Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.N?ahlergebniffe Auch hat sich der sozialistische Abgeordnete für Antwerpen. Camille Huysmans. Noch schwieriger zu übersehen sink, die Dinge in Italien, wo ebenfalls der Grenzboten IV 1919 2S
N?ahlergebniffe Auch hat sich der sozialistische Abgeordnete für Antwerpen. Camille Huysmans. Noch schwieriger zu übersehen sink, die Dinge in Italien, wo ebenfalls der Grenzboten IV 1919 2S
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336579"/> <fw type="header" place="top"> N?ahlergebniffe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1069" prev="#ID_1068"> Auch hat sich der sozialistische Abgeordnete für Antwerpen. Camille Huysmans.<lb/> Kr oppositionelle Haltung der Sozialisten ausgesprochen, während Destres sowohl<lb/> wie der Liberale Devöze für Bildung einer Koalitionsregierung sind. In diesem<lb/> Falle wäre ein linksstehendes Regierungszentrum aus einem Teil der Sozialisten,<lb/> der liberalen Linken und der demokratisch gerichteten „jungen Rechten" möglich.<lb/> Auch die Flamenpolitik kann dabei eine Rolle spielen, da man jedoch nicht über-<lb/> sehen kann, wie weit sich die einzelnen sozialistische und vor allem die katholischen<lb/> Abgeordneten auf die flämischen Forderungen festgelegt haben, läßt sich darüber<lb/> noch nichts endgültiges sagen. Sicher ist nur, daß die Flamenpolitik auch<lb/> Parlamentarisch eine größere Rolle spielen wird als vor dem Kriege.</p><lb/> <p xml:id="ID_1070" next="#ID_1071"> Noch schwieriger zu übersehen sink, die Dinge in Italien, wo ebenfalls der<lb/> größte Teil der Abgeordneten neu gewählt wo, den ist (kaum 160 Abgeordnete,<lb/> darunter alle Sozialisten, sind wiedergewählt) und Gewinn- und Verlustkonten<lb/> noch ausgesprochener sind. Die Liberalen sind von 310 auf 179, die Radikalen<lb/> von 73 auf 39 zurückgegangen, die katholische Volkspartei von 27 auf 100. die<lb/> Sozialisten von 52 auf 155 angewachsen. Für die wirkliche Volksstimmung ist<lb/> das Ergebnis insofern nicht maßgebend, als allgemein über geringe Wahlbeteiligung<lb/> geklagt wird, die in Rom beispielsweise knapp 40 Prozent betrug und auf die<lb/> Kompliziertheit der Wahlmethode und die Einführung der den italienischen, auf<lb/> die Persönlichkeit eingestellt n Bedürfnissen wenig entsprechenden Listenwahl<lb/> zurückgeführt wird. Der Erfolg der sehr radikal eingestellten Sozialisten ist in<lb/> erster Linie auf das Ergebnis der für die Militaristen in der Tat peinlichen<lb/> Karfreituntersuchung sowie auf d'Annunzios Fiume Abenteuer, das den Nationalisten<lb/> verhängnisvoll geworden ist. zurückzuführen Immerhin bildet aber der offen¬<lb/> kundige Mißerfolg der Giolitiianer Anlaß. dieses Moment nicht allzu stark einzu¬<lb/> schätzen. Interessanter ist der Erfolg der Klerikalen, die diesmal, unter Billigung,<lb/> ja Antrieb des Heiligen Stuhles, eine rege Wahlpropaganda getrieben haben,<lb/> wobei die Absicht, einen Damm gegen den von links her drohenden Umsturz zu<lb/> errichten, mitgewirkt hat. Auch hier ist keine Partei stark genug, die Regierung<lb/> allein zu bilden, aber auch eine Blockbildung scheint