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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Neupolens wirtschaftliche Kräfte

größten Teil von Westpreußen, und, wie zu befürchten, aus den für uns wich¬
tigsten Teilen von Oberschlesien. Wir setzen den ungünstigsten Fall, daß die be¬
vorstehende Volksabstimmung ein polnisches Übergewicht erbringt, und wollen die
Gesamtheit der Hilfsmittel der für die Abtretung in Frage kommenden Gebiete
zugunsten des neuen Polenreiches in Rechnung stellen, was um so mehr zulässig
erscheint, als für eine Zergliederung der Zahlen keine brauchbaren Anhaltspunkte
zur Verfügung stehen.

Ziehen wir zunächst die Provinz Posen in Betracht, so handelt es sich um
die Abtretung von rund 29 000 Quadratkilometern mit etwa 1,9 Millionen Ein¬
wohnern. An großen Städten verlieren wir Posen mit zurzeit etwa 160 000,
Bromberg mit 58 000, Gnesen mit 50 000 Einwohnern und Hohensalza mit etwa
der gleichen Einwohnerziffer. Die übrigen zahlreichen Städte und Städtchen ver¬
dienen nicht eine Hervorhebung, denn noch heut wohnt die überwiegende Zahl
der in der Provinz Ansässigen in ländlichen Gemeinden, die, fast 5000 an der
Zahl, mehr als 73 Prozent der sämtlichen Bewohner der Provinz aufnehmen.
Von der Bevölkerung gehören 1,4 Millionen der römisch-katholischen Religion an,
die man fast durchweg dem Polentum wird zurechnen müssen. Damit wird zu¬
gleich die Bewohnerschaft des platten Landes gekennzeichnet, die, abgesehen von
den durch das Ansiedlungswerk in das Land gekommenen Deutschen,' fast durch¬
weg das Polnische als ihre Muttersprache redet. Das Deutschtum, das im
Regierungsbezirk Bromberg überwiegt, ist zumeist in den Städten vereinigt, auf
dem platten Lande findet es sich, abgesehen von den Ansiedlungsdörfern und
einigen wenigen versprengten evangelischen Bauern hauptsächlich unter den Guts¬
besitzern, in kleineren Städten unter den Beamten, Kaufleuten und Handwerkern,
überall also in der Minderzahl zwischen einer überwiegend polnischen Umgebung.
Das evangelische Religionsbekenntnis wird zumeist eine ausreichende Deckung für
die Erhaltung des Deutschtums bilden; die Juden, die trotz ihrer geringen Zahl
einen überwiegenden Einfluß auf das Wirtschaftsleben der Provinz ausüben,
mögen zwar in ihren begüterten Schichten an ihrem von den Vätern über¬
kommenen Deutschtum festhalten, die ärmeren Juden in den kleinen Städten da¬
gegen haben dieselben internationalen Eigenschaften, wie ihre Glaubensgenossen
in Russisch-Polen, und werden, wenn sie sich auch neutral verhalten, als Stützen
deutschen Wesens nicht angesehen werden dürfen. Wer das Posener Land wirklich
kannte, dem war es trotz aller Erfolge der'Ansiedlung vollkommen klar, daß es,
abgesehen von den westlichen und nördlichen Bezirken, also der Bromberger und
Schweriner Gegend, als deutsches Land nicht angesehen werden konnte; die Er¬
folge der Ausbreitung des Deutschtums unter den Polen waren durchaus ver¬
schwindend, denn in seiner Religiosität wie in seinem Nationalbewußtsein war der
Pole dem Deutschen allezeit überlegen, und es wäre besser gewesen, wenn die
Deutschen in dieser Beziehung von ihrem polnischen Nachbarn hätten lernen
wollen.

Wie aus der Verteilung der Bevölkerung sich ergibt, war die Betätigung
der Einwohner der uns jetzt verlorenen Provinz überwiegend der Landwirtschaft
zugewandt, und in der Ernährung der uns verbliebenen Bevölkerung werden wir
die hieraus sich ergebende Einbuße in nicht geringem Maße empfinden müssen-
Von den landwirtschaftlich genutzten 21 000 Quadratkilometern entfielen 13 500
rund auf Acker- und Gartenland, daneben wurden rund 5800 Quadratkilometer
als Forstflächen benutzt. Der Rest setzte sich zusammen aus Wohnplätzen, Wegen
und Urlaub. Von den Ackerflächen nahmen der Getreidebau 67 Prozent, tue
Hackfrüchte rund 23 Prozent, Wiesen- und Futterpflanzen rund 9 Prozent für
sich in Anspruch. Die Bewirtschaftung des vielfach sehr armen Bodens dllrfte überall
eine intensive genannt werden, nachdem die reichlich angewandte Drainage auch
die ungünstigeren Lagen ertragfähig gemacht hatte. Lebte noch vor etwa fünsM
Jahren der polnische Bauer in armseliger Verkommenheit, aus der ihn der welt¬
verbreitete süss nicht herauskommen ließ, so ist dies in den letzten Jahrzehnte"
anders geworden. Dem Einfluß der Geistlichkeit ist es hoch anzurechnen, daß ste


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größten Teil von Westpreußen, und, wie zu befürchten, aus den für uns wich¬
tigsten Teilen von Oberschlesien. Wir setzen den ungünstigsten Fall, daß die be¬
vorstehende Volksabstimmung ein polnisches Übergewicht erbringt, und wollen die
Gesamtheit der Hilfsmittel der für die Abtretung in Frage kommenden Gebiete
zugunsten des neuen Polenreiches in Rechnung stellen, was um so mehr zulässig
erscheint, als für eine Zergliederung der Zahlen keine brauchbaren Anhaltspunkte
zur Verfügung stehen.

