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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

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dieses Vertrages gingen wir jedenfalls davon
aus, daß es sich nur um freien Durchzug für
alliierte Truppen handeln könne, nicht aber
um Polnische. Die deutsche Regierung hat
sich nicht verpflichtet, freien Zugang für eine
Polnische Armee über Danzig durch West-
Preußen zu geben. In dieser Auffassung
sieht die deutsche Regierung sich bestärkt durch
die bekannten Vorkommnisse bei der Ge¬
währung freien Geleits für den polnischen
Ministerpräsidenten Paderewski, Herr Padc-
rewski hat unter grober Verletzung der ge¬
währten Gastfreundschaft auf deutschem Boden
in Posen das Zeichen zum Aufruhr und
Bürgerkrieg gegeben. Bei seiner Anwesenheit
in Danzig im Dezember 1918 sagte er:

"Wenn die Polnischen Divisionen aus
Frankreich und Italien erst einmal in
Danzig sind, so werden Danzig und ganz
Westpreußen Polnisch werden."

In der gesamten Polnischen Öffentlichkeit
wird auch die Armee Hnllor als polnische
Armee bezeichnet. Seit dem Abschluß deS
Waffenstillstandes vom 11. November 1913
hat sich zudem die Gesamtlage in Posen,
Westpreußen und Danzig völlig verändert.
Es würde nach den bekannten Vorgängen in
Posen durch eine Landung polnischer Truppen
in Danzig die Ordnung in Westpreußen aufs
schwerste gefährdet werden. Niemand kann
die Verantwortung übernehmen, daß die
polnische Minderheit in Westpreußen ruhig
bleibt, wenn die Armee Haller in Danzig
landet. Nach den der deutschen Negierung
täglich zugehenden zahlreichen Kundgebungen
der deutschen Mehrheit in Westpreußen muß
aber auch damit gerechnet werden, daß
die deutsche Mehrheit gegenüber Polnischen
Angrissen gewaltsamen Widerstand leisten
wird. Heute herrscht in diesen Gebieten
Ruhe und Sicherheit, wenn aber die ge¬
forderte Landung nach dem heutigen Stand
der Dinge zum blutigen Kampf in diesen
Gebieten führt, so wird außerdem die deutsche
Ostfront gegen den russischen Bolschewismus
gefährdet. Die geringen deutschen Kräfte,
welche die Sowjettruppen zurückhalten, Hütten
dann im Rücken gleichfalls den Feind und
würden zwischen zwei Feuer geraten. Dein
Bolschewismus ist dann der Weg nach West¬
preußen und Polen frei. Die deutsche Re¬

[Spaltenumbruch]

gierung kann nach eingehender Prüfung eine
Matznahme nicht verantworten, die ohne
Schaffung ausreichender Garantien den
Bürgerkrieg im eigenen Land hervorrufen
muß. Dagegen ist die deutsche Negierung
nach wie vor bereit, die Landung der Armee
Haller in Stettin, Königsberg, Memel oder
Libau mit allen Mitteln zu erleichtern und
dadurch die Absicht der Alliierten, die Ord¬
nung in Polen aufrecht zu erhalten, mit
allen Kräften zu unterstützen. Die deutsche
Negierung erklärt sich ausdrücklich bereit, alle
Einrichtungen für die rascheste Landung
und die Durchreise der Armee Haller nach
Polen zu gewährleisten. Diese Wege führen
auch eisenbahntechnisch schneller und ohne
jede Störung der Lebensmittelzufuhr nach
Polen zum Ziele. Um die in der Note von
Marschall Fons gewünschten Vollmachten zur
Regelung der Art und Weise der Ausführung
der Landung auf Grund gegenseitigen Über¬
einkommens erteilen zu können, ersucht die
deutsche Regierung um alsbaldige Mitteilung
über folgende Punkte:

1. Zusammensetzung der Armee des Ge¬
nerals Haller und Stärke derselben.

2. Zeitpunkt der Landung der Armee
Haller.

Z. Angabe der Zeitdauer' der Durch-
beförderung der Armee Haller bis nach Polen-

4. Welche Gewähr könnten die alliierten
und assoziierten Mächte dafür bieten, daß
nicht die Armee des Generals Haller oder
ein Teil derselben sich an politischen Kund¬
gebungen oder an etwaigen Aufständen der
Polnischen Minderheit nach dein Vorgang bei
der Anwesenheit des Polnischen Minister¬
präsidenten Paderewski in Posen beteiligt
oder solche mit Sicherheit zu erwartenden
bedauerlichen Ereignisse hervorruft?

gez. Reichsminisier Erzberger.

Unterdessen war an die deutsche Reichs-
regierung eine Ausforderung gelangt, eine"
Bevollmächtigten zu Persönlichen Verhand¬
lungen über die Streitfrage nach Spaa zu
entsenden. Von der deutschen Regierung
wurde der Neichsminister Erzberger bevoll¬
mächtigt.

