Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen nicht mit diesen Steuern, die uns die Möglichkeit nehmen, in Zukunft neue Im einzelnen kann selbstverständlich jetzt noch acht auf die Steuergesetze In Ur. 44 der Grenzboten ist in dem Aufsatz "Verbrauchss euer.statt Ein- 2) Noch schlimmer qeht es dem kleinen Rentner. Er scheint bei einem Einkommen
von 6000 Mark mit Einkommen- und Ertragssteuer bis zu 30 Prozent herangezogen werden SU sollen! Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen nicht mit diesen Steuern, die uns die Möglichkeit nehmen, in Zukunft neue Im einzelnen kann selbstverständlich jetzt noch acht auf die Steuergesetze In Ur. 44 der Grenzboten ist in dem Aufsatz „Verbrauchss euer.statt Ein- 2) Noch schlimmer qeht es dem kleinen Rentner. Er scheint bei einem Einkommen
von 6000 Mark mit Einkommen- und Ertragssteuer bis zu 30 Prozent herangezogen werden SU sollen! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336527"/> <fw type="header" place="top"> Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen</fw><lb/> <p xml:id="ID_874" prev="#ID_873"> nicht mit diesen Steuern, die uns die Möglichkeit nehmen, in Zukunft neue<lb/> wirtschaftliche Gesundung zu erarbeiten. Wir gelangen mit solchen Steuern zu<lb/> dem Punkte, wo man sich fragen nutz, ob nicht der Staatsbankerott die mildere<lb/> und unschädlichere Form ist. - -.-</p><lb/> <p xml:id="ID_875"> Im einzelnen kann selbstverständlich jetzt noch acht auf die Steuergesetze<lb/> eingegangen werden, da die Veröffentlichungen der Presse zu unvollständig sind.<lb/> Anscheinend wird die Besteuerung der juristischen Personen ganz fallen gelassen.<lb/> Unklar ist auch, ob bei dem alten Prinzip der Besteuerung des FamiKenvorstandes<lb/> verblieben wird und diesem das Einkommen der Familienmitglieder zugerechnet<lb/> wird, eine Frage, die bei der starken Staffelung des Tarifs von ganz hervor-<lb/> ragender Bedeutung ist. Die Beibehaltung des alten Prinzips, das stets schon<lb/> eine Ungerechtigkeit enthielt, würde bei der hohen neuen Besteuerung unter Um¬<lb/> ständen geradezu sprengend auf den Familienzusammenhang und als praktisches<lb/> Ehehindernis wirken; denn die Steuer steigt bei Zusammenrechnung der Einkommen<lb/> von Mann und Frau teilweise um nahezu 60 Prozent über die Summen, die<lb/> jeder einzeln zu entrichten hätte. Hinzuweisen ist jedoch noch auf die Unmög-<lb/> lichkeit, von den geringen Einkommen in der heutigen Zeit derartige Abgaben zu<lb/> fordern. In Preußen ist noch im letzten Jahre ein Gesetz erlassen, nach welchem<lb/> den kleinen Einkommen die Steuern ganz oder teilweise abgenommen werden<lb/> und dafür den höheren Einkommen Zuschlage gemacht werden. Jetzt soll der<lb/> Arbeiter mit 3000 Mark Einkommen bereits 210 Mark Steuern zahlen, der mit<lb/> 6000 Mark Einkommen schon 600 Mark.') Man halte dem gegenüber die Fest-<lb/> stellung, die neulich im besetzten Gebiet in einer Kommission gemacht wurde, an<lb/> der Staats- und Gemeindebehörden beteiligt waren: Hier wurde der notwendige<lb/> Verbrauch einer Arbeiterfamilie auf 1200 Mark im Monat