Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.vom Altertum zur Gegenwart daß zunächst der von den Alten überlieferte Wissenssioff in der römischen Fassung Wenn Eduard Meyer über Staat und Wirtschaft schreibt, so kann man Fast überraschend wirkt es, wenn Julius Ziehen in seinem Aufsatz über Aus Wilhelm Schutzes inhaltvoller Skizze über Sprachwissenschaft braucht Ein etwas krauser Essay von L. Curtius über Kunst fällt, wie mir scheint, vom Altertum zur Gegenwart daß zunächst der von den Alten überlieferte Wissenssioff in der römischen Fassung Wenn Eduard Meyer über Staat und Wirtschaft schreibt, so kann man Fast überraschend wirkt es, wenn Julius Ziehen in seinem Aufsatz über Aus Wilhelm Schutzes inhaltvoller Skizze über Sprachwissenschaft braucht Ein etwas krauser Essay von L. Curtius über Kunst fällt, wie mir scheint, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336392"/> <fw type="header" place="top"> vom Altertum zur Gegenwart</fw><lb/> <p xml:id="ID_339" prev="#ID_338"> daß zunächst der von den Alten überlieferte Wissenssioff in der römischen Fassung<lb/> gutgläubig herübergenommen, dann an der Hand der Urtexte erneut geprüft und<lb/> schließlich zur Befreiung der Geister aus drückend gewen denen Fesseln und zu<lb/> kraftvollem Aufbau unter Benutzung der altbewährten Erkenninisse verwertet worden<lb/> ist. Daß dies auf dem einen Wissensgebiet deutlicher erkennbar wird als auf<lb/> dem anderen, darf nicht wundernehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_340"> Wenn Eduard Meyer über Staat und Wirtschaft schreibt, so kann man<lb/> gewiß sein, über den historischen Widerstreit von Macht und Recht, über den<lb/> Übergang von der alten patriarchalischen Staatsgestcilumg zum modernen Rechts¬<lb/> staat, vom demokratischen Ideal der Athener und von anderen Formen des Jdeal-<lb/> staats. vom Aufschwung des Wirtschaftslebens, von der Geschichlskoustniklion der<lb/> modernen Nationalökonomen, vom römischen Prinzipal und vom Kosmopolitismus<lb/> manches interessante Wort zu lesen. Ludwig Muleis stützt sich in seiner Skizze<lb/> vom römischen Recht auf den Satz: „es ist das juristische Denken, in dem die<lb/> Größe des römischen Rechts gelegen ist", und der Freiburger Professor Josef<lb/> Partsch weist überzeugend nach, wie „der griechische Gedanke in der Rechtswissen¬<lb/> schaft" vom vierten vorchristlichen Jahrhundert bis in die hellenistische Zeit die<lb/> römische Rechtsordnung stark beeinflußt hat und deshalb auch heute noch die<lb/> ernsteste Beachtung verdient.</p><lb/> <p xml:id="ID_341"> Fast überraschend wirkt es, wenn Julius Ziehen in seinem Aufsatz über<lb/> Pädagogik schreibt, „daß noch niemals so sehr wie im Altertum das Erziehungs-<lb/> Wesen eine herrschende Stellung in der Gesamtkultur der Zeit eingenommen hat",<lb/> und daß „auf dem Gebiete der Pädagogik die Antike lebendig bleiben muß, nicht<lb/> nur um das Werden der Dinge zu verstehen, sondern in mindestens gleichem<lb/> Maße, um das zurzeit Vorhandene nach klaren und zielsicheren Richtlinien weiter<lb/> zu entwickeln". Darum zwar nicht „zurück zu Platon und der Antike", wohl aber<lb/> „weiter im Sinne Platons und der Antike!"