Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Schulgemeinden und Schülerrät" der Ideenwelt des modernen Großitalienertums aufgegangen ist. Gesiegt hatte Gestützt wird diese Ansicht durch die unverhüllte Art, in der die Minorität Schulgemeinden und ^"chülerräte Professor Dr. Paul Hildebrandt von n der mehr als unglücklichen Zeit, als das Kultusministerium Es kam dazu, daß die Kollegien bei dieser Gelegenheit in echt Wyneckenscher Schulgemeinden und Schülerrät« der Ideenwelt des modernen Großitalienertums aufgegangen ist. Gesiegt hatte Gestützt wird diese Ansicht durch die unverhüllte Art, in der die Minorität Schulgemeinden und ^»chülerräte Professor Dr. Paul Hildebrandt von n der mehr als unglücklichen Zeit, als das Kultusministerium Es kam dazu, daß die Kollegien bei dieser Gelegenheit in echt Wyneckenscher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335490"/> <fw type="header" place="top"> Schulgemeinden und Schülerrät«</fw><lb/> <p xml:id="ID_323" prev="#ID_322"> der Ideenwelt des modernen Großitalienertums aufgegangen ist. Gesiegt hatte<lb/> aber die imperialistische Minderheit durch die nahezu restlose Beherrschung der<lb/> öffentlichen Meinung schon einige Jahre vorher, seit den Tagen des tripolita-<lb/> nischen Feldzuges.</p><lb/> <p xml:id="ID_324"> Gestützt wird diese Ansicht durch die unverhüllte Art, in der die Minorität<lb/> ihren wahren Gefühlen Ausdruck verlieh. Ein mir befreundeter deutscher Maler,<lb/> der lange Jahre in Oberitalien lebte, wurde in einem Gespräch mit einem<lb/> italienischen Advokaten und Leiter eines Automobilkonsumvereins nach den deut¬<lb/> schen Aspirationen auf die Weltherrschaft befragt. Als er dem Italiener ant¬<lb/> wortete, daß die Masse des Volkes wie alle klar und ruhig denkenden Politiker<lb/> in Deutschland nicht an solchen Plänen teil hätte, wurde ihm gesagt, er könne<lb/> ruhig reinen Wein einschenken. Sie, die Italiener, handelten auch nicht anders<lb/> als die Deutschen, wenn sie nur könnten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Schulgemeinden und ^»chülerräte<lb/><note type="byline"> Professor Dr. Paul Hildebrandt</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_325"> n der mehr als unglücklichen Zeit, als das Kultusministerium<lb/> zwischen Konrad Hänisch und Adolf Hoffmann geteilt war und<lb/> diesem zur Seite der „Spartakuspädagoge" Gustav Wynecken stand,<lb/> ^erblickte einer der am meisten angefeindeten Erlasse „an die Schüler<lb/> und Schülerinnen der höheren Schulen Preußens" das Licht der<lb/> ^ Welt. Ohne irgendwelche Anknüpfung an bereits Dagewesenes<lb/> „fuhrwerkte" er sozusagen in die Organisation der höheren Lehranstalten hinein<lb/> und bescherte ihnen Schulgemeinden und Schülerräte, ohne auch nur den Vorsuch<lb/> zu machen, diese organisch in' den Betrieb einzugliedern.</p><lb/> <p xml:id="ID_326" next="#ID_327"> Es kam dazu, daß die Kollegien bei dieser Gelegenheit in echt Wyneckenscher<lb/> Art angerempelt wurden und daß die gesamte Schülerschaft gerade durch den<lb/> Wortlaut des Erlasses in ein Mißtrauen gegen ihre Erzieher hineingetrieben wurde,<lb/> das nicht dazu beitragen konnte, ein besseres Verhältnis zwischen den beiden<lb/> Faktoren anzubahnen. Und sicherlich — das kann man heut offen aussprechen —<lb/> ist die Anbahnung solchen Verhältnisses auch nicht die Absicht Wyneckens gewesen!<lb/> er hat entsprechend seiner sattsam bekannten Sinnesart vielmehr durch den Erlaß<lb/> einen Keil auch an den Stellen zwischen Lehrer und Schüler treiben wollen, wo<lb/> Vertrauen und freudige Gemeinschaft Platz gegriffen hatten. So war die Erregung,<lb/> die sich der Oberlehrer bemächtigte, als der Erlaß bekannt wurde, durchaus<lb/> berechtigt. Ein Glück nur, daß Wynecken wenige Wochen darauf schon aus dem<lb/> Ministerium ausschied und so eine objektive Betrachtung möglich wurde, die sich<lb/> weniger mit dem beschäftigen muß, was nach Wyneckens Wunsch aus der Ver¬<lb/> ordnung entspringen sollte, als mit dem, was nun die Oberlehrerschaft aus ihm<lb/> machen wollte. Inzwischen sah sich das Ministerium durch die hochgehenden<lb/> Wogen der Empörung auch in Elternkreisen gezwungen, für die Schulen, die noch<lb/> nicht die beiden Einrichtungen übernommen hatten, neue Normen aufzustellen, die<lb/> viel behutsamer ausfielen. Die öffentliche Meinung, einmal aufgeregt, ist aber<lb/> nicht fo leicht zur Ruhe zu bringen. Die Erlasse über den Religionsunterricht<lb/> und die Trennung von Kirche und Staat taten das Ihrige dazu, die Vorstellung<lb/> zu verbreiten, das Ministerium wolle das Unterste zu oberst kehren. Bis in die<lb/> letzte Zeit hinein dauerten die Proteste und Kundgebungen auch gegen den Schul-<lb/> gemeinoeorlaß, die zum Teil nun auch politische Färbung annahmen, da die<lb/> rechtsstehenden Parteien sich des Stoffes zu bemächtigen begannen. Das rief</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
Schulgemeinden und Schülerrät«
der Ideenwelt des modernen Großitalienertums aufgegangen ist. Gesiegt hatte
aber die imperialistische Minderheit durch die nahezu restlose Beherrschung der
öffentlichen Meinung schon einige Jahre vorher, seit den Tagen des tripolita-
nischen Feldzuges.
