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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Zusammenbruch und Aufbau

Wenn man nun das Kapital zerstört, welches bisher den größten Teil der Staats¬
kosten zahlte, so werden die Staatseinnahmen künftig aus den sozialisierten Staats¬
betrieben und aus den Steuern der Arbeiter genommen werden müssen. Also
an Stelle des Arbeitgebers Kapital tritt der neue Herr, der Staat. Vieles wird
sich bessern; der Aufstieg wird freier werden, aber das, wonach das Volk sich sehnt,
seine Freiheit und sein Glück, werden auf diesem Wege nicht kommen.

Der Gedanke nach dem vollen Arbeitsertrag und dem Proletarierstaat hätte
noch nicht den Bolschewismus erzeugen können und müssen, und doch durchdringt
der Gedanke die ganze Welt. Wenn auch noch an vielen Stellen kaum merkbar,
mehr oder weniger stark, mit dem Ort angepaßten Abänderungen taucht er an
allen Ecken auf. Es muß doch mithin in unserer Zeit etwas liegen, was diesen
Gedanken an allen Stellen emporschießen läßt, nachdem er in Nußland geboren
ist. Man darf sich auch durch die furchtbaren, grausamen und verderblichen Aus¬
wirkungen der Bewegung, vor allein in Rußland, nicht davon abhalten lassen,
nach dem ideellen Kern zu forschen. Es ist der Wunsch nach Freiheit und nach
Selbstbestimmung. Der Mensch will nicht mehr als Werkzeug einer unsichtbaren
Macht befohlen werden, nach einer bestimmten Stelle zu gehen, dort acht bis
zwölf Stunden lang immer dieselbe vorgeschriebene -- vielleicht verhaßte -- Arbeit
zu tun, und keinen Ausweg zu sehen, um wenigstens den Lebensabend nach eigenem
Bestimmen zubringen zu können.

Man betrachte die Zeit vor dein Kriege, und sehe selbst von den Arbeitern
als solchen ab. Wo man hinkam, sei es zu einer Behörde, zu einer Fabrik, zu
einem Kaufhaus, zu sonst einem großen Unternehmen, überall tiefste Unzufrieden¬
heit, Verbitterung und dumpfer Widerwille gegen das Gefühl der Abhängigkeit.
Jeder schimpfte auf sein Amt, sein Bureau, seinen Dienst, seine Arbeit, betritelte
abfällig seine Vorgesetzten, sah die Fehler der Einrichtung und bäumte sich in
dumpfer Ohnmacht gegen den Gedanken, daß er den Zustand nicht ändern und
bessern könne. Dies war nicht nur in Deutschland so, sondern auch im Auslande.
Je höher die Bildung der Menge stieg, desto größer wurde der Druck durch Ab¬
hängigkeit und die Unzufriedenheit. Dies alles kann doch also nicht durch Zufall
entstanden sein, auch kann nicht alles an den Einrichtungen falsch und verkehrt
gewesen sein, denn auch die, welche die Anordnungen trafen waren meist durch
die Schule der Massen gewandert.

Hier war ein neues Gesetz der Wirtschaft entstanden! Hier liegt die Er¬
klärung, weshalb gerade ein großer Teil gebildeter und geistig hochstehender auf
dem linkesten Flügel steht. Statt einzudämmen und einzulenken haben wir den
Geschwindschritt der Masseuversklavung der Welt erhöht. Staat und Wirtschaft,
Kapital und Industrie arbeiteten auf immer größere Zusammenballung der Menge,
auf Unterdrückung des freien Mannes, da angeblich hierdurch die menschliche
Entwicklung gefördert werde. Es ist der Drang nach freier Bestimmung, nach
selbstgewählten und von äußerem Zwange freien Lebens, der die Welt durchbraust.
Die Lohnforderungen des Augenblicks sind Nebenerscheinungen. Der freie Mann
kehrt sich nicht so sehr an den Acht stundentag, und ist mit geringerem Einkommen
zufrieden. Man biete einer Menge von Arbeitern und Angestellten ein freies,
selbständiges, aber mühevolleres und weniger ertragreiches Dasein, und von 100
werden mindestens 80 zugreifen.

Auch der neue soziale Staat hat noch nicht erkannt, daß dies die wahre
Triebfeder ist, und daß die Marxsche Lehre nach dieser Richtung ausgebaut werden
wuß, Alle die Versuche uach Verstaatlichung und isozialisierung, welche jetzt
gemacht werden, -- und mit denen man sich aufhält, statt am Aufbau zu arbeiten --
Müssen nur zu neuen Scherben führen. Wenn nicht die zwingende Notwendigkeit
bestände höhere Staatseinnahmen zu schaffen, sollte man mit der Zusammen¬
hang Betriebe auch im Staate besser abhauen, als noch mehr Herdenmenschen
schliffen. Auch die Verhältnisse in den Beamtenräten lassen erkennen, daß hier
^ne tiefere seelische Triebfeder vorhanden ist. Firmen und Anstalten, bei denen
das Verhältnis zwischen Leitung und Angestellten immer vorbildlich war, haben


Zusammenbruch und Aufbau

Wenn man nun das Kapital zerstört, welches bisher den größten Teil der Staats¬
kosten zahlte, so werden die Staatseinnahmen künftig aus den sozialisierten Staats¬
betrieben und aus den Steuern der Arbeiter genommen werden müssen. Also
an Stelle des Arbeitgebers Kapital tritt der neue Herr, der Staat. Vieles wird
sich bessern; der Aufstieg wird freier werden, aber das, wonach das Volk sich sehnt,
seine Freiheit und sein Glück, werden auf diesem Wege nicht kommen.

