Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf dem !Vea zum Einheitsstaat

hat wohl tiefere Gründe: Preußen ist schwer getroffen. Nicht nur durch
Abtretungen von Land, sondern auch in seiner Staatsidee. Diese ist vielfach
bedroht und angefressen, und Widerstände gegen die Autonomiebestrebungen gefähr¬
den nicht nur Preußen, sondern sie könnten sogar zum Verlust höchst wichtiger
Gebiete für das Reich führen. Der Zusammenhalt dagegen wird gewährleistet
durch die Auflösung. Mit diesem Paradoxon ist die neue Epoche der Reichs¬
entwicklung gekennzeichnet. Wer den deutschen Gedanken wirklich umfaßt, muß
das Alte hingeben und mitarbeiten am Neuen. Daß das vielen Preußen als
unmöglich erscheint, kann man verstehen. Aber das ändert nichts.

Auch den anderen Ländern kommt es, auf sie selbst bezogen, nicht minder
unmöglich vor. Sie gehen daher nicht voran, aber sie fügen sich. Eigentlich, so
empfindet man, ist durch die Steuergemeinschaft die Staatsherrlichkeit dahin..
Das Merkwürdige ist aber die Resignation, mit der es hingenommen wird. Sie
steht eigentlich in gar keinem Verhältnis zu den Kämpfen, die noch vor Jahres¬
frist um geringe Rechte, z. B. die bayrischen Briefmarken, ausgefochten wurden.
Die chinesischen Mauern stürzen zusammen; man blickt durch die Breschen und
über die Trümmer und erkennt -- Neuland, wo man ernten und pflücken kann.

DaS ist natürlich wesentlich; man will nicht nur "Brosamen von des
Reiches Tisch" haben, sondern Brot. Aber sehr rasch scheint man, z. B. im
Süden, zu begreifen, daß das Reich kein Moloch ist, der nur verschlingt, sondern
daß Germania ein Füllhorn trägt, aus dem sie gibt.

Man beginnt die Vorteile zu erkennen. Erzbergers Mittel, die Beförderung
tüchtiger mittlerer Finanzbeamten zu höheren, war ein Meisterzug. Daß man
im Neichsministerium sehr wohl weiß, wo Empfindlichkeiten zu dämpfen sind,
hat die Berufung eines Württembergers zum Unterstaatssekretär im Reichsverkehrs¬
ministerium bewiesen. Nicht weniger eindrucksvoll ist die Ernennung des württem¬
bergischen Obersten Reinhardt, des preußischen Kriegsministers, zum Leiter des
Rei'chsheereS. Ein ganzer Stab schwäbischer Landsleute folgte ihm.

Und das Reich zahlt gutt

Man hat sich einst gegen die sogenannte Siebeuhäuser Konvention zwischen
Preußen und Württemberg in Schwaben schwer erregt. Diese Übereinkunft
bestimmte einen Austausch der Offiziere beider Armeekörper. Bald sah man ein,
daß württembergische Offiziere viel bedeutsamere Kommandos erhielten, als das
im engen Rahmen des dreizehnten Korps wegen der, beschränkten Zahl besserer
Stellen möglich war. So wird es auch mit dem Aufgehen der Sonderverwaltungen
ins Reich kommen.

Der Mangel des Austausches der Beamten innerhalb des Reichsgebietes
ist ein großer Fehler der Reichsstruktur als Bundesstaat gewesen. Dieser Vundes-
staat ist gerade besonders in dieser Hinsicht, wie schon gesagt, ein Trennungsstaat.
Er hat die Einbildung durchaus aufrecht erhalten, außerhalb der Landesgrenzen
sei nicht zu leben. In Bayern haben kurz vor der Einrichtung des Reichsverkehrs¬
ministeriums (am 1. Oktober 1919) die Verkehrsbeamten aufs heftigste gegen die
Neuerung und gegen Versetzung "ins Reich" Einspruch erhoben. Auch sie werden
bald anders denken.

