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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Denikin in Südrußland

deutsche Zuckerindustrie angehende lSprache: Mit dem Verschwinden d-eS
größeren Besitzes wird gleichzeitig die exportfähige polnische Zuckerindustrie ver¬
nichtet und nicht einmal der polnische Jnlandsverbrauch wird .gedeckt werden
können.

Die Störung der Zuckerindustrie hatte die Ernährung der Bevölke¬
rung wesentlich verschlechtert und das Schleichhändlertum erzogen, das trotz aller
noch so scharfen Maßnahmen seitens der .Regierung seine widerwärtigen
Triumphe feiern konnte. Die Zerstörung dieser lebenswichtigen Fabri¬
kation wird dem Volke ein Nahrungsmittel entziehen, das es heute nicht mehr
entbehren kann.

Die unweigerliche Folge ist, wie in allen Ländern gleicher politischer und
wirtschaftlicher Verfassung, die Verweisung des eigenen Landes auf Einfuhr.
Ankauf ausländischen Zuckers jedoch bedeutet für Pollen unausweichlich einen
weiteren Abfall des Kurses der polnischen Mark, die heute schon den Tiefstand
der bankerotten Zentralstaaten unterbietet. Aus diesem Eisenring retten Polen
weder Goldauskäufe in Deutschland, noch Valutaspekulationen mit deutschen An¬
leihewerten. Wen Bolschewismus aus der einen, kopfloser Klassensozmlismus
auf der anderen Seite umbrandet, iber kann -- von seiner Insel aus -- das
feste Land des Nachbarn im Westen nur mehr bei .Kurswechsel erreichen.




Denikin in 5üdrußland
Major G. Frttntz von

^in nationalukrainisches Direktorium scheint nicht mehr zu bestehen.
! Denikins Freiwillige haben Mogiljew am Dnjestr und nördlich
davon Ushiza erreicht; Kamenjez-Podolsk ist von den Polen besetzt-
Die Trümmer der nationalukrainischen Truppen sollen sich nach
i Norden zu den Bolschewiken in der Gegend von Kasatin geschlagen
"haben; Petlura selbst ist angeblich in Lemberg. Damit würde
das gon^e Unternehmen Petluras zusammengebrochen sein. Die Nachricht, daß
etwa 20 000 Mann ostgalizischer Truppen, die den Kern von Petluras Heer
bildeten, zu Denikin übergetreten seien, wird von ukrainischer Seite bestritten.
Sie stellt den Vorgang nur als einen Verrat des Führers ohne Beteiligung der
Truppe hin. Unwahrscheinlich ist ein Parteiwechsel der ostgalizischen Truppen
nicht; nachdem Ostgalizien von Petlura als Preis für die Waffenruhe an Polen
überlassen ist. erhoffen sie wohl mit Recht von Denikin eine aussichtsreichere
Vertretung ihrer Interessen gegenüber Polen. Kiew ist fest in der Hand
Denikinscher Truppen, nachdem im November noch einmal bolschewistisch-ukrainische
Banden den Versuch gemacht hatten, die Stadt zu überrumpeln und zu plündern-
Der berüchtigte Bandenführer Machno in der Gegend nördlich von Odessa, der
auch unseren Besatzungstruppen im vorigen Jahre viel zu schaffen machte, soll
unschädlich gemacht sein. So scheint sich allmählich an der Westfront und im
besetzten Gebiete die Lage Denikins zu bessern. Die Wirkung auf die Ereignisse
an der Bolschewikenfront wird nicht ausbleiben. Vorläufig dauern dort die
langsamen Fortschritte der Bolschewiken noch an; Denikins Front ist in die Lirne
Buturlinowka--Lisski--südlich Se. Oskol--nördlich Obajan--nördlich Sudsha--
südlich Bachmatsch zurückgenommen.r

Über die Lage in Südrußland, die Organisation der Verwaltung und übe
Denikins außenpolitisches Programm hat der in Berlin erscheinende "Prisyv" von
berufener Seite Mitteilungen erhalten, denen ein Teil der nachfolgenden Angaben
entnommen ist.