festgestellt. Die<lb/> Nichtigkeit dieser Feststellung mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es klar,<lb/> daß von einem Existenzmüümum Steuern nicht mehr entrichtet werden können,<lb/> und dieses Existenzminimum liegt wesentlich höher als bei 1000 Mark Papier-<lb/> Währung jährlich, wie daS Gesetz annimmt. Die Steuern, die für tue untern<lb/> Stufen festgesetzt werden sollen, stehen infolgedessen nur auf dem Papier; daS<lb/> Proletariat wird sich gegen sie mit noch größerer Energie wehren, als wir es<lb/> bisher schon auch seitens der bessergestellten Arbeiter erlebt haben, die nach ihrem<lb/> Einkommen versteuert werden sollten. Gegen die Hälfte des Volkes lassen sich<lb/> Zwangsvollstreckungen nicht durchführen. Wohlweislich überlaßt deshalb auch das<lb/> Landesbesteuerungsgesetz das Risiko für das Aufkommen dieser Steuerbetrage den<lb/> Ländern und Gemeinden. Diesen werden nämlich 90 Prozent deS Einkommens<lb/> aus den unteren Stufen überlassen! Je höher das Steuerpflichtige Einkommen,<lb/> desto mehr behält davon das Reich. Selbst wenn aber die Steuer in den unteren<lb/> Klassen überhaupt realisierbar wäre, so würde die offensichtliche Folge sem, daß<lb/> der Proletarier den Steuerbetrug durch Lohnerhöhung wieder einbringen wurde.<lb/> Hier zeigt sich schon, daß die Folge der Steuer eine erneute Verteuerung des<lb/> Lebens sein wird. Noch krasser springt diese Verteuerung ins Auge, wenn man<lb/> die großen Vermögen betrachtet; denn selbstverständlich ist jeder bestrebt, diese ab¬<lb/> normen Schröpfungen durch Erhöhung des Einkommens wett zu machen. ^le<lb/> Gewinnansprüche bei den Geschäften, die jetzt schon unverhiiltnismaßig sind, werden<lb/> Wesentlich wachsen, die Preise aller Produkte verteuert. Wir schreiten weiter auf<lb/> dem Wege der Verteuerung des Lebens oder der Entwertung des Geldes. Das<lb/> lst die nächste Wirkung der Steuer, der Vorbote des Zusammenbruchs.</p><lb/> <p xml:id="ID_876" next="#ID_877"> In Ur. 44 der Grenzboten ist in dem Aufsatz „Verbrauchss euer.statt Ein-<lb/> kommensteuer" zunächst rein theoretisch die Möglichkeit einer produktionsfordernden<lb/> Steuer an Stelle der produktionsgefährdenden Einkommensteuer erörtert. Nachdem<lb/> letzt die Steuerpläne der Negierung bekannt sind, muß noch einmal auf die Frage</p><lb/> <note xml:id="FID_21" place="foot"> 2) Noch schlimmer qeht es dem kleinen Rentner. Er scheint bei einem Einkommen<lb/> von 6000 Mark mit Einkommen- und Ertragssteuer bis zu 30 Prozent herangezogen werden<lb/> SU sollen!</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen
nicht mit diesen Steuern, die uns die Möglichkeit nehmen, in Zukunft neue
wirtschaftliche Gesundung zu erarbeiten. Wir gelangen mit solchen Steuern zu
dem Punkte, wo man sich fragen nutz, ob nicht der Staatsbankerott die mildere
und unschädlichere Form ist. - -.-
Im einzelnen kann selbstverständlich jetzt noch acht auf die Steuergesetze
eingegangen werden, da die Veröffentlichungen der Presse zu unvollständig sind.
Anscheinend wird die Besteuerung der juristischen Personen ganz fallen gelassen.
