Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Prometheus idealistische Theoretiker Bethmann Hovweg, als auch der robuste, hellsichtige Jedes Menschen Lebenscrfolg ist das Produkt zweier Faktoren: d-r sub¬ Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Wille zur Weltmacht auf unab¬ !) Verlag von K. F. Koester in Leipzig. Preis geh. 20 Mari, geb. 2ö Mark.
Prometheus idealistische Theoretiker Bethmann Hovweg, als auch der robuste, hellsichtige Jedes Menschen Lebenscrfolg ist das Produkt zweier Faktoren: d-r sub¬ Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Wille zur Weltmacht auf unab¬ !) Verlag von K. F. Koester in Leipzig. Preis geh. 20 Mari, geb. 2ö Mark.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0130" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336420"/> <fw type="header" place="top"> Prometheus</fw><lb/> <p xml:id="ID_432" prev="#ID_431"> idealistische Theoretiker Bethmann Hovweg, als auch der robuste, hellsichtige<lb/> und tatenfrohe Realist Tirpitz sind typisch deutsche Männer, die dem Grundzug<lb/> ihres Wesens gemäß in ihren politischen Überzeugungen auseinanderstrebten<lb/> und das deutsche Volk, eben weil es in ihnen Züge seiner eigensten Wesenheit<lb/> wiederfand, zur Parteinahme zwangen. Keinem von beiden gelang es die<lb/> Deutschen zu einen, beide haben das Spiel verloren.</p><lb/> <p xml:id="ID_433"> Jedes Menschen Lebenscrfolg ist das Produkt zweier Faktoren: d-r sub¬<lb/> jektiven Leistungsfähigkeit und der objektiv n Konstellation für seine Wirksamkeit.<lb/> Es mag schon sein, daß die Ursache des Mißerfolgs bei Bethmann Hollweg<lb/> auf dem subjektiven, bei Tirpitz auf dem objektiven Gebiete lag. So wenigstens<lb/> klingt's aus ihren Niederschriften. In Bethmann Hollwegs Betrachtungen sieht<lb/> man einen Menschen mit dem übermächtigen Schicksal ringen, sein Arm erlahmt<lb/> im Kampf und der Ton müder Entsagung klingt leise an — sapienti 8at est<lb/> voluisse! Durch Tirpitz' Erinnerungen^) aber tönt die prometheische Klage<lb/> der gefesselten Kraft. Er glaubt das Schicksal meistern zu können und sieht<lb/> sich gehemmt, geknebelt, an den Felsen menschlicher Torheit geschmiedet. Mag<lb/> sein, daß seine Kühnheit ihn über die subjektiven Möglichkeiten des Erfolges<lb/> täuschte. Der Boden für fein Wirken war jedenfalls nicht bereitet, da der<lb/> weltpolitifche Instinkt des deutschen Volkes versagte. Hätte es begriffen, was<lb/> Selbstbehauptung in der Politik bedeutet, begriffe«, wofür «s blutete und litt,<lb/> so hätte es in seimr Seele statt des milden Lichts der Langmut die lodernde<lb/> Flamme der Begeisterung entzündet und nach dem Führer geschrien, der den<lb/> elementaren Ausbruch seines Lebenswillens in starker Hund zusammenraffte zum<lb/> großen Schlage. Mag sein, daß wir gescheitert wären, auch wenn ein Tirpitz<lb/> unser Führer war. Es verlohnt sich nicht, darüber zu streiten. Wir setzen<lb/> unserer im Kriege offenbarten politischen Torheit und Verblendung die Krone<lb/> auf, wenn wir nicht den Mut finden, den dicken Strich unter die Vergangenheit<lb/> zu ziehen und nicht zu richten, weil wir allesamt gerichtet sind. Eins ist gewiß 7<lb/> über die Bedeutung der Tirpitzschen politischen Konzeptionen haben den meisten<lb/> Deutschen et se die Feinde die Augen geöffnet, indem sie uns den Frieden von<lb/> Versailles diktierten. Tirpitz wußte, was sie unter Englands Führung wollten<lb/> und diesen Willen in Schach zu hglten. war seines Lebens Ziel.</p><lb/> <p xml:id="ID_434" next="#ID_435"> Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Wille zur Weltmacht auf unab¬<lb/> sichtlicher Wirtschaftsentwicklung und natürlicher Kräfteverschiebung ruht. Tirpitz<lb/> war überzeugt, daß einem nicht von eigner Seemacht getragenen Außenhandel<lb/> von fremden Mächten jederzeit eine Grenze gesteckt werden kann, daß die deutsche<lb/> industrielle und kommerzielle Entwicklung much der Michsgründnng nur möglich<lb/> war, weil England den Grundsatz des Freihandels auf sein Panier geschrieben<lb/> hatte und daß es in seinem Belieben lag. die deutsche Konkurrenz zu unter¬<lb/> binden. Einst hat ein Engländer treffend geschrieben: „Der Handel erzeugt<lb/> entweder eins Marine, welche stark genug ist. ihn zu schützen öder er geht in<lb/> die Hände von fremden Kaufleuten über, welche solchen Schutz genießen." Eine<lb/> noch schlimmere Folge ist aber, daß der ungeschützte, in seiner Bewegungs¬<lb/> freiheit gehemmte Kaufmann im Auslande im fremden Volkstum untergeht.<lb/> Ihm bleibt oft keine andere Wahl, um sich eine Lebensmöglichkeit zu schaffen.<lb/> Für Tirpitz spannte sich die Notwendigkeit, den ins Ausland abfließenden Be¬<lb/> völkerungsüberschuß deutsch zu erhalten in den Rahmen naturgesetzlicher Ge¬<lb/> schehens: mit den Aufstieg Deutschlands zum Weltindustrie- und Handelsstaat,<lb/> der seine eigenen Wege geht und sich selbst zu schützen weiß, mußte sich das</p><lb/> <note xml:id="FID_9" place="foot"> !) Verlag von K. F. Koester in Leipzig. Preis geh. 20 Mari, geb. 2ö Mark.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0130]
Prometheus
idealistische Theoretiker Bethmann Hovweg, als auch der robuste, hellsichtige
und tatenfrohe Realist Tirpitz sind typisch deutsche Männer, die dem Grundzug
ihres Wesens gemäß in ihren politischen Überzeugungen auseinanderstrebten
und das deutsche Volk, eben weil es in ihnen Züge seiner eigensten Wesenheit
wiederfand, zur Parteinahme zwangen. Keinem von beiden gelang es die
Deutschen zu einen, beide haben das Spiel verloren.
