Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Wirkungen willkürlich versperrt. Durch den Wahn von ihrer eigenen Unbedingt- Beinahe sind wir heute ja schon so weit. Es gibt jetzt eigentlich zwei Bei der Gewandtheit der Parteien in der Werbearbeit und Organisation Die methodische Behandlung der Jüngeren sammelt sich hier im Deutsch- Wirkungen willkürlich versperrt. Durch den Wahn von ihrer eigenen Unbedingt- Beinahe sind wir heute ja schon so weit. Es gibt jetzt eigentlich zwei Bei der Gewandtheit der Parteien in der Werbearbeit und Organisation Die methodische Behandlung der Jüngeren sammelt sich hier im Deutsch- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0156" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336446"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_529" prev="#ID_528"> Wirkungen willkürlich versperrt. Durch den Wahn von ihrer eigenen Unbedingt-<lb/> heit haben sich die Parteien in ein unlösbares Zwangsverhältms gestellt:<lb/> entweder nun das, was sie für den Sinn der Politik halten, d. h. in letzter<lb/> Linie sich selber, von außen her an die Jugend heranzubringen und in sie<lb/> hineinzuschieben, auf diese Weise die Köpfe und Kräfte der jüngeren Generation<lb/> einseitig aufzusaugen und hiermit um ihr Bestes, um ihre Selbsttätigkeit,<lb/> zu betrügen; oder aber, soweit diese Selbstiätigkeit stärker sein sollte als das<lb/> Geschick der parteipolitischer Werbearbeit, den eigenständigen Wuchs und das<lb/> seelische Übergewicht eines neuen politischen Lebensgefühls gewissermaßen als<lb/> unmündig für immer, als illegitim und vogelfrei erscheinen zu lasse» und eS<lb/> demnach zu einer so furchtbaren Heftigkeit der Gegnerschaft zu verurteilen, daß<lb/> sich die allmähliche Verkümmerung der überlieferten Parteimächte nicht schwer<lb/> voraussehen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_530"> Beinahe sind wir heute ja schon so weit. Es gibt jetzt eigentlich zwei<lb/> verschiedene politische Jugendbewegungen in Deutschland: einesteils die partei¬<lb/> offizielle jeglicher Färbung, die bereits in Untertertia ansetzt, mit ihren Bünden<lb/> und Jugendgruppen und mit Kokarden und Schleifen, und andernteils eine<lb/> gleichsam anonyme, parteilose und überparteiliche, doch mit einer warmen<lb/> Innigkeit politisch-national eingestimmte Jugendbewegung. Der Kenner wiiß,<lb/> daß in dieser zweiten die stärkere Kraft ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_531"> Bei der Gewandtheit der Parteien in der Werbearbeit und Organisation<lb/> konnten freilich greifbare Erfolge nicht ausbleiben. Doch sobald man vou dem<lb/> politischen Ausdrucksgebiet des Katholizismus, wo alles ziemlich glatt zu<lb/> verlaufen scheint, einmal absteht, hat es nirgends geklappt. Vielleicht tritt die<lb/> Bedrohung und innere Zernagung der geschichtlichen Parteigedanken in der<lb/> Demokratie am deutlichsten hervor. Denn dort ragt der selbständigere Geist<lb/> des jungen Geschlechts in die Partei selber hinein. Dort gibt es neben den<lb/> beiden Flügeln und zwischen ihnen, neben dem „pazifistischen Internationalismus"<lb/> der absoluten Demokratie und dem fortschrittlichen Nepubltkanertum des ehe¬<lb/> maligen Freisinns und der hcrübergewanderten Natioualliberalen eine eigen¬<lb/> tümliche Jugendrichtung, die sich in ganz anderen Jveengängen bewegt, in<lb/> mehr gefühlsmäßig-soziologisch gehaltenen Ideengängen. Sie hat sich bereits<lb/> gewisse offizielle Berücksichtigungen erkämpft. Weniger übersichtlich liegt es auf<lb/> der rechten Seite.</p><lb/> <p xml:id="ID_532"> Die methodische Behandlung der Jüngeren sammelt sich hier im Deutsch-<lb/> nationalen Jugendbund. Wenn man sich mit der Peinlichkeit des Hineiutragsus<lb/> von Politik in die Schule, das bloß eine automatische Folge des herabges.'tzien<lb/> Wahlalters ist, nun schon abfinden muß, so hat der Deutschnationale Jugeud-<lb/> buud ohne Zweifel für die Schülerjahre sein gutes. Denn bei der Art von<lb/> Schulreform, wie sie heute Mode ist, dürfte die kameradschaftliche und Nortrags-<lb/> crziehung in dieser Vereinigung vielleicht als einzige Möglichkeit bleiben, um den<lb/> Heranwachsenden die nationalen Werte der Geschichte überhaupt zur Kenntnis<lb/> und in die Herzen zu bringen. Aber eben dadurch, daß sich der Teutsch¬<lb/> nationale Jugendbund zu eng an die Deutschnationale Volkspartei anlehnt und<lb/> somit vou parteipolitischer Absichten sich abhängig macht, benimmt er sich die<lb/> Kraft eines nachhaltigerem Eindrucks auf die Studentenschaft und die gleich¬<lb/> altrigen Schichten. Zunächst schien er gerade für das studentische Alter von<lb/> anderer Seite aus naiv belebt werden zu sollen, nämlich aus der freideutscheu<lb/> Bewegung hervor.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0156]
