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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Aus den deutschen Volksräten

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glaublicher Wortbruch wäre eS, jene bindende
Zusage nicht einzulösen. So bringen wir
denn unsere Erwartungen in folgender Ent¬
schließung zum Ausdruck, die ich anzunehmen
bitte:

Die gesamte deutsche Bevölkerung der
Stadt Graudenz lehnt die jetzigen Friedens-
bedingungen ab und verlangt einen Frieden
auf Grund der 14 Wilsonschcn Punkte, einen
Frieden der Selbstbestimmung und des Rechtes.
Wir erwarten mit Bestimmtheit, daß die
Negierung unter keinen Umständen die deutsche
Ostmark Preisgibt. Deutscher Vvlksrat,

Mit Begeisterung gab die Versammlung
die Zustimmung, daß diese Resolution an
die Neichsregierung, die Preußische Negierung,
die Nationalversammlung, das Abgeordneten¬
haus und die Friedensdelegation abgesandt
Wird.

Bräusend stieg das "Jak" des Einver¬
ständnisses, und lebhafter Beifall dankte dem
Redner. Dann ordnete sich der gewaltige
Zug, in den die Kapellen der Graudenzer
Truppenteile eingetreten waren. Vor dem
Gouvernementsgcbäude angekommen, begab
sich eine Deputation, bestehend aus dem
Vorsitzenden des Deutschen Volksrates, Lehrer
Fritz, ferner Direktor Thilo Kieser, Ingenieur
Wittmeyer, ArbeiterratHankuudF.an Lautsch,
zu den: Gouverneur, Exzellenz von Mala-
chowski, und trug ihm die Wünsche der
Graudenzer Einwohnerschaft vor. Aus dem
ersten Stockwerk hielt der Gouverneur so¬
dann eine Ansprache, in der er ausführte:

Ihr habt alle die schmachvollen und
schamlosen Bedingungen gelesen, die die
Entente uns, dem deutschen Volke, anzubieten
gewagt hat. Große Stücke von Deutschland,
ja die besten sollen losgerissen werden. Fünf
Millionen Deutscher sollen anderen Staaten
als Kulturdünger einverleibt, die übrigen
Arbeiter, ja Sklaven der Völker der Entente
werden. Der Preußische Ministerpräsident
hat im Namen der übrigen Bundesstaaten
erklärt: ..Lieber tot als Sklav." Das muß
unsere Parole jetzt seinl Nachdem der
Ministerpräsident Scheidemann erklärt hat,
daß einen derartigen Frieden die Negierung
nie unterschreiben würde, und nachdem das
ganze deutsche Voll gegen diesen Schmach¬
frieden protestiert hat, ist es notwendig, der

[Spaltenumbruch]

Regierung zuzurufen, daß wir alle Mann
für Mann bereit sind, alles, unser Gut und
Blut, Ehre und Leben daranzusetzen, um das
geliebte Vaterland zu retten. Wir müssen
uns vorbereiten, auf den Ruf der Regierung
zu den Waffen zu greifen! Aller Parlei-
hnder muß schwinden, wir müssen sein ein
einzig Volk von Brüdern. Jeder, der eine
Waffe tragen kann, melde sich zu den Frei¬
willigen-Verbänden, und wer nicht mehr
ganz kämpfen kann, melde sich zur Stadt¬
wehr oder zu den Reserve-Grenzschutz-Kom-
Pagnien. Und Ihr, Ihr deutschen Frauen,
Euch rufe ich zu, die Wankelmütigen aufzu¬
rütteln zum einigen Kampf gegen Deutsch¬
lands Feinde. Dem heiligen Deutschland
gilt unser Ruf. Deutschland sonst

Jubelnd wurde in das Hoch eingestimmt
und spontan erscholl der Gesang des deutschen
Liedes "Deutschland, Deutschland über alles!"
Dann bewegte sich der Zug nach dem Rat¬
haus, wo die Deputation bei dem ersten
Bürgermeister den Willen der Einwohner¬
schaft kundgab.