Ziehen wir zunächst die Provinz Posen in Betracht, so handelt es sich um
die Abtretung von rund 29 000 Quadratkilometern mit etwa 1,9 Millionen Ein¬
wohnern. An großen Städten verlieren wir Posen mit zurzeit etwa 160 000,
Bromberg mit 58 000, Gnesen mit 50 000 Einwohnern und Hohensalza mit etwa
der gleichen Einwohnerziffer. Die übrigen zahlreichen Städte und Städtchen ver¬
dienen nicht eine Hervorhebung, denn noch heut wohnt die überwiegende Zahl
der in der Provinz Ansässigen in ländlichen Gemeinden, die, fast 5000 an der
Zahl, mehr als 73 Prozent der sämtlichen Bewohner der Provinz aufnehmen.
Von der Bevölkerung gehören 1,4 Millionen der römisch-katholischen Religion an,
die man fast durchweg dem Polentum wird zurechnen müssen. Damit wird zu¬
gleich die Bewohnerschaft des platten Landes gekennzeichnet, die, abgesehen von
den durch das Ansiedlungswerk in das Land gekommenen Deutschen,' fast durch¬
weg das Polnische als ihre Muttersprache redet. Das Deutschtum, das im
Regierungsbezirk Bromberg überwiegt, ist zumeist in den Städten vereinigt, auf
dem platten Lande findet es sich, abgesehen von den Ansiedlungsdörfern und
einigen wenigen versprengten evangelischen Bauern hauptsächlich unter den Guts¬
besitzern, in kleineren Städten unter den Beamten, Kaufleuten und Handwerkern,
überall also in der Minderzahl zwischen einer überwiegend polnischen Umgebung.
Das evangelische Religionsbekenntnis wird zumeist eine ausreichende Deckung für
die Erhaltung des Deutschtums bilden; die Juden, die trotz ihrer geringen Zahl
einen überwiegenden Einfluß auf das Wirtschaftsleben der Provinz ausüben,
mögen zwar in ihren begüterten Schichten an ihrem von den Vätern über¬
kommenen Deutschtum festhalten, die ärmeren Juden in den kleinen Städten da¬
gegen haben dieselben internationalen Eigenschaften, wie ihre Glaubensgenossen
in Russisch-Polen, und werden, wenn sie sich auch neutral verhalten, als Stützen
deutschen Wesens nicht angesehen werden dürfen. Wer das Posener Land wirklich
kannte, dem war es trotz aller Erfolge der'Ansiedlung vollkommen klar, daß es,
abgesehen von den westlichen und nördlichen Bezirken, also der Bromberger und
Schweriner Gegend, als deutsches Land nicht angesehen werden konnte; die Er¬
folge der Ausbreitung des Deutschtums unter den Polen waren durchaus ver¬
schwindend, denn in seiner Religiosität wie in seinem Nationalbewußtsein war der
Pole dem Deutschen allezeit überlegen, und es wäre besser gewesen, wenn die
Deutschen in dieser Beziehung von ihrem polnischen Nachbarn hätten lernen
wollen.

Wie aus der Verteilung der Bevölkerung sich ergibt, war die Betätigung
der Einwohner der uns jetzt verlorenen Provinz überwiegend der Landwirtschaft
zugewandt, und in der Ernährung der uns verbliebenen Bevölkerung werden wir
die hieraus sich ergebende Einbuße in nicht geringem Maße empfinden müssen-
Von den landwirtschaftlich genutzten 21 000 Quadratkilometern entfielen 13 500
rund auf Acker- und Gartenland, daneben wurden rund 5800 Quadratkilometer
als Forstflächen benutzt. Der Rest setzte sich zusammen aus Wohnplätzen, Wegen
und Urlaub. Von den Ackerflächen nahmen der Getreidebau 67 Prozent, tue
Hackfrüchte rund 23 Prozent, Wiesen- und Futterpflanzen rund 9 Prozent für
sich in Anspruch. Die Bewirtschaftung des vielfach sehr armen Bodens dllrfte überall
eine intensive genannt werden, nachdem die reichlich angewandte Drainage auch
die ungünstigeren Lagen ertragfähig gemacht hatte. Lebte noch vor etwa fünsM
Jahren der polnische Bauer in armseliger Verkommenheit, aus der ihn der welt¬
verbreitete süss nicht herauskommen ließ, so ist dies in den letzten Jahrzehnte"
anders geworden. Dem Einfluß der Geistlichkeit ist es hoch anzurechnen, daß ste


