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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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gehindert, daß sie ihre Druckmittel gegen die Utopisten richtete, die eine unhaltbare
außenpolitische Stellung gegen den Willen der Sieger im Weltkrieg zu verteidigen
hofften. Von einer neuen politischen Niederlage Deutschlands zu reden, ist un¬
berechtigt, die Räui' ung des Baltikums ergibt sich als logische Folge des an¬
scheinend in seiner Tiagweite noch immer nicht voll gewürdigten Friedensvertrages.

Welche Stellung wird nun Deutschland Rußland gegenüber einzunehmen
haben? Ich glaube, da uns alle Machtmittel ans der Hand geschlagen sind,
eine neutrale und abwartende. "Für die deutsche Regierung", hat der Minister
des Auswärtigen erklärt, "muß der Grundsatz feststehen, daß, wir uns in die
inneren Angelegenheiten des russischen Volkes nicht einmischen". Wir haben
keinerlei Interesse daran, für eine sehr weitgehend an England gebundene russische
Reaktionsregierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Und den Bolsche¬
wismus zu unterstützen, könnte nicht nur für uns selbst gefährlich werden, sondern
würde auch von der Entente, die uns so wie so für den Bolschewismus verant¬
wortlich macht und ständig, über die deutschen Versprengten, die notgedrungen
oder freiwillig im bolschewistischen Heere kämpfen, Klage führt, mit allen ihr zu
Gebote stehenden Machtmitteln, die bekanntlich unabwendbar sind, verhindert
werden. Wozu uns also'in Abenteuer stürzen, deren Ausgang vorläufig unab¬
sehbar ist? Denn auch mit dem anscheinend bevorstehenden Fili' des leicht zu
nehmenden aber schwierig zu haltenden Petersburg ist der Bolschewismus noch
lange nicht besiegt, die verworrene Lage im Baltikum und die Rivalitäten zwischen
den einzelnen im Norden stehenden Antibolschewisienführern können zu schweren
Rückschlägen führen, die Aufstände im Rücken Kvltschaks können sich bei dessen
weiterem Vorgehen wie im Sommer wiederholen und Denikins Stellung wird
durch den Gegensatz zu den Ukiainern oder doch den Truppen Pelluras ge¬
schwächt. Aber selbst wenn die Bvlschewisten von außen oder von innen her
gestürzt imrden, ist die Ruhe in Rußland noch lange nicht wiederhergestellt, dazu
sind die polmschen Anschauungen der Bolschewistengegner gar zu verschieden und
man kann ruhig noch mit einer Reihe weiterer Revolutionen, mindestens innerer
Erschütterungen rechnen. Man darf die inneren Verhältnisse Rußlands auf keinen
Fall mit den deutschen vergleichen. Eine Politik strikter Neutralität ist sür
Deutschland unter den gegebenen Verhältnissen das einzig mögliche.

Allerdings sucht die Blockadenote der Entente uns sowie eine Reihe Neu¬
traler zur Aufgabe dieser neutralen Stellung zu veranlassen. Eine Beteiligung
Deutschlands an einer Blockierung ist ohne Frage und gleichgültig, ob überhaupt
Gelegenheit da ist, sie durchzuführen, ein feindlicher Akt gegen die Bolschewisten-
regierung. Es darf wohl angenommen werden, daß Deutschland mit den übrigen
Regierungen, an die die gleiche Note ergangen ist, Fühlung nimmt. Auf jkden
Fall wird es unzweideutig zu wählen haben. Die Entente kann anführen, daß
es sich bei der Behauptung der Bolschewisten nicht um eine Einmischung in die
inneren russischen Verhältnisse, sondern um Sicherung des Wellfriedens handelt.
Die Bolschewisten haben sich dadurch ins Unrecht > gesetzt, daß sie die Welt¬
revolution ausriefen. Die Werbekraft dieses Gedankens soll nicht verkannt werden,
aber das hindert nicht, daß sie politisch ein schwerer Fehler war, der auf völliger
Verkennung der inneren Verhältnisse der Entenlevölker beruhte und sie unbedingt
im Kampfe gegen dies zerstörerische Element einigen mußte. Der Bolschewismus
ist durch seine revvlutiouierenden Aufrufe und durch die angestrebte Bildung der
dritten Internationale, die die Sache des Proletariats nicht eben gefördert hat, der
Feind aller, auch Deutschlands geworden und seine^Bekämpfung wäre durchaus im
Sinne einer gesunden Völkerbundspolitik, wenigstens solange, als der Bolschewismus
nicht theoretisch und praktisch jede außerrussische Propaganda aufgegeben hat. Wird
Deutschland aber genötigt, oder auch nur aufgefordert, aus seiner Neutralität
hinauszutreten und sich dieser Völkerbundspolitik anzuschließen, so kann es mit
Fug und Recht verlangen, daß es auch als gleichberechtigtes Mitglied des
Völkerbundes aufgenommen wird. Eine wirkliche Durchführung der Blockade ist
in allen Ländern nicht nur von Negierungsmaßnahmen abhängig, sondern


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gehindert, daß sie ihre Druckmittel gegen die Utopisten richtete, die eine unhaltbare
außenpolitische Stellung gegen den Willen der Sieger im Weltkrieg zu verteidigen
hofften. Von einer neuen politischen Niederlage Deutschlands zu reden, ist un¬
berechtigt, die Räui' ung des Baltikums ergibt sich als logische Folge des an¬
scheinend in seiner Tiagweite noch immer nicht voll gewürdigten Friedensvertrages.