Auf der Nathaustreppe hieltErsterBürger-
meister Dr, Peters eine Ansprache um die
Zugteilnehmer, in der er nach einem Hin¬
weis auf die Empörung, die auch die deutsche
Bürgerschaft von Graudenz ob der uns zu¬
gemuteten schmachvollen Friedensbedingungen
ergriffen habe, das, Gelöbnis ablegte, stets
treu zur deutschen Stadt Graudenz hallen
zu wollen.

Erster Bürgermeister Dr. Peters schloß
dann seine Ansprache mit einem begeistert
aufgenommenen dreifachen Hoch auf das
deutsche Vaterland, die deutsche Provinz Wesi-
prcußen und die deutsche Slave Graudenz.
Damit schloß die gewaltige, von großem
Ernst getragene Volkskundgebung.

(Nach dem Bericht des "Geselligen".)

Uber 11 000 Proteste aus der Ostmark
sind bisher an die Reichs- bezw. Staats-
regierung gelangt. Und die Kundgebungen
gehen weiter. Zahllos sind auch die Briefe,
die von einzelnen aus dem bedrohten Ge¬
biete und von Vertretern ganz entlegener
Orte bei der deutschen Vereinigung ein¬
treffen. Sie sprechen eine erschütternde
Sprache; es ist der Ruf um Hilfe vor dem

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Aus den deutschen Volksräten

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glaublicher Wortbruch wäre eS, jene bindende
Zusage nicht einzulösen. So bringen wir
denn unsere Erwartungen in folgender Ent¬
schließung zum Ausdruck, die ich anzunehmen
bitte:

Die gesamte deutsche Bevölkerung der
Stadt Graudenz lehnt die jetzigen Friedens-
bedingungen ab und verlangt einen Frieden
auf Grund der 14 Wilsonschcn Punkte, einen
Frieden der Selbstbestimmung und des Rechtes.
Wir erwarten mit Bestimmtheit, daß die
Negierung unter keinen Umständen die deutsche
Ostmark Preisgibt. Deutscher Vvlksrat,

Mit Begeisterung gab die Versammlung
die Zustimmung, daß diese Resolution an
die Neichsregierung, die Preußische Negierung,
die Nationalversammlung, das Abgeordneten¬
haus und die Friedensdelegation abgesandt
Wird.

Bräusend stieg das „Jak" des Einver¬
ständnisses, und lebhafter Beifall dankte dem
Redner. Dann ordnete sich der gewaltige
Zug, in den die Kapellen der Graudenzer
Truppenteile eingetreten waren. Vor dem
Gouvernementsgcbäude angekommen, begab
sich eine Deputation, bestehend aus dem
Vorsitzenden des Deutschen Volksrates, Lehrer
Fritz, ferner Direktor Thilo Kieser, Ingenieur
Wittmeyer, ArbeiterratHankuudF.an Lautsch,
zu den: Gouverneur, Exzellenz von Mala-
chowski, und trug ihm die Wünsche der
Graudenzer Einwohnerschaft vor. Aus dem
ersten Stockwerk hielt der Gouverneur so¬
dann eine Ansprache, in der er ausführte:

Ihr habt alle die schmachvollen und
schamlosen Bedingungen gelesen, die die
Entente uns, dem deutschen Volke, anzubieten
gewagt hat. Große Stücke von Deutschland,
ja die besten sollen losgerissen werden. Fünf
Millionen Deutscher sollen anderen Staaten
als Kulturdünger einverleibt, die übrigen
Arbeiter, ja Sklaven der Völker der Entente
werden. Der Preußische Ministerpräsident
hat im Namen der übrigen Bundesstaaten
erklärt: ..Lieber tot als Sklav." Das muß
unsere Parole jetzt seinl Nachdem der
Ministerpräsident Scheidemann erklärt hat,
daß einen derartigen Frieden die Negierung
nie unterschreiben würde, und nachdem das
ganze deutsche Voll gegen diesen Schmach¬
frieden protestiert hat, ist es notwendig, der

