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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Gewalt und Recht

Staaten übrig geblieben, wenige zwar und nicht sehr mächtige; aber wir legen
doch Wert darauf, daß auch sie sich an der Bürgschaft für die Dauer der gegen¬
wärtigen Machtverteilung beteiligen."

Angenommen nun, Deutschland hört eines Tages auf, vollkommen machtlos
zu sein, so wird es gar nicht anders können als nach einer Realisierung seines
Machtzuwachses in seinen internationalen Beziehungen zu streben. Da nun seine
iniernaiionale Geltung zur Zeit seiner vollendeten Ohnmacht zweifach völkerrechtlich
fixiert wurde, durch das Friedensinstrument und durch den Völkerbund, so wird,
sobald seine physische Gewalt auch nur wenig zunimmt, eine Spannung zwischen
ihr und ihren beiden völkerrechtlichen Fixierungen eintreten. Bei dem Streben,
diese Spannung durch eine seinem Machtzuwachs Rechnung tragende Änderung
der beiden völkerrechtlichen Instrumente auszugleichen, wird Deutschland notwendig
auf doppelten Widerstand stoßen: seiner alten Feinde und des Völkerbundes.
Denn wenn selbst die nicht unmittelbar an Deutschlands Niederhalumg interessierten
Glieder des Völkerbundes geneigt wären, die Berechtigung seines Anspruches
anzuerkennen, so würden sie sich doch hüten, dies durch ihr Votum zu bekräftigen,
selbst wenn sie dadurch eine Majorität zu Deutschlands Gunsten schaffen könnten.
Sie alle wußten zu gut, daß die Deutschland feindlichen Großmächte sich durch
Majoritätsbeschlüsse niemals hindern lassen würden, ihren Sieg bis zum letzten
Heller zu realisieren; daß sie es niemals dulden würden, daß das völkerrechtliche
Instrument, das sie zur'Verewigung der Ohnmacht Deutschlands geschaffen, sich
gegen sie selber kehre; daß. mit einem Worte, Recht vor Gewalt gehe. Als
Osterreich den Versuch machte, Preußen durch das völkerrechtliche Instrument des
deutschen Bundes zu majorisieren, zu einer Zeit als die physische Gewalt Preußens
aus diesem Nechtskleide herausgewachsen war, da konnte es gar nicht anders
kommen als daß Preußen den deutschen Vuud sprengte und zur Feststellung der
wahren Gewaltenverhältnisses zwischen ihm und Österreich schritt -- da Preußen
und Österreich die einzigen Großmächte im deutschen Bunde waren, so genügte eine
retati" geringe Spannung zwischen physischer Gewalt und völkerrechtlicher Geltung,
"in dem Stärkeren ein gewaltsames Feststellun^gsverfahren aussichtsreich erscheinen
zu lassen. Sollte jemals Deutschland allein mit der geringsten Aussicht auf
Erfolg eine Revision des Völkerbundinstrumentes erzwingen wollen, so müßte
vorher die Spannung zwischen seiner physischen Gewalt und ihrer völkerrechtlichen
Fixierung ganz ungeheuer geworden sein. Aber zu einer solchen Spannung
werden es seine Gegner gar nicht kommen lassen. Sobald sie sehen werden, daß
Deutschland sich ernsthaft erholt, daß es seinen Kraftzuwachs zu fühlen und
notwendig eine selbstbewußtere Politik zu treiben anfängt, werden sie das Völker-
vundinstrument aktiv gegen Deutschland kehren, und wenn seine willkürlichste
Handhabung nicht mehr ausreicht, um Deutschland niederzuhalten, dann werden
sie eben durch Majoritätsbeschluß -- und ihnen wird die Majorität gewiß sein
^ seine Satzungen dergestalt ändern, daß sie ihren Zweck, die rechtliche Verewigung
der Ohnmacht Deutschlands, weiter erfüllen können.

