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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Zu den neuen Reichssteuern auf das Ginkommen

wirtschaft, also ein Ergebnis, das man nicht mit Steuersozialisierung, sondern
nur mit Steuerbolschewismus bezeichnen könnte, oder aber Ausverkauf der deutschen
Volkswirtschaft an das Ausland, das heißt die längst gefürchtet" Lohnversklavung
des deutschen Arbeiteis an das ausländische Kapital.

Ob diese Folgen eintreten werden, vermögen wir solange mit Sicherheit
nicht zu sagen, als die Regierung eine Bilanz des deutschen Volt'soermögens und
seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit noch nicht gegeben hat. Sie ist mit aller
Energie zu fordern und abzuwarten. Eher läßt sich ein endgültiges Urteil über
die Gangbarkeit der vorgeschlagenen Steuerwege nicht fällen. Die Wahrscheinlichkeit
spricht aber leider dafür, daß die Steuerwege ungangbar sind. Diese Wahrscheinlich¬
keit folgt auch noch aus einer anderen Erwägung: wir haben in Ur. 49 dieser
Zeitschrift gesehen, daß wir mit einer deutschen Gesamtschuldenlast von 600 bis
MO Milliarden Mark höchstwahrscheinlich zu rechnen haben. Die gesamten Steuern
der Steuerreform sollen nach der Mitteilung des Reichsfinanzmmisters insgesamt
nnr 24 Milliarden bringen. Damit würden wir nicht einmal die Zinsen dieser
Schulden die 30 bis 40 Milliarden betragen, decken können! Wobei nicht
berücksichtigt ist, daß doch die gesamten Verwaltungskosten für das Reich von dieser
Summe von 24 Milliarden abzuziehen sind. Unsere Steuereinnahmen, die nur
unter Opferung eines erheblichen Teiles unseres Nationalvermögens realisiert
werden können, reichen also nicht einmal zur Zinsendeckung. Wie sollen sie
uns dann je zur Sanierung führen?

Was aber bleibt übrig, wenn wirklich sich der Versuch der Steuersanierung
als zwecklos und ungangbar erweist? Hier steht das gefürchtete Wort "Staats¬
bankerott". Wir denken nicht daran, uns, solange nicht die Lage geklärt ist, für
den Staatsbankerott einzusetzen. Aber man wird doch schon heute nicht umhin
können, dieser Möglichkeit ins Auge zu sehen und sich auf sie zu rüsten. Wir
haben früher schon angedeutet, daß es sehr fraglich ist, ob wirklich der Staats¬
bankerott wirtschaftlich eine gefährlichere Operation ist, alZ die jetzt geplante
Steuerreform. Es gibt Formen des Staatsbankerottes, die wirtschaftlich ertragen
werden können. Auch Preußen erklärte nach dem Zusammenbruch von l80l>
einen Staatsbankerott, der wirtschaftlich wenig Spuren hinterlassen hat. Natürlich
kommt eine Nichtigerklärung aller Schulden nicht in Frage. Die eine Maßnahme,
die in Frage kommt, und die Preußen seinerzeit ergriff, ist die Sperrung oder
wesentliche Herabsetzung des Zinsendienstes für die öffentliche Schuld. Es muß
sich uns doch schon jetzt nach den aus dem feindlichen Auslande zu uns herüber
gedrungenen Stimmen die Befürchtung aufdrängen, daß nach der Ratifizierung
des Friedensvertrages die Entente dank der ihr nach dem Friedensverträge zu¬
stehenden Rechte unsern Haushaltsplan nach ihren Wünschen korrigiert. Sie
wird zwar kein Interesse daran haben, die Steuern, die wir jetzt beschließen, zu
beseitigen, Wohl aber wird sie möglicherweise ihrerseits die Sperrung des Zinsen¬
dienstes für die öffentlichen Anleihen befehlen. Damit hätten wir den auf¬
gezwungenen Staatsbankerott, sind aber unsere Steuern quitt und tragen all ihre
schädlichen Folgen. Es mag zweckmäßig sein, diese Form des Staatsbankcrottes
der Initiative der Feinde zu überlassen, darüber soll hier nicht geurteilt werden.
Aber einer Erwägung dürfen wir uns nicht verschließen.- die jetzige Steuer¬
reform würde, wenn sie Gesetz wird, das arbeitende Kapital überall an empfind¬
lichster Stelle, nämlich in seiner Arbeit treffen. Das Wirtschaftsleben befürchtet
schon längst einen Zusammenbruch der Kriegsanleihe, es hat sich in gewissem
Maße schon heute daraus vorbereitet. Die Kriegsauleihen sind in großem Umfange
schon längst an Stellen im Wirtschastsorganismus verschoben, wo ihr Zusammen¬
bruch verhältnismäßig ungefährlich wirken wird. Mu jeder kann in seinem
Bekanntenkreise darüber Erfahrungen sammeln. Derjenige, der sein Geld für
andere Zwecke nötig braucht, hat seine Kriegsanleihe veräußert. Nun gibt es
allerdings eine große Gefahr: ein großer Teil der Kriegsanleihen -- der Prozent¬
satz ist nicht bekannt -- befindet sich im Besitz der kleinen Sparer oder von
Landesversicherungsanstalten oder Sparkassen. Es wäre also die Möglichkeit, daß