Der Gedanke nach dem vollen Arbeitsertrag und dem Proletarierstaat hätte
noch nicht den Bolschewismus erzeugen können und müssen, und doch durchdringt
der Gedanke die ganze Welt. Wenn auch noch an vielen Stellen kaum merkbar,
mehr oder weniger stark, mit dem Ort angepaßten Abänderungen taucht er an
allen Ecken auf. Es muß doch mithin in unserer Zeit etwas liegen, was diesen
Gedanken an allen Stellen emporschießen läßt, nachdem er in Nußland geboren
ist. Man darf sich auch durch die furchtbaren, grausamen und verderblichen Aus¬
wirkungen der Bewegung, vor allein in Rußland, nicht davon abhalten lassen,
nach dem ideellen Kern zu forschen. Es ist der Wunsch nach Freiheit und nach
Selbstbestimmung. Der Mensch will nicht mehr als Werkzeug einer unsichtbaren
Macht befohlen werden, nach einer bestimmten Stelle zu gehen, dort acht bis
zwölf Stunden lang immer dieselbe vorgeschriebene — vielleicht verhaßte — Arbeit
zu tun, und keinen Ausweg zu sehen, um wenigstens den Lebensabend nach eigenem
Bestimmen zubringen zu können.

Man betrachte die Zeit vor dein Kriege, und sehe selbst von den Arbeitern
als solchen ab. Wo man hinkam, sei es zu einer Behörde, zu einer Fabrik, zu
einem Kaufhaus, zu sonst einem großen Unternehmen, überall tiefste Unzufrieden¬
heit, Verbitterung und dumpfer Widerwille gegen das Gefühl der Abhängigkeit.
Jeder schimpfte auf sein Amt, sein Bureau, seinen Dienst, seine Arbeit, betritelte
abfällig seine Vorgesetzten, sah die Fehler der Einrichtung und bäumte sich in
dumpfer Ohnmacht gegen den Gedanken, daß er den Zustand nicht ändern und
bessern könne. Dies war nicht nur in Deutschland so, sondern auch im Auslande.
Je höher die Bildung der Menge stieg, desto größer wurde der Druck durch Ab¬
hängigkeit und die Unzufriedenheit. Dies alles kann doch also nicht durch Zufall
entstanden sein, auch kann nicht alles an den Einrichtungen falsch und verkehrt
gewesen sein, denn auch die, welche die Anordnungen trafen waren meist durch
die Schule der Massen gewandert.

Hier war ein neues Gesetz der Wirtschaft entstanden! Hier liegt die Er¬
klärung, weshalb gerade ein großer Teil gebildeter und geistig hochstehender auf
dem linkesten Flügel steht. Statt einzudämmen und einzulenken haben wir den
Geschwindschritt der Masseuversklavung der Welt erhöht. Staat und Wirtschaft,
Kapital und Industrie arbeiteten auf immer größere Zusammenballung der Menge,
auf Unterdrückung des freien Mannes, da angeblich hierdurch die menschliche
Entwicklung gefördert werde. Es ist der Drang nach freier Bestimmung, nach
selbstgewählten und von äußerem Zwange freien Lebens, der die Welt durchbraust.
Die Lohnforderungen des Augenblicks sind Nebenerscheinungen. Der freie Mann
kehrt sich nicht so sehr an den Acht stundentag, und ist mit geringerem Einkommen
zufrieden. Man biete einer Menge von Arbeitern und Angestellten ein freies,
selbständiges, aber mühevolleres und weniger ertragreiches Dasein, und von 100
werden mindestens 80 zugreifen.

Auch der neue soziale Staat hat noch nicht erkannt, daß dies die wahre
Triebfeder ist, und daß die Marxsche Lehre nach dieser Richtung ausgebaut werden
wuß, Alle die Versuche uach Verstaatlichung und isozialisierung, welche jetzt
gemacht werden, — und mit denen man sich aufhält, statt am Aufbau zu arbeiten —
Müssen nur zu neuen Scherben führen. Wenn nicht die zwingende Notwendigkeit
bestände höhere Staatseinnahmen zu schaffen, sollte man mit der Zusammen¬
hang Betriebe auch im Staate besser abhauen, als noch mehr Herdenmenschen
schliffen. Auch die Verhältnisse in den Beamtenräten lassen erkennen, daß hier
^ne tiefere seelische Triebfeder vorhanden ist. Firmen und Anstalten, bei denen
das Verhältnis zwischen Leitung und Angestellten immer vorbildlich war, haben


