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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Rußland

führung jedoch auf vielleicht ein Jahrhundert hinaus völlige Konzentrierung aller
im weitesten Sinne politisch Wirkeaden Kräfte der Mittelmächte in Anspruch ge¬
nommen hätte und daher nur möglich war, wenn Osterreich im Süden und Süd¬
westen, Deutschland im Westen in keiner Weise in Anspruch genommen war.
Einer Kampfstellung nach Osten und Westen zugleich wäre Deutschlands politische
Kraft selbst bei völligem militärischen Siege auf die Dauer keinesfalls gewachsen
gewesen. Ließ sich aber die Nandstaatenpolitik nicht in dem oben angedeuteten
Sinne durchführen, so wurde besonders, wenn man nicht auf eine Abtretung von
Preußisch-Polen eingehen wollte, logischerweise auch eine deutschorientierte Auto¬
nomie deS Baltikums auf die Dauer unhaltbar, da sie stetig für den russischen
Kernstaat einen Anlaß gebildet hätte, sich mit einem unbefriedigten Polen zur
Gewinnung der rujsischerseits verlorenen und polnischerseits erstrebten Ostseestellung
gegen Deutschland zu verbinden. Daraus erhellt, daß mit dem Zusammenbruch
der deuischen Nandstaatenpolitik auch die einen Teil davon bildende Baltenpolitik
unhaltbar wurde. Was man 1905 versäumt hatte, die Stellung der deutsch-
ballischen Minderheit durch Verhandlungen mit Rußland sicher zu stellen, konnte
jetzt, da Deutschland seine alte Machtstellung eingebüßt, nicht mehr nachgeholt
werden, das lettische Nationalbewußtsein war zu stark geworden, als daß es sich
durch Rücksichten der Dankbarkeit dafür, daß deutsche Truppen das Land vor
Überflutung durch den Bolschewismus bewahrt hatten, bewogen gefühlt hätte, der
deutsche" Minderheit die Führerschaft oder auch nur Gleichberechtigung zuzueikennen.
Was man hätte durchsetzen können, wäre allenfalls eine rein deutsch-baltische
Mu-oritätenpolitik gewesen, die zur Sicherung ihrer kulturellen Rechte an Wilson
appelliert, von sich aus aber jede Zusammenarbeit mit Reichsdeutschen abgelehnt
hätte. Dieser Weg ist vermutlich deshalb nicht gangbar gewesen, weil ohne den
Schutz der deutschen Truppen die Deutsch-Ballen der inneren esthnischen und
letiischen Bolschewistenbewcgung erlegen wären und daher die Deutschen zu des¬
avouieren nicht imstande waren. Es gab auch noch einen andern Weg: sich
deutscherseits mit den großrussischen Bolschewistengegneru zu verbinden und als
Lohn für die Befreiung Petersburgs durch deutsche Truppen Sicherstellung der
Deutsch-Ballen zu verlangen. Aber wir wissen ja alle, daß dieser Plan infolge
der durch die Revolution in Deutschland und im Heere entstandenen Verhältnisse
undurchführbar gewesen ist. Und im Sommer, nachdem die Verhältnisse sich
in Deutschland und im Heere wieder stabilisiert hatten, war es bereits zu spät,,
da jetzt die Engländer den festen Entschluß gefaßt hatten, die Deutschen zu
eliminieren.

Die Haltung, die die deutsche Negierung in der ganzen Frage eingenommen
hat, zu kritisieren, ist leicht. Es ist sicher unendlich schmerzlich, nicht nur den
Traum eines deutschen Baltikums aufgeben, sondern zusehen zu müssen, wie die
letzten der deutschen Stammesbrüder an der Ostsee dem Untergange entgegengehen.
In ihrem eigenen Interesse wie in dem der Ballen lag es, die nach Westen
brausende Woge des Bolschewismus zunächst zu hemmen, und daß sie diese Beschützer-
täiigkeit durch Nachschub an Mannschaft und Material unterstützte, können ihr
nur Ideologen, die an die welterlösende Aufgabe des Bolschewismus glauben,
oder Narren, denen trotz der Vorgänge in unsern im Westen besetzt gehaltenen
Gebieten ein keltischer Bauer immer noch mehr wert ist als ein deutscher Bürger
(die "Junker" und "Barone" sind bekanntlich eine gröbliche Übertreibung) zum
Vorwurf machen, daß sie aber jetzt die im Friedensvertrag eingegangenen Ver¬
pflichtungen einzuhalten genötigt ist, kann nur unentwegter Eigensinn verkennen,
der nicht mit den wirklichen Machtverhälinissen rechnet. Daß bei den Anwerbungen
Land versprochen ist. war ein grober Unfug, auf den jedoch Angehörige des politisch
angeblich so reifen Volkes nicht hätten hineinfallen dürfen und den die Regierung
bei dem damals infolge der Verhältnisse kaum zu verhindernden selbständigen
Vorgehen der einzelnen Werbestellen kaum Einhalt zu tun die Macht gehabt hätte.
Daß sie den Abzug zunächst nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben hat, ist
möglich, aber gerade die ständigen Unruhen der deutschen Radikalen haben es


