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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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dafür ganz vorzüglich geeignet. Sie liest sich in der frischen Darstellung des ge¬
sprochenen Wortes gut. geht nicht zuviel auf Einzelheiten ein und drängt nicht
zu viel Gelehrsamkeit vor. Die beigegebenen Abbildungen (44 im Text, dazu
8 Tafeln) sind technisch hervorragend, die Auswahl ist schlagend, beweisend, fördernd
und eindringlich. Die Inhaltsübersicht mit Stichworten, ein sorgfältiges Register,
die genauen und umfangreichen Literaturangaben zu jedem Kapitel gesondert
verraten die geklärte Kenntnis des Verfassers mit dem einschlägigen Stoffe und leiten
zu vertiefender Weiterarbeit an. In der sachlichen Darstellung wird kritisch, aber
auch berichtigend verfahren. Das Werkchen wird deshalb warm empfohlen, weil
es ein guter Führer in ein Gebiet ist, dem die niedergeknüttelte deutsche Nation
die ganze Wachsamkeit zuwenden sollte. Freilich, wenn das Theater seine Auf¬
gabe, Erzieherin der Nation und des Volkes zu sein, erfüllen soll, dann nutz
auch das zeitgenössische Schauspiel sich mancher Reform unterziehen. Hier liegen
große Aufgaben. Mag die neue Zeit, die in vielem so anspruchsvoll mit ihren
Erfolgen prahlt, zeigen, daß ihr gelingt zu schaffen, was bisher restlos nicht er¬
r Lurt Hills eicht worden ist: das deutsche Nationaltheater.


AndrL Zolles. Bon Schiller zur Gemeinschaftsbühue. Verlag von Quelle u.
Meyer. Leipzig 1919.

Eine der wichtigsten Veröffentlichungen zum Thema Volksbühne, die
hoffentlich Epoche machen wird. In der Einleitung weist Ludw. Pallat daraus
hin, daß gegenwärtig die Staatstheaier nicht imstande sind, die Aufgabe von
Volksbühnen zu erfüllen, da sie sämtlich zu klein sind und der Betrieb zu teuer
ist- Neue Bühnen aber, die das alte Repertoire in künstlerisch einwandfreier
Weise übersehen, können wir vorderhand nicht bauen. Wir brauchen also ein
neues Repertoire. Oder mit andern Worten, das Volk müßte sich aus seinem
eigenen Theaterbedürfnis heraus ein neues Theater schaffen, das sich auch bei
den für die nächsten Jahre zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln materiell
ermöglichen läßt. Die neue Form wird nun organisch aus dem primitiven
Theaterbedürfnis und dem Zwang geringster Kosten entwickelt. Kleine Säle,
einfachste Bühnenform mit Anwendung typischer Dekoration, die Zahl der Schau¬
spieler auf die gebräuchlichen Grundtypen zurückgeführt (Zolles zeigt, daß man
wie fünf auskommen kann) und die Stücke nicht von einem vagen Begnff der
Literatur, sondern vom warmen Leben szenischen Spiels und dramatischen
Geschehens ausgehend. DaS Publikum nicht mehr mit bald veristischen Spielereien,
bald mit akademisch stilisierenden Kunstprodukten zerstreuen, sondern seine Phantasie
?um miterlebenden Mitschaffen erwärmen. Was Jollcs anregt, ist der Weg, den
Zedes echte Volksdrama gegangen ist. Er zieht Grenzen und schafft eben dadurch
Formmöglichkeiten, er beschränkt, aber entwickelt. Nicht Nachahmung heißt das
Ael, sondern Bühnenleben, nicht Psychologie, sondern Grundwahrheit, acht
Stilisierung, sondern Stil, nicht Bildungsmöglichkeit, sondern Ausbildung, acht
Erziehung, sondern Entwicklung. Die Frage ist nur, wer macht den Anfang?
So viele sind des heutige" Theaters müde, wo tun sich in der Großstadt tausend.
Zweitausend, fünftausend Leute zusammen, um sich ihr Theater selbst zu schaffend
Der Anfang wäre vielleicht in den Schulen zu machen, vielleicht tun sich mehrere
D'lcttantenvereine zusammen. Die Hauptsache ist nur, daß der neue Versuch
suA gleich mit Stilprätention und Literaturtiefsinn beschwert, sondern volkstumltch
lebendig, einfach gehalten wird und vom Spieltrieb ausgeht. Alle, die nach
einer Gesundung des Theaters rufe", sollten das Buch, das auch eine sehr
originelle Würdigung des "Wilhelm Teil" bringt, lesen und "in ihrem Herzen
bew Dr. R. Schacht egen".