Neichsminister Erzberger traf am 2. Apr^
gegen 6 Uhr nachmittags in Spaa ein.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

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dieses Vertrages gingen wir jedenfalls davon
aus, daß es sich nur um freien Durchzug für
alliierte Truppen handeln könne, nicht aber
um Polnische. Die deutsche Regierung hat
sich nicht verpflichtet, freien Zugang für eine
Polnische Armee über Danzig durch West-
Preußen zu geben. In dieser Auffassung
sieht die deutsche Regierung sich bestärkt durch
die bekannten Vorkommnisse bei der Ge¬
währung freien Geleits für den polnischen
Ministerpräsidenten Paderewski, Herr Padc-
rewski hat unter grober Verletzung der ge¬
währten Gastfreundschaft auf deutschem Boden
in Posen das Zeichen zum Aufruhr und
Bürgerkrieg gegeben. Bei seiner Anwesenheit
in Danzig im Dezember 1918 sagte er:

„Wenn die Polnischen Divisionen aus
Frankreich und Italien erst einmal in
Danzig sind, so werden Danzig und ganz
Westpreußen Polnisch werden."

In der gesamten Polnischen Öffentlichkeit
wird auch die Armee Hnllor als polnische
Armee bezeichnet. Seit dem Abschluß deS
Waffenstillstandes vom 11. November 1913
hat sich zudem die Gesamtlage in Posen,
Westpreußen und Danzig völlig verändert.
Es würde nach den bekannten Vorgängen in
Posen durch eine Landung polnischer Truppen
in Danzig die Ordnung in Westpreußen aufs
schwerste gefährdet werden. Niemand kann
die Verantwortung übernehmen, daß die
polnische Minderheit in Westpreußen ruhig
bleibt, wenn die Armee Haller in Danzig
landet. Nach den der deutschen Negierung
täglich zugehenden zahlreichen Kundgebungen
der deutschen Mehrheit in Westpreußen muß
aber auch damit gerechnet werden, daß
die deutsche Mehrheit gegenüber Polnischen
Angrissen gewaltsamen Widerstand leisten
wird. Heute herrscht in diesen Gebieten
Ruhe und Sicherheit, wenn aber die ge¬
forderte Landung nach dem heutigen Stand
der Dinge zum blutigen Kampf in diesen
Gebieten führt, so wird außerdem die deutsche
Ostfront gegen den russischen Bolschewismus
gefährdet. Die geringen deutschen Kräfte,
welche die Sowjettruppen zurückhalten, Hütten
dann im Rücken gleichfalls den Feind und
würden zwischen zwei Feuer geraten. Dein
Bolschewismus ist dann der Weg nach West¬
preußen und Polen frei. Die deutsche Re¬

[Spaltenumbruch]

gierung kann nach eingehender Prüfung eine
Matznahme nicht verantworten, die ohne
Schaffung ausreichender Garantien den
Bürgerkrieg im eigenen Land hervorrufen
muß. Dagegen ist die deutsche Negierung
nach wie vor bereit, die Landung der Armee
Haller in Stettin, Königsberg, Memel oder
Libau mit allen Mitteln zu erleichtern und
dadurch die Absicht der Alliierten, die Ord¬
nung in Polen aufrecht zu erhalten, mit
allen Kräften zu unterstützen. Die deutsche
Negierung erklärt sich ausdrücklich bereit, alle
Einrichtungen für die rascheste Landung
und die Durchreise der Armee Haller nach
Polen zu gewährleisten. Diese Wege führen
auch eisenbahntechnisch schneller und ohne
jede Störung der Lebensmittelzufuhr nach
Polen zum Ziele. Um die in der Note von
Marschall Fons gewünschten Vollmachten zur
Regelung der Art und Weise der Ausführung
der Landung auf Grund gegenseitigen Über¬
einkommens erteilen zu können, ersucht die
deutsche Regierung um alsbaldige Mitteilung
über folgende Punkte:

1. Zusammensetzung der Armee des Ge¬
nerals Haller und Stärke derselben.

2. Zeitpunkt der Landung der Armee
Haller.

Z. Angabe der Zeitdauer' der Durch-
beförderung der Armee Haller bis nach Polen-

4. Welche Gewähr könnten die alliierten
und assoziierten Mächte dafür bieten, daß
nicht die Armee des Generals Haller oder
ein Teil derselben sich an politischen Kund¬
gebungen oder an etwaigen Aufständen der
Polnischen Minderheit nach dein Vorgang bei
der Anwesenheit des Polnischen Minister¬
präsidenten Paderewski in Posen beteiligt
oder solche mit Sicherheit zu erwartenden
bedauerlichen Ereignisse hervorruft?

gez. Reichsminisier Erzberger.

Unterdessen war an die deutsche Reichs-
regierung eine Ausforderung gelangt, eine»
Bevollmächtigten zu Persönlichen Verhand¬
lungen über die Streitfrage nach Spaa zu
entsenden. Von der deutschen Regierung
wurde der Neichsminister Erzberger bevoll¬
mächtigt.