schwierig. Es ist möglich,<lb/> und der Bologneser Parteikongreß, auf dem der soziale Fortschritt eifrige Befür¬<lb/> worter fand, icheint diese Vermutung zu bestängen, daß innerhalb der katholischen<lb/> Kirche Tendenzen bestehen, die neue Elemeniarbewegung des Bolschewismus in<lb/> die Hand zu nehmen, teils um sie lenken zu können, teils um sich von ihr tragen<lb/> zu lassen — auch in Deutschland soll es derartige Tendenzen geben — aber<lb/> dagegen, daß es offen geschehen wird, spricht doch die Abhängigkeit des materiellen<lb/> Bestehens der Kirche vom Kapital sowie sicherlich die eben jetzt wieder auftauchende<lb/> Hoffnung, in Frankreich die alte Stellung zurück ugewinnen. Abgesehen davon<lb/> aber haben die italienischen Sozialisten bis jetzt im „Avanti" sowohl wie im<lb/> ^rgan der Gewerkschaften getreu der Stellungnahme auf dem letzten Sozialisten¬<lb/> kongreß alle Kompromisse mit den Bürgerlichen abgelehnt und „Avanti" vom<lb/> ^2. hat sich sehr entschieden für Anerkennung der Sowjets, für eine Finanzpolitik<lb/> gegen Kriegsgewinner und die großen Vermögen (die ja naturgemäß kommen<lb/> wuß) aber auch für weitgehendes Mitbestiminungsrecbt der Arbeiter in Fabriken<lb/> und Landwirtschaft ausgesprochen, so daß der „Osservatore Romano" bereits<lb/> begonnen hat, die Möglichkeit einer Annäherung »on Klerikalen und Liberalen<lb/> <W erörtern. Aber es ist nicht abzusehen, wie ein wlches Bündnis, das die iunge<lb/> katholische Volkspartei schwer kompromittieren und die Opposition nur noch mehr<lb/> erbittern würde, von Bestand sein sollte. Die Regierungsbildung liegt demnach<lb/> hier völlig im dunkeln und die Entwicklung der Dinge in Italien kann noch die<lb/> größten Überraschungen bringen. Sehr viel wird davon abhängen wie die<lb/> So,mut^ _____."..->.........-------i>---<lb/> ^'allsten ihre neue Macht ausnutzen werden, viel auch von dem Geschick, mit<lb/> . ?w die Krone ihre erschütterte Stellung zu verteidigen wissen wird. Auch aus<lb/> ^. außenpolitische Stellung, die Italien auf Grund der neuen Wahlen einnehmen<lb/> du ^ gespannt sein. Dringt die antimilitarisiische Politik der Sozialisten<lb/> "res. so ist Italiens außerpolitischer Gewinn im Weltkrieg gleich Null, seine</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1919 2S</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0289]
N?ahlergebniffe
Auch hat sich der sozialistische Abgeordnete für Antwerpen. Camille Huysmans.
Kr oppositionelle Haltung der Sozialisten ausgesprochen, während Destres sowohl
wie der Liberale Devöze für Bildung einer Koalitionsregierung sind. In diesem
Falle wäre ein linksstehendes Regierungszentrum aus einem Teil der Sozialisten,
der liberalen Linken und der demokratisch gerichteten „jungen Rechten" möglich.
Auch die Flamenpolitik kann dabei eine Rolle spielen, da man jedoch nicht über-
sehen kann, wie weit sich die einzelnen sozialistische und vor allem die katholischen
Abgeordneten auf die flämischen Forderungen festgelegt haben, läßt sich darüber
noch nichts endgültiges sagen. Sicher ist nur, daß die Flamenpolitik auch
Parlamentarisch eine größere Rolle spielen wird als vor dem Kriege.