Felix Wilfrieds Freitags "Tragödien im Tann",

, Verlag von Egon
Neischel u. Co.. Berlin, 8.50 Mark, sind auf einen ernsten Ton gestimmt. Der
Erfasser führt uns in den märkischen Fichtenwald, in die nordische Wildnis,vom Land der tausend Seen zur russischen Elentier- und Varenmgd. in die
Srebenbürger Alpen, zur Hahnenbalz und heimischen Otterjagd, zur Trappenbalz


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dafür ganz vorzüglich geeignet. Sie liest sich in der frischen Darstellung des ge¬
sprochenen Wortes gut. geht nicht zuviel auf Einzelheiten ein und drängt nicht
zu viel Gelehrsamkeit vor. Die beigegebenen Abbildungen (44 im Text, dazu
8 Tafeln) sind technisch hervorragend, die Auswahl ist schlagend, beweisend, fördernd
und eindringlich. Die Inhaltsübersicht mit Stichworten, ein sorgfältiges Register,
die genauen und umfangreichen Literaturangaben zu jedem Kapitel gesondert
verraten die geklärte Kenntnis des Verfassers mit dem einschlägigen Stoffe und leiten
zu vertiefender Weiterarbeit an. In der sachlichen Darstellung wird kritisch, aber
auch berichtigend verfahren. Das Werkchen wird deshalb warm empfohlen, weil
es ein guter Führer in ein Gebiet ist, dem die niedergeknüttelte deutsche Nation
die ganze Wachsamkeit zuwenden sollte. Freilich, wenn das Theater seine Auf¬
gabe, Erzieherin der Nation und des Volkes zu sein, erfüllen soll, dann nutz
auch das zeitgenössische Schauspiel sich mancher Reform unterziehen. Hier liegen
große Aufgaben. Mag die neue Zeit, die in vielem so anspruchsvoll mit ihren
Erfolgen prahlt, zeigen, daß ihr gelingt zu schaffen, was bisher restlos nicht er¬
r Lurt Hills eicht worden ist: das deutsche Nationaltheater.


AndrL Zolles. Bon Schiller zur Gemeinschaftsbühue. Verlag von Quelle u.
Meyer. Leipzig 1919.

Eine der wichtigsten Veröffentlichungen zum Thema Volksbühne, die
hoffentlich Epoche machen wird. In der Einleitung weist Ludw. Pallat daraus
hin, daß gegenwärtig die Staatstheaier nicht imstande sind, die Aufgabe von
Volksbühnen zu erfüllen, da sie sämtlich zu klein sind und der Betrieb zu teuer
ist- Neue Bühnen aber, die das alte Repertoire in künstlerisch einwandfreier
Weise übersehen, können wir vorderhand nicht bauen. Wir brauchen also ein
neues Repertoire. Oder mit andern Worten, das Volk müßte sich aus seinem
eigenen Theaterbedürfnis heraus ein neues Theater schaffen, das sich auch bei
den für die nächsten Jahre zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln materiell
ermöglichen läßt. Die neue Form wird nun organisch aus dem primitiven
Theaterbedürfnis und dem Zwang geringster Kosten entwickelt. Kleine Säle,
einfachste Bühnenform mit Anwendung typischer Dekoration, die Zahl der Schau¬
spieler auf die gebräuchlichen Grundtypen zurückgeführt (Zolles zeigt, daß man
wie fünf auskommen kann) und die Stücke nicht von einem vagen Begnff der
Literatur, sondern vom warmen Leben szenischen Spiels und dramatischen
Geschehens ausgehend. DaS Publikum nicht mehr mit bald veristischen Spielereien,
bald mit akademisch stilisierenden Kunstprodukten zerstreuen, sondern seine Phantasie
?um miterlebenden Mitschaffen erwärmen. Was Jollcs anregt, ist der Weg, den
Zedes echte Volksdrama gegangen ist. Er zieht Grenzen und schafft eben dadurch
Formmöglichkeiten, er beschränkt, aber entwickelt. Nicht Nachahmung heißt das
Ael, sondern Bühnenleben, nicht Psychologie, sondern Grundwahrheit, acht
Stilisierung, sondern Stil, nicht Bildungsmöglichkeit, sondern Ausbildung, acht
Erziehung, sondern Entwicklung. Die Frage ist nur, wer macht den Anfang?
So viele sind des heutige» Theaters müde, wo tun sich in der Großstadt tausend.
Zweitausend, fünftausend Leute zusammen, um sich ihr Theater selbst zu schaffend
Der Anfang wäre vielleicht in den Schulen zu machen, vielleicht tun sich mehrere
D'lcttantenvereine zusammen. Die Hauptsache ist nur, daß der neue Versuch
suA gleich mit Stilprätention und Literaturtiefsinn beschwert, sondern volkstumltch
lebendig, einfach gehalten wird und vom Spieltrieb ausgeht. Alle, die nach
einer Gesundung des Theaters rufe», sollten das Buch, das auch eine sehr
originelle Würdigung des „Wilhelm Teil" bringt, lesen und „in ihrem Herzen
bew Dr. R. Schacht egen".