Neichsminister Erzberger traf am 2. Apr^
gegen 6 Uhr nachmittags in Spaa ein.

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[0426] Materialien zur ostdeutschen Frage dieses Vertrages gingen wir jedenfalls davon aus, daß es sich nur um freien Durchzug für alliierte Truppen handeln könne, nicht aber um Polnische. Die deutsche Regierung hat sich nicht verpflichtet, freien Zugang für eine Polnische Armee über Danzig durch West- Preußen zu geben. In dieser Auffassung sieht die deutsche Regierung sich bestärkt durch die bekannten Vorkommnisse bei der Ge¬ währung freien Geleits für den polnischen Ministerpräsidenten Paderewski, Herr Padc- rewski hat unter grober Verletzung der ge¬ währten Gastfreundschaft auf deutschem Boden in Posen das Zeichen zum Aufruhr und Bürgerkrieg gegeben. Bei seiner Anwesenheit in Danzig im Dezember 1918 sagte er: „Wenn die Polnischen Divisionen aus Frankreich und Italien erst einmal in Danzig sind, so werden Danzig und ganz Westpreußen Polnisch werden." In der gesamten Polnischen Öffentlichkeit wird auch die Armee Hnllor als polnische Armee bezeichnet. Seit dem Abschluß deS Waffenstillstandes vom 11. November 1913 hat sich zudem die Gesamtlage in Posen, Westpreußen und Danzig völlig verändert. Es würde nach den bekannten Vorgängen in Posen durch eine Landung polnischer Truppen in Danzig die Ordnung in Westpreußen aufs schwerste gefährdet werden. Niemand kann die Verantwortung übernehmen, daß die polnische Minderheit in Westpreußen ruhig bleibt, wenn die Armee Haller in Danzig landet. Nach den der deutschen Negierung täglich zugehenden zahlreichen Kundgebungen der deutschen Mehrheit in Westpreußen muß aber auch damit gerechnet werden, daß die deutsche Mehrheit gegenüber Polnischen Angrissen gewaltsamen Widerstand leisten wird. Heute herrscht in diesen Gebieten Ruhe und Sicherheit, wenn aber die ge¬ forderte Landung nach dem heutigen Stand der Dinge zum blutigen Kampf in diesen Gebieten führt, so wird außerdem die deutsche Ostfront gegen den russischen Bolschewismus gefährdet. Die geringen deutschen Kräfte, welche die Sowjettruppen zurückhalten, Hütten dann im Rücken gleichfalls den Feind und würden zwischen zwei Feuer geraten. Dein Bolschewismus ist dann der Weg nach West¬ preußen und Polen frei. Die deutsche Re¬ gierung kann nach eingehender Prüfung eine Matznahme nicht verantworten, die ohne Schaffung ausreichender Garantien den Bürgerkrieg im eigenen Land hervorrufen muß. Dagegen ist die deutsche Negierung nach wie vor bereit, die Landung der Armee Haller in Stettin, Königsberg, Memel oder Libau mit allen Mitteln zu erleichtern und dadurch die Absicht der Alliierten, die Ord¬ nung in Polen aufrecht zu erhalten, mit allen Kräften zu unterstützen. Die deutsche Negierung erklärt sich ausdrücklich bereit, alle Einrichtungen für die rascheste Landung und die Durchreise der Armee Haller nach Polen zu gewährleisten. Diese Wege führen auch eisenbahntechnisch schneller und ohne jede Störung der Lebensmittelzufuhr nach Polen zum Ziele. Um die in der Note von Marschall Fons gewünschten Vollmachten zur Regelung der Art und Weise der Ausführung der Landung auf Grund gegenseitigen Über¬ einkommens erteilen zu können, ersucht die deutsche Regierung um alsbaldige Mitteilung über folgende Punkte: 1. Zusammensetzung der Armee des Ge¬ nerals Haller und Stärke derselben. 2. Zeitpunkt der Landung der Armee Haller. Z. Angabe der Zeitdauer' der Durch- beförderung der Armee Haller bis nach Polen- 4. Welche Gewähr könnten die alliierten und assoziierten Mächte dafür bieten, daß nicht die Armee des Generals Haller oder ein Teil derselben sich an politischen Kund¬ gebungen oder an etwaigen Aufständen der Polnischen Minderheit nach dein Vorgang bei der Anwesenheit des Polnischen Minister¬ präsidenten Paderewski in Posen beteiligt oder solche mit Sicherheit zu erwartenden bedauerlichen Ereignisse hervorruft? gez. Reichsminisier Erzberger. Unterdessen war an die deutsche Reichs- regierung eine Ausforderung gelangt, eine» Bevollmächtigten zu Persönlichen Verhand¬ lungen über die Streitfrage nach Spaa zu entsenden. Von der deutschen Regierung wurde der Neichsminister Erzberger bevoll¬ mächtigt. Neichsminister Erzberger traf am 2. Apr^ gegen 6 Uhr nachmittags in Spaa ein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/426>, abgerufen am 18.12.2024.