Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Das Problem Dberschlesien jenem. Es soll und kann nicht behauptet werden, daß die in Oberschlesien auf¬ Dieses "Wenn nötig ist freilich der Punkt, an den sich noch unsere Es ist gewiß traurig, daß wir nur auf diesem Wege, England ein guter Das Problem Dberschlesien jenem. Es soll und kann nicht behauptet werden, daß die in Oberschlesien auf¬ Dieses „Wenn nötig ist freilich der Punkt, an den sich noch unsere Es ist gewiß traurig, daß wir nur auf diesem Wege, England ein guter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336534"/> <fw type="header" place="top"> Das Problem Dberschlesien</fw><lb/> <p xml:id="ID_911" prev="#ID_910"> jenem. Es soll und kann nicht behauptet werden, daß die in Oberschlesien auf¬<lb/> getretene Selbständigkeitsbestrebung auf den Einfluß der Alliierten zurückzuführen<lb/> ist. Daß sie, wenn nötig, dieser Bewegung sich bemächtigen werden, wird sich<lb/> kein Einsichtiger verhehlen. Die, wenn auch dementierte Nachricht von der ge¬<lb/> planten Bildung eines selbständigen, aus dem oberschlesischen, polnischen und<lb/> teschener Kohlenbezirk sich zusammensetzenden Staates läßt keinen Zweifel an der<lb/> drohenden Möglichkeit derartiger Bestrebungen.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_912"> Dieses „Wenn nötig ist freilich der Punkt, an den sich noch unsere<lb/> Hoffnung klammern darf. Noch sind wir in der Lage, das Furchtbare zu ver¬<lb/> hindern. Wie dies geschehen kann, ist bereits angedeutet und soll hier nicht im<lb/> einzelnen ausgeführt werden. Eines sei nur noch hervorgehoben. Der Ge¬<lb/> danke liegt nahe, daß Frankreich in seinem blinden Haß lieber unsägliches<lb/> Unheil über die Welt, ja über sich selbst kommen lassen, als daß es sich entschließen<lb/> wird, Polen zugunsten von Deutschland zu benachteiligen. In der Tat müßte<lb/> dieser Gesichtspunkt die Lage für uns hoffnungslos gestalten, wenn hier nicht das<lb/> Interesse Englands einsetzen würde. Und zwar nicht nur auf Grund jener all¬<lb/> gemeinen, im Vorstehenden kurz skizzierten Erwägungen, deren heute wohl nur<lb/> das kühlere Amerika und das durch Arbeiternot und Kohlennot besonders bedrohte<lb/> Italien soweit fähig ist, daß dadurch die letzte Entscheidung beeinflußt werden<lb/> kann. Sondern das ureigenste Macht- und Wirtschaftsinteresse Englands erfordert<lb/> die hier entwickelte Lösung des Problems und sobald diese Faktoren mitsprechen,<lb/> kennt England, schaudernd haben wir es erlebt, nicht Mitgefühl, nicht Nach¬<lb/> giebigkeit, ja selbst nicht Zweckmäßigkeit. Das Sprunghafte Steigen der ober¬<lb/> schlesischen Börsenwerte hat allenthalben die Annahme gerechtfertigt, daß das<lb/> Ausland, verlockt durch die ungeheure Valutadifferenz, diese Steigerung durch<lb/> Massenankäufe veranlaßt hat. Welche Staaten hier besonders mitgewirkt haben,<lb/> kann urkundlich nur von sehr wenigen Eingeweihten festgestellt werden. Aber<lb/> die Geschichte der letzten fünfzig Jahre zeigt uns, deutlicher als alle Urkunden,<lb/> wer hier vor allem die Hand im Spiele hat. Im Jahre 1875 kaufte England<lb/> von dem in den schwersten Geldnöten befindlichen Khediven von Ägypten Ismail<lb/> Pascha, dessen etwa 176000 Suezkanalaktien für vier Millionen Pfund Sterling,<lb/> entriß damit den maßgebenden Einfluß über dieses Unternehmen Frankreich, das<lb/> es geschaffen hatte, und schuf sich eine der Grundlagen seiner Weltherrschaft. Die<lb/> Zeiten sind andere geworden. Jetzt handelt es sich nicht mehr um die Beherrschung<lb/> der wichtigsten Zufahrtstraßen, sondern um die Herrschaft über die wichtigsten<lb/> Naturkräfte. Hier ist England in einer ungleich schwierigeren Lage. Über das Ol<lb/> schaltet Amerika, das schon gierig nach den Ölquellen Mexikos seine Arme aus¬<lb/> streckt. So muß sich England nach andern Kräften umsehen, liber die nor¬<lb/> wegischen Wasserkräfte hat es sich schon seit langem einen maßgebenden Einfluß<lb/> gesichert. Und nun bietet sich ihm Gelegenheit, sich im reichsten Kohlengebiet<lb/> Europas einzunisten und dadurch einen weiteren Schritt dem Ziele entgegen zu<lb/> eilen, das es nunmehr erstrebt, die Beherrschung der kontinentalen Wirtschaft-<lb/> Wer kaun da noch zweifeln, daß England es ist, das jene Werte in ungeheuren<lb/> Mengen und für ein Butterbrot aufkauft?</p><lb/> <p xml:id="ID_913"> Es ist gewiß traurig, daß wir nur auf diesem Wege, England ein guter<lb/> Arbeiter und Verwalter zu sein, dazu gelangen können, Oberschlesien für Deutsch¬<lb/> land zu erhalten. Doch läßt sich nicht mehr ändern, waS geschehen ist und den<lb/> ewigen Fluch der Enkel würde der ans sein Haupt lenken, der sich durch diese<lb/> Einsicht abbringen ließe, das wenige zu retten, was noch zu retten ist. Und so<lb/> gilt auch für uns das Goethewort, daß uns nichts bleibt, als mutig gefaßt die<lb/> Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom Sturze<lb/> da, die Ruder des Wagens unseres Schicksals wegzulenken.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0244]
Das Problem Dberschlesien
jenem. Es soll und kann nicht behauptet werden, daß die in Oberschlesien auf¬
getretene Selbständigkeitsbestrebung auf den Einfluß der Alliierten zurückzuführen
ist. Daß sie, wenn nötig, dieser Bewegung sich bemächtigen werden, wird sich
kein Einsichtiger verhehlen. Die, wenn auch dementierte Nachricht von der ge¬
planten Bildung eines selbständigen, aus dem oberschlesischen, polnischen und
teschener Kohlenbezirk sich zusammensetzenden Staates läßt keinen Zweifel an der
drohenden Möglichkeit derartiger Bestrebungen.