Diese Abneigung, jenseits der engeren Grenzpfähle leben zu sollen,, ist das
traurigste Zeichen dafür, wie es um den Geist der Einheit und Brüderlichkeit im
Reich bisher in Wirklichkeit bestellt gewesen ist, wie wenig der Zauber und der
Idealismus von 1871 praktisch weiter gewirkt haben. Im Grunde ist vieles von
dem Gerede von deutscher Einigkeit Selbsttäuschung, ja, ein großer Schwindel
gewesen, der sich im Weltkrieg auch, je länger er dauerte, um so deutlicher fühlbar
gemacht und gerächt hat.

Aber auch die Vorstellung, nur im Heimatstaate leben und glücklich sein zu
können, dieser von den freien Berufen längst überwundenen Biedermeieralp, ist
tatsächlich in den Einzelstaaten schon als eine ganz irrige Empfindung nach-
zuweisen.


Grenzboten IV 1919 11
Auf dem !Vea zum Einheitsstaat

hat wohl tiefere Gründe: Preußen ist schwer getroffen. Nicht nur durch
Abtretungen von Land, sondern auch in seiner Staatsidee. Diese ist vielfach
bedroht und angefressen, und Widerstände gegen die Autonomiebestrebungen gefähr¬
den nicht nur Preußen, sondern sie könnten sogar zum Verlust höchst wichtiger
Gebiete für das Reich führen. Der Zusammenhalt dagegen wird gewährleistet
durch die Auflösung. Mit diesem Paradoxon ist die neue Epoche der Reichs¬
entwicklung gekennzeichnet. Wer den deutschen Gedanken wirklich umfaßt, muß
das Alte hingeben und mitarbeiten am Neuen. Daß das vielen Preußen als
unmöglich erscheint, kann man verstehen. Aber das ändert nichts.

Auch den anderen Ländern kommt es, auf sie selbst bezogen, nicht minder
unmöglich vor. Sie gehen daher nicht voran, aber sie fügen sich. Eigentlich, so
empfindet man, ist durch die Steuergemeinschaft die Staatsherrlichkeit dahin..
Das Merkwürdige ist aber die Resignation, mit der es hingenommen wird. Sie
steht eigentlich in gar keinem Verhältnis zu den Kämpfen, die noch vor Jahres¬
frist um geringe Rechte, z. B. die bayrischen Briefmarken, ausgefochten wurden.
Die chinesischen Mauern stürzen zusammen; man blickt durch die Breschen und
über die Trümmer und erkennt — Neuland, wo man ernten und pflücken kann.

DaS ist natürlich wesentlich; man will nicht nur „Brosamen von des
Reiches Tisch" haben, sondern Brot. Aber sehr rasch scheint man, z. B. im
Süden, zu begreifen, daß das Reich kein Moloch ist, der nur verschlingt, sondern
daß Germania ein Füllhorn trägt, aus dem sie gibt.

Man beginnt die Vorteile zu erkennen. Erzbergers Mittel, die Beförderung
tüchtiger mittlerer Finanzbeamten zu höheren, war ein Meisterzug. Daß man
im Neichsministerium sehr wohl weiß, wo Empfindlichkeiten zu dämpfen sind,
hat die Berufung eines Württembergers zum Unterstaatssekretär im Reichsverkehrs¬
ministerium bewiesen. Nicht weniger eindrucksvoll ist die Ernennung des württem¬
bergischen Obersten Reinhardt, des preußischen Kriegsministers, zum Leiter des
Rei'chsheereS. Ein ganzer Stab schwäbischer Landsleute folgte ihm.

Und das Reich zahlt gutt

Man hat sich einst gegen die sogenannte Siebeuhäuser Konvention zwischen
Preußen und Württemberg in Schwaben schwer erregt. Diese Übereinkunft
bestimmte einen Austausch der Offiziere beider Armeekörper. Bald sah man ein,
daß württembergische Offiziere viel bedeutsamere Kommandos erhielten, als das
im engen Rahmen des dreizehnten Korps wegen der, beschränkten Zahl besserer
Stellen möglich war. So wird es auch mit dem Aufgehen der Sonderverwaltungen
ins Reich kommen.