Zu den neuen Reichssteuern auf das Ginkommen

wirtschaft, also ein Ergebnis, das man nicht mit Steuersozialisierung, sondern
nur mit Steuerbolschewismus bezeichnen könnte, oder aber Ausverkauf der deutschen
Volkswirtschaft an das Ausland, das heißt die längst gefürchtet« Lohnversklavung
des deutschen Arbeiteis an das ausländische Kapital.

Ob diese Folgen eintreten werden, vermögen wir solange mit Sicherheit
nicht zu sagen, als die Regierung eine Bilanz des deutschen Volt'soermögens und
seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit noch nicht gegeben hat. Sie ist mit aller
Energie zu fordern und abzuwarten. Eher läßt sich ein endgültiges Urteil über
die Gangbarkeit der vorgeschlagenen Steuerwege nicht fällen. Die Wahrscheinlichkeit
spricht aber leider dafür, daß die Steuerwege ungangbar sind. Diese Wahrscheinlich¬
keit folgt auch noch aus einer anderen Erwägung: wir haben in Ur. 49 dieser
Zeitschrift gesehen, daß wir mit einer deutschen Gesamtschuldenlast von 600 bis
MO Milliarden Mark höchstwahrscheinlich zu rechnen haben. Die gesamten Steuern
der Steuerreform sollen nach der Mitteilung des Reichsfinanzmmisters insgesamt
nnr 24 Milliarden bringen. Damit würden wir nicht einmal die Zinsen dieser
Schulden die 30 bis 40 Milliarden betragen, decken können! Wobei nicht
berücksichtigt ist, daß doch die gesamten Verwaltungskosten für das Reich von dieser
Summe von 24 Milliarden abzuziehen sind. Unsere Steuereinnahmen, die nur
unter Opferung eines erheblichen Teiles unseres Nationalvermögens realisiert
werden können, reichen also nicht einmal zur Zinsendeckung. Wie sollen sie
uns dann je zur Sanierung führen?

