sind die besten Kenner russischer Verhältnisse und die ge¬ eignetesten Vermittler im Handel mit Nußland. Vertreter der Deutschen in Süd- rußland befinden sich seit geraumer Zeit in Berlin, um mit deutschen nach Ru߬ land interessierten Handels-, Industrie- und Finanzkrciscn Fühlung zu nehmen. Will der deutsche Ausfuhrhandel die südrussischen Märkte gewinnen, so ist bei dem ansteigenden wirtschaftlichen Wettbewerb im Südosten Europas schnelles und zielklares Handeln geboten, wozu wir — fast in erster Linie — konsortiale Beschaffung russischer Valuta unter Ausnutzung des heutigen disagios rechnen müssen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/344>, abgerufen am 22.01.2025.