Der Mangel des Austausches der Beamten innerhalb des Reichsgebietes
ist ein großer Fehler der Reichsstruktur als Bundesstaat gewesen. Dieser Vundes-
staat ist gerade besonders in dieser Hinsicht, wie schon gesagt, ein Trennungsstaat.
Er hat die Einbildung durchaus aufrecht erhalten, außerhalb der Landesgrenzen
sei nicht zu leben. In Bayern haben kurz vor der Einrichtung des Reichsverkehrs¬
ministeriums (am 1. Oktober 1919) die Verkehrsbeamten aufs heftigste gegen die
Neuerung und gegen Versetzung „ins Reich" Einspruch erhoben. Auch sie werden
bald anders denken.

Diese Abneigung, jenseits der engeren Grenzpfähle leben zu sollen,, ist das
traurigste Zeichen dafür, wie es um den Geist der Einheit und Brüderlichkeit im
Reich bisher in Wirklichkeit bestellt gewesen ist, wie wenig der Zauber und der
Idealismus von 1871 praktisch weiter gewirkt haben. Im Grunde ist vieles von
dem Gerede von deutscher Einigkeit Selbsttäuschung, ja, ein großer Schwindel
gewesen, der sich im Weltkrieg auch, je länger er dauerte, um so deutlicher fühlbar
gemacht und gerächt hat.

Aber auch die Vorstellung, nur im Heimatstaate leben und glücklich sein zu
können, dieser von den freien Berufen längst überwundenen Biedermeieralp, ist
tatsächlich in den Einzelstaaten schon als eine ganz irrige Empfindung nach-
zuweisen.


