Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Wahlergebnisse der bisher bekannt gewordenen Vorschläge ist nicht zu trauen. Es sei an die Wahlergebnisse in Heft 45 der Grenzboten vorausgesagt wurde, ist eingetrofferu Wahlergebnisse der bisher bekannt gewordenen Vorschläge ist nicht zu trauen. Es sei an die Wahlergebnisse in Heft 45 der Grenzboten vorausgesagt wurde, ist eingetrofferu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0286" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336576"/> <fw type="header" place="top"> Wahlergebnisse</fw><lb/> <p xml:id="ID_1062" prev="#ID_1061"> der bisher bekannt gewordenen Vorschläge ist nicht zu trauen. Es sei an die<lb/> Worte Trotzkis noch vor wenigen Wochen erinnert, als er zur Verteidigung Peters¬<lb/> burgs aufrief und eine Entscheidung im Weltkampfe des Bolschewismus auf der<lb/> Weite des gesamten Erdballes, in England, China, Peking ankündigte. Ganz<lb/> andere Gesichtspunkte vertreten die jüngsten Friedensbotschaften der Sowjet¬<lb/> regierung. Danach wird ein Weltfrieden angestrebt. In dem damit ausge¬<lb/> sprochenen Verzicht auf die Weltrevolution liegt das Bekenntnis des völligen<lb/> Fiaskos der bolschewistischen Idee und in den angedeuteten Kompromissen das<lb/> Eingeständnis des Bankerottes der bolschewistischen Wirtschaftspolitik. Ob die<lb/> wirtschaftliche Lage wirklich so bedrohlich ist, daß sie auch zu einer Lähmung der<lb/> militärischen Widerstandskraft führt, wird das nächste Feldzugsjahr lehren. Vor¬<lb/> läufig sind die Aussichten für eine Beendigung der Kämpfe in absehbarer Zeit<lb/> noch recht gering.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Wahlergebnisse</head><lb/> <p xml:id="ID_1063" next="#ID_1064"> in Heft 45 der Grenzboten vorausgesagt wurde, ist eingetrofferu<lb/> die Wahlen haben den französischen Sozialisten eine katastrophale<lb/> MH H^^W Niederlage gebracht. Natürlich machen sie das neue Wahlgesetz<lb/> «Mi I^^X^« dafür verantwortlich. Nicht ganz mit Unrecht. Schon bei der Ab-<lb/> stimmung über die Wahlreform, die mit 334 gegen 121 Stimmen an-<lb/> 1V> genommen winde, hatte der sozialistische Abgeordnete Moyüras er¬<lb/> klärt, daß sie für die Sozialisten verhängnisvoll werden würde, und als vollends<lb/> herauskam, dasz die Kosten für die Wahlen von den Parteien und nicht vom<lb/> Staate getragen werden sollten, war es klar, daß die Sozialisten, die in Frank¬<lb/> reich schlechte Beitragzahler sind, ins Hintertreffen geraten würden. Daß Mayeras<lb/> recht hatte, beweist u. a. der Umstand, daß die Sozialisten tatsächlich einen<lb/> Stimmenzuwachs von etwa einer halben Million Stimmen zu verzeichnen haben<lb/> und daß auf Grund des neuen Wahlgesetzes ein Kandidat mit 19 000 Stimmen<lb/> (Daudet) gegen einen andern mit 36 000 Stimmen (ThÄm) durchgekommen ist.<lb/> Aber die Sozialisten werden doch auch nicht leugnen können, daß zu einem großen<lb/> Teil sie selber Schuld an ihrer Niederlage sind. Zunächst, weil die Parteidisziplin<lb/> versagt hat. Zwar ist es auf den unterschiedlichen Kongressen gelungen, die Partei<lb/> zusammenzuhalten, aber die Abstimmungsergebnisse und noch mehr die Reden, die<lb/> dabei gehalten wurden, ergaben doch so tiefgehende Meinungsverschiedenheiten, daß<lb/> die innere Schlagkraft der Partei aufs höchste gefährdet erschien. Und wenn diese<lb/> Gegensätze auch immer mit Hilfe mühevoll redigierter Kompromisse und Vertrauens¬<lb/> kundgebungen überkleistert wurden, so bleibt doch die Tatsache, daß derartiges<lb/> Burcaugeschreibsel politische Wirklichkeiten nicht zu beeinflussen vermag. Seitdem es<lb/> deutlich wurde, daß die Partei der Parteieinheit zuliebe die äußerste Linke mit<lb/> ihrem Volschewistenprogramm nicht abschütteln wollte, rückte alles, was kleiner<lb/> Rentner, kleiner sparsamer Handwerker und dergleichen war, sorgfältig von ihnen<lb/> ab. die Austritte aus der Partei mehrten sich, Heros gründete seine National¬<lb/> sozialistenpartei und der Negierung gelang es, nachdem auch die Royalisten sich<lb/> zur Mitarbeit auf dem Boden der Tatsachen bereit erklärt hatten, den nationalen<lb/> Block mit der Parole: Wider den Bolschewismus zu bilden. Damit hatte Clemenceau<lb/> gewonnen Spiel. An einzelnen Ergebnissen mag, wie gesagt, das Wahlgesetz<lb/> schuld sein, aber im ganzen ergibt sich doch ein großer Ruck noch rechts, und der<lb/> ist bei der Stimmung in Frankreich auch nur zu begreiflich. Man hat eS noch<lb/> nicht vergessen, daß die Linke für den Verständigungssrieden gewesen ist und daß<lb/> es nur der Energie Clemenceaus zu danken gewesen ist, wenn dieser Verständigungs'<lb/> friede, dessen Ausfall man aus den von der französischen Regierung veröffentlichten,<lb/> in Belgien zurückgelassenen Geheimakten mit deutschen annexivuistischen Denk¬<lb/> schriften, sowie aus der Praxis von Brest-Litowsk erschließen zu können glaubt,<lb/> 1917 nicht zustande gekommen ist. Außerdem kann niemand behaupten, daß die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0286]
