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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Osten suchte, in Abhängigkeit von der betreffenden Macht geriet, aber die Gefahr
der Isolierung war doch noch größer. Und wenn man gegen das Bündnis mit
England die Gefahr des kriegerischen Zusammenstoßes mit Nußland angeführt
hat, 5) so hat uns die Erfahrung gezeigt, daß unsere Politik der "freien Hand" die
Kriegsgefahr erst recht yeraufboschworeu hat. Den Grund für den verhängnis¬
vollen Entschluß, jede Bindung England oder Rußland gegenüber abzulehnen, er¬
blickt Hammann darin, daß der einflußreichste Mann des Auswärtigen Amtes,
Geheimrat Holstein, in der von Bismarck als Wahnsinn bezeichneten Vorstellung
lebte, der Antagonismus zwischen diesen beiden Mächten sei eine unabänderliche
Tatsache.") Der Irrglaube Holsteins ist umso unverständlicher, als der englisch--
Ministerpräsident Salisbnrh bereits in seinen Reden vom 15. August und
19. November 1896 den Nüssen Konstantinopel -angeboten und als Ch-amberlain
im Januar 1901 ganz offen erklärt hat, England werde, wenn sich der Anschluß
an bey Dreibund als unmöglich erweise, ein Zusammengehen mit dem Zwei¬
bund, selbst uuter schweren Opfern, ins Auge fasten müssen.") Statt in Bünd¬
nissen, glaubte unsere Negierung allzu einseitig in einer immer weiteren Ver¬
stärkung der Rüstung die''beste Sicherung Deutschlands zu finden; nur zu oft
mußten Wehrvorlagen die Fehler der Diplomaten ausgleichen. Das ist das Be¬
rechtigte in den Angriffen auf den Militarismus. Die Sorge für ein großes
und tüchtiges Heer war richtig; aber der Glaube, uns allein auf unser Heer ver¬
lassen und der Bundesgenossen entraten zu können, war falsch.

Entschieden 'wir uns für Aufgabe der Politik der fr-eien Hand, so lag es am
nächsten, die -englischen Bündnisangebote anzunehmen.Wenn die letzten Ver¬
handlungen über ein Bündnis auch erst in der Zeit vom Januar bis Mai 1901,
also nach den beiden deutschen Flottengesetzen vom 24. März 1893 Und 12. Juni
1900 stattfanden, -woraus man den Schluß ziehen könnte, daß unser Flottenbau
kein Hindernis der -deutsch-englischen Annäherung war, so spricht doch vieles
dafür, daß die deutsch-englische Freundschaft nur Bestand haben konnte, wenn
wir auf den Bau unserer Schlachtflotte verzichteten. Aber war dieser nicht über¬
haupt, wie Delbrück meint, ein Fehler? Unsere Flotte war gerade groß genug,
um uns die tödliche Feindschaft Englands zuzuziehen, aber nicht groß genug, mu
uns vor der Aushungerung zu bewahren. Der Grundgedanke unserer Politik,
daß zum Schutze unseres Handels ello Flotte genügen werde, welche die Feinde
aus Furcht vor allzu große" Verlusten nicht anzugreifen wagen würden, hat sich
als falsch erwiesen; wir hätten hierzu eine Flotte haben müssen, die uns ermög¬
licht hätte, den Feind anzugreifen und zu schlagen. Bülow selbst hat einmal an
>Hammann geschrieben, wenn wir bei unseren -Flottenrüstun-gen den Nachdruck
mehr auf die Defensive (Unterseeboote, Minen, Küstenbefestigungen) legen
würden, fiele der Hauptgrund der -Spannung mit England weg, und vielleicht
wäre es auch für unsere eigene militärische Sicherheit besser.") Leider ist nicht
nach diesen Worten gehandelt worden. Während Heer und Flotte Vernünftiger¬
weise im Dienste der Politik stehen müssen, stand, wie Bülow selbst zugibt, um¬
gekehrt unsere Politik im Dienste des Flottenbaues. Wie Frankreichs Beispiel
zeigt, hätte die Anlehnung an England durchaus nicht den Verzicht ans eine Fort¬
führung unserer Kolonialpolitik zu bedeuten brauchen. Auch in der Türkei wäre
eine Abgrenzung der Arbeitsgebiete möglich gewesen. Hat doch Salisbury be-







7vür>r Bülow, "Deutsche Politik", S. 37/38.
°) A. a. O. 'S. Ki/W und S. 140. -Selbst Oncken, der im übrigen die deutsche
Politik verteidigt, gibt zu, daß man diese Gegensätze "vielleicht allzulange als schwer
vereinbar einschätzte". A. a. O. S. 7V.
^) Oncken, -ni. ni. O. S> 67, Anmerkung. Ha-aucun, c>. v. O. S. 124, und ,.Der
neue Kurs", S. 191.
Vgl. Haller, "Die -auswärtige Politik des Fürsten Bülow", Süddeutsche
Monatshefte, Januar 1917. Eck-ardstein, a. -a. O.
") Vgl. Hammann, a. a. O. S. 224.