Unklar ist auch, ob bei dem alten Prinzip der Besteuerung des FamiKenvorstandes
verblieben wird und diesem das Einkommen der Familienmitglieder zugerechnet
wird, eine Frage, die bei der starken Staffelung des Tarifs von ganz hervor-
ragender Bedeutung ist. Die Beibehaltung des alten Prinzips, das stets schon
eine Ungerechtigkeit enthielt, würde bei der hohen neuen Besteuerung unter Um¬
ständen geradezu sprengend auf den Familienzusammenhang und als praktisches
Ehehindernis wirken; denn die Steuer steigt bei Zusammenrechnung der Einkommen
von Mann und Frau teilweise um nahezu 60 Prozent über die Summen, die
jeder einzeln zu entrichten hätte. Hinzuweisen ist jedoch noch auf die Unmög-
lichkeit, von den geringen Einkommen in der heutigen Zeit derartige Abgaben zu
fordern. In Preußen ist noch im letzten Jahre ein Gesetz erlassen, nach welchem
den kleinen Einkommen die Steuern ganz oder teilweise abgenommen werden
und dafür den höheren Einkommen Zuschlage gemacht werden. Jetzt soll der
Arbeiter mit 3000 Mark Einkommen bereits 210 Mark Steuern zahlen, der mit
6000 Mark Einkommen schon 600 Mark.') Man halte dem gegenüber die Fest-
stellung, die neulich im besetzten Gebiet in einer Kommission gemacht wurde, an
der Staats- und Gemeindebehörden beteiligt waren: Hier wurde der notwendige
Verbrauch einer Arbeiterfamilie auf 1200 Mark im Monat festgestellt. Die
Nichtigkeit dieser Feststellung mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es klar,
daß von einem Existenzmüümum Steuern nicht mehr entrichtet werden können,
und dieses Existenzminimum liegt wesentlich höher als bei 1000 Mark Papier-
Währung jährlich, wie daS Gesetz annimmt. Die Steuern, die für tue untern
Stufen festgesetzt werden sollen, stehen infolgedessen nur auf dem Papier; daS
Proletariat wird sich gegen sie mit noch größerer Energie wehren, als wir es
bisher schon auch seitens der bessergestellten Arbeiter erlebt haben, die nach ihrem
Einkommen versteuert werden sollten. Gegen die Hälfte des Volkes lassen sich
Zwangsvollstreckungen nicht durchführen. Wohlweislich überlaßt deshalb auch das
Landesbesteuerungsgesetz das Risiko für das Aufkommen dieser Steuerbetrage den
Ländern und Gemeinden. Diesen werden nämlich 90 Prozent deS Einkommens
aus den unteren Stufen überlassen! Je höher das Steuerpflichtige Einkommen,
desto mehr behält davon das Reich. Selbst wenn aber die Steuer in den unteren
Klassen überhaupt realisierbar wäre, so würde die offensichtliche Folge sem, daß
der Proletarier den Steuerbetrug durch Lohnerhöhung wieder einbringen wurde.
Hier zeigt sich schon, daß die Folge der Steuer eine erneute Verteuerung des
Lebens sein wird. Noch krasser springt diese Verteuerung ins Auge, wenn man
die großen Vermögen betrachtet; denn selbstverständlich ist jeder bestrebt, diese ab¬
normen Schröpfungen durch Erhöhung des Einkommens wett zu machen. ^le
Gewinnansprüche bei den Geschäften, die jetzt schon unverhiiltnismaßig sind, werden
Wesentlich wachsen, die Preise aller Produkte verteuert. Wir schreiten weiter auf
dem Wege der Verteuerung des Lebens oder der Entwertung des Geldes. Das
lst die nächste Wirkung der Steuer, der Vorbote des Zusammenbruchs.
In Ur. 44 der Grenzboten ist in dem Aufsatz „Verbrauchss euer.statt Ein-
kommensteuer" zunächst rein theoretisch die Möglichkeit einer produktionsfordernden
Steuer an Stelle der produktionsgefährdenden Einkommensteuer erörtert. Nachdem
letzt die Steuerpläne der Negierung bekannt sind, muß noch einmal auf die Frage
2) Noch schlimmer qeht es dem kleinen Rentner. Er scheint bei einem Einkommen
von 6000 Mark mit Einkommen- und Ertragssteuer bis zu 30 Prozent herangezogen werden
SU sollen!
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