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größeren Besitzes wird gleichzeitig die exportfähige polnische Zuckerindustrie ver¬
nichtet und nicht einmal der polnische Jnlandsverbrauch wird .gedeckt werden
können.

Die Störung der Zuckerindustrie hatte die Ernährung der Bevölke¬
rung wesentlich verschlechtert und das Schleichhändlertum erzogen, das trotz aller
noch so scharfen Maßnahmen seitens der .Regierung seine widerwärtigen
Triumphe feiern konnte. Die Zerstörung dieser lebenswichtigen Fabri¬
kation wird dem Volke ein Nahrungsmittel entziehen, das es heute nicht mehr
entbehren kann.

Die unweigerliche Folge ist, wie in allen Ländern gleicher politischer und
wirtschaftlicher Verfassung, die Verweisung des eigenen Landes auf Einfuhr.
Ankauf ausländischen Zuckers jedoch bedeutet für Pollen unausweichlich einen
weiteren Abfall des Kurses der polnischen Mark, die heute schon den Tiefstand
der bankerotten Zentralstaaten unterbietet. Aus diesem Eisenring retten Polen
weder Goldauskäufe in Deutschland, noch Valutaspekulationen mit deutschen An¬
leihewerten. Wen Bolschewismus aus der einen, kopfloser Klassensozmlismus
auf der anderen Seite umbrandet, iber kann — von seiner Insel aus — das
feste Land des Nachbarn im Westen nur mehr bei .Kurswechsel erreichen.




Denikin in 5üdrußland
Major G. Frttntz von

^in nationalukrainisches Direktorium scheint nicht mehr zu bestehen.
! Denikins Freiwillige haben Mogiljew am Dnjestr und nördlich
davon Ushiza erreicht; Kamenjez-Podolsk ist von den Polen besetzt-
Die Trümmer der nationalukrainischen Truppen sollen sich nach
i Norden zu den Bolschewiken in der Gegend von Kasatin geschlagen
„haben; Petlura selbst ist angeblich in Lemberg. Damit würde
das gon^e Unternehmen Petluras zusammengebrochen sein. Die Nachricht, daß
etwa 20 000 Mann ostgalizischer Truppen, die den Kern von Petluras Heer
bildeten, zu Denikin übergetreten seien, wird von ukrainischer Seite bestritten.
Sie stellt den Vorgang nur als einen Verrat des Führers ohne Beteiligung der
Truppe hin. Unwahrscheinlich ist ein Parteiwechsel der ostgalizischen Truppen
nicht; nachdem Ostgalizien von Petlura als Preis für die Waffenruhe an Polen
überlassen ist. erhoffen sie wohl mit Recht von Denikin eine aussichtsreichere
Vertretung ihrer Interessen gegenüber Polen. Kiew ist fest in der Hand
Denikinscher Truppen, nachdem im November noch einmal bolschewistisch-ukrainische
Banden den Versuch gemacht hatten, die Stadt zu überrumpeln und zu plündern-
Der berüchtigte Bandenführer Machno in der Gegend nördlich von Odessa, der
auch unseren Besatzungstruppen im vorigen Jahre viel zu schaffen machte, soll
unschädlich gemacht sein. So scheint sich allmählich an der Westfront und im
besetzten Gebiete die Lage Denikins zu bessern. Die Wirkung auf die Ereignisse
an der Bolschewikenfront wird nicht ausbleiben. Vorläufig dauern dort die
langsamen Fortschritte der Bolschewiken noch an; Denikins Front ist in die Lirne
Buturlinowka—Lisski—südlich Se. Oskol—nördlich Obajan—nördlich Sudsha—
südlich Bachmatsch zurückgenommen.r

Über die Lage in Südrußland, die Organisation der Verwaltung und übe
Denikins außenpolitisches Programm hat der in Berlin erscheinende „Prisyv" von
berufener Seite Mitteilungen erhalten, denen ein Teil der nachfolgenden Angaben
entnommen ist.