Noch schwieriger zu übersehen sink, die Dinge in Italien, wo ebenfalls der
größte Teil der Abgeordneten neu gewählt wo, den ist (kaum 160 Abgeordnete,
darunter alle Sozialisten, sind wiedergewählt) und Gewinn- und Verlustkonten
noch ausgesprochener sind. Die Liberalen sind von 310 auf 179, die Radikalen
von 73 auf 39 zurückgegangen, die katholische Volkspartei von 27 auf 100. die
Sozialisten von 52 auf 155 angewachsen. Für die wirkliche Volksstimmung ist
das Ergebnis insofern nicht maßgebend, als allgemein über geringe Wahlbeteiligung
geklagt wird, die in Rom beispielsweise knapp 40 Prozent betrug und auf die
Kompliziertheit der Wahlmethode und die Einführung der den italienischen, auf
die Persönlichkeit eingestellt n Bedürfnissen wenig entsprechenden Listenwahl
zurückgeführt wird. Der Erfolg der sehr radikal eingestellten Sozialisten ist in
erster Linie auf das Ergebnis der für die Militaristen in der Tat peinlichen
Karfreituntersuchung sowie auf d'Annunzios Fiume Abenteuer, das den Nationalisten
verhängnisvoll geworden ist. zurückzuführen Immerhin bildet aber der offen¬
kundige Mißerfolg der Giolitiianer Anlaß. dieses Moment nicht allzu stark einzu¬
schätzen. Interessanter ist der Erfolg der Klerikalen, die diesmal, unter Billigung,
ja Antrieb des Heiligen Stuhles, eine rege Wahlpropaganda getrieben haben,
wobei die Absicht, einen Damm gegen den von links her drohenden Umsturz zu
errichten, mitgewirkt hat. Auch hier ist keine Partei stark genug, die Regierung
allein zu bilden, aber auch eine Blockbildung scheint schwierig. Es ist möglich,
und der Bologneser Parteikongreß, auf dem der soziale Fortschritt eifrige Befür¬
worter fand, icheint diese Vermutung zu bestängen, daß innerhalb der katholischen
Kirche Tendenzen bestehen, die neue Elemeniarbewegung des Bolschewismus in
die Hand zu nehmen, teils um sie lenken zu können, teils um sich von ihr tragen
zu lassen — auch in Deutschland soll es derartige Tendenzen geben — aber
dagegen, daß es offen geschehen wird, spricht doch die Abhängigkeit des materiellen
Bestehens der Kirche vom Kapital sowie sicherlich die eben jetzt wieder auftauchende
Hoffnung, in Frankreich die alte Stellung zurück ugewinnen. Abgesehen davon
aber haben die italienischen Sozialisten bis jetzt im „Avanti" sowohl wie im
^rgan der Gewerkschaften getreu der Stellungnahme auf dem letzten Sozialisten¬
kongreß alle Kompromisse mit den Bürgerlichen abgelehnt und „Avanti" vom
^2. hat sich sehr entschieden für Anerkennung der Sowjets, für eine Finanzpolitik
gegen Kriegsgewinner und die großen Vermögen (die ja naturgemäß kommen
wuß) aber auch für weitgehendes Mitbestiminungsrecbt der Arbeiter in Fabriken
und Landwirtschaft ausgesprochen, so daß der „Osservatore Romano" bereits
begonnen hat, die Möglichkeit einer Annäherung »on Klerikalen und Liberalen
<W erörtern. Aber es ist nicht abzusehen, wie ein wlches Bündnis, das die iunge
katholische Volkspartei schwer kompromittieren und die Opposition nur noch mehr
erbittern würde, von Bestand sein sollte. Die Regierungsbildung liegt demnach
hier völlig im dunkeln und die Entwicklung der Dinge in Italien kann noch die
größten Überraschungen bringen. Sehr viel wird davon abhängen wie die
So,mut^ _____."..->.........-------i>---
^'allsten ihre neue Macht ausnutzen werden, viel auch von dem Geschick, mit
. ?w die Krone ihre erschütterte Stellung zu verteidigen wissen wird. Auch aus
^. außenpolitische Stellung, die Italien auf Grund der neuen Wahlen einnehmen
du ^ gespannt sein. Dringt die antimilitarisiische Politik der Sozialisten
"res. so ist Italiens außerpolitischer Gewinn im Weltkrieg gleich Null, seine
Grenzboten IV 1919 2S
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