Jedes Menschen Lebenscrfolg ist das Produkt zweier Faktoren: d-r sub¬
jektiven Leistungsfähigkeit und der objektiv n Konstellation für seine Wirksamkeit.
Es mag schon sein, daß die Ursache des Mißerfolgs bei Bethmann Hollweg
auf dem subjektiven, bei Tirpitz auf dem objektiven Gebiete lag. So wenigstens
klingt's aus ihren Niederschriften. In Bethmann Hollwegs Betrachtungen sieht
man einen Menschen mit dem übermächtigen Schicksal ringen, sein Arm erlahmt
im Kampf und der Ton müder Entsagung klingt leise an — sapienti 8at est
voluisse! Durch Tirpitz' Erinnerungen^) aber tönt die prometheische Klage
der gefesselten Kraft. Er glaubt das Schicksal meistern zu können und sieht
sich gehemmt, geknebelt, an den Felsen menschlicher Torheit geschmiedet. Mag
sein, daß seine Kühnheit ihn über die subjektiven Möglichkeiten des Erfolges
täuschte. Der Boden für fein Wirken war jedenfalls nicht bereitet, da der
weltpolitifche Instinkt des deutschen Volkes versagte. Hätte es begriffen, was
Selbstbehauptung in der Politik bedeutet, begriffe«, wofür «s blutete und litt,
so hätte es in seimr Seele statt des milden Lichts der Langmut die lodernde
Flamme der Begeisterung entzündet und nach dem Führer geschrien, der den
elementaren Ausbruch seines Lebenswillens in starker Hund zusammenraffte zum
großen Schlage. Mag sein, daß wir gescheitert wären, auch wenn ein Tirpitz
unser Führer war. Es verlohnt sich nicht, darüber zu streiten. Wir setzen
unserer im Kriege offenbarten politischen Torheit und Verblendung die Krone
auf, wenn wir nicht den Mut finden, den dicken Strich unter die Vergangenheit
zu ziehen und nicht zu richten, weil wir allesamt gerichtet sind. Eins ist gewiß 7
über die Bedeutung der Tirpitzschen politischen Konzeptionen haben den meisten
Deutschen et se die Feinde die Augen geöffnet, indem sie uns den Frieden von
Versailles diktierten. Tirpitz wußte, was sie unter Englands Führung wollten
und diesen Willen in Schach zu hglten. war seines Lebens Ziel.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Wille zur Weltmacht auf unab¬
sichtlicher Wirtschaftsentwicklung und natürlicher Kräfteverschiebung ruht. Tirpitz
war überzeugt, daß einem nicht von eigner Seemacht getragenen Außenhandel
von fremden Mächten jederzeit eine Grenze gesteckt werden kann, daß die deutsche
industrielle und kommerzielle Entwicklung much der Michsgründnng nur möglich
war, weil England den Grundsatz des Freihandels auf sein Panier geschrieben
hatte und daß es in seinem Belieben lag. die deutsche Konkurrenz zu unter¬
binden. Einst hat ein Engländer treffend geschrieben: „Der Handel erzeugt
entweder eins Marine, welche stark genug ist. ihn zu schützen öder er geht in
die Hände von fremden Kaufleuten über, welche solchen Schutz genießen." Eine
noch schlimmere Folge ist aber, daß der ungeschützte, in seiner Bewegungs¬
freiheit gehemmte Kaufmann im Auslande im fremden Volkstum untergeht.
Ihm bleibt oft keine andere Wahl, um sich eine Lebensmöglichkeit zu schaffen.
Für Tirpitz spannte sich die Notwendigkeit, den ins Ausland abfließenden Be¬
völkerungsüberschuß deutsch zu erhalten in den Rahmen naturgesetzlicher Ge¬
schehens: mit den Aufstieg Deutschlands zum Weltindustrie- und Handelsstaat,
der seine eigenen Wege geht und sich selbst zu schützen weiß, mußte sich das
!) Verlag von K. F. Koester in Leipzig. Preis geh. 20 Mari, geb. 2ö Mark.
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