Osten suchte, in Abhängigkeit von der betreffenden Macht geriet, aber die Gefahr
der Isolierung war doch noch größer. Und wenn man gegen das Bündnis mit
England die Gefahr des kriegerischen Zusammenstoßes mit Nußland angeführt
hat, 5) so hat uns die Erfahrung gezeigt, daß unsere Politik der „freien Hand" die
Kriegsgefahr erst recht yeraufboschworeu hat. Den Grund für den verhängnis¬
vollen Entschluß, jede Bindung England oder Rußland gegenüber abzulehnen, er¬
blickt Hammann darin, daß der einflußreichste Mann des Auswärtigen Amtes,
Geheimrat Holstein, in der von Bismarck als Wahnsinn bezeichneten Vorstellung
lebte, der Antagonismus zwischen diesen beiden Mächten sei eine unabänderliche
Tatsache.") Der Irrglaube Holsteins ist umso unverständlicher, als der englisch--
Ministerpräsident Salisbnrh bereits in seinen Reden vom 15. August und
19. November 1896 den Nüssen Konstantinopel -angeboten und als Ch-amberlain
im Januar 1901 ganz offen erklärt hat, England werde, wenn sich der Anschluß
an bey Dreibund als unmöglich erweise, ein Zusammengehen mit dem Zwei¬
bund, selbst uuter schweren Opfern, ins Auge fasten müssen.") Statt in Bünd¬
nissen, glaubte unsere Negierung allzu einseitig in einer immer weiteren Ver¬
stärkung der Rüstung die''beste Sicherung Deutschlands zu finden; nur zu oft
mußten Wehrvorlagen die Fehler der Diplomaten ausgleichen. Das ist das Be¬
rechtigte in den Angriffen auf den Militarismus. Die Sorge für ein großes
und tüchtiges Heer war richtig; aber der Glaube, uns allein auf unser Heer ver¬
lassen und der Bundesgenossen entraten zu können, war falsch.

Entschieden 'wir uns für Aufgabe der Politik der fr-eien Hand, so lag es am
nächsten, die -englischen Bündnisangebote anzunehmen.Wenn die letzten Ver¬
handlungen über ein Bündnis auch erst in der Zeit vom Januar bis Mai 1901,
also nach den beiden deutschen Flottengesetzen vom 24. März 1893 Und 12. Juni
1900 stattfanden, -woraus man den Schluß ziehen könnte, daß unser Flottenbau
kein Hindernis der -deutsch-englischen Annäherung war, so spricht doch vieles
dafür, daß die deutsch-englische Freundschaft nur Bestand haben konnte, wenn
wir auf den Bau unserer Schlachtflotte verzichteten. Aber war dieser nicht über¬
haupt, wie Delbrück meint, ein Fehler? Unsere Flotte war gerade groß genug,
um uns die tödliche Feindschaft Englands zuzuziehen, aber nicht groß genug, mu
uns vor der Aushungerung zu bewahren. Der Grundgedanke unserer Politik,
daß zum Schutze unseres Handels ello Flotte genügen werde, welche die Feinde
aus Furcht vor allzu große» Verlusten nicht anzugreifen wagen würden, hat sich
als falsch erwiesen; wir hätten hierzu eine Flotte haben müssen, die uns ermög¬
licht hätte, den Feind anzugreifen und zu schlagen. Bülow selbst hat einmal an
>Hammann geschrieben, wenn wir bei unseren -Flottenrüstun-gen den Nachdruck
mehr auf die Defensive (Unterseeboote, Minen, Küstenbefestigungen) legen
würden, fiele der Hauptgrund der -Spannung mit England weg, und vielleicht
wäre es auch für unsere eigene militärische Sicherheit besser.") Leider ist nicht
nach diesen Worten gehandelt worden. Während Heer und Flotte Vernünftiger¬
weise im Dienste der Politik stehen müssen, stand, wie Bülow selbst zugibt, um¬
gekehrt unsere Politik im Dienste des Flottenbaues. Wie Frankreichs Beispiel
zeigt, hätte die Anlehnung an England durchaus nicht den Verzicht ans eine Fort¬
führung unserer Kolonialpolitik zu bedeuten brauchen. Auch in der Türkei wäre
eine Abgrenzung der Arbeitsgebiete möglich gewesen. Hat doch Salisbury be-