Rußland

führung jedoch auf vielleicht ein Jahrhundert hinaus völlige Konzentrierung aller
im weitesten Sinne politisch Wirkeaden Kräfte der Mittelmächte in Anspruch ge¬
nommen hätte und daher nur möglich war, wenn Osterreich im Süden und Süd¬
westen, Deutschland im Westen in keiner Weise in Anspruch genommen war.
Einer Kampfstellung nach Osten und Westen zugleich wäre Deutschlands politische
Kraft selbst bei völligem militärischen Siege auf die Dauer keinesfalls gewachsen
gewesen. Ließ sich aber die Nandstaatenpolitik nicht in dem oben angedeuteten
Sinne durchführen, so wurde besonders, wenn man nicht auf eine Abtretung von
Preußisch-Polen eingehen wollte, logischerweise auch eine deutschorientierte Auto¬
nomie deS Baltikums auf die Dauer unhaltbar, da sie stetig für den russischen
Kernstaat einen Anlaß gebildet hätte, sich mit einem unbefriedigten Polen zur
Gewinnung der rujsischerseits verlorenen und polnischerseits erstrebten Ostseestellung
gegen Deutschland zu verbinden. Daraus erhellt, daß mit dem Zusammenbruch
der deuischen Nandstaatenpolitik auch die einen Teil davon bildende Baltenpolitik
unhaltbar wurde. Was man 1905 versäumt hatte, die Stellung der deutsch-
ballischen Minderheit durch Verhandlungen mit Rußland sicher zu stellen, konnte
jetzt, da Deutschland seine alte Machtstellung eingebüßt, nicht mehr nachgeholt
werden, das lettische Nationalbewußtsein war zu stark geworden, als daß es sich
durch Rücksichten der Dankbarkeit dafür, daß deutsche Truppen das Land vor
Überflutung durch den Bolschewismus bewahrt hatten, bewogen gefühlt hätte, der
deutsche» Minderheit die Führerschaft oder auch nur Gleichberechtigung zuzueikennen.
Was man hätte durchsetzen können, wäre allenfalls eine rein deutsch-baltische
Mu-oritätenpolitik gewesen, die zur Sicherung ihrer kulturellen Rechte an Wilson
appelliert, von sich aus aber jede Zusammenarbeit mit Reichsdeutschen abgelehnt
hätte. Dieser Weg ist vermutlich deshalb nicht gangbar gewesen, weil ohne den
Schutz der deutschen Truppen die Deutsch-Ballen der inneren esthnischen und
letiischen Bolschewistenbewcgung erlegen wären und daher die Deutschen zu des¬
avouieren nicht imstande waren. Es gab auch noch einen andern Weg: sich
deutscherseits mit den großrussischen Bolschewistengegneru zu verbinden und als
Lohn für die Befreiung Petersburgs durch deutsche Truppen Sicherstellung der
Deutsch-Ballen zu verlangen. Aber wir wissen ja alle, daß dieser Plan infolge
der durch die Revolution in Deutschland und im Heere entstandenen Verhältnisse
undurchführbar gewesen ist. Und im Sommer, nachdem die Verhältnisse sich
in Deutschland und im Heere wieder stabilisiert hatten, war es bereits zu spät,,
da jetzt die Engländer den festen Entschluß gefaßt hatten, die Deutschen zu
eliminieren.

Die Haltung, die die deutsche Negierung in der ganzen Frage eingenommen
hat, zu kritisieren, ist leicht. Es ist sicher unendlich schmerzlich, nicht nur den
Traum eines deutschen Baltikums aufgeben, sondern zusehen zu müssen, wie die
letzten der deutschen Stammesbrüder an der Ostsee dem Untergange entgegengehen.
In ihrem eigenen Interesse wie in dem der Ballen lag es, die nach Westen
brausende Woge des Bolschewismus zunächst zu hemmen, und daß sie diese Beschützer-
täiigkeit durch Nachschub an Mannschaft und Material unterstützte, können ihr
nur Ideologen, die an die welterlösende Aufgabe des Bolschewismus glauben,
oder Narren, denen trotz der Vorgänge in unsern im Westen besetzt gehaltenen
Gebieten ein keltischer Bauer immer noch mehr wert ist als ein deutscher Bürger
(die „Junker" und „Barone" sind bekanntlich eine gröbliche Übertreibung) zum
Vorwurf machen, daß sie aber jetzt die im Friedensvertrag eingegangenen Ver¬
pflichtungen einzuhalten genötigt ist, kann nur unentwegter Eigensinn verkennen,
der nicht mit den wirklichen Machtverhälinissen rechnet. Daß bei den Anwerbungen
Land versprochen ist. war ein grober Unfug, auf den jedoch Angehörige des politisch
angeblich so reifen Volkes nicht hätten hineinfallen dürfen und den die Regierung
bei dem damals infolge der Verhältnisse kaum zu verhindernden selbständigen
Vorgehen der einzelnen Werbestellen kaum Einhalt zu tun die Macht gehabt hätte.
Daß sie den Abzug zunächst nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben hat, ist
möglich, aber gerade die ständigen Unruhen der deutschen Radikalen haben es