. Nein -- aus eigener Kraft allein wird Deutschland eine Korrektur dieses
Friedens nie erzwingen können. Es nutz auf fremde Hilfe, auf eine Spaltung
un Lager seiner Feinde hoffen. Zwar unsere Regierenden schwören bei jeder
Gelegenheit diese Hoffnung laut und möglicherweise ehrlich ab. Vielleicht wollen
ne durch dieses s^crikiLium intellectus. durch diesen feierlichen Verzicht auf jede
Fähigkeit, die Lehren der Geschichte zu begreifen, nur die Echtheit ihrer demotrattschen
Gesinnung erhärten; nur Böswillige könnten dein Mittel Beweiskraft absprechen.
Und doch ist diese Hoffnung notwendig vorhanden, solange als es noch ein deutsches
Ctaatsgefühl gibt, als noch Deutsche leben, die fähig sind, unter der Ohnmacht
des Reiches zu leiden. Die gegenwärtige Regierung mit ihrem lasterhaften Hange
Zur Allerweltsliebe ist dazu physiologisch außerstande; darum ist auch ihre Hoffnung
auf eine bessere Zukunft leichtfertig und unheilig. Denn nicht würdelose Versöhn-
"edlen und Verbrüderlichkeit, auch nicht hündisches Abschwören jedes Machtwillens
wird uns dieser besseren Zukunft näher bringen; so bequem wird uns der steile


Gewalt und Recht

Staaten übrig geblieben, wenige zwar und nicht sehr mächtige; aber wir legen
doch Wert darauf, daß auch sie sich an der Bürgschaft für die Dauer der gegen¬
wärtigen Machtverteilung beteiligen."

Angenommen nun, Deutschland hört eines Tages auf, vollkommen machtlos
zu sein, so wird es gar nicht anders können als nach einer Realisierung seines
Machtzuwachses in seinen internationalen Beziehungen zu streben. Da nun seine
iniernaiionale Geltung zur Zeit seiner vollendeten Ohnmacht zweifach völkerrechtlich
fixiert wurde, durch das Friedensinstrument und durch den Völkerbund, so wird,
sobald seine physische Gewalt auch nur wenig zunimmt, eine Spannung zwischen
ihr und ihren beiden völkerrechtlichen Fixierungen eintreten. Bei dem Streben,
diese Spannung durch eine seinem Machtzuwachs Rechnung tragende Änderung
der beiden völkerrechtlichen Instrumente auszugleichen, wird Deutschland notwendig
auf doppelten Widerstand stoßen: seiner alten Feinde und des Völkerbundes.
Denn wenn selbst die nicht unmittelbar an Deutschlands Niederhalumg interessierten
Glieder des Völkerbundes geneigt wären, die Berechtigung seines Anspruches
anzuerkennen, so würden sie sich doch hüten, dies durch ihr Votum zu bekräftigen,
selbst wenn sie dadurch eine Majorität zu Deutschlands Gunsten schaffen könnten.
Sie alle wußten zu gut, daß die Deutschland feindlichen Großmächte sich durch
Majoritätsbeschlüsse niemals hindern lassen würden, ihren Sieg bis zum letzten
Heller zu realisieren; daß sie es niemals dulden würden, daß das völkerrechtliche
Instrument, das sie zur'Verewigung der Ohnmacht Deutschlands geschaffen, sich
gegen sie selber kehre; daß. mit einem Worte, Recht vor Gewalt gehe. Als
Osterreich den Versuch machte, Preußen durch das völkerrechtliche Instrument des
deutschen Bundes zu majorisieren, zu einer Zeit als die physische Gewalt Preußens
aus diesem Nechtskleide herausgewachsen war, da konnte es gar nicht anders
kommen als daß Preußen den deutschen Vuud sprengte und zur Feststellung der
wahren Gewaltenverhältnisses zwischen ihm und Österreich schritt — da Preußen
und Österreich die einzigen Großmächte im deutschen Bunde waren, so genügte eine
retati» geringe Spannung zwischen physischer Gewalt und völkerrechtlicher Geltung,
»in dem Stärkeren ein gewaltsames Feststellun^gsverfahren aussichtsreich erscheinen
zu lassen. Sollte jemals Deutschland allein mit der geringsten Aussicht auf
Erfolg eine Revision des Völkerbundinstrumentes erzwingen wollen, so müßte
vorher die Spannung zwischen seiner physischen Gewalt und ihrer völkerrechtlichen
Fixierung ganz ungeheuer geworden sein. Aber zu einer solchen Spannung
werden es seine Gegner gar nicht kommen lassen. Sobald sie sehen werden, daß
Deutschland sich ernsthaft erholt, daß es seinen Kraftzuwachs zu fühlen und
notwendig eine selbstbewußtere Politik zu treiben anfängt, werden sie das Völker-
vundinstrument aktiv gegen Deutschland kehren, und wenn seine willkürlichste
Handhabung nicht mehr ausreicht, um Deutschland niederzuhalten, dann werden
sie eben durch Majoritätsbeschluß — und ihnen wird die Majorität gewiß sein
^ seine Satzungen dergestalt ändern, daß sie ihren Zweck, die rechtliche Verewigung
der Ohnmacht Deutschlands, weiter erfüllen können.