[Spaltenumbruch]

Regierung zuzurufen, daß wir alle Mann
für Mann bereit sind, alles, unser Gut und
Blut, Ehre und Leben daranzusetzen, um das
geliebte Vaterland zu retten. Wir müssen
uns vorbereiten, auf den Ruf der Regierung
zu den Waffen zu greifen! Aller Parlei-
hnder muß schwinden, wir müssen sein ein
einzig Volk von Brüdern. Jeder, der eine
Waffe tragen kann, melde sich zu den Frei¬
willigen-Verbänden, und wer nicht mehr
ganz kämpfen kann, melde sich zur Stadt¬
wehr oder zu den Reserve-Grenzschutz-Kom-
Pagnien. Und Ihr, Ihr deutschen Frauen,
Euch rufe ich zu, die Wankelmütigen aufzu¬
rütteln zum einigen Kampf gegen Deutsch¬
lands Feinde. Dem heiligen Deutschland
gilt unser Ruf. Deutschland sonst

Jubelnd wurde in das Hoch eingestimmt
und spontan erscholl der Gesang des deutschen
Liedes „Deutschland, Deutschland über alles!"
Dann bewegte sich der Zug nach dem Rat¬
haus, wo die Deputation bei dem ersten
Bürgermeister den Willen der Einwohner¬
schaft kundgab.

Auf der Nathaustreppe hieltErsterBürger-
meister Dr, Peters eine Ansprache um die
Zugteilnehmer, in der er nach einem Hin¬
weis auf die Empörung, die auch die deutsche
Bürgerschaft von Graudenz ob der uns zu¬
gemuteten schmachvollen Friedensbedingungen
ergriffen habe, das, Gelöbnis ablegte, stets
treu zur deutschen Stadt Graudenz hallen
zu wollen.

Erster Bürgermeister Dr. Peters schloß
dann seine Ansprache mit einem begeistert
aufgenommenen dreifachen Hoch auf das
deutsche Vaterland, die deutsche Provinz Wesi-
prcußen und die deutsche Slave Graudenz.
Damit schloß die gewaltige, von großem
Ernst getragene Volkskundgebung.

(Nach dem Bericht des „Geselligen".)

Uber 11 000 Proteste aus der Ostmark
sind bisher an die Reichs- bezw. Staats-
regierung gelangt. Und die Kundgebungen
gehen weiter. Zahllos sind auch die Briefe,
die von einzelnen aus dem bedrohten Ge¬
biete und von Vertretern ganz entlegener
Orte bei der deutschen Vereinigung ein¬
treffen. Sie sprechen eine erschütternde
Sprache; es ist der Ruf um Hilfe vor dem