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[0063] Zusammenbruch und Aufbau Wenn man nun das Kapital zerstört, welches bisher den größten Teil der Staats¬ kosten zahlte, so werden die Staatseinnahmen künftig aus den sozialisierten Staats¬ betrieben und aus den Steuern der Arbeiter genommen werden müssen. Also an Stelle des Arbeitgebers Kapital tritt der neue Herr, der Staat. Vieles wird sich bessern; der Aufstieg wird freier werden, aber das, wonach das Volk sich sehnt, seine Freiheit und sein Glück, werden auf diesem Wege nicht kommen. Der Gedanke nach dem vollen Arbeitsertrag und dem Proletarierstaat hätte noch nicht den Bolschewismus erzeugen können und müssen, und doch durchdringt der Gedanke die ganze Welt. Wenn auch noch an vielen Stellen kaum merkbar, mehr oder weniger stark, mit dem Ort angepaßten Abänderungen taucht er an allen Ecken auf. Es muß doch mithin in unserer Zeit etwas liegen, was diesen Gedanken an allen Stellen emporschießen läßt, nachdem er in Nußland geboren ist. Man darf sich auch durch die furchtbaren, grausamen und verderblichen Aus¬ wirkungen der Bewegung, vor allein in Rußland, nicht davon abhalten lassen, nach dem ideellen Kern zu forschen. Es ist der Wunsch nach Freiheit und nach Selbstbestimmung. Der Mensch will nicht mehr als Werkzeug einer unsichtbaren Macht befohlen werden, nach einer bestimmten Stelle zu gehen, dort acht bis zwölf Stunden lang immer dieselbe vorgeschriebene — vielleicht verhaßte — Arbeit zu tun, und keinen Ausweg zu sehen, um wenigstens den Lebensabend nach eigenem Bestimmen zubringen zu können. Man betrachte die Zeit vor dein Kriege, und sehe selbst von den Arbeitern als solchen ab. Wo man hinkam, sei es zu einer Behörde, zu einer Fabrik, zu einem Kaufhaus, zu sonst einem großen Unternehmen, überall tiefste Unzufrieden¬ heit, Verbitterung und dumpfer Widerwille gegen das Gefühl der Abhängigkeit. Jeder schimpfte auf sein Amt, sein Bureau, seinen Dienst, seine Arbeit, betritelte abfällig seine Vorgesetzten, sah die Fehler der Einrichtung und bäumte sich in dumpfer Ohnmacht gegen den Gedanken, daß er den Zustand nicht ändern und bessern könne. Dies war nicht nur in Deutschland so, sondern auch im Auslande. Je höher die Bildung der Menge stieg, desto größer wurde der Druck durch Ab¬ hängigkeit und die Unzufriedenheit. Dies alles kann doch also nicht durch Zufall entstanden sein, auch kann nicht alles an den Einrichtungen falsch und verkehrt gewesen sein, denn auch die, welche die Anordnungen trafen waren meist durch die Schule der Massen gewandert. Hier war ein neues Gesetz der Wirtschaft entstanden! Hier liegt die Er¬ klärung, weshalb gerade ein großer Teil gebildeter und geistig hochstehender auf dem linkesten Flügel steht. Statt einzudämmen und einzulenken haben wir den Geschwindschritt der Masseuversklavung der Welt erhöht. Staat und Wirtschaft, Kapital und Industrie arbeiteten auf immer größere Zusammenballung der Menge, auf Unterdrückung des freien Mannes, da angeblich hierdurch die menschliche Entwicklung gefördert werde. Es ist der Drang nach freier Bestimmung, nach selbstgewählten und von äußerem Zwange freien Lebens, der die Welt durchbraust. Die Lohnforderungen des Augenblicks sind Nebenerscheinungen. Der freie Mann kehrt sich nicht so sehr an den Acht stundentag, und ist mit geringerem Einkommen zufrieden. Man biete einer Menge von Arbeitern und Angestellten ein freies, selbständiges, aber mühevolleres und weniger ertragreiches Dasein, und von 100 werden mindestens 80 zugreifen. Auch der neue soziale Staat hat noch nicht erkannt, daß dies die wahre Triebfeder ist, und daß die Marxsche Lehre nach dieser Richtung ausgebaut werden wuß, Alle die Versuche uach Verstaatlichung und isozialisierung, welche jetzt gemacht werden, — und mit denen man sich aufhält, statt am Aufbau zu arbeiten — Müssen nur zu neuen Scherben führen. Wenn nicht die zwingende Notwendigkeit bestände höhere Staatseinnahmen zu schaffen, sollte man mit der Zusammen¬ hang Betriebe auch im Staate besser abhauen, als noch mehr Herdenmenschen schliffen. Auch die Verhältnisse in den Beamtenräten lassen erkennen, daß hier ^ne tiefere seelische Triebfeder vorhanden ist. Firmen und Anstalten, bei denen das Verhältnis zwischen Leitung und Angestellten immer vorbildlich war, haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/63>, abgerufen am 01.09.2024.