7vür>r Bülow, „Deutsche Politik", S. 37/38.
°) A. a. O. 'S. Ki/W und S. 140. -Selbst Oncken, der im übrigen die deutsche
Politik verteidigt, gibt zu, daß man diese Gegensätze „vielleicht allzulange als schwer
vereinbar einschätzte". A. a. O. S. 7V.
^) Oncken, -ni. ni. O. S> 67, Anmerkung. Ha-aucun, c>. v. O. S. 124, und ,.Der
neue Kurs", S. 191.
Vgl. Haller, „Die -auswärtige Politik des Fürsten Bülow", Süddeutsche
Monatshefte, Januar 1917. Eck-ardstein, a. -a. O.
") Vgl. Hammann, a. a. O. S. 224.
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[0040] Osten suchte, in Abhängigkeit von der betreffenden Macht geriet, aber die Gefahr der Isolierung war doch noch größer. Und wenn man gegen das Bündnis mit England die Gefahr des kriegerischen Zusammenstoßes mit Nußland angeführt hat, 5) so hat uns die Erfahrung gezeigt, daß unsere Politik der „freien Hand" die Kriegsgefahr erst recht yeraufboschworeu hat. Den Grund für den verhängnis¬ vollen Entschluß, jede Bindung England oder Rußland gegenüber abzulehnen, er¬ blickt Hammann darin, daß der einflußreichste Mann des Auswärtigen Amtes, Geheimrat Holstein, in der von Bismarck als Wahnsinn bezeichneten Vorstellung lebte, der Antagonismus zwischen diesen beiden Mächten sei eine unabänderliche Tatsache.") Der Irrglaube Holsteins ist umso unverständlicher, als der englisch-- Ministerpräsident Salisbnrh bereits in seinen Reden vom 15. August und 19. November 1896 den Nüssen Konstantinopel -angeboten und als Ch-amberlain im Januar 1901 ganz offen erklärt hat, England werde, wenn sich der Anschluß an bey Dreibund als unmöglich erweise, ein Zusammengehen mit dem Zwei¬ bund, selbst uuter schweren Opfern, ins Auge fasten müssen.") Statt in Bünd¬ nissen, glaubte unsere Negierung allzu einseitig in einer immer weiteren Ver¬ stärkung der Rüstung die''beste Sicherung Deutschlands zu finden; nur zu oft mußten Wehrvorlagen die Fehler der Diplomaten ausgleichen. Das ist das Be¬ rechtigte in den Angriffen auf den Militarismus. Die Sorge für ein großes und tüchtiges Heer war richtig; aber der Glaube, uns allein auf unser Heer ver¬ lassen und der Bundesgenossen entraten zu können, war falsch. Entschieden 'wir uns für Aufgabe der Politik der fr-eien Hand, so lag es am nächsten, die -englischen Bündnisangebote anzunehmen.Wenn die letzten Ver¬ handlungen über ein Bündnis auch erst in der Zeit vom Januar bis Mai 1901, also nach den beiden deutschen Flottengesetzen vom 24. März 1893 Und 12. Juni 1900 stattfanden, -woraus man den Schluß ziehen könnte, daß unser Flottenbau kein Hindernis der -deutsch-englischen Annäherung war, so spricht doch vieles dafür, daß die deutsch-englische Freundschaft nur Bestand haben konnte, wenn wir auf den Bau unserer Schlachtflotte verzichteten. Aber war dieser nicht über¬ haupt, wie Delbrück meint, ein Fehler? Unsere Flotte war gerade groß genug, um uns die tödliche Feindschaft Englands zuzuziehen, aber nicht groß genug, mu uns vor der Aushungerung zu bewahren. Der Grundgedanke unserer Politik, daß zum Schutze unseres Handels ello Flotte genügen werde, welche die Feinde aus Furcht vor allzu große» Verlusten nicht anzugreifen wagen würden, hat sich als falsch erwiesen; wir hätten hierzu eine Flotte haben müssen, die uns ermög¬ licht hätte, den Feind anzugreifen und zu schlagen. Bülow selbst hat einmal an >Hammann geschrieben, wenn wir bei unseren -Flottenrüstun-gen den Nachdruck mehr auf die Defensive (Unterseeboote, Minen, Küstenbefestigungen) legen würden, fiele der Hauptgrund der -Spannung mit England weg, und vielleicht wäre es auch für unsere eigene militärische Sicherheit besser.") Leider ist nicht nach diesen Worten gehandelt worden. Während Heer und Flotte Vernünftiger¬ weise im Dienste der Politik stehen müssen, stand, wie Bülow selbst zugibt, um¬ gekehrt unsere Politik im Dienste des Flottenbaues. Wie Frankreichs Beispiel zeigt, hätte die Anlehnung an England durchaus nicht den Verzicht ans eine Fort¬ führung unserer Kolonialpolitik zu bedeuten brauchen. Auch in der Türkei wäre eine Abgrenzung der Arbeitsgebiete möglich gewesen. Hat doch Salisbury be- 7vür>r Bülow, „Deutsche Politik", S. 37/38. °) A. a. O. 'S. Ki/W und S. 140. -Selbst Oncken, der im übrigen die deutsche Politik verteidigt, gibt zu, daß man diese Gegensätze „vielleicht allzulange als schwer vereinbar einschätzte". A. a. O. S. 7V. ^) Oncken, -ni. ni. O. S> 67, Anmerkung. Ha-aucun, c>. v. O. S. 124, und ,.Der neue Kurs", S. 191. Vgl. Haller, „Die -auswärtige Politik des Fürsten Bülow", Süddeutsche Monatshefte, Januar 1917. Eck-ardstein, a. -a. O. ") Vgl. Hammann, a. a. O. S. 224.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/40>, abgerufen am 01.09.2024.