. Nein — aus eigener Kraft allein wird Deutschland eine Korrektur dieses
Friedens nie erzwingen können. Es nutz auf fremde Hilfe, auf eine Spaltung
un Lager seiner Feinde hoffen. Zwar unsere Regierenden schwören bei jeder
Gelegenheit diese Hoffnung laut und möglicherweise ehrlich ab. Vielleicht wollen
ne durch dieses s^crikiLium intellectus. durch diesen feierlichen Verzicht auf jede
Fähigkeit, die Lehren der Geschichte zu begreifen, nur die Echtheit ihrer demotrattschen
Gesinnung erhärten; nur Böswillige könnten dein Mittel Beweiskraft absprechen.
Und doch ist diese Hoffnung notwendig vorhanden, solange als es noch ein deutsches
Ctaatsgefühl gibt, als noch Deutsche leben, die fähig sind, unter der Ohnmacht
des Reiches zu leiden. Die gegenwärtige Regierung mit ihrem lasterhaften Hange
Zur Allerweltsliebe ist dazu physiologisch außerstande; darum ist auch ihre Hoffnung
auf eine bessere Zukunft leichtfertig und unheilig. Denn nicht würdelose Versöhn-
«edlen und Verbrüderlichkeit, auch nicht hündisches Abschwören jedes Machtwillens
wird uns dieser besseren Zukunft näher bringen; so bequem wird uns der steile


