Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Neupolens wirtschaftliche Kräfte Wongrowitz, doch können diese als Hilfsquellen des staatlichen Steuerbedarfs kaum Umfangreich war entsprechend dem vorhandenen Waldreichtum der Holz¬ Eine im Jahre 1911 in Posen veranstaltete große Ausstellung für Industrie, Es erscheint angebracht, in dem vorliegenden Zusammenhang einen Blick Neupolens wirtschaftliche Kräfte Wongrowitz, doch können diese als Hilfsquellen des staatlichen Steuerbedarfs kaum Umfangreich war entsprechend dem vorhandenen Waldreichtum der Holz¬ Eine im Jahre 1911 in Posen veranstaltete große Ausstellung für Industrie, Es erscheint angebracht, in dem vorliegenden Zusammenhang einen Blick <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336556"/> <fw type="header" place="top"> Neupolens wirtschaftliche Kräfte</fw><lb/> <p xml:id="ID_978" prev="#ID_977"> Wongrowitz, doch können diese als Hilfsquellen des staatlichen Steuerbedarfs kaum<lb/> eine Bedeutung in Anspruch nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_979"> Umfangreich war entsprechend dem vorhandenen Waldreichtum der Holz¬<lb/> handel und die Industrie der Holzstosse. Die Erzeugnisse der Forstwirtschaft<lb/> fanden Absatz nach Berlin und bis nach Hannover, Holstein und Hamburg, die<lb/> in Posen betriebene Möbelfabrikation spielte für das Wirlschafisleben eine keines¬<lb/> wegs unbedeutende Rolle und fand ihre Abnehmer weit hinein in die übrigen<lb/> Teile Deutschlands. Noch wären die Betriebe der chemischen Industrie zu er¬<lb/> wähnen, die namentlich der Herstellung künstlichen Düngers gewidmet sind, und<lb/> ebenfalls ihre Abnehmer außerhalb der provinziellen Grenzen gefunden hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_980"> Eine im Jahre 1911 in Posen veranstaltete große Ausstellung für Industrie,<lb/> Gewerbe und Landwirtschaft, an der die sämtlichen östlichen Provinzen sich be¬<lb/> teiligt hatten, gab Gelegenheit zu einer bedeutsamen Heerschau über die vorhandenen<lb/> Industrie- und Handelsbetriebe, mit der der Nachweis erbracht wurde, daß das<lb/> Wirtschaftsleben dieser Gebiete in hoher Blüte stand und den Wettbewerb mit den<lb/> reicher entwickelten Bezirken unseres Vaterlandes unbedenklich aufnehmen konnte.<lb/> Der mehr als hundert Seiten umfassende Katalog der Aussteller wies 1103<lb/> Nummern aus; sie veranschaulichten, abgesehen von den vorgeführten landwirt¬<lb/> schaftlichen Erzeugnissen, die Arbeit von 350 000 Gewerbebetrieben, in denen mehr<lb/> als 1,5 Millionen Menschen ihren Broterwerb fanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_981" next="#ID_982"> Es erscheint angebracht, in dem vorliegenden Zusammenhang einen Blick<lb/> auf die Entwicklung der Provinzialhauptstadt in den letzten Jahrzehnten zu werfen.<lb/> Diese bot, wie in den einleitenden Worten angedeutet, vor fünfzig Jahren in der<lb/> zumeist von der deutschen Bevölkerung bewohnten Oberstadt das Bild einer wohl<lb/> ausgebauten freundlichen und verhältnismäßig sauber.en Mittelstadt. Die im<lb/> Warthetal liegende winklige Altstadt war in der Hauptsache der Sitz der jüdischen<lb/> Krämerschaft, während die jenseits der Warthe belegenen Vorstädte kaum auf den<lb/> Namen einer städtischen Anstellung Anspruch erheben konnten. Gleiches gilt von<lb/> dem um die Se. Martinstraße belegenen Stadtteil, wo jämmerliche Kabachen noch<lb/> über das Jahr 1870 hinaus einen wesentlichen Bestandteil