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[0264] Neupolens wirtschaftliche Kräfte größten Teil von Westpreußen, und, wie zu befürchten, aus den für uns wich¬ tigsten Teilen von Oberschlesien. Wir setzen den ungünstigsten Fall, daß die be¬ vorstehende Volksabstimmung ein polnisches Übergewicht erbringt, und wollen die Gesamtheit der Hilfsmittel der für die Abtretung in Frage kommenden Gebiete zugunsten des neuen Polenreiches in Rechnung stellen, was um so mehr zulässig erscheint, als für eine Zergliederung der Zahlen keine brauchbaren Anhaltspunkte zur Verfügung stehen. Ziehen wir zunächst die Provinz Posen in Betracht, so handelt es sich um die Abtretung von rund 29 000 Quadratkilometern mit etwa 1,9 Millionen Ein¬ wohnern. An großen Städten verlieren wir Posen mit zurzeit etwa 160 000, Bromberg mit 58 000, Gnesen mit 50 000 Einwohnern und Hohensalza mit etwa der gleichen Einwohnerziffer. Die übrigen zahlreichen Städte und Städtchen ver¬ dienen nicht eine Hervorhebung, denn noch heut wohnt die überwiegende Zahl der in der Provinz Ansässigen in ländlichen Gemeinden, die, fast 5000 an der Zahl, mehr als 73 Prozent der sämtlichen Bewohner der Provinz aufnehmen. Von der Bevölkerung gehören 1,4 Millionen der römisch-katholischen Religion an, die man fast durchweg dem Polentum wird zurechnen müssen. Damit wird zu¬ gleich die Bewohnerschaft des platten Landes gekennzeichnet, die, abgesehen von den durch das Ansiedlungswerk in das Land gekommenen Deutschen,' fast durch¬ weg das Polnische als ihre Muttersprache redet. Das Deutschtum, das im Regierungsbezirk Bromberg überwiegt, ist zumeist in den Städten vereinigt, auf dem platten Lande findet es sich, abgesehen von den Ansiedlungsdörfern und einigen wenigen versprengten evangelischen Bauern hauptsächlich unter den Guts¬ besitzern, in kleineren Städten unter den Beamten, Kaufleuten und Handwerkern, überall also in der Minderzahl zwischen einer überwiegend polnischen Umgebung. Das evangelische Religionsbekenntnis wird zumeist eine ausreichende Deckung für die Erhaltung des Deutschtums bilden; die Juden, die trotz ihrer geringen Zahl einen überwiegenden Einfluß auf das Wirtschaftsleben der Provinz ausüben, mögen zwar in ihren begüterten Schichten an ihrem von den Vätern über¬ kommenen Deutschtum festhalten, die ärmeren Juden in den kleinen Städten da¬ gegen haben dieselben internationalen Eigenschaften, wie ihre Glaubensgenossen in Russisch-Polen, und werden, wenn sie sich auch neutral verhalten, als Stützen deutschen Wesens nicht angesehen werden dürfen. Wer das Posener Land wirklich kannte, dem war es trotz aller Erfolge der'Ansiedlung vollkommen klar, daß es, abgesehen von den westlichen und nördlichen Bezirken, also der Bromberger und Schweriner Gegend, als deutsches Land nicht angesehen werden konnte; die Er¬ folge der Ausbreitung des Deutschtums unter den Polen waren durchaus ver¬ schwindend, denn in seiner Religiosität wie in seinem Nationalbewußtsein war der Pole dem Deutschen allezeit überlegen, und es wäre besser gewesen, wenn die Deutschen in dieser Beziehung von ihrem polnischen Nachbarn hätten lernen wollen. Wie aus der Verteilung der Bevölkerung sich ergibt, war die Betätigung der Einwohner der uns jetzt verlorenen Provinz überwiegend der Landwirtschaft zugewandt, und in der Ernährung der uns verbliebenen Bevölkerung werden wir die hieraus sich ergebende Einbuße in nicht geringem Maße empfinden müssen- Von den landwirtschaftlich genutzten 21 000 Quadratkilometern entfielen 13 500 rund auf Acker- und Gartenland, daneben wurden rund 5800 Quadratkilometer als Forstflächen benutzt. Der Rest setzte sich zusammen aus Wohnplätzen, Wegen und Urlaub. Von den Ackerflächen nahmen der Getreidebau 67 Prozent, tue Hackfrüchte rund 23 Prozent, Wiesen- und Futterpflanzen rund 9 Prozent für sich in Anspruch. Die Bewirtschaftung des vielfach sehr armen Bodens dllrfte überall eine intensive genannt werden, nachdem die reichlich angewandte Drainage auch die ungünstigeren Lagen ertragfähig gemacht hatte. Lebte noch vor etwa fünsM Jahren der polnische Bauer in armseliger Verkommenheit, aus der ihn der welt¬ verbreitete süss nicht herauskommen ließ, so ist dies in den letzten Jahrzehnte" anders geworden. Dem Einfluß der Geistlichkeit ist es hoch anzurechnen, daß ste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/264>, abgerufen am 15.01.2025.