Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Rumänien Politik nachdrücklich durchzusetzen. Nachdem aber durch den militärischen Sieg Der Entente scheint diese Idee nicht sehr sympathisch zu sein. Eine Gro߬ Rumänien Politik nachdrücklich durchzusetzen. Nachdem aber durch den militärischen Sieg Der Entente scheint diese Idee nicht sehr sympathisch zu sein. Eine Gro߬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0223" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336513"/> <fw type="header" place="top"> Rumänien</fw><lb/> <p xml:id="ID_837" prev="#ID_836"> Politik nachdrücklich durchzusetzen. Nachdem aber durch den militärischen Sieg<lb/> der Ungarn über die Tschechen der Stein aufs neue ins Rollen gekommen war,<lb/> konnte es angesichts der Unentschiedenheit und deutlich gewordenen militärischen<lb/> Machtlosigkeit der Konferenz nicht ausbleiben, daß die Rumänen, denen daran<lb/> lag, möglichst bald mit vollen, auch Siebenbürgen umfassenden Kräften mit dem<lb/> Wiederaufbau ihres schwer geprüften Landes zu beginnen, eigenmächtig vorgingen.<lb/> Dazu gehörte, daß sie nicht nur durch die Einnahme von Budapest der gefährlichen<lb/> Herrschaft der Kommunisten ein Ende bereiteten, sondern auch tatkräftig dafür<lb/> sorgten, daß möglichst bald ein stabiles Regiment in Ungarn errichtet wurde.<lb/> Daß dabei die radikalen Elemente ausgeschaltet wurden, konnte nur im Sinne<lb/> der Entente sein, als es sich jedoch zeigte, daß dazu ein Habsburger, der<lb/> Erzherzog Joseph, die Hand bieten sollte, schrak man wieder zurück, um nicht<lb/> durch dies Beispiel einer monarchischen oder verkappten monarchischen Restauration<lb/> Anreiz zu anderen zu bieten. Der Erzherzog Joseph mußte demnach zurück¬<lb/> treten und die Dinge blieben während man an energische Ausrottung der<lb/> Kommunisten ging, ' unter der Schemregierung des von nahezu allen<lb/> Parteien des Landes angefeindeten Ministerpräsidenten Friedrich in der<lb/> Schwebe. Es zeigt sich hier die ganze Schwäche der Konferenzpolitik, die<lb/> Dinge lenken will, über die sie keine Macht mehr hat. Anstatt Bela Kur, dessen<lb/> Herrschaft immer noch besser war als gar keine und der sich für seine Anerkennung<lb/> sicher zu innerpolitischen Konzessionen bereit gefunden hätte, zu stützen, und da-,<lb/> durch zur Beruhigung des Ostens beizutragen, hat sie aus prinzipiellen Gründen<lb/> und aus Furcht vor einem Übergreifen nach Osterreich, das durch Gewährung<lb/> tatkräftiger Unterstützung leicht zu schützen war. das Land in neue Verwirrung<lb/> gestürzt.'ohne doch imstande zu sein, etwas neues, festes an Stelle des alten zu<lb/> setzen. (Daß die Auslaudpropagcmda Vela Kurs ein Fehler war, ist bereits<lb/> Grenzboten .Nest 36 an dieser Stelle dargelegt worden.) Die Folgen zeigten sich<lb/> bald. Eine ungarische Kabinettskrise folgte der andern, die Zahl der Prätendenten<lb/> wuchs immer mehr. Wahlen waren unmöglich, ehe das Land Nicht beruhigt war.<lb/> aber die einzigen, die Ruhe im Lande sichern konnten, waren die Rumänen die<lb/> ihrerseits die Wahlen zu beeinflußen sich anschickten. War es schon gefährlich,<lb/> mit Machtmitteln zu operieren, die man nicht unbedingt in der Hand hatte, so<lb/> war es noch gefährlicher für die Konferenz, dies ohne politische Ideen zu tun.<lb/> Verhängnisvoll aber mußte es in dem Augenblick werden, in dem eben die<lb/> Rumänen selber eine Idee beizubringen begannen. Diese Idee ,se die Personal¬<lb/> union zwischen Ungarn und Rumänien, wodurch bei geschickter Politik eine sehr<lb/> bedeutende, sowohl uach dem Balkan und nach dein Schwarzen Meer, wie nach<lb/> Westen hin ausschlaggebende Großmacht an der Donaumnndung entstehen wurde.<lb/> Für einen solchen. Zusammenschluß sind außer den Italienern, die sich einen<lb/> mächtigen Bundesgenossen gegen die Südslawen gewinnen möchten, namentlich<lb/> die ungarischen transsylvamschen Großgrundbesitzer, die dadurch nicht nur ihren<lb/> Besitz, sondern auch ihren politischen Einfluß gesichert wünschen, aber auch eure<lb/> Anzahl ungarischer Politiker, die am Beispiel Österreichs sehen, zu welcher Ohn-<lb/> wacht ein rings von Feinden umschlossener, von Kriegsschulden unterdrückter<lb/> Einzelstaat verurteilt ist. Aus rumänischer Seite bestehen Bedenken wegen der<lb/> kulturellen Überlegenheit der Ungarn und deren oft bewiesener Unfähigkeit, die<lb/> eigene Herrschsucht politischen Gegebenheiten anzupassen, aber naturlich kann man<lb/> >es auch in Rumänien der großen Vorteile, die ein Zusammengehen zwischen<lb/> Ungarn und Rumänien bieten würde, nicht verschließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_838" next="#ID_839"> Der Entente scheint diese Idee nicht sehr sympathisch zu sein. Eine Gro߬<lb/> wacht an der Donaumündnng, die am Ende auch Osterreich und die ^sedendo.<lb/> Slowakei, wo man sich unlängst für freundliche Beziehungen zu Ungarn erklärt<lb/> hat. in den mindestens wirtschaftlichen Bannkreis ziehen konnte, mag einzelnen<lb/> mächtigen und namentlich auch amerikanischen Flnanzkreisen (Oil Standard<lb/> Company!) recht ungelegen kommen, zumal auch die Konstantmopelfrage dadurch<lb/> kompliziert werden könnte. Auch fürchtet man sichtlich, daß die dann wieder zur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0223]
Rumänien
Politik nachdrücklich durchzusetzen. Nachdem aber durch den militärischen Sieg
der Ungarn über die Tschechen der Stein aufs neue ins Rollen gekommen war,
konnte es angesichts der Unentschiedenheit und deutlich gewordenen militärischen
Machtlosigkeit der Konferenz nicht ausbleiben, daß die Rumänen, denen daran
lag, möglichst bald mit vollen, auch Siebenbürgen umfassenden Kräften mit dem
Wiederaufbau ihres schwer geprüften Landes zu beginnen, eigenmächtig vorgingen.