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Dieses „Wenn nötig ist freilich der Punkt, an den sich noch unsere
Hoffnung klammern darf. Noch sind wir in der Lage, das Furchtbare zu ver¬
hindern. Wie dies geschehen kann, ist bereits angedeutet und soll hier nicht im
einzelnen ausgeführt werden. Eines sei nur noch hervorgehoben. Der Ge¬
danke liegt nahe, daß Frankreich in seinem blinden Haß lieber unsägliches
Unheil über die Welt, ja über sich selbst kommen lassen, als daß es sich entschließen
wird, Polen zugunsten von Deutschland zu benachteiligen. In der Tat müßte
dieser Gesichtspunkt die Lage für uns hoffnungslos gestalten, wenn hier nicht das
Interesse Englands einsetzen würde. Und zwar nicht nur auf Grund jener all¬
gemeinen, im Vorstehenden kurz skizzierten Erwägungen, deren heute wohl nur
das kühlere Amerika und das durch Arbeiternot und Kohlennot besonders bedrohte
Italien soweit fähig ist, daß dadurch die letzte Entscheidung beeinflußt werden
kann. Sondern das ureigenste Macht- und Wirtschaftsinteresse Englands erfordert
die hier entwickelte Lösung des Problems und sobald diese Faktoren mitsprechen,
kennt England, schaudernd haben wir es erlebt, nicht Mitgefühl, nicht Nach¬
giebigkeit, ja selbst nicht Zweckmäßigkeit. Das Sprunghafte Steigen der ober¬
schlesischen Börsenwerte hat allenthalben die Annahme gerechtfertigt, daß das
Ausland, verlockt durch die ungeheure Valutadifferenz, diese Steigerung durch
Massenankäufe veranlaßt hat. Welche Staaten hier besonders mitgewirkt haben,
kann urkundlich nur von sehr wenigen Eingeweihten festgestellt werden. Aber
die Geschichte der letzten fünfzig Jahre zeigt uns, deutlicher als alle Urkunden,
wer hier vor allem die Hand im Spiele hat. Im Jahre 1875 kaufte England
von dem in den schwersten Geldnöten befindlichen Khediven von Ägypten Ismail
Pascha, dessen etwa 176000 Suezkanalaktien für vier Millionen Pfund Sterling,
entriß damit den maßgebenden Einfluß über dieses Unternehmen Frankreich, das
es geschaffen hatte, und schuf sich eine der Grundlagen seiner Weltherrschaft. Die
Zeiten sind andere geworden. Jetzt handelt es sich nicht mehr um die Beherrschung
der wichtigsten Zufahrtstraßen, sondern um die Herrschaft über die wichtigsten
Naturkräfte. Hier ist England in einer ungleich schwierigeren Lage. Über das Ol
schaltet Amerika, das schon gierig nach den Ölquellen Mexikos seine Arme aus¬
streckt. So muß sich England nach andern Kräften umsehen, liber die nor¬
wegischen Wasserkräfte hat es sich schon seit langem einen maßgebenden Einfluß
gesichert. Und nun bietet sich ihm Gelegenheit, sich im reichsten Kohlengebiet
Europas einzunisten und dadurch einen weiteren Schritt dem Ziele entgegen zu
eilen, das es nunmehr erstrebt, die Beherrschung der kontinentalen Wirtschaft-
Wer kaun da noch zweifeln, daß England es ist, das jene Werte in ungeheuren
Mengen und für ein Butterbrot aufkauft?
Es ist gewiß traurig, daß wir nur auf diesem Wege, England ein guter
Arbeiter und Verwalter zu sein, dazu gelangen können, Oberschlesien für Deutsch¬
land zu erhalten. Doch läßt sich nicht mehr ändern, waS geschehen ist und den
ewigen Fluch der Enkel würde der ans sein Haupt lenken, der sich durch diese
Einsicht abbringen ließe, das wenige zu retten, was noch zu retten ist. Und so
gilt auch für uns das Goethewort, daß uns nichts bleibt, als mutig gefaßt die
Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom Sturze
da, die Ruder des Wagens unseres Schicksals wegzulenken.
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