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[0282] Denikin in Südrußland deutsche Zuckerindustrie angehende lSprache: Mit dem Verschwinden d-eS größeren Besitzes wird gleichzeitig die exportfähige polnische Zuckerindustrie ver¬ nichtet und nicht einmal der polnische Jnlandsverbrauch wird .gedeckt werden können. Die Störung der Zuckerindustrie hatte die Ernährung der Bevölke¬ rung wesentlich verschlechtert und das Schleichhändlertum erzogen, das trotz aller noch so scharfen Maßnahmen seitens der .Regierung seine widerwärtigen Triumphe feiern konnte. Die Zerstörung dieser lebenswichtigen Fabri¬ kation wird dem Volke ein Nahrungsmittel entziehen, das es heute nicht mehr entbehren kann. Die unweigerliche Folge ist, wie in allen Ländern gleicher politischer und wirtschaftlicher Verfassung, die Verweisung des eigenen Landes auf Einfuhr. Ankauf ausländischen Zuckers jedoch bedeutet für Pollen unausweichlich einen weiteren Abfall des Kurses der polnischen Mark, die heute schon den Tiefstand der bankerotten Zentralstaaten unterbietet. Aus diesem Eisenring retten Polen weder Goldauskäufe in Deutschland, noch Valutaspekulationen mit deutschen An¬ leihewerten. Wen Bolschewismus aus der einen, kopfloser Klassensozmlismus auf der anderen Seite umbrandet, iber kann — von seiner Insel aus — das feste Land des Nachbarn im Westen nur mehr bei .Kurswechsel erreichen. Denikin in 5üdrußland Major G. Frttntz von ^in nationalukrainisches Direktorium scheint nicht mehr zu bestehen. ! Denikins Freiwillige haben Mogiljew am Dnjestr und nördlich davon Ushiza erreicht; Kamenjez-Podolsk ist von den Polen besetzt- Die Trümmer der nationalukrainischen Truppen sollen sich nach i Norden zu den Bolschewiken in der Gegend von Kasatin geschlagen „haben; Petlura selbst ist angeblich in Lemberg. Damit würde das gon^e Unternehmen Petluras zusammengebrochen sein. Die Nachricht, daß etwa 20 000 Mann ostgalizischer Truppen, die den Kern von Petluras Heer bildeten, zu Denikin übergetreten seien, wird von ukrainischer Seite bestritten. Sie stellt den Vorgang nur als einen Verrat des Führers ohne Beteiligung der Truppe hin. Unwahrscheinlich ist ein Parteiwechsel der ostgalizischen Truppen nicht; nachdem Ostgalizien von Petlura als Preis für die Waffenruhe an Polen überlassen ist. erhoffen sie wohl mit Recht von Denikin eine aussichtsreichere Vertretung ihrer Interessen gegenüber Polen. Kiew ist fest in der Hand Denikinscher Truppen, nachdem im November noch einmal bolschewistisch-ukrainische Banden den Versuch gemacht hatten, die Stadt zu überrumpeln und zu plündern- Der berüchtigte Bandenführer Machno in der Gegend nördlich von Odessa, der auch unseren Besatzungstruppen im vorigen Jahre viel zu schaffen machte, soll unschädlich gemacht sein. So scheint sich allmählich an der Westfront und im besetzten Gebiete die Lage Denikins zu bessern. Die Wirkung auf die Ereignisse an der Bolschewikenfront wird nicht ausbleiben. Vorläufig dauern dort die langsamen Fortschritte der Bolschewiken noch an; Denikins Front ist in die Lirne Buturlinowka—Lisski—südlich Se. Oskol—nördlich Obajan—nördlich Sudsha— südlich Bachmatsch zurückgenommen.r Über die Lage in Südrußland, die Organisation der Verwaltung und übe Denikins außenpolitisches Programm hat der in Berlin erscheinende „Prisyv" von berufener Seite Mitteilungen erhalten, denen ein Teil der nachfolgenden Angaben entnommen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/282>, abgerufen am 15.01.2025.