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[0521] Aus den deutschen Volksräten glaublicher Wortbruch wäre eS, jene bindende Zusage nicht einzulösen. So bringen wir denn unsere Erwartungen in folgender Ent¬ schließung zum Ausdruck, die ich anzunehmen bitte: Die gesamte deutsche Bevölkerung der Stadt Graudenz lehnt die jetzigen Friedens- bedingungen ab und verlangt einen Frieden auf Grund der 14 Wilsonschcn Punkte, einen Frieden der Selbstbestimmung und des Rechtes. Wir erwarten mit Bestimmtheit, daß die Negierung unter keinen Umständen die deutsche Ostmark Preisgibt. Deutscher Vvlksrat, Mit Begeisterung gab die Versammlung die Zustimmung, daß diese Resolution an die Neichsregierung, die Preußische Negierung, die Nationalversammlung, das Abgeordneten¬ haus und die Friedensdelegation abgesandt Wird. Bräusend stieg das „Jak" des Einver¬ ständnisses, und lebhafter Beifall dankte dem Redner. Dann ordnete sich der gewaltige Zug, in den die Kapellen der Graudenzer Truppenteile eingetreten waren. Vor dem Gouvernementsgcbäude angekommen, begab sich eine Deputation, bestehend aus dem Vorsitzenden des Deutschen Volksrates, Lehrer Fritz, ferner Direktor Thilo Kieser, Ingenieur Wittmeyer, ArbeiterratHankuudF.an Lautsch, zu den: Gouverneur, Exzellenz von Mala- chowski, und trug ihm die Wünsche der Graudenzer Einwohnerschaft vor. Aus dem ersten Stockwerk hielt der Gouverneur so¬ dann eine Ansprache, in der er ausführte: Ihr habt alle die schmachvollen und schamlosen Bedingungen gelesen, die die Entente uns, dem deutschen Volke, anzubieten gewagt hat. Große Stücke von Deutschland, ja die besten sollen losgerissen werden. Fünf Millionen Deutscher sollen anderen Staaten als Kulturdünger einverleibt, die übrigen Arbeiter, ja Sklaven der Völker der Entente werden. Der Preußische Ministerpräsident hat im Namen der übrigen Bundesstaaten erklärt: ..Lieber tot als Sklav." Das muß unsere Parole jetzt seinl Nachdem der Ministerpräsident Scheidemann erklärt hat, daß einen derartigen Frieden die Negierung nie unterschreiben würde, und nachdem das ganze deutsche Voll gegen diesen Schmach¬ frieden protestiert hat, ist es notwendig, der Regierung zuzurufen, daß wir alle Mann für Mann bereit sind, alles, unser Gut und Blut, Ehre und Leben daranzusetzen, um das geliebte Vaterland zu retten. Wir müssen uns vorbereiten, auf den Ruf der Regierung zu den Waffen zu greifen! Aller Parlei- hnder muß schwinden, wir müssen sein ein einzig Volk von Brüdern. Jeder, der eine Waffe tragen kann, melde sich zu den Frei¬ willigen-Verbänden, und wer nicht mehr ganz kämpfen kann, melde sich zur Stadt¬ wehr oder zu den Reserve-Grenzschutz-Kom- Pagnien. Und Ihr, Ihr deutschen Frauen, Euch rufe ich zu, die Wankelmütigen aufzu¬ rütteln zum einigen Kampf gegen Deutsch¬ lands Feinde. Dem heiligen Deutschland gilt unser Ruf. Deutschland sonst Jubelnd wurde in das Hoch eingestimmt und spontan erscholl der Gesang des deutschen Liedes „Deutschland, Deutschland über alles!" Dann bewegte sich der Zug nach dem Rat¬ haus, wo die Deputation bei dem ersten Bürgermeister den Willen der Einwohner¬ schaft kundgab. Auf der Nathaustreppe hieltErsterBürger- meister Dr, Peters eine Ansprache um die Zugteilnehmer, in der er nach einem Hin¬ weis auf die Empörung, die auch die deutsche Bürgerschaft von Graudenz ob der uns zu¬ gemuteten schmachvollen Friedensbedingungen ergriffen habe, das, Gelöbnis ablegte, stets treu zur deutschen Stadt Graudenz hallen zu wollen. Erster Bürgermeister Dr. Peters schloß dann seine Ansprache mit einem begeistert aufgenommenen dreifachen Hoch auf das deutsche Vaterland, die deutsche Provinz Wesi- prcußen und die deutsche Slave Graudenz. Damit schloß die gewaltige, von großem Ernst getragene Volkskundgebung. (Nach dem Bericht des „Geselligen".) Uber 11 000 Proteste aus der Ostmark sind bisher an die Reichs- bezw. Staats- regierung gelangt. Und die Kundgebungen gehen weiter. Zahllos sind auch die Briefe, die von einzelnen aus dem bedrohten Ge¬ biete und von Vertretern ganz entlegener Orte bei der deutschen Vereinigung ein¬ treffen. Sie sprechen eine erschütternde Sprache; es ist der Ruf um Hilfe vor dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/521>, abgerufen am 27.07.2024.