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[0125] Rußland führung jedoch auf vielleicht ein Jahrhundert hinaus völlige Konzentrierung aller im weitesten Sinne politisch Wirkeaden Kräfte der Mittelmächte in Anspruch ge¬ nommen hätte und daher nur möglich war, wenn Osterreich im Süden und Süd¬ westen, Deutschland im Westen in keiner Weise in Anspruch genommen war. Einer Kampfstellung nach Osten und Westen zugleich wäre Deutschlands politische Kraft selbst bei völligem militärischen Siege auf die Dauer keinesfalls gewachsen gewesen. Ließ sich aber die Nandstaatenpolitik nicht in dem oben angedeuteten Sinne durchführen, so wurde besonders, wenn man nicht auf eine Abtretung von Preußisch-Polen eingehen wollte, logischerweise auch eine deutschorientierte Auto¬ nomie deS Baltikums auf die Dauer unhaltbar, da sie stetig für den russischen Kernstaat einen Anlaß gebildet hätte, sich mit einem unbefriedigten Polen zur Gewinnung der rujsischerseits verlorenen und polnischerseits erstrebten Ostseestellung gegen Deutschland zu verbinden. Daraus erhellt, daß mit dem Zusammenbruch der deuischen Nandstaatenpolitik auch die einen Teil davon bildende Baltenpolitik unhaltbar wurde. Was man 1905 versäumt hatte, die Stellung der deutsch- ballischen Minderheit durch Verhandlungen mit Rußland sicher zu stellen, konnte jetzt, da Deutschland seine alte Machtstellung eingebüßt, nicht mehr nachgeholt werden, das lettische Nationalbewußtsein war zu stark geworden, als daß es sich durch Rücksichten der Dankbarkeit dafür, daß deutsche Truppen das Land vor Überflutung durch den Bolschewismus bewahrt hatten, bewogen gefühlt hätte, der deutsche» Minderheit die Führerschaft oder auch nur Gleichberechtigung zuzueikennen. Was man hätte durchsetzen können, wäre allenfalls eine rein deutsch-baltische Mu-oritätenpolitik gewesen, die zur Sicherung ihrer kulturellen Rechte an Wilson appelliert, von sich aus aber jede Zusammenarbeit mit Reichsdeutschen abgelehnt hätte. Dieser Weg ist vermutlich deshalb nicht gangbar gewesen, weil ohne den Schutz der deutschen Truppen die Deutsch-Ballen der inneren esthnischen und letiischen Bolschewistenbewcgung erlegen wären und daher die Deutschen zu des¬ avouieren nicht imstande waren. Es gab auch noch einen andern Weg: sich deutscherseits mit den großrussischen Bolschewistengegneru zu verbinden und als Lohn für die Befreiung Petersburgs durch deutsche Truppen Sicherstellung der Deutsch-Ballen zu verlangen. Aber wir wissen ja alle, daß dieser Plan infolge der durch die Revolution in Deutschland und im Heere entstandenen Verhältnisse undurchführbar gewesen ist. Und im Sommer, nachdem die Verhältnisse sich in Deutschland und im Heere wieder stabilisiert hatten, war es bereits zu spät,, da jetzt die Engländer den festen Entschluß gefaßt hatten, die Deutschen zu eliminieren. Die Haltung, die die deutsche Negierung in der ganzen Frage eingenommen hat, zu kritisieren, ist leicht. Es ist sicher unendlich schmerzlich, nicht nur den Traum eines deutschen Baltikums aufgeben, sondern zusehen zu müssen, wie die letzten der deutschen Stammesbrüder an der Ostsee dem Untergange entgegengehen. In ihrem eigenen Interesse wie in dem der Ballen lag es, die nach Westen brausende Woge des Bolschewismus zunächst zu hemmen, und daß sie diese Beschützer- täiigkeit durch Nachschub an Mannschaft und Material unterstützte, können ihr nur Ideologen, die an die welterlösende Aufgabe des Bolschewismus glauben, oder Narren, denen trotz der Vorgänge in unsern im Westen besetzt gehaltenen Gebieten ein keltischer Bauer immer noch mehr wert ist als ein deutscher Bürger (die „Junker" und „Barone" sind bekanntlich eine gröbliche Übertreibung) zum Vorwurf machen, daß sie aber jetzt die im Friedensvertrag eingegangenen Ver¬ pflichtungen einzuhalten genötigt ist, kann nur unentwegter Eigensinn verkennen, der nicht mit den wirklichen Machtverhälinissen rechnet. Daß bei den Anwerbungen Land versprochen ist. war ein grober Unfug, auf den jedoch Angehörige des politisch angeblich so reifen Volkes nicht hätten hineinfallen dürfen und den die Regierung bei dem damals infolge der Verhältnisse kaum zu verhindernden selbständigen Vorgehen der einzelnen Werbestellen kaum Einhalt zu tun die Macht gehabt hätte. Daß sie den Abzug zunächst nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben hat, ist möglich, aber gerade die ständigen Unruhen der deutschen Radikalen haben es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/125>, abgerufen am 15.01.2025.