Wahlergebnisse
der bisher bekannt gewordenen Vorschläge ist nicht zu trauen. Es sei an die
Worte Trotzkis noch vor wenigen Wochen erinnert, als er zur Verteidigung Peters¬
burgs aufrief und eine Entscheidung im Weltkampfe des Bolschewismus auf der
Weite des gesamten Erdballes, in England, China, Peking ankündigte. Ganz
andere Gesichtspunkte vertreten die jüngsten Friedensbotschaften der Sowjet¬
regierung. Danach wird ein Weltfrieden angestrebt. In dem damit ausge¬
sprochenen Verzicht auf die Weltrevolution liegt das Bekenntnis des völligen
Fiaskos der bolschewistischen Idee und in den angedeuteten Kompromissen das
Eingeständnis des Bankerottes der bolschewistischen Wirtschaftspolitik. Ob die
wirtschaftliche Lage wirklich so bedrohlich ist, daß sie auch zu einer Lähmung der
militärischen Widerstandskraft führt, wird das nächste Feldzugsjahr lehren. Vor¬
läufig sind die Aussichten für eine Beendigung der Kämpfe in absehbarer Zeit
noch recht gering.
Wahlergebnisse
in Heft 45 der Grenzboten vorausgesagt wurde, ist eingetrofferu
die Wahlen haben den französischen Sozialisten eine katastrophale
MH H^^W Niederlage gebracht. Natürlich machen sie das neue Wahlgesetz
«Mi I^^X^« dafür verantwortlich. Nicht ganz mit Unrecht. Schon bei der Ab-
stimmung über die Wahlreform, die mit 334 gegen 121 Stimmen an-
1V> genommen winde, hatte der sozialistische Abgeordnete Moyüras er¬
klärt, daß sie für die Sozialisten verhängnisvoll werden würde, und als vollends
herauskam, dasz die Kosten für die Wahlen von den Parteien und nicht vom
Staate getragen werden sollten, war es klar, daß die Sozialisten, die in Frank¬
reich schlechte Beitragzahler sind, ins Hintertreffen geraten würden. Daß Mayeras
recht hatte, beweist u. a. der Umstand, daß die Sozialisten tatsächlich einen
Stimmenzuwachs von etwa einer halben Million Stimmen zu verzeichnen haben
und daß auf Grund des neuen Wahlgesetzes ein Kandidat mit 19 000 Stimmen
(Daudet) gegen einen andern mit 36 000 Stimmen (ThÄm) durchgekommen ist.
Aber die Sozialisten werden doch auch nicht leugnen können, daß zu einem großen
Teil sie selber Schuld an ihrer Niederlage sind. Zunächst, weil die Parteidisziplin
versagt hat. Zwar ist es auf den unterschiedlichen Kongressen gelungen, die Partei
zusammenzuhalten, aber die Abstimmungsergebnisse und noch mehr die Reden, die
dabei gehalten wurden, ergaben doch so tiefgehende Meinungsverschiedenheiten, daß
die innere Schlagkraft der Partei aufs höchste gefährdet erschien. Und wenn diese
Gegensätze auch immer mit Hilfe mühevoll redigierter Kompromisse und Vertrauens¬
kundgebungen überkleistert wurden, so bleibt doch die Tatsache, daß derartiges
Burcaugeschreibsel politische Wirklichkeiten nicht zu beeinflussen vermag. Seitdem es
deutlich wurde, daß die Partei der Parteieinheit zuliebe die äußerste Linke mit
ihrem Volschewistenprogramm nicht abschütteln wollte, rückte alles, was kleiner
Rentner, kleiner sparsamer Handwerker und dergleichen war, sorgfältig von ihnen
ab. die Austritte aus der Partei mehrten sich, Heros gründete seine National¬
sozialistenpartei und der Negierung gelang es, nachdem auch die Royalisten sich
zur Mitarbeit auf dem Boden der Tatsachen bereit erklärt hatten, den nationalen
Block mit der Parole: Wider den Bolschewismus zu bilden. Damit hatte Clemenceau
gewonnen Spiel. An einzelnen Ergebnissen mag, wie gesagt, das Wahlgesetz
schuld sein, aber im ganzen ergibt sich doch ein großer Ruck noch rechts, und der
ist bei der Stimmung in Frankreich auch nur zu begreiflich. Man hat eS noch
nicht vergessen, daß die Linke für den Verständigungssrieden gewesen ist und daß
es nur der Energie Clemenceaus zu danken gewesen ist, wenn dieser Verständigungs'
friede, dessen Ausfall man aus den von der französischen Regierung veröffentlichten,
in Belgien zurückgelassenen Geheimakten mit deutschen annexivuistischen Denk¬
schriften, sowie aus der Praxis von Brest-Litowsk erschließen zu können glaubt,
1917 nicht zustande gekommen ist. Außerdem kann niemand behaupten, daß die
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