Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage "Durch das ganze von mir dargelegte Programm läuft ein in die Augen Materialien zur ostdeutschen Frage Die zahlenmäßige Stärke der deutschen Bevölkerung in Posen und Westpreußen Den folgenden Ausführungen sind die Ergebnisse der Volkszählung von 1910 Materialien zur ostdeutschen Frage „Durch das ganze von mir dargelegte Programm läuft ein in die Augen Materialien zur ostdeutschen Frage Die zahlenmäßige Stärke der deutschen Bevölkerung in Posen und Westpreußen Den folgenden Ausführungen sind die Ergebnisse der Volkszählung von 1910 <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335814"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1962"> „Durch das ganze von mir dargelegte Programm läuft ein in die Augen<lb/> springender Grundsatz. Es ist der Grundsatz der Gerechtigkeit gegen alle Völker<lb/> und Nationalitäten und gegenüber ihrem Recht, unter den gleichen Bedingungen<lb/> der Freiheit und Sicherheit miteinander zu leben, seien sie stark oder schwach.<lb/> Wenn dieser Grundsatz nicht die Unterlage bildet kann kein Bau des inter><lb/> ,<lb/> Wilson, am 3. Januar 1918. nationalen Rechtes bestehen." </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Materialien zur ostdeutschen Frage</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> Die zahlenmäßige Stärke der deutschen Bevölkerung<lb/> in Posen und Westpreußen</head><lb/> <p xml:id="ID_1963" next="#ID_1964"> Den folgenden Ausführungen sind die Ergebnisse der Volkszählung von 1910<lb/> zugrunde gelegt. Die preußische Nationalitülenstatistik ist von den Polen vielfach<lb/> angefochten worden, zuletzt von I. Frejlich, I^a Ltruetui e nationale nie la poloZiiL,<lb/> l»eucliäte! 1918. Die Vorwürfe lassen sich in der Hauptsache in drei Punkte<lb/> zusammenfassen. Zunächst sei es nicht berechtigt, die Kaschuben — von den<lb/> Masuren sehen wir hier ab — als besonderen Volksstcunm zu zählen. Aber auch<lb/> Frejlich kann nicht bestrebten, daß vom philologischen Standpunkte das Kaschubische<lb/> allerdings als besonderes Idiom betrachtet werden kann; man ist deshalb auch<lb/> berechtigt, es gesondert statistisch zu erfassen. Politisch ist es allerdings schwer,<lb/> Polen und Kaschuben voneinander zu scheiden; eine langjährige politische Beein¬<lb/> flussung, die Gemeinsamkeit der Konfession (auch die Kaschuben sind römisch¬<lb/> katholisch), die polnische Kirchensprache hat die dialektischen Unterschiede überbrückt<lb/> und die Kaschuben größtenteils politisch, an die Seite der Polen geführt. Immerhin<lb/> ist es wichtig zu betonen, daß lediglich das Kaschubische in den Kreisen Putzig<lb/> und Neustadt an die Küste stößt, daß die polnische Sprache aber nirgends die<lb/> See erreicht. Dabei sind die Kaschuben das ärmlichste und rückständigste Be-<lb/> völkcrungselement in ganz Posen und Westpreußen; und der Umstand, daß dieser<lb/> zurückgebliebene Vvlrsstamm bei dem entlegenen Putzig auf 50 Kilometer Länge<lb/> ans Meer grenzt, reicht jedenfalls nicht aus, politische Ansprüche auf die im<lb/> übrigen rein deutsche Meeresküste zu begründen. Da es aber, wie gesagt, politisch<lb/> schwer ist, Polen und Kaschuben zu sondern, sind die Kaschuben im Folgenden<lb/> stets ausnahmslos den Polen zugezählt. Damit ist zugleich in einem der wesent¬<lb/> lichsten Punkte der zweite Vorwurf beseitigt, der gegen die preußische Nationaliiäten-<lb/> statistik erhoben wird: nämlich, daß die Zählung durch politische Einflüsse gefälscht<lb/> werde. Frejlich geht so weit, zu behaupten, die Zahlen der preußischen Natio¬<lb/> nalitätenstatistik seien „absolut falsch". Den Beweis dafür tritt er aber nicht an;<lb/> er würde ihm auch nicht gelingen; im Gegenteil, wir werden sehen, daß alle<lb/> Parnllelzahlen die Richtigkeit der deutschen Volkszählung bestätigen. Frejlich<lb/> beschränkt sich darauf, zu wiederholen, was schon vor dem Kriege von deutscher<lb/> Seite, von Professor L. Bernhard (im Vorwort zu dem Buche: Die Polen in<lb/> Oberschlesien, Berlin 1914) ausgesprochen ist, daß politische Einflüsse das Z chlungs-<lb/> ergelmis färben können, indem der einzelne Zähler nach seinem subjektiven<lb/> Ermessen die Eintragungen aus der Zählkarte zu beeinflussen oder nbuländern<lb/> sucht. Nun ist die Zählung aber eine „Selbstzählung" der Bevölkerung, und die<lb/> Bevölkerung wird auch nachdrücklich darauf hingewiesen. So heißt es z. B. auf<lb/> dem Umschlag deS Zählbriefes, den die HanLhaltungsvorstiinde vor der Zahlung<lb/> erhalten: „die Zählpapiere sind möglichst stets vom Haushallsvorstande selbst aus¬<lb/> zufüllen." Und der Minister des Innern sagt in der Anweisung für die Behörden:<lb/> „Als oberster Grundsatz gilt, die Haushaltsvorstände zu verpflichten, die über die</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0402]
Materialien zur ostdeutschen Frage
„Durch das ganze von mir dargelegte Programm läuft ein in die Augen
springender Grundsatz. Es ist der Grundsatz der Gerechtigkeit gegen alle Völker
und Nationalitäten und gegenüber ihrem Recht, unter den gleichen Bedingungen
der Freiheit und Sicherheit miteinander zu leben, seien sie stark oder schwach.