Felix Wilfrieds Freitags „Tragödien im Tann",

, Verlag von Egon
Neischel u. Co.. Berlin, 8.50 Mark, sind auf einen ernsten Ton gestimmt. Der
Erfasser führt uns in den märkischen Fichtenwald, in die nordische Wildnis,vom Land der tausend Seen zur russischen Elentier- und Varenmgd. in die
Srebenbürger Alpen, zur Hahnenbalz und heimischen Otterjagd, zur Trappenbalz


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[0291] Neue Bücher dafür ganz vorzüglich geeignet. Sie liest sich in der frischen Darstellung des ge¬ sprochenen Wortes gut. geht nicht zuviel auf Einzelheiten ein und drängt nicht zu viel Gelehrsamkeit vor. Die beigegebenen Abbildungen (44 im Text, dazu 8 Tafeln) sind technisch hervorragend, die Auswahl ist schlagend, beweisend, fördernd und eindringlich. Die Inhaltsübersicht mit Stichworten, ein sorgfältiges Register, die genauen und umfangreichen Literaturangaben zu jedem Kapitel gesondert verraten die geklärte Kenntnis des Verfassers mit dem einschlägigen Stoffe und leiten zu vertiefender Weiterarbeit an. In der sachlichen Darstellung wird kritisch, aber auch berichtigend verfahren. Das Werkchen wird deshalb warm empfohlen, weil es ein guter Führer in ein Gebiet ist, dem die niedergeknüttelte deutsche Nation die ganze Wachsamkeit zuwenden sollte. Freilich, wenn das Theater seine Auf¬ gabe, Erzieherin der Nation und des Volkes zu sein, erfüllen soll, dann nutz auch das zeitgenössische Schauspiel sich mancher Reform unterziehen. Hier liegen große Aufgaben. Mag die neue Zeit, die in vielem so anspruchsvoll mit ihren Erfolgen prahlt, zeigen, daß ihr gelingt zu schaffen, was bisher restlos nicht er¬ r Lurt Hills eicht worden ist: das deutsche Nationaltheater. AndrL Zolles. Bon Schiller zur Gemeinschaftsbühue. Verlag von Quelle u. Meyer. Leipzig 1919. Eine der wichtigsten Veröffentlichungen zum Thema Volksbühne, die hoffentlich Epoche machen wird. In der Einleitung weist Ludw. Pallat daraus hin, daß gegenwärtig die Staatstheaier nicht imstande sind, die Aufgabe von Volksbühnen zu erfüllen, da sie sämtlich zu klein sind und der Betrieb zu teuer ist- Neue Bühnen aber, die das alte Repertoire in künstlerisch einwandfreier Weise übersehen, können wir vorderhand nicht bauen. Wir brauchen also ein neues Repertoire. Oder mit andern Worten, das Volk müßte sich aus seinem eigenen Theaterbedürfnis heraus ein neues Theater schaffen, das sich auch bei den für die nächsten Jahre zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln materiell ermöglichen läßt. Die neue Form wird nun organisch aus dem primitiven Theaterbedürfnis und dem Zwang geringster Kosten entwickelt. Kleine Säle, einfachste Bühnenform mit Anwendung typischer Dekoration, die Zahl der Schau¬ spieler auf die gebräuchlichen Grundtypen zurückgeführt (Zolles zeigt, daß man wie fünf auskommen kann) und die Stücke nicht von einem vagen Begnff der Literatur, sondern vom warmen Leben szenischen Spiels und dramatischen Geschehens ausgehend. DaS Publikum nicht mehr mit bald veristischen Spielereien, bald mit akademisch stilisierenden Kunstprodukten zerstreuen, sondern seine Phantasie ?um miterlebenden Mitschaffen erwärmen. Was Jollcs anregt, ist der Weg, den Zedes echte Volksdrama gegangen ist. Er zieht Grenzen und schafft eben dadurch Formmöglichkeiten, er beschränkt, aber entwickelt. Nicht Nachahmung heißt das Ael, sondern Bühnenleben, nicht Psychologie, sondern Grundwahrheit, acht Stilisierung, sondern Stil, nicht Bildungsmöglichkeit, sondern Ausbildung, acht Erziehung, sondern Entwicklung. Die Frage ist nur, wer macht den Anfang? So viele sind des heutige» Theaters müde, wo tun sich in der Großstadt tausend. Zweitausend, fünftausend Leute zusammen, um sich ihr Theater selbst zu schaffend Der Anfang wäre vielleicht in den Schulen zu machen, vielleicht tun sich mehrere D'lcttantenvereine zusammen. Die Hauptsache ist nur, daß der neue Versuch suA gleich mit Stilprätention und Literaturtiefsinn beschwert, sondern volkstumltch lebendig, einfach gehalten wird und vom Spieltrieb ausgeht. Alle, die nach einer Gesundung des Theaters rufe», sollten das Buch, das auch eine sehr originelle Würdigung des „Wilhelm Teil" bringt, lesen und „in ihrem Herzen bew Dr. R. Schacht egen". Felix Wilfrieds Freitags „Tragödien im Tann", , Verlag von Egon Neischel u. Co.. Berlin, 8.50 Mark, sind auf einen ernsten Ton gestimmt. Der Erfasser führt uns in den märkischen Fichtenwald, in die nordische Wildnis,vom Land der tausend Seen zur russischen Elentier- und Varenmgd. in die Srebenbürger Alpen, zur Hahnenbalz und heimischen Otterjagd, zur Trappenbalz 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/291>, abgerufen am 15.01.2025.