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[0141] Gewalt und Recht Staaten übrig geblieben, wenige zwar und nicht sehr mächtige; aber wir legen doch Wert darauf, daß auch sie sich an der Bürgschaft für die Dauer der gegen¬ wärtigen Machtverteilung beteiligen." Angenommen nun, Deutschland hört eines Tages auf, vollkommen machtlos zu sein, so wird es gar nicht anders können als nach einer Realisierung seines Machtzuwachses in seinen internationalen Beziehungen zu streben. Da nun seine iniernaiionale Geltung zur Zeit seiner vollendeten Ohnmacht zweifach völkerrechtlich fixiert wurde, durch das Friedensinstrument und durch den Völkerbund, so wird, sobald seine physische Gewalt auch nur wenig zunimmt, eine Spannung zwischen ihr und ihren beiden völkerrechtlichen Fixierungen eintreten. Bei dem Streben, diese Spannung durch eine seinem Machtzuwachs Rechnung tragende Änderung der beiden völkerrechtlichen Instrumente auszugleichen, wird Deutschland notwendig auf doppelten Widerstand stoßen: seiner alten Feinde und des Völkerbundes. Denn wenn selbst die nicht unmittelbar an Deutschlands Niederhalumg interessierten Glieder des Völkerbundes geneigt wären, die Berechtigung seines Anspruches anzuerkennen, so würden sie sich doch hüten, dies durch ihr Votum zu bekräftigen, selbst wenn sie dadurch eine Majorität zu Deutschlands Gunsten schaffen könnten. Sie alle wußten zu gut, daß die Deutschland feindlichen Großmächte sich durch Majoritätsbeschlüsse niemals hindern lassen würden, ihren Sieg bis zum letzten Heller zu realisieren; daß sie es niemals dulden würden, daß das völkerrechtliche Instrument, das sie zur'Verewigung der Ohnmacht Deutschlands geschaffen, sich gegen sie selber kehre; daß. mit einem Worte, Recht vor Gewalt gehe. Als Osterreich den Versuch machte, Preußen durch das völkerrechtliche Instrument des deutschen Bundes zu majorisieren, zu einer Zeit als die physische Gewalt Preußens aus diesem Nechtskleide herausgewachsen war, da konnte es gar nicht anders kommen als daß Preußen den deutschen Vuud sprengte und zur Feststellung der wahren Gewaltenverhältnisses zwischen ihm und Österreich schritt — da Preußen und Österreich die einzigen Großmächte im deutschen Bunde waren, so genügte eine retati» geringe Spannung zwischen physischer Gewalt und völkerrechtlicher Geltung, »in dem Stärkeren ein gewaltsames Feststellun^gsverfahren aussichtsreich erscheinen zu lassen. Sollte jemals Deutschland allein mit der geringsten Aussicht auf Erfolg eine Revision des Völkerbundinstrumentes erzwingen wollen, so müßte vorher die Spannung zwischen seiner physischen Gewalt und ihrer völkerrechtlichen Fixierung ganz ungeheuer geworden sein. Aber zu einer solchen Spannung werden es seine Gegner gar nicht kommen lassen. Sobald sie sehen werden, daß Deutschland sich ernsthaft erholt, daß es seinen Kraftzuwachs zu fühlen und notwendig eine selbstbewußtere Politik zu treiben anfängt, werden sie das Völker- vundinstrument aktiv gegen Deutschland kehren, und wenn seine willkürlichste Handhabung nicht mehr ausreicht, um Deutschland niederzuhalten, dann werden sie eben durch Majoritätsbeschluß — und ihnen wird die Majorität gewiß sein ^ seine Satzungen dergestalt ändern, daß sie ihren Zweck, die rechtliche Verewigung der Ohnmacht Deutschlands, weiter erfüllen können. . Nein — aus eigener Kraft allein wird Deutschland eine Korrektur dieses Friedens nie erzwingen können. Es nutz auf fremde Hilfe, auf eine Spaltung un Lager seiner Feinde hoffen. Zwar unsere Regierenden schwören bei jeder Gelegenheit diese Hoffnung laut und möglicherweise ehrlich ab. Vielleicht wollen ne durch dieses s^crikiLium intellectus. durch diesen feierlichen Verzicht auf jede Fähigkeit, die Lehren der Geschichte zu begreifen, nur die Echtheit ihrer demotrattschen Gesinnung erhärten; nur Böswillige könnten dein Mittel Beweiskraft absprechen. Und doch ist diese Hoffnung notwendig vorhanden, solange als es noch ein deutsches Ctaatsgefühl gibt, als noch Deutsche leben, die fähig sind, unter der Ohnmacht des Reiches zu leiden. Die gegenwärtige Regierung mit ihrem lasterhaften Hange Zur Allerweltsliebe ist dazu physiologisch außerstande; darum ist auch ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft leichtfertig und unheilig. Denn nicht würdelose Versöhn- «edlen und Verbrüderlichkeit, auch nicht hündisches Abschwören jedes Machtwillens wird uns dieser besseren Zukunft näher bringen; so bequem wird uns der steile

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/141>, abgerufen am 15.01.2025.