der Bebauung aus¬<lb/> machten, wenn auch Posen mit 48 000 Einwohnern im Jahre 1861 und mit<lb/> 54 000 im Jahre 1870 immerhin schon eine größere Stadt genannt werden<lb/> konnte. Indem Kaiser Wilhelm am 3. September 1902 die Niederlegung der<lb/> westlichen Stadtumwallung verfügte, fiel mit dem Rayon zugleich eine Beschränkung,<lb/> die der Entwicklung der Stadt im Verlauf der Jahre nahezu unerträgliche Hinder¬<lb/> nisse in den Weg gelegt hatte. Jetzt entstanden, indem es an verfügbaren Kapital<lb/> nicht fehlte, in überraschend kurzer Zeit geräumige Wohnviertel auf dem flachen<lb/> Vorgelände in der Richtung nach Gurtschin, Se. Lazarus und Jersitz. Die bis<lb/> dahin versumpfte Niederung des Wiersebaches bei Solacz bot Raum für eine<lb/> schmucke Villenniederlassung. Vor dem einstigen Berliner Tor aber wuchs, wie<lb/> eingangs erwähnt, durch Vereinigung des Schlosses, des neuen Theaters, der<lb/> Akademie und der Monumentalbauten der Landschaft und der Oberpostdirektion<lb/> ein Städtebild aus dem Boden, das der durch kaiserlichen Befehl geschaffenen<lb/> Residenz in jeder Beziehung würdig war. Die Verbesserungen griffen auch auf<lb/> die übrigen Stadtteile über; der zierliche Bau des alten Rathauses erfuhr eine<lb/> kunstverständige Erneuerung; der verbesserten Verbindung mit den bis dahin ver¬<lb/> nachlässigten Vierteln östlich der Warthe diente eine neue Strombrücke stromauf¬<lb/> wärts an der Stelle, wo eine solche einst „im Schwedenkriege" zerstört worden<lb/> war. Dem gesteigerten Verkehr war eine großzügige Umschlagsanlage zwischen<lb/> Schiff und Eisenbahn gewidmet. Umfangreiche Hafenanlagen in Verbindung mit<lb/> einer Verlegung des Strombettes der Warthe befanden sich in Vorbereitung. und<lb/> alle Anforderungen an ein modernes großstadtisches Gemeinwesen waren in Wasser¬<lb/> versorgung 'und Beleuchtung, Kanalisation, Schlachlhauseinrichtungen, Kranken¬<lb/> häusern und ausgedehnten Parkanlagen und Promenaden in mustergültiger Weise<lb/> vorhanden. Der städtische Haushalt war auf ein Gelderfordernis von jährlich<lb/> 15 Millionen Mark angewachsen. Wer freilich annehmen wollte, daß diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
Neupolens wirtschaftliche Kräfte
Wongrowitz, doch können diese als Hilfsquellen des staatlichen Steuerbedarfs kaum
eine Bedeutung in Anspruch nehmen.
Umfangreich war entsprechend dem vorhandenen Waldreichtum der Holz¬
handel und die Industrie der Holzstosse. Die Erzeugnisse der Forstwirtschaft
fanden Absatz nach Berlin und bis nach Hannover, Holstein und Hamburg, die
in Posen betriebene Möbelfabrikation spielte für das Wirlschafisleben eine keines¬
wegs unbedeutende Rolle und fand ihre Abnehmer weit hinein in die übrigen
Teile Deutschlands. Noch wären die Betriebe der chemischen Industrie zu er¬
wähnen, die namentlich der Herstellung künstlichen Düngers gewidmet sind, und
ebenfalls ihre Abnehmer außerhalb der provinziellen Grenzen gefunden hatten.
Eine im Jahre 1911 in Posen veranstaltete große Ausstellung für Industrie,
Gewerbe und Landwirtschaft, an der die sämtlichen östlichen Provinzen sich be¬
teiligt hatten, gab Gelegenheit zu einer bedeutsamen Heerschau über die vorhandenen
Industrie- und Handelsbetriebe, mit der der Nachweis erbracht wurde, daß das
Wirtschaftsleben dieser Gebiete in hoher Blüte stand und den Wettbewerb mit den
reicher entwickelten Bezirken unseres Vaterlandes unbedenklich aufnehmen konnte.
