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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Vstmarkenverein

üblichen Parlaments" und Parteiwesen eine seelische Überlegenheit mit. Entweder
werden diese jugendlichen Elemente dereinst mit fremdem Eroberergeist in das
Parteileben eindringen, um seine Struktur von innen heraus zu verwandeln
und umzugestalten, oder sie verwandeln den politischen Seelenbau der ganzen
Nation, so daß diese sich der Parteischablone entledigt und andere politische
Freiheitsgedanken aufnimmt, aus denen sie neue Formen macht. Das braucht
nicht von heute auf morgen zu geschehen. Denn außerhalb der parlamentarischen
und parteiamtlichen Machlhaberschaften sind in der jüngeren politischen
Generation zwar die Männer, die gegenwärtig in den dreißiger Jahren stehen,
vor der Hand die ausschlaggebenden; aber diejenigen, die jetzt in den Zwanzigern
sind, werden erst die Entscheidung bringen.

Für die Parteien würde eines -- ein Versuch, der freilich ihrem über¬
lieferten Denkverlauf widerstreitet -- die allererste Notwendigkeit sein: sie
müssen endlich aufhören, in der akademischen Jugend immer nur ein Objekt
der Behandlung. Bearbeitung und Beeinflussung zu sehen; sie müssen sich herbei¬
lassen, diese akademische Jugend als ein Subjekt schaffender Kräfte zu achten.




Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Vstmarkenverein
Justizrat Wagner von

in der Mitte des vorigen Jahrhunderts schwärmten Die deutschen
^ Idealisten in vollständiger Verkennung der eigenen staatlichen
! Interessen für die Polen. Man sah in den Polen in Rußland
die ungerecht behandelte, unterdrückte Nation, die einen Freiheits-
! kämpf gegen den Absolutismus führte. Es gab nur wenige ein¬
sichtsvolle Männer, die die ganz unangebrachte Polenschwärmerei
zurückwiesen. Unter ihnen war der damals noch jugendliche Bismarck. Er
wies mit ernsten Worten auf die Gefahren hin, die von feiten des polnischen
Volkes unter Führung des polnischen Adels und der polnischen Geistlichkeit den
preußischen Provinzen im Osten drohte. In Deutschland hatte man daraus
nicht acht, man hatte auch anderes >zu tun; in allen deutscheu Staaten mußte man
,ich in Verfassung und Parlament einleben und dann mußte man sich im neuen
Teutschen Reich einrichten. Unbeachtet, ober durch die Wohltaterd der preußischen
Verwaltung und der deutschen Schule gehoben, entwickelte sich inzwischen das
-polentum. Bismarck war es dann, der endlich in den achtziger Jahren stärkere
Vöcißregeln gegen die Polengefahr durchsetzte, die Ausweisung >der ausländischen
Polen und die Errichtung der Ansiedlungskommission zur Ausetzung von deutschen
Bauern in Posen und Westpveußen. ' Der richtige Weg zur Festigung und
Förderung des Deutschtums in der Ostmark war gegeben. Aber mau hielt auch
diesmal, wie so oft schon früher, nicht aus. Der Nachfolger Bismarcks, Caprivi,
Reichskanzler von 1890 bis 1894 versuchte es wieder mit der Versöhnung,
während der Polenführer von Koscielski sich bei dem Kaiser in günstiges Licht
zu setzen wußte.

Die Kraft der Polen in Preußen wuchs. Nicht mehr allein der preußische Adel
und die polnische Geistlichkeit schürten den Haß gegen alles Deutsche. In der Ostmark
waren dank der preußischen Fürsorge die polnischen Knechtgestalten in freie Arbeiter und


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üblichen Parlaments« und Parteiwesen eine seelische Überlegenheit mit. Entweder
werden diese jugendlichen Elemente dereinst mit fremdem Eroberergeist in das
Parteileben eindringen, um seine Struktur von innen heraus zu verwandeln
und umzugestalten, oder sie verwandeln den politischen Seelenbau der ganzen
Nation, so daß diese sich der Parteischablone entledigt und andere politische
Freiheitsgedanken aufnimmt, aus denen sie neue Formen macht. Das braucht
nicht von heute auf morgen zu geschehen. Denn außerhalb der parlamentarischen
und parteiamtlichen Machlhaberschaften sind in der jüngeren politischen
Generation zwar die Männer, die gegenwärtig in den dreißiger Jahren stehen,
vor der Hand die ausschlaggebenden; aber diejenigen, die jetzt in den Zwanzigern
sind, werden erst die Entscheidung bringen.

Für die Parteien würde eines — ein Versuch, der freilich ihrem über¬
lieferten Denkverlauf widerstreitet — die allererste Notwendigkeit sein: sie
müssen endlich aufhören, in der akademischen Jugend immer nur ein Objekt
der Behandlung. Bearbeitung und Beeinflussung zu sehen; sie müssen sich herbei¬
lassen, diese akademische Jugend als ein Subjekt schaffender Kräfte zu achten.




Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Vstmarkenverein
Justizrat Wagner von

in der Mitte des vorigen Jahrhunderts schwärmten Die deutschen
^ Idealisten in vollständiger Verkennung der eigenen staatlichen
! Interessen für die Polen. Man sah in den Polen in Rußland
die ungerecht behandelte, unterdrückte Nation, die einen Freiheits-
! kämpf gegen den Absolutismus führte. Es gab nur wenige ein¬
sichtsvolle Männer, die die ganz unangebrachte Polenschwärmerei
zurückwiesen. Unter ihnen war der damals noch jugendliche Bismarck. Er
wies mit ernsten Worten auf die Gefahren hin, die von feiten des polnischen
Volkes unter Führung des polnischen Adels und der polnischen Geistlichkeit den
preußischen Provinzen im Osten drohte. In Deutschland hatte man daraus
nicht acht, man hatte auch anderes >zu tun; in allen deutscheu Staaten mußte man
,ich in Verfassung und Parlament einleben und dann mußte man sich im neuen
Teutschen Reich einrichten. Unbeachtet, ober durch die Wohltaterd der preußischen
Verwaltung und der deutschen Schule gehoben, entwickelte sich inzwischen das
-polentum. Bismarck war es dann, der endlich in den achtziger Jahren stärkere
Vöcißregeln gegen die Polengefahr durchsetzte, die Ausweisung >der ausländischen
Polen und die Errichtung der Ansiedlungskommission zur Ausetzung von deutschen
Bauern in Posen und Westpveußen. ' Der richtige Weg zur Festigung und
Förderung des Deutschtums in der Ostmark war gegeben. Aber mau hielt auch
diesmal, wie so oft schon früher, nicht aus. Der Nachfolger Bismarcks, Caprivi,
Reichskanzler von 1890 bis 1894 versuchte es wieder mit der Versöhnung,
während der Polenführer von Koscielski sich bei dem Kaiser in günstiges Licht
zu setzen wußte.

Die Kraft der Polen in Preußen wuchs. Nicht mehr allein der preußische Adel
und die polnische Geistlichkeit schürten den Haß gegen alles Deutsche. In der Ostmark
waren dank der preußischen Fürsorge die polnischen Knechtgestalten in freie Arbeiter und


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[0187] Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Vstmarkenverein üblichen Parlaments« und Parteiwesen eine seelische Überlegenheit mit. Entweder werden diese jugendlichen Elemente dereinst mit fremdem Eroberergeist in das Parteileben eindringen, um seine Struktur von innen heraus zu verwandeln und umzugestalten, oder sie verwandeln den politischen Seelenbau der ganzen Nation, so daß diese sich der Parteischablone entledigt und andere politische Freiheitsgedanken aufnimmt, aus denen sie neue Formen macht. Das braucht nicht von heute auf morgen zu geschehen. Denn außerhalb der parlamentarischen und parteiamtlichen Machlhaberschaften sind in der jüngeren politischen Generation zwar die Männer, die gegenwärtig in den dreißiger Jahren stehen, vor der Hand die ausschlaggebenden; aber diejenigen, die jetzt in den Zwanzigern sind, werden erst die Entscheidung bringen. Für die Parteien würde eines — ein Versuch, der freilich ihrem über¬ lieferten Denkverlauf widerstreitet — die allererste Notwendigkeit sein: sie müssen endlich aufhören, in der akademischen Jugend immer nur ein Objekt der Behandlung. Bearbeitung und Beeinflussung zu sehen; sie müssen sich herbei¬ lassen, diese akademische Jugend als ein Subjekt schaffender Kräfte zu achten. Fünfundzwanzig Jahre Deutscher Vstmarkenverein Justizrat Wagner von in der Mitte des vorigen Jahrhunderts schwärmten Die deutschen ^ Idealisten in vollständiger Verkennung der eigenen staatlichen ! Interessen für die Polen. Man sah in den Polen in Rußland die ungerecht behandelte, unterdrückte Nation, die einen Freiheits- ! kämpf gegen den Absolutismus führte. Es gab nur wenige ein¬ sichtsvolle Männer, die die ganz unangebrachte Polenschwärmerei zurückwiesen. Unter ihnen war der damals noch jugendliche Bismarck. Er wies mit ernsten Worten auf die Gefahren hin, die von feiten des polnischen Volkes unter Führung des polnischen Adels und der polnischen Geistlichkeit den preußischen Provinzen im Osten drohte. In Deutschland hatte man daraus nicht acht, man hatte auch anderes >zu tun; in allen deutscheu Staaten mußte man ,ich in Verfassung und Parlament einleben und dann mußte man sich im neuen Teutschen Reich einrichten. Unbeachtet, ober durch die Wohltaterd der preußischen Verwaltung und der deutschen Schule gehoben, entwickelte sich inzwischen das -polentum. Bismarck war es dann, der endlich in den achtziger Jahren stärkere Vöcißregeln gegen die Polengefahr durchsetzte, die Ausweisung >der ausländischen Polen und die Errichtung der Ansiedlungskommission zur Ausetzung von deutschen Bauern in Posen und Westpveußen. ' Der richtige Weg zur Festigung und Förderung des Deutschtums in der Ostmark war gegeben. Aber mau hielt auch diesmal, wie so oft schon früher, nicht aus. Der Nachfolger Bismarcks, Caprivi, Reichskanzler von 1890 bis 1894 versuchte es wieder mit der Versöhnung, während der Polenführer von Koscielski sich bei dem Kaiser in günstiges Licht zu setzen wußte. Die Kraft der Polen in Preußen wuchs. Nicht mehr allein der preußische Adel und die polnische Geistlichkeit schürten den Haß gegen alles Deutsche. In der Ostmark waren dank der preußischen Fürsorge die polnischen Knechtgestalten in freie Arbeiter und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/187>, abgerufen am 15.01.2025.