Welche Stellung wird nun Deutschland Rußland gegenüber einzunehmen
haben? Ich glaube, da uns alle Machtmittel ans der Hand geschlagen sind,
eine neutrale und abwartende. „Für die deutsche Regierung", hat der Minister
des Auswärtigen erklärt, „muß der Grundsatz feststehen, daß, wir uns in die
inneren Angelegenheiten des russischen Volkes nicht einmischen". Wir haben
keinerlei Interesse daran, für eine sehr weitgehend an England gebundene russische
Reaktionsregierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Und den Bolsche¬
wismus zu unterstützen, könnte nicht nur für uns selbst gefährlich werden, sondern
würde auch von der Entente, die uns so wie so für den Bolschewismus verant¬
wortlich macht und ständig, über die deutschen Versprengten, die notgedrungen
oder freiwillig im bolschewistischen Heere kämpfen, Klage führt, mit allen ihr zu
Gebote stehenden Machtmitteln, die bekanntlich unabwendbar sind, verhindert
werden. Wozu uns also'in Abenteuer stürzen, deren Ausgang vorläufig unab¬
sehbar ist? Denn auch mit dem anscheinend bevorstehenden Fili' des leicht zu
nehmenden aber schwierig zu haltenden Petersburg ist der Bolschewismus noch
lange nicht besiegt, die verworrene Lage im Baltikum und die Rivalitäten zwischen
den einzelnen im Norden stehenden Antibolschewisienführern können zu schweren
Rückschlägen führen, die Aufstände im Rücken Kvltschaks können sich bei dessen
weiterem Vorgehen wie im Sommer wiederholen und Denikins Stellung wird
durch den Gegensatz zu den Ukiainern oder doch den Truppen Pelluras ge¬
schwächt. Aber selbst wenn die Bvlschewisten von außen oder von innen her
gestürzt imrden, ist die Ruhe in Rußland noch lange nicht wiederhergestellt, dazu
sind die polmschen Anschauungen der Bolschewistengegner gar zu verschieden und
man kann ruhig noch mit einer Reihe weiterer Revolutionen, mindestens innerer
Erschütterungen rechnen. Man darf die inneren Verhältnisse Rußlands auf keinen
Fall mit den deutschen vergleichen. Eine Politik strikter Neutralität ist sür
Deutschland unter den gegebenen Verhältnissen das einzig mögliche.

Allerdings sucht die Blockadenote der Entente uns sowie eine Reihe Neu¬
traler zur Aufgabe dieser neutralen Stellung zu veranlassen. Eine Beteiligung
Deutschlands an einer Blockierung ist ohne Frage und gleichgültig, ob überhaupt
Gelegenheit da ist, sie durchzuführen, ein feindlicher Akt gegen die Bolschewisten-
regierung. Es darf wohl angenommen werden, daß Deutschland mit den übrigen
Regierungen, an die die gleiche Note ergangen ist, Fühlung nimmt. Auf jkden
Fall wird es unzweideutig zu wählen haben. Die Entente kann anführen, daß
es sich bei der Behauptung der Bolschewisten nicht um eine Einmischung in die
inneren russischen Verhältnisse, sondern um Sicherung des Wellfriedens handelt.
Die Bolschewisten haben sich dadurch ins Unrecht > gesetzt, daß sie die Welt¬
revolution ausriefen. Die Werbekraft dieses Gedankens soll nicht verkannt werden,
aber das hindert nicht, daß sie politisch ein schwerer Fehler war, der auf völliger
Verkennung der inneren Verhältnisse der Entenlevölker beruhte und sie unbedingt
im Kampfe gegen dies zerstörerische Element einigen mußte. Der Bolschewismus
ist durch seine revvlutiouierenden Aufrufe und durch die angestrebte Bildung der
dritten Internationale, die die Sache des Proletariats nicht eben gefördert hat, der
Feind aller, auch Deutschlands geworden und seine^Bekämpfung wäre durchaus im
Sinne einer gesunden Völkerbundspolitik, wenigstens solange, als der Bolschewismus
nicht theoretisch und praktisch jede außerrussische Propaganda aufgegeben hat. Wird
Deutschland aber genötigt, oder auch nur aufgefordert, aus seiner Neutralität
hinauszutreten und sich dieser Völkerbundspolitik anzuschließen, so kann es mit
Fug und Recht verlangen, daß es auch als gleichberechtigtes Mitglied des
Völkerbundes aufgenommen wird. Eine wirkliche Durchführung der Blockade ist
in allen Ländern nicht nur von Negierungsmaßnahmen abhängig, sondern