Grenzboten IV 1919 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336459"/>
          <fw type="header" place="top"> Auf dem !Vea zum Einheitsstaat</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_602" prev="#ID_601"> hat wohl tiefere Gründe: Preußen ist schwer getroffen. Nicht nur durch<lb/>
Abtretungen von Land, sondern auch in seiner Staatsidee. Diese ist vielfach<lb/>
bedroht und angefressen, und Widerstände gegen die Autonomiebestrebungen gefähr¬<lb/>
den nicht nur Preußen, sondern sie könnten sogar zum Verlust höchst wichtiger<lb/>
Gebiete für das Reich führen. Der Zusammenhalt dagegen wird gewährleistet<lb/>
durch die Auflösung. Mit diesem Paradoxon ist die neue Epoche der Reichs¬<lb/>
entwicklung gekennzeichnet. Wer den deutschen Gedanken wirklich umfaßt, muß<lb/>
das Alte hingeben und mitarbeiten am Neuen. Daß das vielen Preußen als<lb/>
unmöglich erscheint, kann man verstehen. Aber das ändert nichts.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_603"> Auch den anderen Ländern kommt es, auf sie selbst bezogen, nicht minder<lb/>
unmöglich vor. Sie gehen daher nicht voran, aber sie fügen sich. Eigentlich, so<lb/>
empfindet man, ist durch die Steuergemeinschaft die Staatsherrlichkeit dahin..<lb/>
Das Merkwürdige ist aber die Resignation, mit der es hingenommen wird. Sie<lb/>
steht eigentlich in gar keinem Verhältnis zu den Kämpfen, die noch vor Jahres¬<lb/>
frist um geringe Rechte, z. B. die bayrischen Briefmarken, ausgefochten wurden.<lb/>
Die chinesischen Mauern stürzen zusammen; man blickt durch die Breschen und<lb/>
über die Trümmer und erkennt &#x2014; Neuland, wo man ernten und pflücken kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_604"> DaS ist natürlich wesentlich; man will nicht nur &#x201E;Brosamen von des<lb/>
Reiches Tisch" haben, sondern Brot. Aber sehr rasch scheint man, z. B. im<lb/>
Süden, zu begreifen, daß das Reich kein Moloch ist, der nur verschlingt, sondern<lb/>
daß Germania ein Füllhorn trägt, aus dem sie gibt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_605"> Man beginnt die Vorteile zu erkennen. Erzbergers Mittel, die Beförderung<lb/>
tüchtiger mittlerer Finanzbeamten zu höheren, war ein Meisterzug. Daß man<lb/>
im Neichsministerium sehr wohl weiß, wo Empfindlichkeiten zu dämpfen sind,<lb/>
hat die Berufung eines Württembergers zum Unterstaatssekretär im Reichsverkehrs¬<lb/>
ministerium bewiesen. Nicht weniger eindrucksvoll ist die Ernennung des württem¬<lb/>
bergischen Obersten Reinhardt, des preußischen Kriegsministers, zum Leiter des<lb/>
Rei'chsheereS. Ein ganzer Stab schwäbischer Landsleute folgte ihm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_606"> Und das Reich zahlt gutt</p><lb/>
          <p xml:id="ID_607"> Man hat sich einst gegen die sogenannte Siebeuhäuser Konvention zwischen<lb/>
Preußen und Württemberg in Schwaben schwer erregt. Diese Übereinkunft<lb/>
bestimmte einen Austausch der Offiziere beider Armeekörper. Bald sah man ein,<lb/>
daß württembergische Offiziere viel bedeutsamere Kommandos erhielten, als das<lb/>
im engen Rahmen des dreizehnten Korps wegen der, beschränkten Zahl besserer<lb/>
Stellen möglich war. So wird es auch mit dem Aufgehen der Sonderverwaltungen<lb/>
ins Reich kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_608"> Der Mangel des Austausches der Beamten innerhalb des Reichsgebietes<lb/>
ist ein großer Fehler der Reichsstruktur als Bundesstaat gewesen. Dieser Vundes-<lb/>
staat ist gerade besonders in dieser Hinsicht, wie schon gesagt, ein Trennungsstaat.<lb/>
Er hat die Einbildung durchaus aufrecht erhalten, außerhalb der Landesgrenzen<lb/>
sei nicht zu leben. In Bayern haben kurz vor der Einrichtung des Reichsverkehrs¬<lb/>
ministeriums (am 1. Oktober 1919) die Verkehrsbeamten aufs heftigste gegen die<lb/>
Neuerung und gegen Versetzung &#x201E;ins Reich" Einspruch erhoben. Auch sie werden<lb/>
bald anders denken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_609"> Diese Abneigung, jenseits der engeren Grenzpfähle leben zu sollen,, ist das<lb/>
traurigste Zeichen dafür, wie es um den Geist der Einheit und Brüderlichkeit im<lb/>
Reich bisher in Wirklichkeit bestellt gewesen ist, wie wenig der Zauber und der<lb/>
Idealismus von 1871 praktisch weiter gewirkt haben. Im Grunde ist vieles von<lb/>
dem Gerede von deutscher Einigkeit Selbsttäuschung, ja, ein großer Schwindel<lb/>
gewesen, der sich im Weltkrieg auch, je länger er dauerte, um so deutlicher fühlbar<lb/>