Was aber bleibt übrig, wenn wirklich sich der Versuch der Steuersanierung
als zwecklos und ungangbar erweist? Hier steht das gefürchtete Wort „Staats¬
bankerott". Wir denken nicht daran, uns, solange nicht die Lage geklärt ist, für
den Staatsbankerott einzusetzen. Aber man wird doch schon heute nicht umhin
können, dieser Möglichkeit ins Auge zu sehen und sich auf sie zu rüsten. Wir
haben früher schon angedeutet, daß es sehr fraglich ist, ob wirklich der Staats¬
bankerott wirtschaftlich eine gefährlichere Operation ist, alZ die jetzt geplante
Steuerreform. Es gibt Formen des Staatsbankerottes, die wirtschaftlich ertragen
werden können. Auch Preußen erklärte nach dem Zusammenbruch von l80l>
einen Staatsbankerott, der wirtschaftlich wenig Spuren hinterlassen hat. Natürlich
kommt eine Nichtigerklärung aller Schulden nicht in Frage. Die eine Maßnahme,
die in Frage kommt, und die Preußen seinerzeit ergriff, ist die Sperrung oder
wesentliche Herabsetzung des Zinsendienstes für die öffentliche Schuld. Es muß
sich uns doch schon jetzt nach den aus dem feindlichen Auslande zu uns herüber
gedrungenen Stimmen die Befürchtung aufdrängen, daß nach der Ratifizierung
des Friedensvertrages die Entente dank der ihr nach dem Friedensverträge zu¬
stehenden Rechte unsern Haushaltsplan nach ihren Wünschen korrigiert. Sie
wird zwar kein Interesse daran haben, die Steuern, die wir jetzt beschließen, zu
beseitigen, Wohl aber wird sie möglicherweise ihrerseits die Sperrung des Zinsen¬
dienstes für die öffentlichen Anleihen befehlen. Damit hätten wir den auf¬
gezwungenen Staatsbankerott, sind aber unsere Steuern quitt und tragen all ihre
schädlichen Folgen. Es mag zweckmäßig sein, diese Form des Staatsbankcrottes
der Initiative der Feinde zu überlassen, darüber soll hier nicht geurteilt werden.
Aber einer Erwägung dürfen wir uns nicht verschließen.- die jetzige Steuer¬
reform würde, wenn sie Gesetz wird, das arbeitende Kapital überall an empfind¬
lichster Stelle, nämlich in seiner Arbeit treffen. Das Wirtschaftsleben befürchtet
schon längst einen Zusammenbruch der Kriegsanleihe, es hat sich in gewissem
Maße schon heute daraus vorbereitet. Die Kriegsauleihen sind in großem Umfange
schon längst an Stellen im Wirtschastsorganismus verschoben, wo ihr Zusammen¬
bruch verhältnismäßig ungefährlich wirken wird. Mu jeder kann in seinem
Bekanntenkreise darüber Erfahrungen sammeln. Derjenige, der sein Geld für
andere Zwecke nötig braucht, hat seine Kriegsanleihe veräußert. Nun gibt es
allerdings eine große Gefahr: ein großer Teil der Kriegsanleihen — der Prozent¬
satz ist nicht bekannt — befindet sich im Besitz der kleinen Sparer oder von
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[0335] Zu den neuen Reichssteuern auf das Ginkommen wirtschaft, also ein Ergebnis, das man nicht mit Steuersozialisierung, sondern nur mit Steuerbolschewismus bezeichnen könnte, oder aber Ausverkauf der deutschen Volkswirtschaft an das Ausland, das heißt die längst gefürchtet« Lohnversklavung des deutschen Arbeiteis an das ausländische Kapital. Ob diese Folgen eintreten werden, vermögen wir solange mit Sicherheit nicht zu sagen, als die Regierung eine Bilanz des deutschen Volt'soermögens und seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit noch nicht gegeben hat. Sie ist mit aller Energie zu fordern und abzuwarten. Eher läßt sich ein endgültiges Urteil über die Gangbarkeit der vorgeschlagenen Steuerwege nicht fällen. Die Wahrscheinlichkeit spricht aber leider dafür, daß die Steuerwege ungangbar sind. Diese Wahrscheinlich¬ keit folgt auch noch aus einer