</p><lb/> <p xml:id="ID_342"> Aus Wilhelm Schutzes inhaltvoller Skizze über Sprachwissenschaft braucht<lb/> man nur einen Satz hervorzuheben, um zu wissen, worauf es ihm ankommt.<lb/> „Das geschichtliche Verständnis der Muttersprache, dessen kein Lehrer des Deutschen<lb/> an unseren höheren Schulen entraten kann, wird ohne Kenntnis des Griechischen<lb/> niemals zu lebendigem Besitze erworben werden, der doch allein wieder Leben<lb/> zu erzeugen vermag." Lange möchte man dagegen verweilen bei den klaren und<lb/> anschaulichen Darlegungen A. v. Martins über Geschichtswissenschaft. Ob er<lb/> über den Inhalt oder über die Form/ über Griechen oder Römer, über alte,<lb/> mittelalterliche oder neuzeitliche Geschichtschreibung spricht, immer weiß er zu<lb/> fesseln und in die Tiefe zu führen. „Wetteifer mit der Antike, nicht Nachahmung"<lb/> war das Rezept der Renaissance. „Für die Wirkung des Humanismus auf die<lb/> historischen Studien ist nichts charakteristischer als das Bestreben, die Geschichte in<lb/> Bezug zur Gegenwart, zur Mitwelt zu setzen." In der Epoche der Aufklärung werden<lb/> die inhaltlichen Vorzüge der antiken Geschichtschreibung endgültig Allgemeingut;<lb/> in formaler Beziehung schafft die Zeit sich ihren eigenen modernen Stil. Auch<lb/> in der patriotisch erregten Zeit der Freiheitekriege stiegen die Allen wieder<lb/> herauf. Und heute? „Die Arbeit der alten Geschichtschreiber erhält sich in der<lb/> unsrigen als für immer errungen."</p><lb/> <p xml:id="ID_343" next="#ID_344"> Ein etwas krauser Essay von L. Curtius über Kunst fällt, wie mir scheint,<lb/> ein wenig aus dem Rahmen unseres Buches heraus, während Hans Lietzinann<lb/> mit seinem Aufsatz über Religion und Max Wundt mit einer feinsinnigen<lb/> Abhandlung über Philosophie und Weltanschauung das Bedürfnis des Lesers<lb/> in dankenswertester Weise befriedigen. „Das Christenttun hat sich die antike Welt<lb/> erobert, indem es sie zwar grundsätzlich verneinte, aber praktisch ihre wertvollsten<lb/> Errungenschaften übernahm und zum Ausbau seines eigenen Hauses verwandle."<lb/> „Die moderne Forschung hat uns das Christentum in seiner kirchlichen Aus-<lb/> gestaltung als die reife Frucht und das geistige Ziel der in der Spätantike sich<lb/> vereinigenden Kräfte der alten Welt begreifen gelehrt." So Lietzmarm. Bei<lb/> Wundt aber lesen wir: „Jedenfalls ist es keine Übertreibung, wenn man behauptet,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
vom Altertum zur Gegenwart
daß zunächst der von den Alten überlieferte Wissenssioff in der römischen Fassung
gutgläubig herübergenommen, dann an der Hand der Urtexte erneut geprüft und
schließlich zur Befreiung der Geister aus drückend gewen denen Fesseln und zu
kraftvollem Aufbau unter Benutzung der altbewährten Erkenninisse verwertet worden
ist. Daß dies auf dem einen Wissensgebiet deutlicher erkennbar wird als auf
dem anderen, darf nicht wundernehmen.