Der mehr als hundert Seiten umfassende Katalog der Aussteller wies 1103
Nummern aus; sie veranschaulichten, abgesehen von den vorgeführten landwirt¬
schaftlichen Erzeugnissen, die Arbeit von 350 000 Gewerbebetrieben, in denen mehr
als 1,5 Millionen Menschen ihren Broterwerb fanden.
Es erscheint angebracht, in dem vorliegenden Zusammenhang einen Blick
auf die Entwicklung der Provinzialhauptstadt in den letzten Jahrzehnten zu werfen.
Diese bot, wie in den einleitenden Worten angedeutet, vor fünfzig Jahren in der
zumeist von der deutschen Bevölkerung bewohnten Oberstadt das Bild einer wohl
ausgebauten freundlichen und verhältnismäßig sauber.en Mittelstadt. Die im
Warthetal liegende winklige Altstadt war in der Hauptsache der Sitz der jüdischen
Krämerschaft, während die jenseits der Warthe belegenen Vorstädte kaum auf den
Namen einer städtischen Anstellung Anspruch erheben konnten. Gleiches gilt von
dem um die Se. Martinstraße belegenen Stadtteil, wo jämmerliche Kabachen noch
über das Jahr 1870 hinaus einen wesentlichen Bestandteil der Bebauung aus¬
machten, wenn auch Posen mit 48 000 Einwohnern im Jahre 1861 und mit
54 000 im Jahre 1870 immerhin schon eine größere Stadt genannt werden
konnte. Indem Kaiser Wilhelm am 3. September 1902 die Niederlegung der
westlichen Stadtumwallung verfügte, fiel mit dem Rayon zugleich eine Beschränkung,
die der Entwicklung der Stadt im Verlauf der Jahre nahezu unerträgliche Hinder¬
nisse in den Weg gelegt hatte. Jetzt entstanden, indem es an verfügbaren Kapital
nicht fehlte, in überraschend kurzer Zeit geräumige Wohnviertel auf dem flachen
Vorgelände in der Richtung nach Gurtschin, Se. Lazarus und Jersitz. Die bis
dahin versumpfte Niederung des Wiersebaches bei Solacz bot Raum für eine
schmucke Villenniederlassung. Vor dem einstigen Berliner Tor aber wuchs, wie
eingangs erwähnt, durch Vereinigung des Schlosses, des neuen Theaters, der
Akademie und der Monumentalbauten der Landschaft und der Oberpostdirektion
ein Städtebild aus dem Boden, das der durch kaiserlichen Befehl geschaffenen
Residenz in jeder Beziehung würdig war. Die Verbesserungen griffen auch auf
die übrigen Stadtteile über; der zierliche Bau des alten Rathauses erfuhr eine
kunstverständige Erneuerung; der verbesserten Verbindung mit den bis dahin ver¬
nachlässigten Vierteln östlich der Warthe diente eine neue Strombrücke stromauf¬
wärts an der Stelle, wo eine solche einst „im Schwedenkriege" zerstört worden
war. Dem gesteigerten Verkehr war eine großzügige Umschlagsanlage zwischen
Schiff und Eisenbahn gewidmet. Umfangreiche Hafenanlagen in Verbindung mit
einer Verlegung des Strombettes der Warthe befanden sich in Vorbereitung. und
alle Anforderungen an ein modernes großstadtisches Gemeinwesen waren in Wasser¬
versorgung 'und Beleuchtung, Kanalisation, Schlachlhauseinrichtungen, Kranken¬
häusern und ausgedehnten Parkanlagen und Promenaden in mustergültiger Weise
vorhanden. Der städtische Haushalt war auf ein Gelderfordernis von jährlich
15 Millionen Mark angewachsen. Wer freilich annehmen wollte, daß diese
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