Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer Auf die unteren Stände übt die Steuer keinen unmittelbaren Druck aus. Wir haben oben gesehen, daß der egoistische Trieb, der das Wirtschaftsleben Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer Auf die unteren Stände übt die Steuer keinen unmittelbaren Druck aus. Wir haben oben gesehen, daß der egoistische Trieb, der das Wirtschaftsleben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336399"/> <fw type="header" place="top"> Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer</fw><lb/> <p xml:id="ID_371"> Auf die unteren Stände übt die Steuer keinen unmittelbaren Druck aus.<lb/> Und doch wird gerade der kleine Mann unter ihrem Einfluß wieder zur Ordnung<lb/> und Sparsamkeit hingeleitet werden. Das Streben nach luxuriösen Lebens-<lb/> gebahren in einem Volke wächst niemals ans der Masse heraus. Es kommt von<lb/> oben und der Luxus der Wohlhabenden ist der Anreiz für die unteren Schichten<lb/> nach ähnlicher Hebung der Lebenshaltung. Wird die Einschränkung der Lebens-<lb/> Haltung in der großen Masse der Besitzenden, d. h. also in den mittleren Ständen,<lb/> offenbar, so wird sie notwendig als Druck nach unten im gleichen Sinne wirken.<lb/> Der gehobene Mittelstand gibt stets die mittlere Linie ab für die Lebenshaltung<lb/> des Volkes, sowohl in der Richtung des Luxus als auch , in der Richtung der<lb/> Einschränkung, sowohl in der Richtung deS Leichtsinns, als auch in der Richtung<lb/> auf ernstes Streben. Das kann als volkswirtschaftliches Gesetz ausgesprochen<lb/> werden, dem auch nicht die Aufpeitschung der Massen durch Agitation entgegen¬<lb/> gehalten werden kann. Wer diesen Einwurf macht, verwechselt Ursache und<lb/> Wirkung. Nur die Lebenshaltung der oberen Stände gibt den Anlaß ab für die<lb/> Agitation unter den unteren Ständen auf gleiche Berechtigungen. Die Agitation<lb/> wird stets bleiben, nur wird sie entsprechend dem geänderten Lebensgebahren der<lb/> oberen Stände in andere Richtung geleitet werden. Würde z. B. unter dem<lb/> Druck der Verbrauchssteuer der Mittelstand dazu übergehen, in ausgedehntem<lb/> Maße nach eigenem Grund und Boden und eigener Produktion zur Verbilligung<lb/> der Lebenshaltung zu streben, so wird das gleiche Streben agitatorisch in der<lb/> Masse verbreitet. Heute erlassen wir groß angelegte Ansiedelungsgesctze ohne im<lb/> Grunde die materielle Voraussetzung dafür zu haben, nämlich den Trieb im Volke zur<lb/> Ansiedelung. Wir schaffen große Siedelungsapparate und haben keine Siedler.<lb/> Geht aber der Mittelstand voran, so haben wir von selbst, was wir suchen.<lb/> Natürlich ist hierbei nicht in elfter Linie an landwirtschaftliche Siedelung gedacht,<lb/> sondern an das, was mindestens ebenso not tut, an die kleine und kleinste<lb/> Arbeitssiedelung.</p><lb/> <p xml:id="ID_372"> Wir haben oben gesehen, daß der egoistische Trieb, der das Wirtschaftsleben<lb/> beherrscht, heute in eine falsche Bahn geworfen ist und statt aus Werteschasfung<lb/> für die Zukunft auf Lebensgenuß für den Augenblick geht. Von einer anderen<lb/> Seite angesehen bedeutet das: Das Volk hört auf, seine Kräfte nach vorwärts,<lb/> nach außen zu richten, und beginnt, sie nach innen, gegen sich selbst zu richten.<lb/> Die wirtschaftliche Tätigkeit wird allmählich nichts anderes. als die allgemeine<lb/> Liquidation der im Volke vorhandenen Werte, von welchen jeder seinen Anteil<lb/> zum sofortigen Verzehr verlangt. Man könnte sagen, daß das zwiespältige<lb/> Streben unserer Feinde, das teils dahin geht, uns als melkende Kuh für die<lb/> Zukunft zu züchten, teils aber auf eine möglichst sofortige Liquidation des ge¬<lb/> sonnen deutschen Nationalvermögens, dieser inneren Entwicklung eine Berechtigung<lb/> gäbe: „Ehe die Feinde uns liquidieren, ist es gut, daß wir möglichst schleunigst<lb/> selbst die Liquidation zu eigenem Genusse besorgen. Wo nichts ist, hat auch<lb/> der Feind sein Recht verloren." Wollte man aber eine solche Berechtigung an¬<lb/> erkennen, so würde man damit nichts weiter tun, als für sich selbst den Henker<lb/> abgeben. Denn was nach Been-digung der Liquidation "kommt, ist politisch ein<lb/> Chaos, physisch ein völliges Erlöschen der Volkskraft, kurz Vernichtung, das Ende<lb/> des deutschen Volkes. Nur solange wir selbst gegen die Liquidation Widerstand<lb/> leisten, nur solange uns das Streben nach vorwärts bleibt, können wir auf<lb/> eine Zukunft hoffen. Diese Erwägung beweist wohl am besten die ungeheure<lb/> Bedeutung des Spartriebes. Dieser ist tatsächlich die Seele zedes Wirtschafts¬<lb/> lebens. Wo der Spartrieb erlischt, bricht auch ohne Feinde und Kriege das<lb/> Wirtschaftsleben zusammen. Eine Wirtschaftstheorie, die nicht aus dem Spartrieb<lb/> aufbaut, ist nicht nur utopistisch und verlogen, sie versündigt sich vielmehr gegen<lb/> die Naturgesetze, denen der Mensch unterliegt. Zur Natur des Menschen geHort<lb/> der Trieb zum Besitz, sowohl im primitivsten, wie un idealsten Menschen¬<lb/> zustand, sei es auch nur der Besitz von Weib und Kind, Ruhestätte und täglicher<lb/> Nahrung, Der Spartrieb ist nichts weiter, wie die Sorge um das Brot für den<lb/> kommenden Tag.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer
Auf die unteren Stände übt die Steuer keinen unmittelbaren Druck aus.