gemacht und gerächt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_610"> Aber auch die Vorstellung, nur im Heimatstaate leben und glücklich sein zu<lb/>
können, dieser von den freien Berufen längst überwundenen Biedermeieralp, ist<lb/>
tatsächlich in den Einzelstaaten schon als eine ganz irrige Empfindung nach-<lb/>
zuweisen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1919 11</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0169] Auf dem !Vea zum Einheitsstaat hat wohl tiefere Gründe: Preußen ist schwer getroffen. Nicht nur durch Abtretungen von Land, sondern auch in seiner Staatsidee. Diese ist vielfach bedroht und angefressen, und Widerstände gegen die Autonomiebestrebungen gefähr¬ den nicht nur Preußen, sondern sie könnten sogar zum Verlust höchst wichtiger Gebiete für das Reich führen. Der Zusammenhalt dagegen wird gewährleistet durch die Auflösung. Mit diesem Paradoxon ist die neue Epoche der Reichs¬ entwicklung gekennzeichnet. Wer den deutschen Gedanken wirklich umfaßt, muß das Alte hingeben und mitarbeiten am Neuen. Daß das vielen Preußen als unmöglich erscheint, kann man verstehen. Aber das ändert nichts. Auch den anderen Ländern kommt es, auf sie selbst bezogen, nicht minder unmöglich vor. Sie gehen daher nicht voran, aber sie fügen sich. Eigentlich, so empfindet man, ist durch die Steuergemeinschaft die Staatsherrlichkeit dahin.. Das Merkwürdige ist aber die Resignation, mit der es hingenommen wird. Sie steht eigentlich in gar keinem Verhältnis zu den Kämpfen, die noch vor Jahres¬ frist um geringe Rechte, z. B. die bayrischen Briefmarken, ausgefochten wurden. Die chinesischen Mauern stürzen zusammen; man blickt durch die Breschen und über die Trümmer und erkennt — Neuland, wo man ernten und pflücken kann. DaS ist natürlich wesentlich; man will nicht nur „Brosamen von des Reiches Tisch" haben, sondern Brot. Aber sehr rasch scheint man, z. B. im Süden, zu begreifen, daß das Reich kein Moloch ist, der nur verschlingt, sondern daß Germania ein Füllhorn trägt, aus dem sie gibt. Man beginnt die Vorteile zu erkennen. Erzbergers Mittel, die Beförderung tüchtiger mittlerer Finanzbeamten zu höheren, war ein Meisterzug. Daß man im Neichsministerium sehr wohl weiß, wo Empfindlichkeiten zu dämpfen sind, hat die Berufung eines Württembergers zum Unterstaatssekretär im Reichsverkehrs¬ ministerium bewiesen. Nicht weniger eindrucksvoll ist die Ernennung des württem¬ bergischen Obersten Reinhardt, des preußischen Kriegsministers, zum Leiter des Rei'chsheereS. Ein ganzer Stab schwäbischer Landsleute folgte ihm. Und das Reich zahlt gutt Man hat sich einst gegen die sogenannte Siebeuhäuser Konvention zwischen Preußen und Württemberg in Schwaben schwer erregt. Diese Übereinkunft bestimmte einen Austausch der Offiziere beider Armeekörper. Bald sah man ein, daß württembergische Offiziere viel bedeutsamere Kommandos erhielten, als das im engen Rahmen des dreizehnten Korps wegen der, beschränkten Zahl besserer Stellen möglich war. So wird es auch mit dem Aufgehen der Sonderverwaltungen ins Reich kommen. Der Mangel des Austausches der Beamten innerhalb des Reichsgebietes ist ein großer Fehler der Reichsstruktur als Bundesstaat gewesen. Dieser Vundes- staat ist gerade besonders in dieser Hinsicht, wie schon gesagt, ein Trennungsstaat. Er hat die Einbildung durchaus aufrecht erhalten, außerhalb der Landesgrenzen sei nicht zu leben. In Bayern haben kurz vor der Einrichtung des Reichsverkehrs¬ ministeriums (am 1. Oktober 1919) die Verkehrsbeamten aufs heftigste gegen die Neuerung und gegen Versetzung „ins Reich" Einspruch erhoben. Auch sie werden bald anders denken. Diese Abneigung, jenseits der engeren Grenzpfähle leben zu sollen,, ist das traurigste Zeichen dafür, wie es um den Geist der Einheit und Brüderlichkeit im Reich bisher in Wirklichkeit bestellt gewesen ist, wie wenig der Zauber und der Idealismus von 1871 praktisch weiter gewirkt haben. Im Grunde ist vieles von dem Gerede von deutscher Einigkeit Selbsttäuschung, ja, ein großer Schwindel gewesen, der sich im Weltkrieg auch, je länger er dauerte, um so deutlicher fühlbar gemacht und gerächt hat. Aber auch die Vorstellung, nur im Heimatstaate leben und glücklich sein zu können, dieser von den freien Berufen längst überwundenen Biedermeieralp, ist tatsächlich in den Einzelstaaten schon als eine ganz irrige Empfindung nach- zuweisen. Grenzboten IV 1919 11

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/169
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/169>, abgerufen am 15.01.2025.