Gestützt wird diese Ansicht durch die unverhüllte Art, in der die Minorität
ihren wahren Gefühlen Ausdruck verlieh. Ein mir befreundeter deutscher Maler,
der lange Jahre in Oberitalien lebte, wurde in einem Gespräch mit einem
italienischen Advokaten und Leiter eines Automobilkonsumvereins nach den deut¬
schen Aspirationen auf die Weltherrschaft befragt. Als er dem Italiener ant¬
wortete, daß die Masse des Volkes wie alle klar und ruhig denkenden Politiker
in Deutschland nicht an solchen Plänen teil hätte, wurde ihm gesagt, er könne
ruhig reinen Wein einschenken. Sie, die Italiener, handelten auch nicht anders
als die Deutschen, wenn sie nur könnten.
Schulgemeinden und ^»chülerräte
Professor Dr. Paul Hildebrandt von
n der mehr als unglücklichen Zeit, als das Kultusministerium
zwischen Konrad Hänisch und Adolf Hoffmann geteilt war und
diesem zur Seite der „Spartakuspädagoge" Gustav Wynecken stand,
^erblickte einer der am meisten angefeindeten Erlasse „an die Schüler
und Schülerinnen der höheren Schulen Preußens" das Licht der
^ Welt. Ohne irgendwelche Anknüpfung an bereits Dagewesenes
„fuhrwerkte" er sozusagen in die Organisation der höheren Lehranstalten hinein
und bescherte ihnen Schulgemeinden und Schülerräte, ohne auch nur den Vorsuch
zu machen, diese organisch in' den Betrieb einzugliedern.
Es kam dazu, daß die Kollegien bei dieser Gelegenheit in echt Wyneckenscher
Art angerempelt wurden und daß die gesamte Schülerschaft gerade durch den
Wortlaut des Erlasses in ein Mißtrauen gegen ihre Erzieher hineingetrieben wurde,
das nicht dazu beitragen konnte, ein besseres Verhältnis zwischen den beiden
Faktoren anzubahnen. Und sicherlich — das kann man heut offen aussprechen —
ist die Anbahnung solchen Verhältnisses auch nicht die Absicht Wyneckens gewesen!
er hat entsprechend seiner sattsam bekannten Sinnesart vielmehr durch den Erlaß
einen Keil auch an den Stellen zwischen Lehrer und Schüler treiben wollen, wo
Vertrauen und freudige Gemeinschaft Platz gegriffen hatten. So war die Erregung,
die sich der Oberlehrer bemächtigte, als der Erlaß bekannt wurde, durchaus
berechtigt. Ein Glück nur, daß Wynecken wenige Wochen darauf schon aus dem
Ministerium ausschied und so eine objektive Betrachtung möglich wurde, die sich
weniger mit dem beschäftigen muß, was nach Wyneckens Wunsch aus der Ver¬
ordnung entspringen sollte, als mit dem, was nun die Oberlehrerschaft aus ihm
machen wollte. Inzwischen sah sich das Ministerium durch die hochgehenden
Wogen der Empörung auch in Elternkreisen gezwungen, für die Schulen, die noch
nicht die beiden Einrichtungen übernommen hatten, neue Normen aufzustellen, die
viel behutsamer ausfielen. Die öffentliche Meinung, einmal aufgeregt, ist aber
nicht fo leicht zur Ruhe zu bringen. Die Erlasse über den Religionsunterricht
und die Trennung von Kirche und Staat taten das Ihrige dazu, die Vorstellung
zu verbreiten, das Ministerium wolle das Unterste zu oberst kehren. Bis in die
letzte Zeit hinein dauerten die Proteste und Kundgebungen auch gegen den Schul-
gemeinoeorlaß, die zum Teil nun auch politische Färbung annahmen, da die
rechtsstehenden Parteien sich des Stoffes zu bemächtigen begannen. Das rief
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