Wenn Eduard Meyer über Staat und Wirtschaft schreibt, so kann man
gewiß sein, über den historischen Widerstreit von Macht und Recht, über den
Übergang von der alten patriarchalischen Staatsgestcilumg zum modernen Rechts¬
staat, vom demokratischen Ideal der Athener und von anderen Formen des Jdeal-
staats. vom Aufschwung des Wirtschaftslebens, von der Geschichlskoustniklion der
modernen Nationalökonomen, vom römischen Prinzipal und vom Kosmopolitismus
manches interessante Wort zu lesen. Ludwig Muleis stützt sich in seiner Skizze
vom römischen Recht auf den Satz: „es ist das juristische Denken, in dem die
Größe des römischen Rechts gelegen ist", und der Freiburger Professor Josef
Partsch weist überzeugend nach, wie „der griechische Gedanke in der Rechtswissen¬
schaft" vom vierten vorchristlichen Jahrhundert bis in die hellenistische Zeit die
römische Rechtsordnung stark beeinflußt hat und deshalb auch heute noch die
ernsteste Beachtung verdient.
Fast überraschend wirkt es, wenn Julius Ziehen in seinem Aufsatz über
Pädagogik schreibt, „daß noch niemals so sehr wie im Altertum das Erziehungs-
Wesen eine herrschende Stellung in der Gesamtkultur der Zeit eingenommen hat",
und daß „auf dem Gebiete der Pädagogik die Antike lebendig bleiben muß, nicht
nur um das Werden der Dinge zu verstehen, sondern in mindestens gleichem
Maße, um das zurzeit Vorhandene nach klaren und zielsicheren Richtlinien weiter
zu entwickeln". Darum zwar nicht „zurück zu Platon und der Antike", wohl aber
„weiter im Sinne Platons und der Antike!"
Aus Wilhelm Schutzes inhaltvoller Skizze über Sprachwissenschaft braucht
man nur einen Satz hervorzuheben, um zu wissen, worauf es ihm ankommt.
„Das geschichtliche Verständnis der Muttersprache, dessen kein Lehrer des Deutschen
an unseren höheren Schulen entraten kann, wird ohne Kenntnis des Griechischen
niemals zu lebendigem Besitze erworben werden, der doch allein wieder Leben
zu erzeugen vermag." Lange möchte man dagegen verweilen bei den klaren und
anschaulichen Darlegungen A. v. Martins über Geschichtswissenschaft. Ob er
über den Inhalt oder über die Form/ über Griechen oder Römer, über alte,
mittelalterliche oder neuzeitliche Geschichtschreibung spricht, immer weiß er zu
fesseln und in die Tiefe zu führen. „Wetteifer mit der Antike, nicht Nachahmung"
war das Rezept der Renaissance. „Für die Wirkung des Humanismus auf die
historischen Studien ist nichts charakteristischer als das Bestreben, die Geschichte in
Bezug zur Gegenwart, zur Mitwelt zu setzen." In der Epoche der Aufklärung werden
die inhaltlichen Vorzüge der antiken Geschichtschreibung endgültig Allgemeingut;
in formaler Beziehung schafft die Zeit sich ihren eigenen modernen Stil. Auch
in der patriotisch erregten Zeit der Freiheitekriege stiegen die Allen wieder
herauf. Und heute? „Die Arbeit der alten Geschichtschreiber erhält sich in der
unsrigen als für immer errungen."
Ein etwas krauser Essay von L. Curtius über Kunst fällt, wie mir scheint,
ein wenig aus dem Rahmen unseres Buches heraus, während Hans Lietzinann
mit seinem Aufsatz über Religion und Max Wundt mit einer feinsinnigen
Abhandlung über Philosophie und Weltanschauung das Bedürfnis des Lesers
in dankenswertester Weise befriedigen. „Das Christenttun hat sich die antike Welt
erobert, indem es sie zwar grundsätzlich verneinte, aber praktisch ihre wertvollsten
Errungenschaften übernahm und zum Ausbau seines eigenen Hauses verwandle."
„Die moderne Forschung hat uns das Christentum in seiner kirchlichen Aus-
gestaltung als die reife Frucht und das geistige Ziel der in der Spätantike sich
vereinigenden Kräfte der alten Welt begreifen gelehrt." So Lietzmarm. Bei
Wundt aber lesen wir: „Jedenfalls ist es keine Übertreibung, wenn man behauptet,
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