Wenn dieser Grundsatz nicht die Unterlage bildet kann kein Bau des inter>
,
Wilson, am 3. Januar 1918. nationalen Rechtes bestehen."
Materialien zur ostdeutschen Frage
Die zahlenmäßige Stärke der deutschen Bevölkerung
in Posen und Westpreußen
Den folgenden Ausführungen sind die Ergebnisse der Volkszählung von 1910
zugrunde gelegt. Die preußische Nationalitülenstatistik ist von den Polen vielfach
angefochten worden, zuletzt von I. Frejlich, I^a Ltruetui e nationale nie la poloZiiL,
l»eucliäte! 1918. Die Vorwürfe lassen sich in der Hauptsache in drei Punkte
zusammenfassen. Zunächst sei es nicht berechtigt, die Kaschuben — von den
Masuren sehen wir hier ab — als besonderen Volksstcunm zu zählen. Aber auch
Frejlich kann nicht bestrebten, daß vom philologischen Standpunkte das Kaschubische
allerdings als besonderes Idiom betrachtet werden kann; man ist deshalb auch
berechtigt, es gesondert statistisch zu erfassen. Politisch ist es allerdings schwer,
Polen und Kaschuben voneinander zu scheiden; eine langjährige politische Beein¬
flussung, die Gemeinsamkeit der Konfession (auch die Kaschuben sind römisch¬
katholisch), die polnische Kirchensprache hat die dialektischen Unterschiede überbrückt
und die Kaschuben größtenteils politisch, an die Seite der Polen geführt. Immerhin
ist es wichtig zu betonen, daß lediglich das Kaschubische in den Kreisen Putzig
und Neustadt an die Küste stößt, daß die polnische Sprache aber nirgends die
See erreicht. Dabei sind die Kaschuben das ärmlichste und rückständigste Be-
völkcrungselement in ganz Posen und Westpreußen; und der Umstand, daß dieser
zurückgebliebene Vvlrsstamm bei dem entlegenen Putzig auf 50 Kilometer Länge
ans Meer grenzt, reicht jedenfalls nicht aus, politische Ansprüche auf die im
übrigen rein deutsche Meeresküste zu begründen. Da es aber, wie gesagt, politisch
schwer ist, Polen und Kaschuben zu sondern, sind die Kaschuben im Folgenden
stets ausnahmslos den Polen zugezählt. Damit ist zugleich in einem der wesent¬
lichsten Punkte der zweite Vorwurf beseitigt, der gegen die preußische Nationaliiäten-
statistik erhoben wird: nämlich, daß die Zählung durch politische Einflüsse gefälscht
werde. Frejlich geht so weit, zu behaupten, die Zahlen der preußischen Natio¬
nalitätenstatistik seien „absolut falsch". Den Beweis dafür tritt er aber nicht an;
er würde ihm auch nicht gelingen; im Gegenteil, wir werden sehen, daß alle
Parnllelzahlen die Richtigkeit der deutschen Volkszählung bestätigen. Frejlich
beschränkt sich darauf, zu wiederholen, was schon vor dem Kriege von deutscher
Seite, von Professor L. Bernhard (im Vorwort zu dem Buche: Die Polen in
Oberschlesien, Berlin 1914) ausgesprochen ist, daß politische Einflüsse das Z chlungs-
ergelmis färben können, indem der einzelne Zähler nach seinem subjektiven
Ermessen die Eintragungen aus der Zählkarte zu beeinflussen oder nbuländern
sucht. Nun ist die Zählung aber eine „Selbstzählung" der Bevölkerung, und die
Bevölkerung wird auch nachdrücklich darauf hingewiesen. So heißt es z. B. auf
dem Umschlag deS Zählbriefes, den die HanLhaltungsvorstiinde vor der Zahlung
erhalten: „die Zählpapiere sind möglichst stets vom Haushallsvorstande selbst aus¬
zufüllen." Und der Minister des Innern sagt in der Anweisung für die Behörden:
„Als oberster Grundsatz gilt, die Haushaltsvorstände zu verpflichten, die über die
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