Und doch wird gerade der kleine Mann unter ihrem Einfluß wieder zur Ordnung
und Sparsamkeit hingeleitet werden. Das Streben nach luxuriösen Lebens-
gebahren in einem Volke wächst niemals ans der Masse heraus. Es kommt von
oben und der Luxus der Wohlhabenden ist der Anreiz für die unteren Schichten
nach ähnlicher Hebung der Lebenshaltung. Wird die Einschränkung der Lebens-
Haltung in der großen Masse der Besitzenden, d. h. also in den mittleren Ständen,
offenbar, so wird sie notwendig als Druck nach unten im gleichen Sinne wirken.
Der gehobene Mittelstand gibt stets die mittlere Linie ab für die Lebenshaltung
des Volkes, sowohl in der Richtung des Luxus als auch , in der Richtung der
Einschränkung, sowohl in der Richtung deS Leichtsinns, als auch in der Richtung
auf ernstes Streben. Das kann als volkswirtschaftliches Gesetz ausgesprochen
werden, dem auch nicht die Aufpeitschung der Massen durch Agitation entgegen¬
gehalten werden kann. Wer diesen Einwurf macht, verwechselt Ursache und
Wirkung. Nur die Lebenshaltung der oberen Stände gibt den Anlaß ab für die
Agitation unter den unteren Ständen auf gleiche Berechtigungen. Die Agitation
wird stets bleiben, nur wird sie entsprechend dem geänderten Lebensgebahren der
oberen Stände in andere Richtung geleitet werden. Würde z. B. unter dem
Druck der Verbrauchssteuer der Mittelstand dazu übergehen, in ausgedehntem
Maße nach eigenem Grund und Boden und eigener Produktion zur Verbilligung
der Lebenshaltung zu streben, so wird das gleiche Streben agitatorisch in der
Masse verbreitet. Heute erlassen wir groß angelegte Ansiedelungsgesctze ohne im
Grunde die materielle Voraussetzung dafür zu haben, nämlich den Trieb im Volke zur
Ansiedelung. Wir schaffen große Siedelungsapparate und haben keine Siedler.
Geht aber der Mittelstand voran, so haben wir von selbst, was wir suchen.
Natürlich ist hierbei nicht in elfter Linie an landwirtschaftliche Siedelung gedacht,
sondern an das, was mindestens ebenso not tut, an die kleine und kleinste
Arbeitssiedelung.
Wir haben oben gesehen, daß der egoistische Trieb, der das Wirtschaftsleben
beherrscht, heute in eine falsche Bahn geworfen ist und statt aus Werteschasfung
für die Zukunft auf Lebensgenuß für den Augenblick geht. Von einer anderen
Seite angesehen bedeutet das: Das Volk hört auf, seine Kräfte nach vorwärts,
nach außen zu richten, und beginnt, sie nach innen, gegen sich selbst zu richten.
Die wirtschaftliche Tätigkeit wird allmählich nichts anderes. als die allgemeine
Liquidation der im Volke vorhandenen Werte, von welchen jeder seinen Anteil
zum sofortigen Verzehr verlangt. Man könnte sagen, daß das zwiespältige
Streben unserer Feinde, das teils dahin geht, uns als melkende Kuh für die
Zukunft zu züchten, teils aber auf eine möglichst sofortige Liquidation des ge¬
sonnen deutschen Nationalvermögens, dieser inneren Entwicklung eine Berechtigung
gäbe: „Ehe die Feinde uns liquidieren, ist es gut, daß wir möglichst schleunigst
selbst die Liquidation zu eigenem Genusse besorgen. Wo nichts ist, hat auch
der Feind sein Recht verloren." Wollte man aber eine solche Berechtigung an¬
erkennen, so würde man damit nichts weiter tun, als für sich selbst den Henker
abgeben. Denn was nach Been-digung der Liquidation "kommt, ist politisch ein
Chaos, physisch ein völliges Erlöschen der Volkskraft, kurz Vernichtung, das Ende
des deutschen Volkes. Nur solange wir selbst gegen die Liquidation Widerstand
leisten, nur solange uns das Streben nach vorwärts bleibt, können wir auf
eine Zukunft hoffen. Diese Erwägung beweist wohl am besten die ungeheure
Bedeutung des Spartriebes. Dieser ist tatsächlich die Seele zedes Wirtschafts¬
lebens. Wo der Spartrieb erlischt, bricht auch ohne Feinde und Kriege das
Wirtschaftsleben zusammen. Eine Wirtschaftstheorie, die nicht aus dem Spartrieb
aufbaut, ist nicht nur utopistisch und verlogen, sie versündigt sich vielmehr gegen
die Naturgesetze, denen der Mensch unterliegt. Zur Natur des Menschen geHort
der Trieb zum Besitz, sowohl im primitivsten, wie un idealsten Menschen¬
zustand, sei es auch nur der Besitz von Weib und Kind, Ruhestätte und täglicher
Nahrung, Der Spartrieb ist nichts weiter, wie die Sorge um das Brot für den
kommenden Tag.
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