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[0126] Rußland gehindert, daß sie ihre Druckmittel gegen die Utopisten richtete, die eine unhaltbare außenpolitische Stellung gegen den Willen der Sieger im Weltkrieg zu verteidigen hofften. Von einer neuen politischen Niederlage Deutschlands zu reden, ist un¬ berechtigt, die Räui' ung des Baltikums ergibt sich als logische Folge des an¬ scheinend in seiner Tiagweite noch immer nicht voll gewürdigten Friedensvertrages. Welche Stellung wird nun Deutschland Rußland gegenüber einzunehmen haben? Ich glaube, da uns alle Machtmittel ans der Hand geschlagen sind, eine neutrale und abwartende. „Für die deutsche Regierung", hat der Minister des Auswärtigen erklärt, „muß der Grundsatz feststehen, daß, wir uns in die inneren Angelegenheiten des russischen Volkes nicht einmischen". Wir haben keinerlei Interesse daran, für eine sehr weitgehend an England gebundene russische Reaktionsregierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Und den Bolsche¬ wismus zu unterstützen, könnte nicht nur für uns selbst gefährlich werden, sondern würde auch von der Entente, die uns so wie so für den Bolschewismus verant¬ wortlich macht und ständig, über die deutschen Versprengten, die notgedrungen oder freiwillig im bolschewistischen Heere kämpfen, Klage führt, mit allen ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln, die bekanntlich unabwendbar sind, verhindert werden. Wozu uns also'in Abenteuer stürzen, deren Ausgang vorläufig unab¬ sehbar ist? Denn auch mit dem anscheinend bevorstehenden Fili' des leicht zu nehmenden aber schwierig zu haltenden Petersburg ist der Bolschewismus noch lange nicht besiegt, die verworrene Lage im Baltikum und die Rivalitäten zwischen den einzelnen im Norden stehenden Antibolschewisienführern können zu schweren Rückschlägen führen, die Aufstände im Rücken Kvltschaks können sich bei dessen weiterem Vorgehen wie im Sommer wiederholen und Denikins Stellung wird durch den Gegensatz zu den Ukiainern oder doch den Truppen Pelluras ge¬ schwächt. Aber selbst wenn die Bvlschewisten von außen oder von innen her gestürzt imrden, ist die Ruhe in Rußland noch lange nicht wiederhergestellt, dazu sind die polmschen Anschauungen der Bolschewistengegner gar zu verschieden und man kann ruhig noch mit einer Reihe weiterer Revolutionen, mindestens innerer Erschütterungen rechnen. Man darf die inneren Verhältnisse Rußlands auf keinen Fall mit den deutschen vergleichen. Eine Politik strikter Neutralität ist sür Deutschland unter den gegebenen Verhältnissen das einzig mögliche. Allerdings sucht die Blockadenote der Entente uns sowie eine Reihe Neu¬ traler zur Aufgabe dieser neutralen Stellung zu veranlassen. Eine Beteiligung Deutschlands an einer Blockierung ist ohne Frage und gleichgültig, ob überhaupt Gelegenheit da ist, sie durchzuführen, ein feindlicher Akt gegen die Bolschewisten- regierung. Es darf wohl angenommen werden, daß Deutschland mit den übrigen Regierungen, an die die gleiche Note ergangen ist, Fühlung nimmt. Auf jkden Fall wird es unzweideutig zu wählen haben. Die Entente kann anführen, daß es sich bei der Behauptung der Bolschewisten nicht um eine Einmischung in die inneren russischen Verhältnisse, sondern um Sicherung des Wellfriedens handelt. Die Bolschewisten haben sich dadurch ins Unrecht > gesetzt, daß sie die Welt¬ revolution ausriefen. Die Werbekraft dieses Gedankens soll nicht verkannt werden, aber das hindert nicht, daß sie politisch ein schwerer Fehler war, der auf völliger Verkennung der inneren Verhältnisse der Entenlevölker beruhte und sie unbedingt im Kampfe gegen dies zerstörerische Element einigen mußte. Der Bolschewismus ist durch seine revvlutiouierenden Aufrufe und durch die angestrebte Bildung der dritten Internationale, die die Sache des Proletariats nicht eben gefördert hat, der Feind aller, auch Deutschlands geworden und seine^Bekämpfung wäre durchaus im Sinne einer gesunden Völkerbundspolitik, wenigstens solange, als der Bolschewismus nicht theoretisch und praktisch jede außerrussische Propaganda aufgegeben hat. Wird Deutschland aber genötigt, oder auch nur aufgefordert, aus seiner Neutralität hinauszutreten und sich dieser Völkerbundspolitik anzuschließen, so kann es mit Fug und Recht verlangen, daß es auch als gleichberechtigtes Mitglied des Völkerbundes aufgenommen wird. Eine wirkliche Durchführung der Blockade ist in allen Ländern nicht nur von Negierungsmaßnahmen abhängig, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/126>, abgerufen am 15.01.2025.