anderen Erwägung: wir haben in Ur. 49 dieser Zeitschrift gesehen, daß wir mit einer deutschen Gesamtschuldenlast von 600 bis MO Milliarden Mark höchstwahrscheinlich zu rechnen haben. Die gesamten Steuern der Steuerreform sollen nach der Mitteilung des Reichsfinanzmmisters insgesamt nnr 24 Milliarden bringen. Damit würden wir nicht einmal die Zinsen dieser Schulden die 30 bis 40 Milliarden betragen, decken können! Wobei nicht berücksichtigt ist, daß doch die gesamten Verwaltungskosten für das Reich von dieser Summe von 24 Milliarden abzuziehen sind. Unsere Steuereinnahmen, die nur unter Opferung eines erheblichen Teiles unseres Nationalvermögens realisiert werden können, reichen also nicht einmal zur Zinsendeckung. Wie sollen sie uns dann je zur Sanierung führen? Was aber bleibt übrig, wenn wirklich sich der Versuch der Steuersanierung als zwecklos und ungangbar erweist? Hier steht das gefürchtete Wort „Staats¬ bankerott". Wir denken nicht daran, uns, solange nicht die Lage geklärt ist, für den Staatsbankerott einzusetzen. Aber man wird doch schon heute nicht umhin können, dieser Möglichkeit ins Auge zu sehen und sich auf sie zu rüsten. Wir haben früher schon angedeutet, daß es sehr fraglich ist, ob wirklich der Staats¬ bankerott wirtschaftlich eine gefährlichere Operation ist, alZ die jetzt geplante Steuerreform. Es gibt Formen des Staatsbankerottes, die wirtschaftlich ertragen werden können. Auch Preußen erklärte nach dem Zusammenbruch von l80l> einen Staatsbankerott, der wirtschaftlich wenig Spuren hinterlassen hat. Natürlich kommt eine Nichtigerklärung aller Schulden nicht in Frage. Die eine Maßnahme, die in Frage kommt, und die Preußen seinerzeit ergriff, ist die Sperrung oder wesentliche Herabsetzung des Zinsendienstes für die öffentliche Schuld. Es muß sich uns doch schon jetzt nach den aus dem feindlichen Auslande zu uns herüber gedrungenen Stimmen die Befürchtung aufdrängen, daß nach der Ratifizierung des Friedensvertrages die Entente dank der ihr nach dem Friedensverträge zu¬ stehenden Rechte unsern Haushaltsplan nach ihren Wünschen korrigiert. Sie wird zwar kein Interesse daran haben, die Steuern, die wir jetzt beschließen, zu beseitigen, Wohl aber wird sie möglicherweise ihrerseits die Sperrung des Zinsen¬ dienstes für die öffentlichen Anleihen befehlen. Damit hätten wir den auf¬ gezwungenen Staatsbankerott, sind aber unsere Steuern quitt und tragen all ihre schädlichen Folgen. Es mag zweckmäßig sein, diese Form des Staatsbankcrottes der Initiative der Feinde zu überlassen, darüber soll hier nicht geurteilt werden. Aber einer Erwägung dürfen wir uns nicht verschließen.- die jetzige Steuer¬ reform würde, wenn sie Gesetz wird, das arbeitende Kapital überall an empfind¬ lichster Stelle, nämlich in seiner Arbeit treffen. Das Wirtschaftsleben befürchtet schon längst einen Zusammenbruch der Kriegsanleihe, es hat sich in gewissem Maße schon heute daraus vorbereitet. Die Kriegsauleihen sind in großem Umfange schon längst an Stellen im Wirtschastsorganismus verschoben, wo ihr Zusammen¬ bruch verhältnismäßig ungefährlich wirken wird. Mu jeder kann in seinem Bekanntenkreise darüber Erfahrungen sammeln. Derjenige, der sein Geld für andere Zwecke nötig braucht, hat seine Kriegsanleihe veräußert. Nun gibt es allerdings eine große Gefahr: ein großer Teil der Kriegsanleihen — der Prozent¬ satz ist nicht bekannt — befindet sich im Besitz der kleinen Sparer oder von Landesversicherungsanstalten oder Sparkassen. Es wäre also die Möglichkeit, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/335>, abgerufen am 15.01.2025.