Dazu gehörte, daß sie nicht nur durch die Einnahme von Budapest der gefährlichen
Herrschaft der Kommunisten ein Ende bereiteten, sondern auch tatkräftig dafür
sorgten, daß möglichst bald ein stabiles Regiment in Ungarn errichtet wurde.
Daß dabei die radikalen Elemente ausgeschaltet wurden, konnte nur im Sinne
der Entente sein, als es sich jedoch zeigte, daß dazu ein Habsburger, der
Erzherzog Joseph, die Hand bieten sollte, schrak man wieder zurück, um nicht
durch dies Beispiel einer monarchischen oder verkappten monarchischen Restauration
Anreiz zu anderen zu bieten. Der Erzherzog Joseph mußte demnach zurück¬
treten und die Dinge blieben während man an energische Ausrottung der
Kommunisten ging, ' unter der Schemregierung des von nahezu allen
Parteien des Landes angefeindeten Ministerpräsidenten Friedrich in der
Schwebe. Es zeigt sich hier die ganze Schwäche der Konferenzpolitik, die
Dinge lenken will, über die sie keine Macht mehr hat. Anstatt Bela Kur, dessen
Herrschaft immer noch besser war als gar keine und der sich für seine Anerkennung
sicher zu innerpolitischen Konzessionen bereit gefunden hätte, zu stützen, und da-,
durch zur Beruhigung des Ostens beizutragen, hat sie aus prinzipiellen Gründen
und aus Furcht vor einem Übergreifen nach Osterreich, das durch Gewährung
tatkräftiger Unterstützung leicht zu schützen war. das Land in neue Verwirrung
gestürzt.'ohne doch imstande zu sein, etwas neues, festes an Stelle des alten zu
setzen. (Daß die Auslaudpropagcmda Vela Kurs ein Fehler war, ist bereits
Grenzboten .Nest 36 an dieser Stelle dargelegt worden.) Die Folgen zeigten sich
bald. Eine ungarische Kabinettskrise folgte der andern, die Zahl der Prätendenten
wuchs immer mehr. Wahlen waren unmöglich, ehe das Land Nicht beruhigt war.
aber die einzigen, die Ruhe im Lande sichern konnten, waren die Rumänen die
ihrerseits die Wahlen zu beeinflußen sich anschickten. War es schon gefährlich,
mit Machtmitteln zu operieren, die man nicht unbedingt in der Hand hatte, so
war es noch gefährlicher für die Konferenz, dies ohne politische Ideen zu tun.
Verhängnisvoll aber mußte es in dem Augenblick werden, in dem eben die
Rumänen selber eine Idee beizubringen begannen. Diese Idee ,se die Personal¬
union zwischen Ungarn und Rumänien, wodurch bei geschickter Politik eine sehr
bedeutende, sowohl uach dem Balkan und nach dein Schwarzen Meer, wie nach
Westen hin ausschlaggebende Großmacht an der Donaumnndung entstehen wurde.
Für einen solchen. Zusammenschluß sind außer den Italienern, die sich einen
mächtigen Bundesgenossen gegen die Südslawen gewinnen möchten, namentlich
die ungarischen transsylvamschen Großgrundbesitzer, die dadurch nicht nur ihren
Besitz, sondern auch ihren politischen Einfluß gesichert wünschen, aber auch eure
Anzahl ungarischer Politiker, die am Beispiel Österreichs sehen, zu welcher Ohn-
wacht ein rings von Feinden umschlossener, von Kriegsschulden unterdrückter
Einzelstaat verurteilt ist. Aus rumänischer Seite bestehen Bedenken wegen der
kulturellen Überlegenheit der Ungarn und deren oft bewiesener Unfähigkeit, die
eigene Herrschsucht politischen Gegebenheiten anzupassen, aber naturlich kann man
>es auch in Rumänien der großen Vorteile, die ein Zusammengehen zwischen
Ungarn und Rumänien bieten würde, nicht verschließen.
Der Entente scheint diese Idee nicht sehr sympathisch zu sein. Eine Gro߬
wacht an der Donaumündnng, die am Ende auch Osterreich und die ^sedendo.
Slowakei, wo man sich unlängst für freundliche Beziehungen zu Ungarn erklärt
hat. in den mindestens wirtschaftlichen Bannkreis ziehen konnte, mag einzelnen
mächtigen und namentlich auch amerikanischen Flnanzkreisen (Oil Standard
Company!) recht ungelegen kommen, zumal auch die Konstantmopelfrage dadurch
kompliziert werden könnte. Auch fürchtet man sichtlich, daß die dann wieder zur
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