Wirkungen willkürlich versperrt. Durch den Wahn von ihrer eigenen Unbedingt-
heit haben sich die Parteien in ein unlösbares Zwangsverhältms gestellt:
entweder nun das, was sie für den Sinn der Politik halten, d. h. in letzter
Linie sich selber, von außen her an die Jugend heranzubringen und in sie
hineinzuschieben, auf diese Weise die Köpfe und Kräfte der jüngeren Generation
einseitig aufzusaugen und hiermit um ihr Bestes, um ihre Selbsttätigkeit,
zu betrügen; oder aber, soweit diese Selbstiätigkeit stärker sein sollte als das
Geschick der parteipolitischer Werbearbeit, den eigenständigen Wuchs und das
seelische Übergewicht eines neuen politischen Lebensgefühls gewissermaßen als
unmündig für immer, als illegitim und vogelfrei erscheinen zu lasse» und eS
demnach zu einer so furchtbaren Heftigkeit der Gegnerschaft zu verurteilen, daß
sich die allmähliche Verkümmerung der überlieferten Parteimächte nicht schwer
voraussehen läßt.
Beinahe sind wir heute ja schon so weit. Es gibt jetzt eigentlich zwei
verschiedene politische Jugendbewegungen in Deutschland: einesteils die partei¬
offizielle jeglicher Färbung, die bereits in Untertertia ansetzt, mit ihren Bünden
und Jugendgruppen und mit Kokarden und Schleifen, und andernteils eine
gleichsam anonyme, parteilose und überparteiliche, doch mit einer warmen
Innigkeit politisch-national eingestimmte Jugendbewegung. Der Kenner wiiß,
daß in dieser zweiten die stärkere Kraft ist.
Bei der Gewandtheit der Parteien in der Werbearbeit und Organisation
konnten freilich greifbare Erfolge nicht ausbleiben. Doch sobald man vou dem
politischen Ausdrucksgebiet des Katholizismus, wo alles ziemlich glatt zu
verlaufen scheint, einmal absteht, hat es nirgends geklappt. Vielleicht tritt die
Bedrohung und innere Zernagung der geschichtlichen Parteigedanken in der
Demokratie am deutlichsten hervor. Denn dort ragt der selbständigere Geist
des jungen Geschlechts in die Partei selber hinein. Dort gibt es neben den
beiden Flügeln und zwischen ihnen, neben dem „pazifistischen Internationalismus"
der absoluten Demokratie und dem fortschrittlichen Nepubltkanertum des ehe¬
maligen Freisinns und der hcrübergewanderten Natioualliberalen eine eigen¬
tümliche Jugendrichtung, die sich in ganz anderen Jveengängen bewegt, in
mehr gefühlsmäßig-soziologisch gehaltenen Ideengängen. Sie hat sich bereits
gewisse offizielle Berücksichtigungen erkämpft. Weniger übersichtlich liegt es auf
der rechten Seite.
Die methodische Behandlung der Jüngeren sammelt sich hier im Deutsch-
nationalen Jugendbund. Wenn man sich mit der Peinlichkeit des Hineiutragsus
von Politik in die Schule, das bloß eine automatische Folge des herabges.'tzien
Wahlalters ist, nun schon abfinden muß, so hat der Deutschnationale Jugeud-
buud ohne Zweifel für die Schülerjahre sein gutes. Denn bei der Art von
Schulreform, wie sie heute Mode ist, dürfte die kameradschaftliche und Nortrags-
crziehung in dieser Vereinigung vielleicht als einzige Möglichkeit bleiben, um den
Heranwachsenden die nationalen Werte der Geschichte überhaupt zur Kenntnis
und in die Herzen zu bringen. Aber eben dadurch, daß sich der Teutsch¬
nationale Jugendbund zu eng an die Deutschnationale Volkspartei anlehnt und
somit vou parteipolitischer Absichten sich abhängig macht, benimmt er sich die
Kraft eines nachhaltigerem Eindrucks auf die Studentenschaft und die gleich¬
altrigen Schichten. Zunächst schien er gerade für das studentische Alter von
anderer Seite aus naiv belebt werden zu sollen, nämlich aus der freideutscheu
Bewegung hervor.
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